T 2260/12 () of 22.5.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T226012.20140522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2014
Aktenzeichen: T 2260/12
Anmeldenummer: 02737890.0
IPC-Klasse: A61C 13/12
A61C 13/20
F27B 17/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 286 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM DRAHTLOSEN ÜBERTRAGEN VON DENTALPROZESSDATEN
Name des Anmelders: DENTSPLY DETREY GmbH
Name des Einsprechenden: Dekema Dental-Keramiköfen GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 9. August 2012 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung wurde festgestellt, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag das Europäische Patent Nr. 1370191 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 17. Oktober 2012 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die vorgeschriebene Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 19. Dezember 2012 eingereicht.

III. Am 22. Mai 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1370191.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags (einziger Antrag), eingereicht am 10. Februar 2014, aufrechtzuerhalten.

IV. Folgende Entgegenhaltungen waren für die vorliegende Entscheidung relevant:

E5: DE-A-40 19 395;

E6: JP-A-07 124 182 mit comuptergenerierter Übersetzung (s. Eingabe der Beschwerdeführerin vom 20. Mai 2014).

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Übertragung von Prozessdaten von Dentalgeräten über eine größere Entfernung, dadurch gekennzeichnet, dass die Prozessdaten von mehreren Dentalgeräten mittels einer Datenweiche (2) einem Sender zugeführt und drahtlos zu einem oder mehreren Empfängern gesendet werden, und die Prozessdaten mit dem Empfänger nacheinander abgefragt oder selektiv dargestellt werden, wobei Prozessdaten von einem Dentalgerät stammen, das ein Brennofen ist, und wobei der Sender ein stationärer Sender ist und ein Empfänger tragbar ist."

VI. Die folgenden Argumente der Beschwerdeführerin waren für die Entscheidung wesentlich:

Erfinderische Tätigkeit

Die Entgegenhaltung E5 offenbare in Figur 6 und in der Beschreibung, Spalte 5, Zeile 58 bis Spalte 6, Zeile 15 ein Verfahren mit allen Merkmalen des unabhängigen Anspruchs 1 mit Ausnahme des Merkmals, wonach die Prozessdaten von einem Dentalgerät stammen, das ein Brennofen ist.

Insbesondere sei eine drahtlose Datenübertragung per Funk in einer Ringleitung offenbart. Jeder Vorwärmofen habe dazu Sende- und Empfangsteile, die einerseits die vom im Ring vorausgehenden Vorwärmofen bzw. der Steuereinheit kommenden Prozessdaten empfangen und weitersenden, andererseits die Prozessdaten des jeweiligen Vorwärmofens in die drahtlose Ringleitung einspeisen. Dies entspreche genau der Funktion einer Datenweiche. Das nach dem Vorwärmofen V2 in den Ring eingeflochtene Display D' empfange die Daten, die von dem Sender des Vorwärmofens V2 gesendet werden und stelle diese - wie im Anspruch gefordert - selektiv dar.

Für das beanspruchte Verfahren spiele es auch keine Rolle, ob die Daten von einem Vorwärmofen oder einem Brennofen stammen würden. In beiden Fällen handle es sich um dieselbe Art Daten, z.B. Temperatur- oder Zeitdaten. Ob diese von einem Brennofen oder einem Vorwärmofen stammen habe keinen technischen Effekt in Hinblick auf das beanspruchte Verfahren zur Übertragung von Prozessdaten. Ein Brennofen sei ein im Dentallabor übliches Gerät, dessen Bedienung eine engmaschige Überwachung durch den Zahntechniker erfordere, und es sei daher naheliegend, das aus E5 bekannte Verfahren alternativ für Prozessdaten von Brennöfen einzusetzen.

Da das Display D' die Daten telemetrisch erhalte, sei es auch tragbar. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Display D' nicht unmittelbar und eindeutig als tragbar offenbart sei, so sei es zumindest naheliegend es tragbar auszugestalten, um dem Zahntechniker einen Zugewinn an Flexibilität zu verschaffen. Diese Aufgabe sei unabhängig von der Aufgabe, eine alternative Anwendung für das aus E5 bekannte Verfahren zu finden. E6 offenbare zur Vermeidung der räumlichen Bindung des Technikers an ein Gerät, d.h. eben zur Verbesserung der Flexibilität des Zahntechnikers, die Verwendung eines tragbaren Empfängers. Der Fachmann würde somit der E6 die Lehre entnehmen, das Display D' tragbar auszubilden, und so in naheliegender Weise zum Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gelangen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte - soweit für die Entscheidung wesentlich - wie folgt:

Erfinderische Tätigkeit

Entgegenhaltung E5 offenbare weder eine Datenweiche, noch die Übertragung von Prozessdaten von einem Brennofen, noch die Verwendung eines tragbaren Empfängers.

Der Begriff "Datenweiche" gemäß der Patentschrift beziehe sich auf einen Multiplexer, der nacheinander verschiedene in einem sternförmigen Netzwerk anliegende Eingänge abfrage. Die in E5 offenbarte Ringleitung sei dagegen eine unverzweigte Datenleitung ohne eine Datenweiche.

Außerdem sei das Verfahren besonders vorteilhaft dadurch, dass die Prozessdaten eines Brennofens übertragen werden. Da Brennöfen durch einen komplexen Prozess mit vielen Parametern, wie z.B. Vakuum und Temperatur, gesteuert würden, sei eine Fehlbedienung besonders schadenintensiv und die Bedienung eines Brennofens erfordere somit mehr Aufmerksamkeit als die Bedienung anderer Dentalgeräte. Es gäbe daher keinerlei Anlass, zur Verbesserung eines Verfahrens zur Übertragung von Prozessdaten eines dentalen Brennofens von einem Verfahren für Vorwärmöfen auszugehen und die Prozessdaten der Vorwärmöfen durch Prozessdaten von dentalen Brennöfen zu ersetzen.

Weiterhin beschäftige sich E5 nicht mit einer Veränderung des Produktionsprozesses, sondern das Ziel sei lediglich in der Verringerung des Verkabelungsaufwands zu sehen. Es gebe daher auch keinerlei Anlass, die Anzeige D' tragbar auszuführen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Dokument E5 stellt aus folgenden Gründen den nächstliegenden Stand der Technik dar:

Gemäß ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Wahl des nächstliegenden Stands der Technik zunächst darauf an, dass seine Lösung auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet ist wie die Erfindung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, I.D.3.2). E5 offenbart in Figur 6 und Spalte 5, Zeile 58 - Spalte 6, Zeile 15 nicht nur ein Verfahren zur Übertragung von Prozessdaten von Dentalgeräten über eine größere Entfernung, sondern ist auch auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet wie die Erfindung: So wird in der Patentschrift, Paragraph [0005] ausgeführt, dass es Aufgabe der Erfindung sei, ein Verfahren bereitzustellen, dass es dem Zahntechniker ermöglicht eine größere Anzahl paralleler Produktionsprozesse rationell und zuverlässig durchzuführen, wobei eine Überwachung mehrerer Arbeitsstationen möglich ist, auch wenn der Zahntechniker die Anzeigevorrichtungen dieser Geräte nicht im Blick hat. Genau diese Aufgabe wird auch durch das in die Ringleitung gemäß E5, Figur 6 eingeflochtene zweite Display D' gelöst. Display D' ermöglicht nämlich, den Betriebszustand der Vorwärmöfen V2, V3 abzulesen, ohne zur Steuereinheit gehen zu müssen, auch wenn die Vorwärmöfen in einem eigenen Raum stehen (E5, Spalte 6, Zeilen 9-15) und die Anzeigevorrichtung der Steuereinheit nicht sichtbar ist. Das Auslesen des Betriebszustands an Display D' ermöglicht somit die Überwachung der Vorwärmöfen auch ohne die Anzeigevorrichtung der zugehörigen Steuereinheit im Blick zu haben.

2.2 Entgegenhaltung E5 beschreibt insbesondere in Figur 6 und Spalte 5, Zeile 58 - Spalte 6, Zeile 8 die Übertragung von Prozessdaten mittels einer seriellen, telemetrischen Ringleitung und offenbart somit ein

Verfahren zur Übertragung von Prozessdaten (z.B. Daten von Temperaturfühler oder Türkontakt, siehe Spalte 2, Zeilen 14-20) von Dentalgeräten ("Vorwärmöfen", V1-V3) über eine größere Entfernung ("eigener Raum", Spalte 6, Zeilen 11-15), bei der die Prozessdaten von mehreren Dentalgeräten einem Sender zugeführt (Sende- und Empfangsteile an den Vorwärmöfen, Spalte 6, Zeile 4-8, hier insbesondere der Sender des Vorwärmofens V2, siehe Figur 6) und drahtlos ("per Funk", in Figur 6 in Strichlinien angedeutet) zu einem oder mehreren Empfängern (Empfangsteil des Displays D' - D' ist in den Ring "eingeflochten" und hat daher genauso Empfangsteil und Sendeteil wie die Steuereinheit und die Vorwärmöfen) gesendet werden, und die Prozessdaten mit dem Empfänger selektiv dargestellt werden (D' stellt die Prozessdaten für den jeweiligen Ofen, d.h. selektiv dar, siehe auch die Darstellung von Prozessdaten eines bestimmten Ofens in Figur 1), wobei der Sender ein stationärer Sender ist (Sendeteil im stationären Vorwärmofen V2).

In der telemetrischen seriellen Ringleitung werden von Vorwärmofen V1 (Figur 6: H1, E1) Daten gesendet. Vorwärmofen V2 (H2, E2) empfängt diese Daten mit seinem Empfangsteil und sendet sie anschließend mit seinem Sendeteil an das Empfangsteil des Displays D' weiter. Außerdem werden vom Sendeteil der V2 auch die Prozessdaten des Vorwärmofens V2 in den Ring eingespeist, d.h. auch diese werden vom Sendeteil der V2 an das Empfangsteil der D' gesendet. Damit sendet das Sendeteil des Vorwärmofens V2 Prozessdaten von mehreren Dentalgeräten, nämlich mindestens von Öfen V1 und V2 drahtlos an das Empfangsteil des Displays D'. Der Anspruch ist dabei nicht auf einen "externen" Sender eingeschränkt. Der Sender kann durchaus Teil eines der Dentalgeräte sein. Das Sendeteil des Vorwärmofens V2 ist also ein Sender im Sinne des Anspruchs 1.

Das Sendeteil des Vorwärmofens V2 erreichen einerseits die Prozessdaten des Vorwärmofens V1 sowie andererseits die Prozessdaten des Vorwärmofens V2. Da das Sendeteil des Vorwärmofens V2 die Daten seriell an das Empfangsteil des Displays D' sendet, müssen die beiden Datenstränge vor dem Senden zusammengeführt werden. Die Zusammenführung zweier Datenstränge in eine gemeinsame Endstrecke ist aber nichts anderes als die beanspruchte Datenweiche. Auf eine sternförmige, als Multiplexer arbeitende Datenweiche ist der Anspruch nicht eingeschränkt. E5 offenbart daher auch die in Anspruch 1 definierte Datenweiche.

2.3 Unterschied und technische Aufgabe

Die Erfindung gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich somit von der Offenbarung der E5 darin,

a) dass die Prozessdaten von einem Dentalgerät stammen, das ein Brennofen ist und darin,

b) dass ein Empfänger tragbar ist.

Nachdem die in der Patentschrift, Paragraph [0005] formulierte Aufgabe bereits gelöst ist (siehe Punkt 2.1) muss die technische Aufgabe modifiziert werden.

Von welcher Art Dentalgerät die Prozessdaten stammen hat keinen Einfluss auf die technische Durchführung des beanspruchten Verfahrens zur Übertragung von Prozessdaten. Das Verfahren selbst arbeitet gleich, unabhängig davon, ob die in den Daten kodierten Parameter von einem Vorwärmofen oder einem Brennofen stammen. Die aus dem Unterschied a) resultierende technische Aufgabe ist daher, eine alternative Anwendung für das aus E5 bekannte Verfahren zur Übertragung von Prozessdaten bereitzustellen.

Die tragbare Ausbildung des Empfängers erlaubt es dem Zahntechniker, ohne ständigen Blickkontakt mit der Anzeige der zu überwachenden Geräte seiner Arbeit nachzugehen (Patentschrift, Paragraph [0004]). Diese Aufgabe ist durch das zusätzliche Display D' jedoch bereits gelöst. Die sich stellende technische Aufgabe in Hinblick auf den Unterschied b) ist es daher, die Flexibilität und somit insgesamt die Produktivität des Zahntechnikers weiter zu erhöhen.

Die beiden hier formulierten technischen Aufgaben sind unabhängige Teilaufgaben, die unabhängig voneinander zu betrachten sind.

2.4 Genau wie bei den Vorwärmöfen gibt es in einem großen Dentallabor eine Vielzahl an Brennöfen. Auch bei den Brennöfen muss diese Vielzahl an Geräten während ihrer Anwendung kontrolliert werden, d.h. es stellt sich auch für die Brennöfen die im Patent formulierte Aufgabe (siehe Paragraph [0005]), eine größere Anzahl paralleler Produktionsprozesse rationell und zuverlässig durchzuführen, wobei eine Überwachung mehrerer Arbeitsstationen möglich ist auch wenn der Zahntechniker die Anzeigevorrichtungen dieser Geräte nicht im Blick hat. Es ist daher für den Fachmann naheliegend, das in E5 offenbarte Verfahren alternativ zur Überwachung von Brennöfen einzusetzen, insbesondere da die Art der zu überwachenden Daten, wie z.B. die Ofen-Temperatur oder der Öffnungszustand der Ofentüren, vergleichbar ist.

2.5 Entgegenhaltung E6, die ebenfalls aus dem technischen Gebiet der Überwachung der Funktion zahntechnischer Geräte stammt, offenbart die Verwendung eines tragbaren Displays, um die räumliche Bindung ("restraint") des Zahntechnikers an das zu überwachende Gerät zu verhindern (siehe E6, Paragraph [0008] und [0017]), d.h. E6 löst genau das Problem, die Flexibilität des Zahntechnikers weiter zu erhöhen, durch die Verwendung einer tragbaren Anzeigevorrichtung. Der Fachmann würde daher die Lösung einer tragbaren Anzeigevorrichtung aus E6 auf die Lehre der E5 übertragen und dazu das Display D' ebenfalls tragbar ausführen. Da D' bereits drahtlos in die Ringleitung eingebunden ist, bestehen auch keine technischen Hindernisse für eine tragbare Ausführung.

2.6 Zusammenfassend ergeben sich beide unterscheidende technische Merkmale in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation