T 2266/12 (Hybridempfänger/HIRSCHMANN) of 29.9.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T226612.20160929
Datum der Entscheidung: 29 September 2016
Aktenzeichen: T 2266/12
Anmeldenummer: 04740830.7
IPC-Klasse: H04B 1/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HYBRIDEMPFÄNGER MIT ADAPTIVEM INTELLIGENTEM ALGORITHMUS
Name des Anmelders: Hirschmann Car Communication GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 04740830.7 zurückgewiesen wurde.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde u.a. festgestellt, dass Anspruch 1 in der mit Schreiben vom 20. April 2012 eingereichten Fassung nicht die Erfordernisse der Artikel 52(1) und 54 EPÜ (Neuheit) und 84 (Klarheit) erfülle.

In einem obiter dictum wurde weiterhin angeführt, der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) hinsichtlich der Druckschrift

D4: US 6,161,002 A.

III. Anspruch 1 lautet:

"Empfangseinrichtung (1) zum mobilen Empfang von hochfrequenten Signalen verschiedener Rundfunk-Dienste, wobei die Empfangseinrichtung (1) zumindest zwei Empfänger (2) aufweist und jedem Empfänger (2) eine Antenne (3) zugeordnet ist und jeder Empfänger (2) die empfangenen Signale weiterverarbeitet, dadurch gekennzeichnet, daß jeder Empfänger (2) zum Empfangen eines beliebigen analogen/digitalen Rundfunk-Dienstes ausgebildet ist und die Umwandlung der HF-Signale in ZF-Signale in Abhängigkeit des ausgewählten Rundfunk-Dienstes erfolgt, wobei alle Empfangszüge vollständig gleichartig ausgebildet sind."

IV. In einer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung wies die Kammer auf die zu erörternden Punkte hin und nahm vorläufig Stellung zur Patentierbarkeit des Gegenstands des Anspruchs 1.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 29. September 2016 statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des mit Schreiben vom 20. April 2012 eingereichten Antrags zu erteilen.

Nach Schließen der Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Anmeldung liegt auf dem Gebiet des Empfangs von Rundfunksignalen.

2. Aus D4 ist ein Rundfunkempfänger mit zwei vollständigen Empfangseinheiten bekannt. Der Empfänger kann dadurch ein FM-Rundfunkprogramm zur Wiedergabe empfangen sowie gleichzeitig die RDS-Daten anderer momentan empfangbarer Sendestationen empfangen und auswerten. Entsprechend dem Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 1 offenbart D4 eine Empfangseinrichtung (Fig. 1) zum Empfang von hochfrequenten Signalen ("frequency of any radio station", vgl. Spalte 2, Zeilen 26 bis 29). Die Empfangseinrichtung weist zwei Empfänger 1, 1' ("Tuner A" und "Tuner B", vgl. in der Fig. 1) auf. Jedem Empfänger ist eine Antenne zugeordnet (Spalte 2, Zeilen 28 bis 31; Spalte 3, Zeilen 25 bis 27). Beide Empfänger sind identisch (Spalte 3, Zeile 24) und somit vollständig gleichartig ausgebildet. Jeder Empfänger verarbeitet die empfangenen Signale weiter, indem im bestimmungsgemäßen Betrieb einer der beiden Tuner A, B ("master") auf einen bestimmten Rundfunkkanal abgestimmt ist, um das über diesen Kanal übertragene Audiosignal zu empfangen, während der andere Tuner ("slave") dazu eingerichtet ist, zeitgleich mit dem Empfang des Audiosignals durch den "master" die RDS-Daten mehrerer Rundfunkkanäle nacheinander zu empfangen und diese Daten zur Untersuchung des Inhalts der speziellen RDS-Dienste ATS und TTL an eine Signalverarbeitungseinheit (CPU 9) weiterzuleiten. Der FM-Audioempfang ist dabei ein analoger "Dienst" gemäß dem Wortlaut der Anmeldung. Der Empfang und die Verarbeitung von RDS-Daten ist ein digitaler "Dienst". Die Zuordnung "master" und "slave" zu jedem der beiden Tuner ist frei wählbar (vgl. Spalte 4, Zeilen 44 bis 48). Somit ist in D4 jeder der beiden Empfänger zum Empfangen eines beliebigen, d.h. aus den vorhandenen Diensten frei auswählbaren Dienstes, eingerichtet.

3. Die Beschwerdeführerin argumentierte, ein Rundfunk-Dienst im Sinne der Anmeldung sei spezifiziert durch den Frequenzbereich und die Art und Weise der Rundfunkausstrahlung, d.h. analoge oder digitale Modulation. Ein FM-Radioprogramm zusammen mit den übertragenen RDS-Daten stelle daher lediglich einen einzigen Dienst im Sinne der Anmeldung dar, da das Radioprogramm und die RDS-Daten auf demselben Träger übertragen würden. Jeder der beiden Empfänger in D4 sei daher lediglich zum Empfang eines einzigen Rundfunk-Dienstes, nämlich FM-Rundfunk mit zusätzlicher Auswertung von RDS-Daten, eingerichtet.

4. Dieses enge Verständnis des Begriffs "Dienst" ist nach Ansicht der Kammer nicht sachgerecht und steht zudem nicht im Einklang mit den Angaben in der Beschreibung. Die Anmeldung selbst spezifiziert voneinander unterscheidbare Rundfunk-Dienste nicht ausschließlich über den Frequenzbereich und die Art und Weise der verwendeten Modulation des ausgestrahlten Rundfunksignals. Vielmehr werden "Datendienste" und "Sprachübertragung" als Beispiele für eigenständige "Dienste" genannt (vgl. Seite 1, Zeilen 19 bis 24 und Seite 3, Zeilen 18 bis 23 der Beschreibung). Der Fachmann würde daher unter Berücksichtung der Beschreibung jede eigenständige vorbestimmte Funktion eines empfangenen Rundfunksignals, die dem Nutzer durch die verwendete Empfangseinrichtung für Rundfunksignale nutzbar gemacht wird, als einen eigenständigen Rundfunk-Dienst auffassen. Daher würde der Fachmann die Übertragung und den Empfang eines Rundfunkprogramms als FM-Rundfunksignal als einen eigenständigen Dienst auffassen und die Übertragung und den Empfang von RDS-Daten als einen anderen eigenständigen Dienst. Unerheblich dabei ist, dass die Übertragung der (digitalen) RDS-Daten jeweils zusammen mit den (analogen) Audioinformationen eines Rundfunkprogramms auf einem HF-Träger einhergeht.

Daher ist jeder der beiden Empfänger 1, 1' zum Empfang eines beliebigen analogen (FM-Audiosignal) oder digitalen (RDS-Daten) Rundfunk-Dienstes ausgebildet.

5. Folglich unterscheidet der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von der aus D4 bekannten Empfangseinrichtung dadurch, dass:

- die Empfangseinrichtung zum mobilen Empfang der hochfrequenten Signale geeignet ist; und

- eine Umwandlung der HF-Signale in ZF-Signale in Abhängigkeit der ausgewählten Rundfunk-Dienste erfolgt.

6. Ausgehend von D4 und unter Berücksichtigung der unterscheidenden Merkmale stellt sich dem Fachmann die technische Aufgabe, die aus D4 bekannte Empfangseinrichtung für eine flexible Benutzung zu implementieren.

Der Fachmann würde bereits aufgrund des allgemeinen Fachwissens die aus D4 bekannte Empfangseinrichtung in naheliegender Weise für den mobilen Empfang, z.B. in Form eines Autoradios, implementieren, insbesondere da D4 bereits auf die im RDS-Dienst enthaltene "Verkehrsvorhersage" explizit hinweist (Spalte 1, Zeilen 15 bis 17). Weiterhin würde der Fachmann aufgrund des allgemeinen Fachwissens jeden der beiden Tuner A und B in D4 als Überlagerungsempfänger ausgestalten, bei dem das HF-Signal variabler Eingangsfrequenz zunächst in ein ZF-Signal fester Frequenz umgesetzt wird. Diese Umsetzung erfolgt stets in Abhängigkeit der Trägerfrequenz des vom Nutzer ausgewählten Dienstes.

Folglich würde der Fachmann ausgehend von D4 und unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens in naheliegender Weise zu der beanspruchten Empfangseinrichtung gemäß Anspruch 1 gelangen.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Antrag kann daher nicht gewährt werden.

8. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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