T 0006/13 () of 17.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T000613.20150317
Datum der Entscheidung: 17 März 2015
Aktenzeichen: T 0006/13
Anmeldenummer: 01985413.2
IPC-Klasse: E04D 3/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 395 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fassade oder Dach mit einem Metallrahmenwerk und Verglasung
Name des Anmelders: SCHÜCO International KG
Name des Einsprechenden: Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 99(2)
European Patent Convention Art 108 (2007) Sent 3
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(a)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 346 113 (im Folgenden: Patent) betrifft eine Glasfassade, oder ein Glasdach, mit einem Metallrahmenwerk aus Pfosten- und Riegelprofilen.

II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt. Dieser war auf die Gründe des Artikels 100 a) EPÜ, nämlich mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, gestützt. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, den Einspruch aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückzuweisen.

III. Dagegen wendet sich die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde.

IV. Soweit abweichend von der (korrekten) Angabe der Person der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift die Beschwerdebegründung im Namen einer anderen juristischen Person eingereicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin einem entsprechenden Hinweis der Kammer folgend die fehlerhafte Angabe korrigiert.

V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 17. März 2015 statt.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Ansprüche in der erteilten Fassung

Der unabhängige Anspruch 1 ist auf den folgenden Gegenstand gerichtet (die hinzugefügte Merkmalsgliederung entspricht derjenigen, die im Einspruchsschriftsatz verwendet wurde; diese Merkmalsgliederung weicht von der Merkmalsgliederung in der angefochtenen Entscheidung ab):

Fassade oder Dach mit einem Metallrahmenwerk, dessen Rahmenfelder vorzugsweise mit Isolierglasscheiben versehbar sind, wobei

a) das Metallrahmenwerk Pfostenprofile und winklig dazu ausgerichtete Riegelprofile aufweist,

b) auf die Pfostenprofile und die Riegelprofile Aufsatzdichtungen aufgesetzt sind,

c) die Aufsatzdichtungen für die Pfostenprofile und die Riegelprofile jeweils aufweisen:

c1) mindestens eine Dichtungsbasis und mindestens einen Glasauflagebereich,

c2) im Scheibenfalz Sickerwassernuten,

d) zumindest ein Glasauflagebereich der Aufsatzdichtungen der Riegelprofile mit mindestens einer Kondensatrinne versehen ist, die einstückig an den Glasauflagebereich angeformt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

e) die Aufsatzdichtungen jeweils eine gemeinsame Trennebene zwischen der Dichtungsbasis und dem Glasauflagebereich aufweisen, so dass

e1) ein wechselseitiges Ausklinken der Aufsatzdichtungen und zumindest ein Überlappen der Glasauflagebereiche und der Sickerwassernuten der Riegelprofile auf der Dichtungsbasis der Pfostenprofile möglich ist, wobei

f) die Kondensatrinne einen Nutboden aufweist,

g) welcher mit der Trennebene fluchtet, und

h) sowohl die Kondensatrinne als auch die Sickerwassernuten mit den Glasauflagebereichen auf der Dichtungsbasis der Pfostenaufsatzdichtung aufliegen.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 18 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Fassade bzw. des Dachs gemäß Anspruch 1.

IX. Entgegenhaltungen

In ihrer Beschwerdebegründung nahm die Beschwerdeführerin auf folgende Entgegenhaltungen Bezug, die bereits in der angefochtenen Entscheidung genannt waren:

D1: US 5 356 675 A

D2: DE 197 41 468 A1

D3: DE 296 21 608 U1

D4: EP 1 020 579 A2

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Zulässigkeit der Beschwerde

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Aufgrund fehlender Identität zwischen der am Einspruchsverfahren beteiligten Einsprechenden ("Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG") und der in der mit Schriftsatz vom 4. März 2013 eingereichten Beschwerdebegründung genannten Beschwerdeführerin ("Sommer Fassadensysteme - Stahlbau - Sicherheitstechnik GmbH & Co. KG") sei die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

In der Beschwerdebegründung sei als Beschwerdeführerin irrtümlich die Firma "Sommer Fassadensysteme - Stahlbau - Sicherheitstechnik GmbH & Co. KG" angegeben und nicht die Firma "Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG", wie dies in korrekter Weise in der Beschwerdeschrift angegeben worden sei. Dabei handle sich um einen offensichtlichen Fehler und die wirkliche Absicht sei gewesen, in der Beschwerdebegründung die korrekte Beschwerdeführerin zu nennen, d. h. die Firma "Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG". Die Beschwerde sei demnach zulässig. Hilfsweise werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, um die korrekte Identität der Beschwerdeführerin klarzustellen.

b) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D2

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Glasfassade der D2 durch die Merkmale (d) und (f) bis (h). Diese lösten objektiv die Aufgabe, eine Anordnung zu schaffen, mittels derer ein an der Scheibenfläche anfallendes Kondenswasser gesammelt werden kann. Eine genaue Anleitung zur Lösung dieser Aufgabe erhielte der Fachmann aus der ihm bekannten D1. So lehre die D1, dass ein wirksames Sammeln des Kondensats gewährleistet werde, wenn bei einer Riegeldichtung mit Dichtungsbasis 42 und Glasauflagebereich 20 eine Kondensatrinne 48 vorgesehen sei, welche einstückig an den Glasauflagebereich 20 angeformt sei und einen Nutboden aufwiese, welcher mit der Trennebene zwischen Dichtungsbasis 42 und Glasauflagebereich 20 fluchte. Der Fachmann erkennte den Vorteil dieser Lehre der D1 und ersetzte den Glasauflagebereich 21 der Riegeldichtung in der Figur 2 der D2 durch den Glasauflagebereich 20 der D1, was ihn keine technischen Schwierigkeiten bereitete. So erhielte er in naheliegender Weise eine Riegel-Aufsatzdichtung, welche die Merkmalen (d), (f) und (g) des Anspruchs 1 zeigte. Die Pfostendichtung in der Figur 1 der D2 ließe er dabei unverändert. Bei der Überlappung des so geänderten Glasauflagebereichs der Riegeldichtung auf der Dichtungsbasis der Pfostendichtung erhielte der Fachmann zwangsläufig auch das verbleibende Merkmal (h). Ausgehend von der D2 gelangte der Fachmann gelangte also ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Ausgehend von der D2 bewirkten die Merkmale (d) und (f) bis (h), dass eventuell stark anfallendes Kondenswasser abgefangen und in die Sickerwassernuten der Pfostendichtung abgeleitet werde. Ausgehend von der D2 sei deshalb die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, das Abfangen und Ableiten von Kondenswasser sicherzustellen. Selbst wenn der Fachmann die Lehre der D1 heranzöge, führte sie ihn weg von der beanspruchten Lösung. Ziel der D1 sei es nämlich, Kondensat aus dem Innenraum der Riegel- und Pfostendichtungen fernzuhalten. Dies werde dort dadurch erreicht, dass das Kondenswasser aus den äußeren Kondensatrinnen 48 der Riegeldichtung in die äußere Kondensatrinne 38 der Pfostendichtung, und nicht in eine innere Sickwassernut derselben, abgeleitet werde. Bei einer Kombination der D2 mit der D1 sähe der Fachmann aufgrund dieser Lehre der D1 zwei äußere Rinnen an den Riegel- und Pfostendichtungen vor. Damit gelangte er zu einem Gegenstand, der das Merkmal (h) des Anspruchs 1 nicht aufwiese. Demnach beruhte der beanspruchte Gegenstand ausgehend von der D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

c) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D1

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der D1 durch die Merkmale (e), (e1), (g) und (h). Die damit objektiv gelöste Aufgabe ausgehend von der D1 liege darin, das von der Riegeldichtung zugeführte Kondenswasser und das von der Pfostendichtung zugeführte Sickerwasser mit reduziertem Bauaufwand abzuführen, ohne dass die Gefahr des Überlaufens des abzuführenden Wassers aus einer Rinne bestehe. Eine genaue Anleitung zur wirksamen Abführung von Wasser und Kondensat aus einer Riegeldichtung in eine Pfostendichtung erhielte der Fachmann aus der ihm bekannten D2. Angesichts dieser Anleitung ersetzte der Fachmann die Pfostendichtung der D1 durch die Pfostendichtung der D2. Auch überlappte er diese Pfostendichtung der D2 mit der Riegeldichtung der D1 im Stossbereich. So erhielte er in naheliegender Weise die fehlenden Merkmale (e), (e1), (g) und (h) und mithin den Gegenstand des Anspruchs 1. Ausgehend von der D1 gelangte der Fachmann also ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum beanspruchten Gegenstand.

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Zusätzlich zu den Merkmalen (e), (e1), (g) und (h) könne der D1 das Merkmal (d) nicht entnommen werden. Ausgehend von der D1 könne gar keine sinnvolle objektive Aufgabe formuliert werden. Die von der Beschwerdeführerin gewählte Formulierung der gestellten Aufgabe sei unzulässig, denn sie enthalte Lösungsansätze. Auch seien die in der D1 und D2 offenbarten Lösungen zur Entwässerung der Riegel- und Profildichtungen inkompatibel. Demnach beruhte der beanspruchte Gegenstand ausgehend von der D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

d) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D4

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei vor dem Hintergrund der D4 mit der D1, oder alternativ mit der D3, nicht erfinderisch, aus den in den Schriftsätzen des Einspruchsverfahrens genannten Gründen.

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Diese Angriffslinien seien unzulässig, denn der bloße Verweis auf das frühere Vorbringen der Beschwerdeführerin, selbst in Zusammenschau mit der angefochtenen Entscheidung, lasse es nicht erkennen, welche der Gründe der Entscheidung fehlerhaft sein sollen und aufgrund welcher Überlegungen dies der Fall sein solle.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Die Beschwerde ist zulässig.

1.2 Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2013 wurde "Namens und im Auftrag der Einsprechenden, Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG, Industriestrasse 1, 95182 Döhlau, Deutschland" Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt. Damit war eindeutig die die am Einspruchsverfahren beteiligte Einsprechende als Beschwerdeführerin genannt.

1.3 Mit Schriftsatz vom 4. März 2013 wurde die Beschwerdebegründung im Namen der "Sommer Fassadensysteme - Stahlbau - Sicherheitstechnik GmbH & Co. KG". eingereicht, d. h. im Namen einer anderen juristischen Person als die in der Beschwerdeschrift genannte Firma "Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG".

1.4 Wie der Vertreter der Beschwerdeführerin ausgeführt hat, war es aber zweifelsfrei seine wirkliche Absicht, die Beschwerdebegründung im Namen der in der Beschwerdeschrift genannten Firma "Sommer Metallbau-Stahlbau GmbH & Co. KG" einzulegen. Die Beschwerdebegründung kann deshalb hinsichtlich des Namens der Beschwerdeführerin dementsprechend berichtigt und damit in Einklang mit der Beschwerdeschrift gebracht werden, wie es der Vertreter implizit im Schreiben vom 17. Juli 2013 beantragte. In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist anerkannt, dass eine unrichtige Bezeichnung einer Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung berichtigungsfähig nach Regel 139 Satz 1 EPÜ ist (siehe u. a. die Entscheidung G 1/12, ABl. 2014, A114, Gründe Nr. 32 ff.).

1.5 Somit erfüllt die Beschwerdebegründung den Anforderungen des Artikels 108 Satz 3 in Verbindung mit Regel 99 (2) EPÜ an die Beschwerdebegründung.

2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D2

2.1 Die Beteiligten teilen die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die in der D2 offenbarte Glasfassade ein geeigneter Ausgangpunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist und sogar den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Auch die Kammer teilt diese Einschätzung.

2.2 Die D2 offenbart eine Glasfassade mit einem Stahlrahmenwerk aus Pfosten- und Riegelprofilen, auf welche Dichtungen aufgesetzt sind (Figuren 1 und 2). In der Figur 8 ist die Pfostendichtung gezeigt, welche untere Dichtungsteile 22, obere Dichtungsteile 21 und ein Paar von inneren Wasser- bzw. Kondensatableitkanälen mit Kanalboden 13a bzw. 13b aufweist. Die in der Figur 7 gezeigte Riegeldichtung unterscheidet sich von dieser Pfostendichtung nur darin, dass sie ein Paar von höher gelegenen Wasser- bzw. Kondensatableitkanälen mit Kanalboden 13f bzw. 13g aufweist, wobei die in Verbindung mit der Figur 7 beschriebenen Kanäle mit Boden 13a bzw. 13b durch diese Stege 13f und 13g abgedeckt und eingeschlossen sind (Spalte 3, Zeile 42). Die unteren Dichtungsteile 22, die oberen Dichtungsteile 21 und die Kanäle dieser Dichtungen verwirklichen jeweils die Dichtungsbasis, die Glasauflagebereiche und die Sickerwassernuten des Anspruchs 1. Die Pfosten- und Riegeldichtungen weisen jeweils eine gemeinsame Trennebene 23 zwischen der Dichtungsbasis und den Glasauflagebereichen auf, so dass ein wechselseitiges Ausklinken der Riegel- und Pfostendichtungen und ein Überlappen der Glasauflagebereiche 21 der Riegeldichtung auf der Dichtungsbasis 22 der Pfostendichtung im Riegel-Pfosten-Stoss möglich ist (Spalte 5, Zeilen 8 bis 50). Demzufolge weist diese Glasfassade die Merkmale (a) bis (c2), (e) und (e1) des Anspruchs 1 auf.

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dieser Glasfassade der D2 also durch die Merkmale (d) und (f) bis (h).

2.4 Diese Unterscheidungsmerkmale bewirken, dass ein auf einer Glasscheibe anfallendes Kondenswasser sicher in die Kondensatrinne der Riegeldichtung abgefangen und anschließend in die Sickerwassernuten der Pfostendichtung abgeleitet werden kann.

2.5 Ausgehend von der D2 besteht die von den Unterscheidungsmerkmalen objektiv gelöste Aufgabe demnach darin, ein sicheres Abfangen und Ableiten von einem auf der Verglasung anfallenden Kondensat zu ermöglichen.

2.6 Ein mit dieser Aufgabe befasster Fachmann gelangte, unter Berücksichtigung des vorgelegten Standes der Technik und seiner allgemeinen Fachkenntnisse, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung.

2.7 In der D2 selbst ist diese beanspruche Lösung, geschweige denn eine Kondensatrinne, weder offenbart noch angeregt. Die D2 strebt eine gezielte Entwässerung bzw. Kondensatabführung im Riegel-Pfosten-Stoss an und lehrt, dass diese dadurch erreicht wird, dass die Sickerwassernuten der Riegel- und Pfostendichtungen auf zwei unterschiedlich hohen Ebenen liegen und sich im Stossbereich überlappen, so dass das Wasser oder Kondensat von der Riegeldichtung in die Pfostendichtung abfließt (siehe Spalte 1, Zeilen 40 bis 47; Spalte 6, Zeilen 23 bis 30). Die D2 enthält keinerlei Angaben darüber, wie das Kondenswasser in die Riegeldichtung aufgesammelt bzw. abgefangen wird.

2.8 Der mit der gestellten Aufgabe befasste Fachmann hätte auch keine Veranlassung, die Lehre der D1 heranzuziehen, denn diese Druckschrift befasst sich nicht mit dieser Aufgabe, sondern mit der Beschädigung von Pfosten- und Riegelprofilen aus Holz oder Metall wenn Feuchtigkeit im Inneren der Befestigungselemente der Verglasung gelangt oder, falls dort Wärmebrücken vorhanden sind, Kondenswasser anfällt (Spalte 1, Zeile 17 bis Spalte 2, Zeile 16).

2.9 Sollte der Fachmann dennoch die Lehre der D1 berücksichtigen, erkennte er aus folgenden Gründen, dass diese mit der Lehre der D2 nicht kompatibel bzw. kombinierbar wäre:

2.9.1 Die D1 lehrt in erster Linie, dass die Gefahr der Kondenswasserbildung im Inneren der Befestigungselemente der Verglasung durch Abdichtung mittels Dichtungen sowie thermische Trennung in den Dichtungen vermieden wird (Spalte 7, Zeilen 10 bis 20). Die D1 lehrt zusätzlich, dass ein eventuell im Innenraum der Dichtungen anfallendes Kondenswasser abgeführt wird und äußere Feuchtigkeit fern vom Innenraum der Dichtungen gehalten wird, wenn einerseits die Pfosten- und Riegeldichtungen jeweils ein Paar von inneren Rinnen sowie ein Paar von außen abstehenden Rinnen 38 bzw. 48 aufweisen und andererseits im Riegel-Pfosten-Stoss die Riegeldichtung mit ihren inneren und äußeren Rinnen oberhalb einer äußeren Rinne 38 der Pfostendichtung 18 endet (siehe Figur 1). Auf diese Weise fließt die in der Riegeldichtung vorhandene Feuchtigkeit in die Rinne 38 der Pfostendichtung 18, und nicht in den Innenraum der Pfostendichtung, ab (Spalte 4, Zeile 59 bis Spalte 5, Zeile 23; Spalte 7, Zeilen 5 bis 10). Die Beteiligten sind sich einig, dass diese inneren Rinnen der Riegel- und Pfostendichtungen jeweils Sickerwassernuten im Sinne des Anspruchs 1 verwirklichen, während die äußeren Rinnen 48 der Riegeldichtung als Kondensatrinnen im Sinne des Anspruchs angesehen werden können.

2.9.2 Demzufolge liegt der Grundgedanke der D1 darin, das Wasser bzw. Kondensat aus der Riegeldichtung nur an der Außenseite der Pfostendichtung abzuführen, während der Innenraum der Pfostendichtung abgedichtet bleibt. Im Gegensatz dazu wird in der D2 das Wasser bzw. Kondensat aus der Riegeldichtung gezielt in den Innenraum der Pfostendichtung abgeleitet, der dafür nach außen hin geöffnet bleibt.

2.10 Falls der Fachmann - aus welchem Grund auch immer - die Lehre der D2 mit der Lehre der D1 kombinieren möchte, regte letztere ihn allenfalls dazu, sowohl den Glasauflagenbereich 21 der Riegeldichtung in der Figur 2 der D2 als auch die Dichtungsbasis 22 der Pfostendichtung in der Figur 1 der D2 mit einem Paar von äußeren Rinnen zu versehen und zudem die Riegel- und Pfostendichtungen im Stossbereich so anordnen, dass die Riegeldichtung oberhalb einer äußere Rinne der Pfostendichtung endet, so dass das Wasser bzw. Kondensat aus der Riegeldichtung nur in diese äußere Rinne der Pfostendichtung und nicht in dessen Innenraum abfließen kann. Auf diese Wiese erhielte der Fachmann aber nicht zwangsläufig das Merkmal (h) des Anspruchs 1, wonach die Kondensatrinne, die Sickerwassernuten und die Glasauflagebereiche 21 der Riegeldichtung auf der Dichtungsbasis 22 der Pfostendichtung aufliegen müssen.

2.11 Die Beschwerdeführerin hat anhand von Kollagen (siehe unter anderem die Kollage unten), die sie per "Copy & Paste" ausgehend von den Figuren 1 und 2 der D2 und der Figur 3 der D1 gebastelt hat, dargestellt, wie das Ergebnis einer naheliegenden Kombination der D2 mit der D1 aussähe.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Das "Basteln" von Kollagen aus den Figuren von Entgegenhaltungen mittels "Copy & Paste" oder gar Schere und Kleber ist zwar ein probates Mittel, um das Verständnis eines Einwands mangelnder erfinderischen Tätigkeit zu erleichtern. Im vorliegenden Fall sind die Kollagen aber eindeutig in Kenntnis der Erfindung und ohne eingehende Berücksichtigung der technischen Lehre der D1 erstellt worden. Aus den oben genannten Gründen führte diese Lehre nicht zwangsläufig zu der abgebildeten Lösung.

2.12 Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass ausgehend von der D2 der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhte.

3. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D1

3.1 Die D1 offenbart eine Glasfassade bzw. ein Glasdach mit einem Holz- oder Metallrahmenwerk aus Pfostenprofilen und Riegelprofilen, auf welche Aufsatzdichtungen aufgesetzt sind.

3.2 Die Beteiligten haben diese Fassade bzw. dieses Dach der D1 als einen möglichen Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen und waren sich aber darüber einig, dass die D2 einen der beanspruchten Erfindung näherliegenden Stand der Technik darstellt. Lediglich der Vollständigkeit halber wird die erfinderische Tätigkeit auch noch ausgehend von der D1 beurteilt.

3.3 Die D1 offenbart in der Figur 1: eine Pfostendichtung 18 mit zwei Glasauflagebereichen 36, zwei inneren Sickerwassernuten und zwei äußeren Kondensatrinnen 38, die einstückig an den Glasauflagebereichen 36 angeformt sind; und eine Riegeldichtung mit einer Dichtungsbasis in Form eines separaten Abstandhalters 42, zwei Glasauflagebereichen 44, zwei inneren Sickerwassernuten und zwei äußeren Kondensatrinnen 48, die einstückig an den Glasauflagebereichen 44 angeformt sind (siehe auch Punkt 2.9.1 oben). Im Riegel-Pfosten-Stoss enden sowohl die Kondensatrinnen 48 als auch die Sickerwassernuten mit den Glasauflagebereichen 44 oberhalb einer äußeren Kondensatrinne 38 der Pfostendichtung 18. Es ist jedoch nicht offenbart, dass sie dort auf der Dichtungsbasis der Pfostendichtung 18 aufliegen. Demnach unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dieser Fassade bzw. von diesem Dach der D1 durch die Merkmale (e), (e1), (g) und (h).

3.4 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, welche objektive technische Aufgabe durch diese Unterscheidungsmerkmale gelöst wird.

3.5 Für die Beschwerdeführerin soll diese Aufgabe darin liegen, das von der Riegeldichtung zugeführte Kondenswasser und das von der Pfostendichtung zugeführte Sickerwasser mit reduziertem Bauaufwand abzuführen, ohne dass die Gefahr des Überlaufens des abzuführenden Wassers aus einer Rinne bestehe. Diese Formulierung ist bei Anwendung des Aufgabe-Lösungsansatzes jedoch inkorrekt, da sie sich auf behauptete technische Wirkungen stützt, die der Fachmann weder der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung noch der D1 entnehmen kann.

3.6 Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass es keine sinnvolle objektive technische Aufgabe gebe, die sich dem Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung ausgehend von der D1 stellen würde, wird von der Kammer ebenfalls nicht geteilt.

3.7 Die Unterscheidungsmerkmale (e), (e1), (g) und (h) ermöglichen, dass bei der Montage der Riegeldichtung ihre Dichtungsbasis im Bereich dessen Ende einfach durch Ausklinken gekürzt werden kann, um die Kondensatrinnen und die Sickerwassernuten der Riegeldichtung auf die gewünschte Position gegenüber der Pfostendichtung im Stossbereich zu bringen. Die mit diesen Merkmalen gelöste Aufgabe ausgehend von der D1 kann mithin so formuliert werden, eine einfache Montage der Riegel- und Pfostendichtungen im Stossbereich zu ermöglichen.

3.8 Sollte ein mit dieser Aufgabe befasster Fachmann die Lehre der D2 heranziehen, regte diese ihn allenfalls dazu, bei der Riegeldichtung in der Figur 1 der D1 den separaten Abstandhalter 42 mit dem Glasauflagebereich 20 durch eine Abrisskante zu verbinden, so dass der Abstandhalter 42 im Stossbereich einfach durch Ausklinken entfernt werden könnte. Auf diese Weise erhielte er aber weder eine Pfostendichtung mit den Merkmalen (e) und (e1) noch das Merkmal (h).

3.9 Die Beschwerdeführerin hat anhand einer per "Copy & Paste" gebastelten Kollage aus Teilen der Figuren der D1 und der D2 ausgeführt, wie der Fachmann bei der Berücksichtigung der D2 die Riegel- und Pfostendichtungen der D1 änderte und zusammensetzte. Wie bereits unter die Punkte 2.9 bis 2.11 oben begründet wurde, führte die Lehre der D1 jedoch von der abgebildeten Lösung mit einer Entwässerung der Riegeldichtung im Innenraum der Pfostendichtung weg. Im Übrigen entspricht die abgebildete Lösung nicht einmal der beanspruchten Lösung, denn die dort gezeigte Riegeldichtung weist nicht die Merkmale (e), (e1) und (g) des Anspruchs 1 auf.

3.10 Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass ausgehend von der D1 der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhte.

4. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der D4

4.1 In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin zwei Angriffslinien zur erfinderischen Tätigkeit vorgebracht, und zwar ausgehend von der D4 in Kombination mit der D1, oder alternativ mit der D3.

4.2 In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer gerügt, dass entgegen dem Erfordernis des Artikels 12 (2) VOBK, wonach die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdeführerin enthalten muss, die Beschwerdeführerin nur pauschal auf die Begründung dieser Angriffslinien in ihren Schriftsätzen des Einspruchsverfahrens verwiesen hat, ohne auf die Beurteilung dieser Angriffslinien in der angefochtenen Entscheidung einzugehen. Auch hat die Kammer ihre vorläufige Meinung kundgetan, dass sie keinen Anlass sehe, sich mit diesen Angriffslinien zu befassen und im Übrigen auch keine Gründe, die zu diesen Angriffslinien ein Abweichen von der Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtfertigen könnten.

4.3 Die Beschwerdeführerin hat weder in ihrer Erwiderung auf diese Mitteilung der Kammer noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf diese vorläufige Meinung reagiert. Die Kammer sieht auch bei nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage daher keinen Anlass, ihre vorläufige Meinung zu ändern.

4.4 Diese weiteren Angriffslinien werden hier also nicht berücksichtigt.

5. Nach alledem stimmt die Kammer mit der Einspruchsabteilung überein, dass der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegensteht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation