T 2391/12 () of 2.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T239112.20150302
Datum der Entscheidung: 02 März 2015
Aktenzeichen: T 2391/12
Anmeldenummer: 05017830.0
IPC-Klasse: F24F 6/14
F28D 5/00
F24F 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zur Rückkühlung von Kühlmitteln oder Rückkühlmedien oder zur Kältegewinnung
Name des Anmelders: Michelbach, Ludwig
Name des Einsprechenden: Danfoss A/S
Danfoss GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Zwischenentscheidung vom 24. Oktober 2012 hat die Einspruchsabteilung das Europäische Patent Nr. 1600703 auf der Basis der Europäischen Patentanmeldung EP 05017830.0 in geändertem Umfang aufrechterhalten.

In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zum Ergebnis, dass die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 1 sowie das Verfahren gemäß dem Anspruch 19 des während des mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes eines Hilfsantrags 9 die Erfordernisse des EPÜ erfüllten. Ferner hat sie unter anderem auch entschieden, die nach der Einspruchsfrist vorgebrachte Entgegenhaltung D12 wegen mangelnder prima facie Relevanz in das Verfahren nicht einzuführen.

II. Gegen die vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung haben zwei Parteien wie folgt Beschwerde eingelegt:

- der Patentinhaber mit Schreiben vom 19. November 2012; die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und die Beschwerdebegründung am 1. März 2013 nachgereicht;

- die Einsprechende I (Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 7. Dezember 2012; die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet und die Beschwerdebegründung am 28. Februar 2013 nachgereicht.

Der Patentinhaber hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 2. März 2015 das Patent nur noch gegen die Beschwerde der Einsprechenden I in gegenüber der angefochtenen Entscheidung weiter eingeschränkter Fassung verteidigt und damit seine Beschwerde zurückgenommen. Infolgedessen hat der Patentinhaber die Verfahrensstellung eines Beschwerdegegners inne.

III. Anträge

In der am 2. März 2015 stattgefundenen mündlichen Verhandlung haben die Parteien folgende Anträge gestellt:

Die Einsprechende I (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1600703.

Der Patentinhaber (Beschwerdegegner) beantragte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht mit Schriftsatz vom 1. März 2013 als Hilfsantrag 4g sowie mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015 als Hilfsantrag 6.

Die verfahrensbeteiligte Einsprechende II hat sich schriftlich nicht gesondert geäußert, wurde aber in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer durch den Vertreter der Beschwerdeführerin mitvertreten.

IV. Inter alia zitierter Stand der Technik:

D5: US-A- 6 129 285

D9: Auszüge des Artikels "Luftgekühlte Rückkühlsysteme", Autor: Gert Dierks (CH), DIE KÄLTE & Klimatechnik 3/2000, (Seiten 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50 und 53)

D12: Artikel "HOWATHERM", "System HYDROPLUS", Zeitung "cci", Nr. 5/97, 21. April 1997, Deckblatt und Seiten 21 bis 24

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 19 des als Hilfsantrags 4g mit Schriftsatz vom 1. März 2013 eingereichten Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:

1. "Vorrichtung zur Rückkühlung von Kühlmitteln oder Rückkühlmedien oder zur Kältegewinnung aus einem Luftstrom, welche folgendes aufweist:

- eine Luftbefeuchtungseinrichtung (10) zur Befeuchtung des Luftstroms, die zur Erzeugung einer Feinstvernebelung des Luftstroms umfassend ultrakleine Befeuchtungspartikel in Form eines Aerosols ausgebildet ist,

- wenigstens einen Wärmetauscher (12), welcher der Luftbefeuchtungseinrichtung (10) nachgeschaltet ist, zwischen dem Luftstrom und einem Kühlmittelkreislauf wechselwirkt und eine Verdunstung der in den Wärmetauscher mitgerissenen Befeuchtungspartikel bewirkt,

- wenigstens eine weitere Luftbefeuchtungseinrichtung (50) zur Befeuchtung des Luftstroms, die zur Erzeugung einer Feinstvernebelung des Luftstroms umfassend ultrakleine Befeuchtungspartikel in Form eines Aerosols ausgebildet ist, sowie

- wenigstens einen weiteren Wärmetauscher (52), welcher der Luftbefeuchtungseinrichtung (50) nachgeschaltet ist, zwischen dem Luftstrom und dem Kühlmittelkreislauf wechselwirkt und eine Verdunstung der in den Wärmetauscher mitgerissenen Befeuchtungspartikel bewirkt,

- eine Gebläseeinrichtung (14) zur Beförderung des Luftstroms sowie der Befeuchtungspartikel,

- wobei die Luftbefeuchtungseinrichtung (10), der Wärmetauscher (12), die weitere Luftbefeuchtungseinrichtung (50), der weitere Wärmetauscher (52) und die Gebläseeinrichtung (14) in dieser Reihenfolge seriell geschaltet sind,

- wobei die Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids über den Druck des Befeuchtungsfluids in der Luftbefeuchtungsvorrichtung oder über Durchflusssteuereinrichtungen, wie beispielsweise Ventile, regelbar ist."

19. "Verfahren zur Rückkühlung von Kühlmitteln oder Rückkühlmedien oder zur Kältegewinnung aus einem Luftstrom, welches folgende Schritte aufweist:

- Bereitstellen eines Luftstroms aus der Abluft eines klimatisierten Gebäudes oder aus der Umgebungsluft;

- Befeuchten des Luftstroms durch Zugabe von feinstvernebeltem Sprühwasser derart, dass ein ultrakleine Wasserpartikel in Form eines Aerosols enthaltender Luftstrom erhalten wird,

- wobei die Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids über den Druck des Befeuchtungsfluids in der Luftbefeuchtungsvorrichtung oder über Durchflusssteuereinrichtungen, wie beispielsweise Ventile, geregelt wird;

- Erwärmen des Luftstroms bei Erhöhung der absoluten Feuchtigkeit durch Verdunstung der im Luftstrom enthaltenen ultrakleinen Wasserpartikel in Form eines Aerosols und gleichzeitiger Herabsetzung der relativen Feuchtigkeit, wobei die erforderliche Energie aus einem Kühlmittelkreislauf entnommen wird; und

- Abführen des Luftstroms an die Umgebung und

- wobei die beiden Verfahrensschritte Befeuchten und Erwärmen des Luftstroms wenigstens einmal wiederholt werden."

VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) hat im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Hauptantrag entspräche dem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom Patentinhaber zurückgenommenen Hilfsantrag 9 vom 21. März 2012.

Anträge, welche im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen wurden, seien nach gängiger Praxis der Kammern von der Wiederaufnahme im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen.

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 wie auch das Verfahren nach Anspruch 19 seien durch die Zusammenschau von den Entgegenhaltungen D9, D5 und D12 in naheliegender Weise herleitbar und verstießen daher gegen Artikel 52(1) und 56 EPÜ.

Ausgehend von der Entgegenhaltung D9, welche den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, unterscheide sich die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 19 durch zwei Merkmalsgruppen; die erste betreffe das Regeln der Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids, die zweite ein in Serie geschaltetes, mehrfaches Luftbefeuchten/Verdunsten/Wärmeaustauschen.

Die zwei Unterschiede stünden nicht in direkter Zusammenwirkung, sondern lösten unterschiedliche Teilaufgaben, wobei die jeweilige Lösung für den Fachmann naheliegend sei.

D5 lehre bereits, die Ausbringungsmenge des in den Luftstrom versprühten Wassers durch eine Kontrolleinheit (40) zu regeln (Spalte 6, Zeilen 43 bis 56), um dabei die Klimaanlage effizient zu gestalten bei gleichzeitigem Reduzieren des Energieverbrauchs (Spalte 2, Zeilen 48 bis 52).

Andererseits finde der Fachmann die Anregung für die Mehrstufigkeit bei der adiabatischen Befeuchtung in D12, mit dem Ziel, die nutzbare Kälteleistung zu erhöhen (Seite 23).

VII. Der Patentinhaber (Beschwerdegegner, vormals Beschwerdeführer) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Der Hauptantrag sei in das Verfahren zuzulassen. Der im erstinstanzlichen Verfahren nicht weiterverfolgte Hilfsantrag 9 sei durch einen geänderten Hilfsantrags 9 in Reaktion auf die positive Entscheidung der Einspruchsabteilung über den breiteren Verfahrensanspruch von höherrangigen Anträgen ersetzt. Die nun beschränkte Definition des Verfahrens nach Anspruch 19 des Hauptantrags sei daher zuzulassen.

Der Erfindungsgegenstand unterscheide sich von D9 noch durch ein drittes Merkmal, nämlich das Verdunsten der in den Wärmetauscher mitgerissenen Befeuchtigungspartikel.

Die erfinderische Tätigkeit sei aber bereits durch die zwei von der Einsprechenden festgehaltenen unterscheidenden Merkmalsgruppen (Regeln, Mehrstufigkeit) begründet. Beide Maßnahmen trügen nämlich dazu bei, ein und dieselbe objektive Aufgabe zu lösen, nämlich die Energieeffizienz zu steigern.

Zudem betreffe D5 lediglich eine Lackierstrasse, wo zudem der Wärmetauscher nicht zum Kühlen von Kühlmitteln, sondern zum Trocknen der Arbeitsluft vorgesehen sei, so dass der Fachmann D5 nicht herangezogen hätte.

Die Einspruchsabteilung habe die Nicht-Zulassung von D12 damit begründet, dass die Offenbarung in D12 prima facie nicht relevant sei, und somit ihr Ermessen korrekt ausgeübt.

Außerdem müsste der Fachmann beide Entgegenhaltungen D5 und D12 mit dem Ausgangspunkt D9 und somit drei Druckschriften kombinieren, um zur beanspruchten Erfindung gelangen zu können.

VIII. Am Ende der am 2. März 2015 stattgefundenen mündlichen Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.

Wegen des weiteren Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Änderungen

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 19 beruhen auf den Merkmalen des jeweiligen, erteilten Anspruchs 1 bzw. 19 und auf Merkmalen aus der Beschreibung (Absätze [0012] und [0036] der Patentschrift; Seite 3, Zeilen 24 bis 26 und Seite 10, Zeilen 4 bis 16 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen) und aus dem ursprünglich eingereichten (und erteilten) abhängigen Anspruch 22.

Die abhängigen Ansprüchen 2 bis 18 und 20 bis 24 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 18, 20, 21 und 23 bis 25.

Die Beschreibung wurde lediglich an die neue Definition der Erfindungsgegenstände angepasst.

Die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ sind somit erfüllt.

2. Hauptantrag - Zulässigkeit

Der Anspruchssatz des Hauptantrags entspricht demjenigen des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 4g, welcher wiederum dem mit Schriftsatz vom 21. März 2012 eingereichten Hilfsantrag 9 entspricht, der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom Patentinhaber durch den geänderten Anspruchssatz eines neuen Hilfsantrags 9 ersetzt und damit de facto zurückgenommen wurde.

Nach Artikel 12 (4) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, einen im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommenen Antrag wieder aufzunehmen bzw. in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Die Kammer hat aufgrund folgender Überlegungen den Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

Der Vorrichtungsansprüche 1 des zurückgenommenen Hilfsantrags 9 und des neuen, diesen ersetzenden Hilfsantrags 9 waren vollkommen identisch.

Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde der Verfahrensanspruch 19, welcher ähnlich wie die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 beschränkt war, durch den breiteren Verfahrensanspruch 19 des höhenrangigen Hilfsantrags 1 ersetzt, da die Einspruchsabteilung diesen zuvor für gewährbar erachtet hatte. Der in der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Verfahrensanspruch entspricht konsequenter Weise dem Anspruch 19 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 9.

Diese Änderung der Antragslage während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung war also seitens des Patentinhabers deshalb gerechtfertigt, weil ansonsten der durch den Verfahrensanspruch definierte Schutzumfang in unnötiger Weise weiter eingeschränkt gewesen wäre.

Während des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wurde die Sache insoweit geklärt, dass die Entscheidung bezüglich erfinderischer Tätigkeit in gleicher Weise die Vorrichtung und das Verfahren betreffen würde. Folglich war das Vorlegen eines mit ähnlich beschränkenden Merkmalen versehenen Verfahrensanspruch gerechtfertigt.

Aus diesen Gründen übt die Kammer das ihr durch Artikel 12 (4) VOBK eingeräumte Ermessen dahingehend aus, den Hauptantrag zum Verfahren zuzulassen.

3. D12 - Stand der Technik im Beschwerdeverfahren

Die mit am 21. Juli 2011 eingegangene Einwendung Dritter gemäß Artikel 115 und Regel 114 EPÜ, nach der Einspruchsfrist vorgebrachte Dokument D12 wurde von der Einspruchsabteilung außer Betracht gelassen, mit dem kurzen Hinweis, dass D12 nicht prima facie relevant sei (Punkt 2.2 der Entscheidung).

Die Kammer stellt jedoch fest, dass weder die angefochtene Entscheidung noch die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung eine Begründung beinhalten, aus welchen Gründen bzw. gegenüber welchen der in der mündlichen Verhandlung behandelten Anträge die Einspruchsabteilung zum Ergebnis der mangelnden prima facie Relevanz kam.

Bereits aus diesem Grunde der fehlenden Begründung und Nachvollziehbarkeit der Ermessensausübung durch die Einspruchsabteilung ist deren Entscheidung insoweit wegen Ermessensfehlers aufzuheben. Infolgedessen obliegt es der Kammer, die Frage der Zulassung dieses Dokuments in das Verfahren (erneut) zu prüfen.

Nach Ansicht der Kammer, ist das Dokument D12 offensichtlich prima facie relevant, da dort allein die Mehrstufigkeit der adiabatischen Befeuchtung offenbart (Seite 23) wird und D12 für die Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit bezüglich des Hauptantrags (ähnlicher Weise des Hilfsantrags 9 vor der Einspruchsabteilung) daher prima facie ausschlaggebend sein könnte.

Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang mit zu berücksichtigen, dass der von der Einspruchsabteilung zur Kombination mit D9 herangezogene Stand der Technik nach D10 offensichtlich weniger relevant als D12 war/ist, zumal im Absatz 2.9.1.4.6 der angefochtenen Entscheidung die erfinderische Lösung dadurch begründet wurde, dass weder D10 noch eine andere Entgegenhaltung die beanspruchte Reihenschaltung von wiederholtem Befeuchten/Verdunsten offenbare.

Aus diesen Gründen entscheidet die Kammer, den in D12 offenbarten prima facie relevanten Stand der Technik in das Verfahren zuzulassen (Artikel 114(1) EPÜ).

4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Nächstliegender Stand der Technik

In der angefochtenen Entscheidung geht die Einspruchsabteilung von D9 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

Dieser Feststellung wird, allerdings mit folgender Einschränkung, zugestimmt.

Wie vom Patentinhaber vorgetragen, betrifft D9 unterschiedliche Vorrichtungen, unter

anderem einen Trockenrückkühler D9.1 mit Besprühung in

Luftrichtung (Seite 42, linke Spalte, Bild 6), einen Trockenrückkühler D9.2 mit Besprühung gegen den Luftstrom (Seite 42, mittlere Spalte, Bild 7).

Zuerst stellt sich die von dem Patentinhaber

berechtigt aufgeworfene Frage, ob bzw. inwieweit der Fachmann die jeweiligen Eigenschaften und Charakteristiken der Trockenrückkühler D9.1 und D9.2 in Zusammenschau bzw. in Kombination der D9 als Gesamtoffenbarung entnehmen kann. Es ist unstreitig, dass für die Mehrheit der Merkmale der Vorrichtung gemäß Anspruch 1, und in ähnlicher Weise des Verfahrens gemäß Anspruch 19 vom Kühlertyp D9.2 bekannt sind.

So zeigt D9.2, vgl. mittlere Spalte der Seite 42 und Bild 7, eine Vorrichtung zur Rückkühlung von Kühlmitteln oder Rückkühlmedien oder zur Kältegewinnung aus einem Luftstrom (siehe einleitender Text auf Seite 38), welche Folgendes aufweist:

- eine Luftbefeuchtungseinrichtung (10) zur Befeuchtung des Luftstroms (7), die zur Erzeugung einer Feinstvernebelung des Luftstroms umfassend ultrakleine Befeuchtungspartikel in Form eines Aerosols ausgebildet ist,

- wenigstens einen Wärmetauscher (3), welcher der Luftbefeuchtungseinrichtung (10) nachgeschaltet ist, zwischen dem Luftstrom (7) und einem Kühlmittelkreislauf (1) wechselwirkt,

- eine Gebläseeinrichtung (8,9) zur Beförderung des Luftstroms (7) sowie der Befeuchtungspartikel,

- wobei die Luftbefeuchtungseinrichtung (10), der Wärmetauscher (3), und die Gebläseeinrichtung (8,9) in dieser Reihenfolge seriell geschaltet sind.

Es ist ferner der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass der Fachmann aus bestimmten Textstellen in D9 zumindest implizit entnimmt, dass auch in D9.2 eine Verdunstung der in den Wärmetauscher mitgerissenen Befeuchtungspartikel stattfindet.

Der Fachmann ergänzt die Angabe in D9.2, "Ein Teil der feinen Tropfen löst sich in der Luft...", durch die Erkenntnis, dass der restliche Teil der Tropfen mit dem Luftstrom in den Wärmetauscher geführt werden, wo zwangsläufig ein Anteil der Tropfen verdunstet.

Dabei ist es unwesentlich, ob das Verdunsten direkt oder nach Ablagern auf den Wärmetauscherplatten stattfindet, denn der beanspruchte Gegenstand gibt den tatsächlichen Vorgang des Verdunstens im Wärmetauscher nicht weiter an. Zudem verweist der zweite Absatz der mittleren Spalte der Seite 42 darauf hin, dass das Befeuchten bei D9.2 genau wie bei D9.1 (linke Spalte der Seite 42), wo das in Luftrichtung versprühte Wasser die Lamellenoberfläche nässt und zum Teil verdunstet (erster Absatz), nur in Notfällen einzusetzen sei, da es bei häufiger Anwendung zu schweren Korrosionsschäden führen würde (zweiter und dritter Absatz).

Der Fachmann legt diese Lehre derart aus, dass auch bei versprühten Aerosolen gemäß D9.2 auch ein Teil der Tröpfchen die Wärmetauscheroberfläche nässt, und aufgrund der höheren Temperatur des Rückkühlmediums im Wärmetauscher dort zumindest zum Teil verdunsten.

4.2 Unterschied

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 unterscheidet sich somit von D9.2 durch folgende Merkmale:

- MR: die Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids ist über den Druck des Befeuchtungsfluids in der Luftbefeuchtungsvorrichtung oder über Durchflusssteuereinrichtungen, wie beispielsweise Ventile, regelbar;

- MM1: wenigstens eine weitere Luftbefeuchtungseinrichtung zur Befeuchtung des Luftstroms ist zur Erzeugung einer Feinstvernebelung des Luftstroms umfassend ultrakleine Befeuchtungspartikel in Form eines Aerosols ausgebildet

- MM2: wenigstens ein weiterer Wärmetauscher ist vorgesehen, welcher der Luftbefeuchtungseinrichtung nachgeschaltet ist, zwischen dem Luftstrom und dem Kühlmittelkreislauf wechselwirkt und eine Verdunstung der in den Wärmetauscher mitgerissenen Befeuchtungspartikel bewirkt;

- MM3: wobei die Luftbefeuchtungseinrichtung, der Wärmetauscher, die weitere Luftbefeuchtungseinrichtung, der weitere Wärmetauscher und die Gebläseeinrichtung in dieser Reihenfolge seriell geschaltet sind.

Die unterscheidenden Merkmale betreffen im Wesentlichen zwei Aspekte, nämlich die Regelung der Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids (MR) und die Mehrstufigkeit (MM) der Anlage "Befeuchten/Verdunsten/Kühlen" durch die Kombination der Merkmale MM1 bis MM3.

4.3 Objektive Aufgabe

Die Beschwerdeführerin trug vor, dass die zwei unterscheidende Aspekte (MR, MM) keine Synergie definieren, sondern ein reines Aneinanderreihen getrennter Merkmale darstellte, so dass zwei unabhängige Teilaufgaben zu definieren wären.

Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen, denn das Regeln der Ausbringungsmenge des Befeuchtungsfluids (MR) wie auch die Mehrstufigkeit (MM) tragen beide dazu bei, die Energieeffizienz bzw. -bilanz im Einklang mit der Definition der Aufgabe im Absatz [0004] der Patentschrift zu erhöhen.

Durch das Regeln kann die Temperaturabsenkung des Luftstroms durch das Verdunsten des Aerosols optimierter Weise eingestellt und folglich die Energiebilanz verbessert werden.

Die Mehrstufigkeit des Vorgangs bewirkt ebenfalls eine erhöhte Energieeffizienz indem die nutzbare Kälteleistung erhöht wird.

4.4 Nicht naheliegende Lösung

Mit dem Ziel, bei einer Vorrichtung gemäß D9.2 die Energiebilanz zu steigern, würde der Fachmann möglicherweise, die Lehre von D5 oder, alternativ, von D12 heranziehen.

4.4.1 Die in D5 offenbarte Anlage ist nicht auf Lackierstrassen beschränkt und kann auch allgemein bei Klimaanlagen Anwendung finden, vgl. Spalte 1, Zeilen 5 bis 9 und Spalte 2, Zeilen 44 bis 52.

Der Offenbarung in D5 könnte der Fachmann entnehmen, dass durch das Regeln der versprühten Wassermenge zur Befeuchtung des Luftstroms der Energieverbrauch möglicherweise reduziert werden könnte (Spalte 2, Zeilen 48 bis 52 und Spalte 6, Zeilen 43 bis 56).

Einen Hinweis auf eine mehrstufige Ausführungsform gibt es in D5 nicht.

4.4.2 Gleichwohl könnte der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe ebenfalls die Lehre von D12 heranziehen, wo die Vorteile der Mehrstufigkeit bei der adiabatischen Befeuchtung hervorgehoben werden, nämlich insbesondere das Erhöhen der nutzbaren Kälteleistung, ohne den Investitionsaufwand proportional steigern zu müssen (Seite 23, oben, die dritte und vierte Spalten überbrückender Absatz).

Der Fachmann könnte somit eine weitere Befeuchtungseinrichtung, gefolgt von einem weiteren Wärmetauscher nach dem bereits vorhandenen Wärmetauscher in D9.2 nachschalten.

Ein Regeln des versprühten Befeuchtungsfluids ist in D12 jedoch nicht offenbart.

4.4.3 Zieht der Fachmann nun die Lehre von D5 oder, alternativ, die Lehre von D12 in Kombination mit dem aus D9.2 bekannten Stand der Technik heran, so wird die objektiv gestellte, technische Aufgabe jeweils unmittelbar gelöst, da nach jedem der beiden Szenarien die Energieeffizienz der Anlage bzw. des Verfahrens im Gesamten erhöht wird.

4.4.4 Weshalb der Fachmann dann noch darüber hinaus einen weiteren Schritt gegangen wäre, nämlich die in D5 und D12 gelehrten Maßnahmen gleichzeitig und in Kombination miteinander auf den Stand der Technik gemäß D9.2 anzuwenden, wurde seitens der Einsprechenden nicht nachgewiesen.

Die Kammer sieht an sich keine unmittelbare Anregung für den Fachmann, die Recherche weiterzuführen, zumal das gesetzte Ziel durch die Zusammenschau von zwei Dokumenten (D9.2 mit D5 oder mit D12) eindeutig erreicht wird.

Außerdem würde das Kombinieren von drei Dokumenten eher ein Indiz für das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit darstellen.

4.4.5 Nach Ansicht der Kammer beruht daher die Kombination der drei Entgegenhaltungen (D9.2, D5, D12) auf einer rückschauenden Betrachtung, bzw. auf einer ex post facto Analyse.

4.5 Der Gegenstand nach Anspruch 1 und in ähnlicher Weise auch das Verfahren nach Anspruch 19 beruhen somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

4.6 Das europäische Patent Nr. 1600703 in der vorliegenden geänderten Fassung erfüllt somit sämtliche Erfordernisse des EPÜ.

5. Hilfsantrag

Da das Patent in geänderter Fassung auf der Basis des Hauptantrags die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist eine Entscheidung über den Hilfsantrag obsolet geworden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Basis folgender Dokumente aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 24, eingereicht als Hilfsantrag 4g mit Schriftsatz vom 1. März 2013

- Beschreibung, Seiten 1 bis 14, eingereicht während der mündlichen Verhandlung

- Figuren 1 bis 9 des Patents in der erteilten Fassung.

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