T 2457/12 () of 5.8.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T245712.20150805
Datum der Entscheidung: 05 August 2015
Aktenzeichen: T 2457/12
Anmeldenummer: 00102020.5
IPC-Klasse: H01R 4/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbindung eines elektrischen Aluminiumkabels mit einem aus Kupfer oder dergleichen Metall bestehenden Anschlussteil
Name des Anmelders: Auto-Kabel Management GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Änderungen - zulässig (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 032 077 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 29. Juni 2012.

Es gibt keine Beschwerdegegnerin, weil die Einsprechende mit Schreiben vom 31. Mai 2012 den Einspruch zurückgezogen hat.

II. In der Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung im wesentlichen folgendes fest:

- der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags (erteilte Fassung) ist aus D1 (US 3 728 781 A) bekannt, Art. 54 (1) und (2) EPÜ;

- der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 9 gemäß Hilfsantrag 1 (eingereicht mit Telefax vom 24. Februar 2012) beruht im Hinblick auf D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Art. 56 EPÜ;

- unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß Hilfsantrag 2 (inkl. Ansprüche 1 bis 14 eingereicht mit Telefax vom 24. Februar 2012) genügen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens.

Folgende Dokumente wurden in der Entscheidung erwähnt:

D1: US 3 728 781 A

D2: DE 954 805 C

D3: DE 19 16 895 A1

D4: US 2 806 215 A

D5: DE 25 44 927 A1

D6: DIN 46 225 "Gestanzte Krallenkabelschuhe"

D7: DIN 46 228 Teil 1 "Aderendhülsen"

D8: DIN 46 211 "Gestanzte Kabelschuhe"

D9: DIN 46 234 "Kabelschuhe"

P1: Deckblatt der DE 199* 080 31 B4

P2: Deckblatt der US 6 538 203 B1

P3: "Viehweg* Handbuch Kraftfahrzeugtechnik", 2007

P4: "Fachkunde Metall", Europa Lehrmittel, 55. Auflage, 2007

P5: "Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik", Europa Lehrmittel, 28. Auflage, 2004.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 5. August 2015 statt. Nach Erörterung des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung nahm die Beschwerdeführerin ihren mit der Beschwerdebegründung gestellten Hauptantrag (Aufrechterhaltung in der erteilten Fassung) zurück und reichte Ansprüche 1 bis 15 sowie Beschreibungsseiten 2 bis 8 eines neuen Hauptantrags ein.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in folgender geänderter Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

- Nr. 1 bis 15 in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 eingereicht;

Beschreibung:

- Seiten 2 bis 8 in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 eingereicht;

Zeichnungen:

- Figuren 1 bis 8 der Patentschrift.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags lauten wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind durch Unterstreichen und Durchstreichen angegeben):

"1. Verbindung (V) eines elektrischen, aus mehreren Aluminiumdrähten (2) oder -litzen gebildeten und isolierten Aluminiumkabels (1) mit einem aus Kupfer, aus einer Kupferlegierung und/oder aus Messing [deleted: oder dergleichen Metall] bestehenden Anschlußteil (4), zum Beispiel mit einer Batterieklemme (5), einem Kabelschuh (6), einem Anschlußadapter (7), einem Steckerteil, einem Kabelstück (9) oder dergleichen, für die elektrische Anlage eines Kraftfahrzeuges, wobei die Isolierung (3) des Aluminiumkabels (1) vor der Berührstelle mit dem Anschlußteil endet oder entfernt ist und eine Stützhülse (13) vorgesehen ist, die zumindest den der endseitigen Stirnseite (12) des abisolierten Teiles des Aluminiumkabels (1) benachbarten Bereich umschließt und mit dem Ende des Aluminiumkabels (1) verpreßt und/oder darauf aufgeschrumpft ist, so daß die Drähte (2) des Aluminiumkabels (1) zumindest im Bereich der Stirnseite (12) zusammengedrückt sind, [deleted: dadurch gekennzeichnet, daß] wobei das Anschlußteil (4) mit der aus den einzelnen Drähten (2) gebildeten Stirnseite (12) des Endes des Aluminiumkabels (1) verschweißt ist".

"9. Verfahren zum Verbinden eines elektrischen Aluminiumkabels (1) mit einem aus Kupfer, aus einer Kupferlegierung und/oder aus Messing [deleted: oder dergleichen Metall] bestehenden Anschlußteil (4) nach Anspruch 1, zum Beispiel Batterieklemme (5), Kabelschuh (6), Anschlußadapter (7), Steckerteil (8), Kabel (9) oder dergleichen, für die elektrische Anlage eines Kraftfahrzeuges, wobei die Stirnseite (12) des Aluminiumkabels (1) mit der Stirnseite des Anschlußteiles (4) in Verbindung und elektrischen Kontakt gebracht und dazu das Aluminiumkabel (1) an dem Verbindungsende abisoliert, auf die abisolierte Stelle eine Stützhülse (13) aufgesteckt verpreßt oder geschrumpft und dadurch die Drähte (2) oder Litzen des Aluminiumkabels (1) zusammengedrückt werden, [deleted: dadurch gekennzeichnet, daß] wobei die einzelnen Drähte (2) oder Litzen das [sic] Aluminiumkabels (1) zusammen mit der Stützhülse (13) mit dem Anschlußteil (4) stumpf verschweißt werden".

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen, wie folgt, argumentiert.

Dem Fachmann sei bekannt, dass Korrosion in Fahrzeugen ein allgegenwärtiges Problem sei. Es sei weiter dem Fachmann z. B. aus P3, P5 oder P6 bekannt, dass die Korrosionsgefahr größer werde, wenn verschiedene Metalle mit unterschiedlichen Potentialen in Kontakt gelegt werden. Insbesondere gehe der Fachmann davon aus, dass in diesen Fällen das unedlere Metall immer zerstört bzw. abgetragen werde. Diese Gefahr sei in D4 erkannt worden. Dort werde die Verbindung zwischen einem Aluminiumkabel und einem Kupferstück, durch ein Anschlussteil hergestellt, wobei das Anschlussteil aus einem Aluminiumring und einem darauf geschweißten Kupferstück besteht. Der Aluminiumring werde auf dem Aluminiumkabel gecrimpt. Um Korrosion zu vermeiden werde das Anschlussteil von D4 verzinnt und mit einem korrosionshemmenden Gel versehen. Es bestand also einen Vorurteil gegen Aluminium-Kupfer Verbindungen ohne weitere Korrosionsschutzmassnahmen. Die Erfindung beruhe auf der überraschenden Erkenntnis, dass eine direkte Verbindung ohne Korrosionsgefahr zwischen den Aluminiumdrähten oder -litzen eines Aluminiumkabels und einem aus Kupfer oder aus einer Kupferlegierung bestehenden Anschlussteil möglich sei, wenn der Anschlussteil gemäß Anspruch 1 oder Anspruch 9 direkt mit den einzelnen Drähten oder Litzen des Aluminiumkabels verschweißt werde. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Ansprüche 1 und 9 wurden gegenüber der erteilten Fassung derart geändert, dass die Alternative gestrichen wurde, wonach der Anschlussteil aus "dergleichen Material" besteht. Diese Änderung schränkt den Schutzbereich der Ansprüche ein (Artikel 123(3) EPÜ) und zwar auf Materialien für den Anschlussteil, die klar definiert sind (Artikel 84 EPÜ), und die explizit in der ursprünglich eingereichen Anmeldung erwähnt wurden (Artikel 123(2) EPÜ).

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1 Dokument D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung einer Drahtseilanordnung mittels Reibungsschweißung (siehe Titel). Es handelt sich dabei um die Verbindung von aus Einzellitzen oder Strängen verseilten Kabeln mit Anschlussteilen (Spalte 1, Zeilen 5 und 5).

Aus der Beschreibung des Stands der Technik in D1 geht hervor, dass im Fall einer elektrischen Verbindung ein Kupferkabel mechanisch mit dem Anschlussteil verbunden wird. In den meisten Fällen sei es notwendig verhältnismäßig dicke Kupferkabel anstelle weniger teurer Aluminiumkabel oder dünnere Kupferkabel zu benutzen, da an der mechanischen Verbindungsstelle zwischen Kabel und Anschlussteil die elektrische Leitung ziemlich schlecht sei (Spalte 1, Zeilen 20 bis 27, Hervorhebung durch die Kammer). Es sei sehr schwierig, bzw. unmöglich, durch die bekannten Verfahren, das Kabel mit dem Anschlussteil zu schweißen (Spalte 1, Zeilen 28 bis 32).

Zur Lösung dieses Problems schlägt D1 ein Verfahren vor, bei dem das Kabelende fest genug gehalten werden kann, um eine Reibschweißung des Kabels mit dem Anschlussteil zu ermöglichen (Spalte 1, Zeilen 42 bis 43).

Bei dem Ausführungsbeispiel von D1 (Figuren 2 und 3) wird eine Buchse 64 an das abisolierte Ende des Kabels 66 angeschmiegt, damit die Endfläche 84 des Kabels 66 und die Fläche 76 der Buchse 64 zusammen eine gemeinsame ebene Fläche bilden (Spalte 4, Zeilen 10 bis 21). Ein Reibschweißvorgang wird dann ausgeführt, und die gemeinsame ebene Fläche der Buchse und des Kabels wird mit dem Schulterabschnitt 70 des Anschlussteils 62 zusammengeschweißt (Spalte 4, Zeilen 27 bis 31).

Aus der Beschreibung der fertigen, durch Reibschweißung hergestellte Anordnung geht hervor (siehe D1, Spalte 4, Zeilen 40 bis 47, Hervorhebung durch die Kammer), dass, aufgrund der metallurgischen Bindung zwischen dem Kabel und dem Anschlussteil und der Tatsache, dass die Materialien eine homogene Struktur bilden, das billigere Aluminiumkabel benutzt werden könne, um das teure Kupferkabel zu ersetzen, da der volle elektrische Stromfluss zwischen Kabel und Verbinder ermöglicht wird.

In Dokument D1 ist nicht erwähnt, aus welchen Materialien die Hülse 64 und das Anschlussteil 62 dann bestehen sollten.

3.2 Somit offenbart D1 eine Verbindung eines elektrischen Aluminiumkabels mit einem Anschlussteil, die von der Konstruktion her alle Merkmale des Anspruchs 1 des Patentes aufweist, und ein Verfahren zum Verbinden eines elektrischen Aluminiumskabels mit einem Anschlussteil, das vom Verfahrensablauf her alle Merkmale des Anspruchs 9 des Patentes aufweist.

3.3 Aus Dokument D1 geht nicht hervor, ein Aluminiumkabel mit einem Anschlussteil zu verbinden, das aus den in den Ansprüchen 1 und 9 erwähnten Materialien besteht, d.h. "aus Kupfer, aus einer Kupferlegierung und/oder aus Messing", weil diese nicht die einzigen bekannten Materialien für solche Anschlussteile sind. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche ist daher neu gegenüber der D1 (Artikel 54 EPÜ).

3.4 Für den von Dokument D1 ausgehenden Fachmann kann die Aufgabe darin gesehen werden, ein geeignetes Material für das Anschlussteil zu finden, wenn nach dem offenbarten Verfahren eine Verbindung mit einem Aluminiumkabel herzustellen ist.

3.5 Bei der Suche nach einem geeigneten Material könnte der Fachmann eventuell auf Dokument D4 stoßen, das Crimpverbindungen für Aluminiumkabel offenbart, die geeignet sind, mit einem Anschluss aus Kupfer verbunden zu werden (Spalte 1, erster Absatz).

Aus Dokument D4 geht hervor, dass es als schwierig angesehen wurde, elektrische Verbindungen zwischen einem Aluminiumkabel und elektrischen Teile aus anderen Metallen, wie Kupfer herzustellen (Spalte 1, zweiter Absatz). Die genannten Probleme sind:

- die isolierende Aluminium-Oxid Schicht;

- die Potentialdifferenz zwischen zwei unterschiedlichen Metallen und Korrosion; und

- die unterschiedliche thermische Ausdehnung.

Zur Lösung dieser Problemen ist nach der Erfindung von D4 ein elektrischer Anschluss aus Kupfer oder Messing mit einem senkrechten Ring versehen, der ringsherum an einem kurzen Aluminiumrohr verschweißt wird, der als Crimp-Ring fungiert (siehe Spalte 1, dritter Absatz und Spalte 3, 7. und 8. Absätze). Bei der Anwendung wird dieser Konnektor vorzugsweise verzinnt und teils mit einem Korrosionsschutzmittel gefüllt und dann auf dem Kabel gecrimpt. Eine Verschweißung mit dem Aluminiumkabel erfolgt nicht.

3.6 Die Kammer ist der Auffassung, dass die in D4 offenbarte Verbindung eine Gesamtlösung für die dort erwähnten Probleme darstellt und hat Zweifel, angesichts dieser Probleme, dass es auf der Hand liegt, lediglich die in D4 angesprochenen Materialien zu extrahieren und beim aus D1 bekannten Anschluss bzw. Verfahren anzuwenden.

3.7 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die geschweißte Verbindung zwischen dem Anschlussteil und der aus den einzelnen Drähten gebildeten Stirnseite des Endes des Aluminiumkabels diese mit Korrosion verbundenen Probleme überraschenderweise zum größten Teil überwindet und eröffnet damit die Möglichkeit, die Verbindung im KFZ-Bereich zu verwenden. Die Kammer ist von dieser Argumentation überzeugt.

3.8 Deshalb kam die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in folgender geänderter Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

- Nr. 1 bis 15 in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 eingereicht;

Beschreibung:

- Seiten 2 bis 8 in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2015 eingereicht;

Zeichnungen:

- Figuren 1 bis 8 der Patentschrift.

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