T 2531/12 () of 16.5.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T253112.20180516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 2018
Aktenzeichen: T 2531/12
Anmeldenummer: 07712485.7
IPC-Klasse: G06T 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Generierung von Trackingkonfigurationen für Augmented-Reality-Anwendungen
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs
Änderungen - Hauptantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Antrag - Hilfsantrag zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 24. Juli 2012 über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 07 712 485.7, die als internationale Anmeldung WO 2008/107021 A1 veröffentlicht worden ist.

II. Die Zurückweisungsgründe waren mangelnde Klarheit (Artikel 84 EPÜ) der Ansprüche 1 und 7 gemäß dem einzigen Antrag der Anmelderin. In der Entscheidung wurde unter anderem auf das folgende Dokument Bezug genommen: D5: DE 10 2005 046 762 A1.| | |III. Die Anmelderin legte Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung aufzuheben. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie einen geänderten Anspruchssatz gemäß ihrem einzigen Antrag ein.|

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) äußerte die Kammer unter anderem ihre Bedenken, ob alle Merkmale des Anspruchs 1 ursprünglich offenbart seien (Artikel 123 (2) EPÜ). Die Kammer hielt auch die Klarheit des Patentanspruchs 1 (Artikel 84 EPÜ 1973) für fraglich.

V. Am 16. Mai 2018 fand die mündliche Verhandlung statt.

Nach Diskussion der Einwände der unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Klarheit des Anspruchs 1 teilte die Vorsitzende der Beschwerdeführerin mit, dass die Kammer zu der Auffassung gelangt sei, dass sowohl die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ als auch die des Artikels 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt seien.

Die Beschwerdeführerin reichte dann geänderte Ansprüche 1 bis 13 gemäß einem neuen Hilfsantrag ein. Es wurde die Zulassung dieses Antrags in das Beschwerdeverfahren (Artikel 13 VOBK) diskutiert.

Nach einer Beratungspause teilte die Vorsitzende der Beschwerdeführerin mit, dass der Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werde.

Die Beschwerdeführerin bestätigte folgende Schlussanträge:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem einzigen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Antrag (Hauptantrag) oder gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2018 eingereichten Hilfsantrag zu erteilen.

VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Verfahren zur Erstellung von Trackingkonfigurationen für Augmented-Reality-Anwendungen für eine aus einer Anlage bestehenden realen Umgebung, bei welchem

a) in einem ersten Speicher (10) Daten abgespeichert werden, die einer vom Betreiber generierten Stückliste aus in dieser realen Umgebung vorgesehenen Module entsprechen,

b) in einem zweiten Speicher (9) Daten abgespeichert werden, die den jeweils in den realen Umgebung vorgesehenen Modulen zugehörige Trackingdaten enthalten welche von dem Lieferanten des jeweiligen Moduls bereitgestellt werden,

c) mittels eines Trackingverfahrens (7) unter Verwendung von aus dem zweiten Speicher (9) ausgelesenen, einem ersten ausgewählten Modul (2) zugehörigen Trackingdaten in einem von einer Kamera (12) bereitgestellten Bild das erste Modul (2) lokalisiert wird,

d) bei dem mittels eines Erstellungsverfahrens (8) dem lokalisierten ersten Modul (2) zugehörige Trackingkonfigurationen ermittelt werden,

e) mittels des Trackingverfahrens (7) automatisch unter Verwendung von aus dem zweiten Speicher (9) ausgelesenen, einem weiteren ausgewählten Modul (3) zugehörigen Trackingdaten in dem von der Kamera (12) bereitgestellten Bild das weitere Modul (3) lokalisiert wird und

f) bei dem mittels des Erstellungsverfahrens (8) automatisch dem lokalisierten weiteren Modul (3) zugehörige Trackingkonfigurationen ermittelt werden."

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags in der einleitenden Passage modifiziert. Weitere Änderungen wurden in Anspruch 1 nicht vorgenommen. Die einleitende Passage des Anspruchs 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt (Zusätze sind mittels Unterstreichung und Streichungen mittels Durchstreichen markiert):

"Verfahren zur Erstellung von Trackingkonfigurationen für Augmented-Reality-Anwendungen für eine aus [deleted: einer Anlage] einem Schaltschrank bestehende[deleted: n] reale[deleted: n] Umgebung, bei welchem ..."

VIII. In der angefochtenen Entscheidung befand die Prüfungsabteilung unter anderem, dass Anspruch 1 nicht klar sei, da die in den Ansprüchen zentralen Begriffe "Trackingkonfigurationen" und "Trackingdaten" weder selbsterklärend noch gängige Fachbegriffe seien. Unter Heranziehung der Beschreibung entstünde höchstens der vage Eindruck, dass es sich bei den Trackingkonfigurationen um eine im weitesten Sinne modellhafte Beschreibung der realen Umgebung handeln könnte, eventuell um ein modulares oder zusammengesetztes Umgebungsmodell. Hinsichtlich der Trackingdaten ergäbe sich nur der vage Eindruck, dass diese Daten wohl eine Art modellhafte Beschreibung der in der Umgebung vorhandenen Modelle sein könnten. Das "Authoring von Trackingkonfigurationen" sei mit dem "Erstellen von Trackingkonfigurationen" gleichzusetzen. Der Begriff sei unklar, da er auf der Verwendung der ebenfalls unklaren Trackingdaten beruhe, nicht näher erläuterte Merkmale transformiert würden und damit ohne funktionellen Zusammenhang Trackingkonfigurationen ermittelt würden (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Abschnitte 9.1 und 9.2).

Zitate der Anmelderin aus mehreren Wikipedia-Seiten, die die Begriffe "Konfiguration", "Computer Configuration" und "Konfigurationsdatei" definierten, böten keine Klarstellung der fraglichen Begriffe, da kein Bezug zum Tracking bestünde. Das in der Anmeldung genannte Dokument D5 könne nicht als Bezugsdokument für die vorliegende Anmeldung angesehen werden, da D5 nicht am Anmeldetag der vorliegenden Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei und nicht nachweisbar sei, dass eine Kopie des Dokuments dem Amt am Anmeldetag zur Verfügung gestanden habe. Außerdem benutze D5 keinen der Begriffe wörtlich. Anstelle von Trackingdaten sei von Trackinginformationen die Rede und anstelle von Trackingkonfigurationen von Konfigurationsdaten, die in den Trackinginformationen enthalten seien (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Abschnitt 9.3)

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin können - soweit sie für diese Entscheidung von Relevanz sind - wie folgt zusammengefasst werden:

Hinsichtlich der Frage der unzulässigen Erweiterung verwies die Beschwerdeführerin auf die Beschreibung, Seite 1, Zeilen 29 bis 34, gemäß der die Erfindung die Bereiche Industrie, Medizin und Konsum betreffe. Der Fachmann würde auch durch den Bezug auf die in der Beschreibung zitierte Anmeldung D5 (siehe Seite 2, Zeilen 27 bis 29), zu dem Verständnis gelangen, dass sich die Erfindung auf "eine aus einer Anlage bestehenden realen Umgebung" im Allgemeinen und nicht nur auf einen Schaltschrank beziehe.

Hinsichtlich des Begriffs "Trackingdaten" verwies die Beschwerdeführerin auf Anspruch 1 und die Beschreibung, Seite 5, Zeilen 24 ff. und Seite 6, Zeilen 25 ff.. Aus der Beschreibung und den Ansprüchen sei klar, dass die Trackingdaten von den Lieferanten der betreffenden Module mitgeliefert würden. Sie könnten daher nur die einzelnen Module betreffen (siehe Beschwerdebegründung, Seite 3/7).

Zur Erläuterung des Begriffs "Trackingkonfiguration" zitierte die Beschwerdeführerin deutsche Wikipedia-Seiten zu den Begriffen "Konfiguration (Computer)" und "Konfigurationsdatei", und eine englischsprachige Definition zu "Computer configuration". Außerdem ergäbe sich der Begriff aus der Beschreibung, Seite 1, letzter Absatz. Die Trackingdaten bezögen sich auf "die Informationen der einzelnen Module", und die Trackingkonfiguration "auf die Informationen bezüglich der gesamten Anordnung, bestehend aus den einzelnen Modulen (so wie in Figur 1 dargestellt)" (siehe Beschwerdebegründung, Seiten 4/7 bis 5/7).

Zur Erläuterung des Begriffs "Erstellungsverfahren" verwies die Beschwerdeführerin auf Seite 6, Zeile 25 bis Seite 7, Zeile 34 der Beschreibung. Das Trackingverfahren diene der Lokalisierung von Modulen, während das Erstellungsverfahren die Informationen erzeuge, die im Trackingverfahren verwendet würden.

Die Beschwerdeführerin brachte keine Argumente zu der Frage vor, warum der erste Hilfsantrag erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde. Ihrer Ansicht nach würden die geänderten Ansprüche dieses Hilfsantrags aber den Einwand gemäß Artikel 123 (2) EPÜ ausräumen. Es wurde nicht bestritten, dass die Änderungen nicht die Einwände mangelnder Klarheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag betreffen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Generierung von Trackingkonfigurationen für Augmented-Reality-Anwendungen. Unter Verwendung des Verfahrens können einer Person über eine Datenbrille Augmentierungsinformationen in das Gesichtsfeld eingeblendet werden, so dass der Person die reale Umgebung mit den lagerichtig eingeblendeten Augmentierungsinformationen angezeigt wird (siehe Seite 1, Zeilen 6 bis 27 und Seite 6, Zeile 21 bis Seite 7, Zeile 19).

In der Anmeldung wird das Verfahren anhand eines Ausführungsbeispiels betreffend die Reparatur eines Schaltschranks erläutert. Gemäß diesem Beispiel stellt der Lieferant der Schaltschrankmodule (Tracking-)daten zu den Modulen bereit, welche Informationen über die Module, beispielsweise zu Kanten, Aussparungen und Farbflächen enthalten. Mit einer Kamera werden Bilder der realen Umgebung aufgenommen und anhand einer Stückliste der verbauten Module werden die Module nach und nach lokalisiert. Die Ergebnisse werden in eine Trackingkonfiguration umgesetzt. In einem Visualisierungsverfahren können anschließend beispielsweise dem Anwender Augmentierungsinformationen als Überlagerung der in seinem Sichtfeld befindlichen realen Umgebung dargestellt werden, die ihn durch eine die Module des Schaltschranks betreffende Reparaturanleitung führen (siehe Seite 5, Zeile 19 bis Seite 7, Zeile 19).

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ)

3. Gemäß Artikel 123 (2) EPÜ darf die europäische Patentanmeldung nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Das anwendbare Kriterium zur Beurteilung der Zulässigkeit von Änderungen der Offenbarung ist, dass Änderungen nur im Rahmen dessen erfolgen dürfen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, II.E.1.2.1).

3.1 Anspruch 1 des vorliegenden Anspruchssatzes bezieht sich auf ein Verfahren zur Erstellung von Augmented-Reality-Anwendungen "für eine aus einer Anlage bestehenden realen Umgebung".

3.2 Es ist unbestritten, dass die Beschreibung keine Textstelle enthält, der die Verwendung für eine "aus einer Anlage bestehenden realen Umgebung" explizit zu entnehmen ist. Die Anmeldung nimmt allgemein Bezug auf ein Objekt oder eine Umgebung, für die die Trackingkonfiguration erstellt werden soll, sowie beispielhaft auf einen Schaltschrank (siehe Punkt 2 oben).

3.3 Auch im allgemeinen Teil der Anmeldung ist von Modulen die Rede (siehe Seite 3, Zeile 18 bis Seite 4, Zeile 7). Da Module üblicherweise in Schaltschränken verbaut werden, kann aus diesem allgemeinen Teil nicht eindeutig und unmittelbar entnommen werden, dass das Verfahren auf eine Anlage im Allgemeinen anzuwenden ist.

3.4 Der Verweis der Beschwerdeführerin auf Seite 1, Zeilen 29 bis 34 der Beschreibung, gemäß der die Erfindung die Bereiche Industrie, Medizin und Konsum betrifft, kann nicht überzeugen, da diese Passage nur allgemein Bezug auf die Einsatzbereiche von Augmented-Reality-Anwendungen nimmt. Der Fachmann würde auch nicht durch den Bezug auf die Druckschrift D5 auf Seite 2, Zeilen 27 bis 29, zu dem Verständnis gelangen, dass sich die Erfindung auf "eine aus einer Anlage bestehenden realen Umgebung" im Allgemeinen und nicht nur auf einen Schaltschrank bezieht. Der Bezug auf das Dokument D5 erfolgt nur im üblichen Rahmen der Würdigung des Stands der Technik und nicht, wie nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, derart, dass für den Fachmann zweifelsfrei erkennbar ist, dass für die Anwendung des Verfahrens auf eine Anlage Schutz begehrt wird oder begehrt werden kann. Zudem müsste dieses Merkmal in dem gesamten Informationsgehalt des Bezugdokuments genau definiert und identifizierbar sein (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, II.E.1.1.6).

3.5 Dem fachkundigen Leser erschloss sich daher die Anwendung des Verfahrens auf eine Anlage im Allgemeinen nicht unmittelbar und eindeutig. Der Gegenstand von Anspruch 1 geht damit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der geänderte Anspruch 1 erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des Artikels 123(2) EPÜ.

Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

4. Gemäß der angefochtenen Entscheidung sind die Begriffe "Trackingkonfiguration" und "Trackingdaten" unklar. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung sind die Begriffe weder selbsterklärend noch gängige Fachbegriffe (siehe Punkt VIII oben).

4.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Begriffe im Zusammenhang der Offenbarung der Anmeldung klar seien. Dazu verwies die Beschwerdeführerin auf die Anmeldung, Seite 5, Zeilen 24 ff. und Seite 6, Zeilen 6 bis 19 und Zeilen 25 ff. sowie auf Anspruch 1.

4.2 Aus der Beschreibung und den Ansprüchen würde klar hervorgehen, dass die Trackingdaten von den Lieferanten der betreffenden Module mitgeliefert würden. Sie könnten daher nur die einzelnen Module betreffen, weshalb es für den Fachmann klar sei, dass es sich bei Trackingdaten um Moduldaten wie Breite, Höhe und Farbe der Module handelt. Laut der Beschwerdeführerin sind Trackingdaten die "Informationen der einzelnen Module".

4.3 Nach Auffassung der Kammer geben die angeführten Passagen keine klare Definition des Begriffs Trackingdaten. Es ergibt sich auch nicht aus diesen Textstellen wie beispielsweise die Trackingdaten ausgestaltet sein müssen, damit automatisch ein Trackingverfahren durchgeführt werden kann. Die Definition von Trackingdaten als "Informationen der einzelnen Module" ist vage und wenig konkret. Würde man dieser Auffassung der Beschwerdeführerin folgen, dann würden Trackingdaten beispielsweise Daten wie Herstellernamen und Produktionsdaten mitumfassen, die keinen erkennbaren Zusammenhang mit dem beanspruchten Verfahren oder einem Tracking aufweisen.

Zudem sollte die inhaltliche Bedeutung eines Anspruchs für den Fachmann schon aus dem Wortlaut des Anspruchs allein klar hervorgehen, ohne dass er den Inhalt der Beschreibung hinzuziehen muss (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, II.A.3.1).

4.4 Hinsichtlich des Begriffs Trackingkonfiguration verwies die Beschwerdeführerin zusätzlich auf Seite 1, letzter Absatz der Anmeldung. Dieser Absatz verwendet den Begriff Trackingkonfiguration, gibt aber ebenso wie die anderen genannten Passagen keine Erklärung des Begriffs.

4.5 Die Beschwerdeführerin argumentierte zudem, dass sich die Trackingkonfiguration auf "die Information bezüglich der gesamten Anordnung, bestehend aus den einzelnen Modulen", bezieht. Diese Erklärung wird ebenso wie die Definition der Trackingdaten als vage und wenig konkret angesehen. Eine Trackingkonfiguration könnte nach dieser Definition als ermittelte Pose einer Kamera verstanden werden oder auch als eine durch einen Modellierungsschritt (Erstellungsverfahren, Authoring) erstellte Szenenbeschreibung.

4.6 Zur Begriffsklärung bezog sich die Beschwerdeführerin zudem auf Dokument D5 und mehrere Wikipedia-Seiten zu dem Begriff "Konfiguration". Die Wikipedia-Seiten können zwar dazu dienen, den Begriff Konfiguration in verschiedenen Anwendungsfällen zu verdeutlichen, sie enthalten aber keine Erklärung des Begriffs "Trackingkonfiguration". D5 beschreibt Trackingverfahren als optische Nachführungsverfahren (siehe Paragraph [0005]). Als Trackingdaten ergeben sich damit beispielsweise 2D-Verschiebevektoren, was der Interpretation der Beschwerdeführerin als vorab verfügbare Moduldaten wie Breite, Höhe und Farbe der Module zuwiderläuft. Die Beschwerdeführerin argumentierte auch, dass die Trackinginformationen der Druckschrift D5 den Trackingdaten der vorliegenden Anmeldung entsprächen. Dieses Argument der Beschwerdeführerin kann schon deshalb nicht überzeugen, da es dem Argument zuwiderläuft, dass es sich um gängige Fachbegriffe handelt.

Die genannten Dokumente können daher nicht zur Klärung der Begriffe "Trackingdaten" und Trackingkonfiguration" beitragen.

4.7 Es ist zudem unklar, ob sich die Trackingkonfiguration durch das Trackingverfahren ergibt, oder durch ein davon unabhängiges Erstellungsverfahren, welches einem Authoring- oder Modellierungsschritt zu entsprechen scheint (siehe vorliegende Anmeldung, Seite 2, Zeilen 8 bis 11). Die Beschwerdeführerin erstellte während der mündlichen Verhandlung eine Zeichnung zur Erläuterung des beanspruchten Verfahrens (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung). Nach dieser Erläuterung ergibt sich die Trackingkonfiguration aus dem Trackingverfahren. Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 werden jedoch "mittels eines Erstellungsverfahrens (8) dem lokalisierten ersten Modul (2) zugehörige Trackingkonfigurationen ermittelt", d.h. die Trackingkonfiguration ergibt sich aus dem Erstellungsverfahren.

Anspruch 1 lässt zudem offen, welche Eingangsinformationen in dem Erstellungsverfahren verwendet werden, insbesondere ob Informationen aus einem Trackingverfahren herangezogen werden. Nach der Erläuterung der Beschwerdeführerin werden die Trackingdaten in dem Erstellungsverfahren verwendet. Diese Aussage wird jedoch nicht durch die Beschreibung gestützt. Auch wenn man Schritt c des Anspruchs 1 so interpretieren würde, dass im Trackingverfahren das Modul lokalisiert wird und das Resultat dem Erstellungsverfahren nach Schritt d als Eingangsdaten zugeführt wird, dann stünde dies im Widerspruch zu der in der mündlichen Verhandlung angefertigten Zeichnung zur Erläuterung des beanspruchten Verfahrens, nach der nur Konfigurationsdaten vom Trackingverfahren an das Erstellungsverfahren übergeben werden.

4.8 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist damit nicht deutlich definiert und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ 1973.

Hilfsantrag - Zulässigkeit (Artikel 13 (1),(3) VOBK)

5. Nach Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens seitens der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen, die nach der Beschwerdebegründung vorgenommen wurden. Bei der Ausübung des Ermessens hat die Kammer verschiedene Kriterien wie die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Ist schon eine mündliche Verhandlung anberaumt, wird neues Vorbringen insbesondere nicht berücksichtigt, wenn es zu einer Verlegung der mündlichen Verhandlung führen würde (Artikel 13 (3) VOBK). Gemäß Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung insbesondere nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.

In ihrer Rechtsprechung haben die Beschwerdekammern für den Fall, dass die Änderungen erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, weitere Kriterien für das Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1), (3) VOBK entwickelt. So muss zum Beispiel für die Kammer sofort und ohne größeren Ermittlungsaufwand ersichtlich sein, dass die Änderungen den bisher aufgeworfenen Fragen erfolgreich Rechnung tragen, ohne ihrerseits neue Fragen aufzuwerfen. Zudem ist es gängige Rechtsprechung, dass Ansprüche, welche offensichtlich nicht gewährbar sind, normalerweise nicht zugelassen werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, IV.E.4.2.6a).

5.1 Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag erfüllt diese Anforderungen nicht. Es ist offensichtlich, dass der Hilfsantrag zwar möglicherweise den Grund nach Artikel 123 (2) EPÜ ausräumt. Da die vorgenommenen Änderungen die Begriffe "Trackingdaten", "Trackingkonfiguration" und "Erstellungsverfahren" in Anspruch 1 nicht betreffen, bestehen jedoch die hinsichtlich des Anspruchs 1 Hauptantrags erhobenen Einwände mangelnder Klarheit (siehe Punkt 4 oben) fort. Damit war der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag offensichtlich nicht gewährbar.

5.2 Die Kammer hat daher ihr Ermessen nach Artikel 13 (1), (3) VOBK derart ausgeübt, den Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Schlussfolgerung

6. Da Anspruch 1 des Hauptantrags weder die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ noch die des Artikels 84 EPÜ 1973 erfüllt und der Hilfsantrag nicht zugelassen wurde, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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