European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T222912.20180326 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 März 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2229/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09745431.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06F 21/20 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VORRICHTUNG ZUR MOBILEN DATENVERARBEITUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutsche Telekom AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit Patentansprüche - Deutlichkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung mit Datum vom 13. August 2012, die Anmeldung 09745431 zurückzuweisen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber D3 und D4:
D3 |US 2004/123113 A1. |
D4 |R. Cáceres et al.: "Reincarnating PCs with portable SoulPads"; conference MobiSys '05; pages 65-78; XP002413100.|
Außerdem wurden im Prüfungsverfahren folgende Dokumente zitiert:
D1 US 2007/223685 A1
D2 US 2006/242423 A1
D5 DE 10 2004 044 454 A1.
II. Die Beschwerdeschrift wurde am 3. September 2012 eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 8. Oktober 2012 eingereicht.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf Basis des Hauptantrags (eingereicht mit der Beschwerdebegründung; bis auf die Großschreibung von "booten" identisch mit dem zurückgewiesenen Hauptantrag) oder eines der Hilfsanträge 1-4 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung).
Die weiteren Anmeldeunterlagen sind: Beschreibungsseiten 1-7 und Zeichnungsblätter 1-2, wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
Mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt. Sollte eine solche vorgesehen werden, wird beantragt, diese ausschließlich per Videokonferenz anzuberaumen.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur mobilen Datenverarbeitung, umfassend
- mit einem Anschluss für einen PC,
- ein Hardwaresystem mit dessen Hilfe der Inhalt des Speichers ver- und/oder entschlüsselt wird;
- einen Formfaktor der eine Mobilität in der Tasche erlaubt,
dadurch gekennzeichnet, dass
- mindestens einen integrierten Netzwerkadapter, wobei der Netzwerkadapter ein WLAN-Adapter und/oder ein Ethernet-Adapter ist, der einen Zugang zum Internet ermöglicht;
- einen dauerhaften Speicher, auf dem ein vom dauerhaften Speicher bootbares Betriebssystem abgelegt ist, wobei der Speicher vorzugsweise als Flash ausgebildet ist; wobei der Anschluss für den PC so ausgebildet ist, dass dieser das Betriebssystem vom dauerhaften Speicher beim Booten lädt."
V. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur mobilen Datenverarbeitung, umfassend
- einen Anschluss für einen PC,
- ein Hardwaresystem mit dessen Hilfe der Inhalt des Speichers ver- und/oder entschlüsselt wird;
- einen Formfaktor der eine Mobilität in der Tasche erlaubt,
gekennzeichnet durch
- mindestens einen integrierten Netzwerkadapter, wobei der Netzwerkadapter ein WLAN-Adapter und/oder ein Ethernet-Adapter ist, der einen Zugang zum Internet ermöglicht;
- einen dauerhaften Speicher, auf dem ein vom dauerhaften Speicher bootbares Betriebssystem abgelegt ist, wobei der Speicher vorzugsweise als Flash ausgebildet ist; wobei der Anschluss für den PC so ausgebildet ist, dass dieser das Betriebssystem vom dauerhaften Speicher beim Booten lädt, wobei der dauerhafte Speicher durch das Hardwaresystem ver- und/oder entschlüsselt, wobei das Betriebssystem auf den integrierten Netzwerkadapter zugreift, um einen Zugang zum Internet zu ermöglichen."
In Anbetracht der Entscheidung ist der Text der anderen Hilfsanträge nicht relevant.
Entscheidungsgründe
1. Zusammenfassung der Erfindung
Die Anmeldung betrifft einen verschlüsselten Speicher-Stick (z.B. ein USB-Stick; Seite 1, Zeilen 26, 27 und Beschwerdebegründung, Seite 1, II., Zeile 2), von welchem aus ein PC das Betriebssystem bootet (Seite 2, letzter Absatz; Seite 4, Zeilen 20-22). Außerdem hat der Stick einen integrierten WLAN- oder Ethernet-Netzwerkadapter als Internet-Zugang für den PC (Seite 4, Zeilen 24 und 30; Seite 5, Zeile 2). Dass der Internet-Zugang für den PC bestimmt sein muss, folgt aus der Tatsache, dass der Stick keinen eigenständigen Computer enthält (d.h. weder Prozessor noch Hauptspeicher; siehe Figur 1), sondern die Verbindung vom Ethernet-Controller über den USB-Anschluss direkt zum PC weiterleitet. Zusätzlich kann der Stick einen integrierten Fingerscanner als Zugangs-Kontrolle enthalten (Hilfsanträge 1, 2). Im Hilfsantrag 3 wird gegenüber dem Hauptantrag klargestellt und weiter spezifiziert, dass es der dauerhafte Speicher ist, der ver- und entschlüsselt wird, und dass es das vom Stick gebootete Betriebssystem des PCs ist, das einen Zugang zum Internet über den integrierten Netzwerkadapter auf das Internet ermöglicht. Zusätzlich sind die integrierten Komponenten (wie Netzwerkadapter oder Fingerscanner) über einen integrierten USB-Hub durch den USB-Anschluss mit dem PC verbunden (Hilfsantrag 4).
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Laut der angefochtenen Entscheidung (1-1.2) ist Anspruch 1 des zurückgewiesenen Hauptantrags nicht erfinderisch gegenüber D3 und D4. Darin wird im "Ethernet interface" 9b aus Figur 2b von D3 ein Netzwerkadapter identifiziert, der einen Zugang zum Internet ermöglicht, wie in Anspruch 1 des Hauptantrags.
2.2 Nach Auffassung der Kammer aber geht aus Figur 2b und vor allem aus der Passage auf Seite 4, Mitte der linken Spalte klar hervor, dass sowohl das USB-Interface 9a als auch das Ethernet-Interface 9b nur Ausgänge und keine Eingänge sind. So zeigen in Figur 2b die Pfeile aus dem USB-Interface 9a und dem Ethernet-Interface 9b nur heraus und gehen nicht hinein. Vor allem aber heißt es in obiger Passage (Kursivschrift hinzugefügt):
"The IC (1) also comprises hardware and/or software required to supply output signals to a number of second interface blocks (9A, 9B, 9C or 9D) for transferring data to other devices and networks (N) external to the IC (1). In the present invention the IC (1) is adapted to provide data to the external access-limited apparatus, device or system. This second interface block may comprise hardware and software for supporting a USB (9A), Ethernet (9B), GPIO (9C), PCMCIA/UART (9D) and/or SmartCard (7C) interface."
Es werden also über USB und Ethernet nur Signale vom IC (1) des Sticks zum "external access-limited apparatus" ausgegeben, aber keine empfangen. Dieser "external access-limited apparatus" ist PC 31 von Figur 1b (siehe [47], erster Satz). Über zwei Ausgänge kann der Stick aber keine (bidirektionalen) Internet-Daten zum PC durchschleifen.
2.3 Es gibt auch kein Ausführungsbeispiel in D3, wo USB- und Ethernet-Interface gleichzeitig benutzt werden und auch keines, in dem das Ethernet-Interface eine Verbindung nach außen liefert, sondern nur welche, in denen das USB-Interface nach außen verbindet (siehe z.B. Figuren 3a, 3b und Abschnitt [65] mit Internet-Anschluss über ein Internet-Café oder ein Business-Center im Hotel, ohne Nutzung des Ethernet-Interfaces im Stick). Das einzige Beispiel, in dem das Ethernet-Interface in D3 benutzt wird, ist in Anspruch 9 (Seite 15) zur internen Verbindung auf dem Stick zwischen IC 1 und PCB 12B (siehe 1 und 12b in Figur 3a).
2.4 Damit unterscheidet sich der Stick aus Anspruch 1 des Hauptantrags von dem in D3 dadurch, dass durch ihn ein Zugang zum Internet ermöglicht wird und dass sich ein bootbares Betriebssystem auf seinem dauerhaften Speicher befindet.
2.5 Eine Kombination mit D4 würde zwar das zweite Unterschiedsmerkmal aufweisen, aber nicht das erste.
2.6 Folglich ist die Beschwerde begründet. Artikel 111(1) EPÜ bestimmt, dass die Beschwerdekammer nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, über diese entscheidet. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Die Kammer übt ihr Ermessen dahingehend aus, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Beschwerdekammer zurückverweist.
2.7 Die Kammer kann nicht abschließend beurteilen, ob eine Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit ohne weitere Recherche getroffen werden kann. Die weiteren von der Prüfungsabteilung zitierten Dokumente D1, D2 und D5 enthalten weder ein bootbares Betriebssystem für den PC, noch einen Netzwerkadapter auf dem Stick, welcher einen Zugang zum Internet ermöglicht. In D1 wird vom Stick 12 aus nur eine Netzwerkverbindung offenbart, die zu PC 14 führt (siehe [29], erster Satz), aber nicht ins Internet. Ebenso gibt es auch in D2 nur eine Netzwerkverbindung zwischen Stick 2 und einem Host-Device (d.h. PC; siehe [17]). In D5 weist der Stick 2 keinen Netzwerkadapter auf, sondern nur PC 1 (siehe [41], zweitletzter Satz).
2.8 Weder die Dokumente im Recherchenbericht (D1-D4) noch das später eingeführte D5 offenbaren einen Internet-Surf-Stick mit Flash-Speicher, obwohl der Netzwerkadapter schon im ursprünglichen Anspruch 11 für eine Verbindung ins Internet genutzt wurde.
3. Klarheit
3.1 Für die weitere Prüfung der Anmeldung sei noch auf die folgenden Klarheitsmängel hingewiesen.
3.2 Am Ende von Anspruch 1 aller Anträge heißt es, dass "dieser [PC] das Betriebssystem vom dauerhaften Speicher [des Sticks] beim Booten lädt". Gemeint ist wohl, dass der PC das Betriebssystem vom Stick bootet, d.h. in seinen Hauptspeicher lädt und startet (siehe Seite 2, letzter Absatz und Seite 4, Zeilen 20-22). Die Formulierung im Anspruch kann aber so gelesen werden, dass der PC das Betriebssystem nur vom Stick in seinen Hauptspeicher lädt, es aber nicht startet.
Eine Formulierung wie "dass dieser das Betriebssystem vom dauerhaften Speicher bootet" würde die Unklarheit beseitigen.
3.3 Außerdem enthält Anspruch 1 des Hauptantrags zwei sprachliche Unebenheiten, die im dritten Hilfsantrag bereits beseitigt sind. Im ersten Spiegelstrich passt das Wort "mit" nicht zum vorangegangnen "umfassend", und der Ausdruck "dadurch gekennzeichnet dass" sollte durch "gekennzeichnet durch" ersetzt werden.
3.4 Auch das im Obiter Dictum der Entscheidung (Absatz 6) aufgeworfene Klarheitsproblem ist im dritten Hilfsantrag behoben, welcher im wesentlichen nur eine Klarstellung des Hauptantrags ist.
3.5 Darüberhinaus wird im dritten Hilfsantrag klargestellt, dass es das vom Stick gebootete, auf dem PC aktuell laufende Betriebssystem ist, welches auf den Netzwerkadapter des Sticks zugreift, um eine Internet-Verbindung herzustellen. Das ist durch die Gesamtschau der Beschreibung offenbart (vor allem durch die Tatsache, dass der Stick keinen eigenen Computer mit eigenem Betriebssystem darstellt, im Gegensatz zu demjenigen in D3). Dies stellt das von der Entscheidung (Absatz 2a)) angezweifelte Zusammenwirken zwischen Netzwerkadapter und Betriebssystem her, was für die Prüfungsabteilung als ein Hindernis zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit angesehen wurde.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1) Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2) Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.