T 2223/12 (Füllstandsensor) of 31.7.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T222312.20130731
Datum der Entscheidung: 31 Juli 2013
Aktenzeichen: T 2223/12
Anmeldenummer: 01124080.1
IPC-Klasse: G01D 5/39
G01F 23/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Übertragungssystem für entfernte Sensoren
Name des Anmelders: VEGA Grieshaber KG
Name des Einsprechenden: Einspruch zurückgezogen
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung hatte den Widerruf damit begründet, dass sowohl der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung, als auch der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (Artikel 100(c) EPÜ 1973).

II. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt die Beschwerdeführerin, das Patent in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 oder Hilfsantrag 2 aufrechtzuerhalten.

III. Die Einsprechende, KROHNE Messtechnik GmbH & Co. KG,

Ludwig-Krohne-Strasse 5, D-47058 Duisburg (DE), hatte ihren Einspruch im Einspruchsverfahren zurückgenommen.

IV. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Füllstandsensorvorrichtung zur Erfassung eines Füllstandes und zum Erzeugen eines für den Füllstand repräsentativen digitalen Signals, wobei eine Baueinheit (9) vorgesehen ist, innerhalb welcher ein Füllstandsensor (1) und eine Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Füllstandsensor (1) bereitgestellten Analogsignale und zur Ausgabe der den Füllstand repräsentierenden digitalen Signale vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß innerhalb der Baueinheit (9) eine erste Schnittstelle mit einem Schnittstellenwandler (2) mit nachgeschaltetem Telefon-Modem (3) vorgesehen ist, die erste Schnittstelle zum Abfragen und/oder Setzen von Funktionsparametern der Füllstandsensorvorrichtung vorgesehen ist, und dass innerhalb der Baueinheit (9) eine zweite Schnittstelle vorhanden ist zum Übertragen von von der Füllstandsensorvorrichtung aufgenommenen Messwerten zu einem lokalen Rechnernetz (LAN)."

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Unzulässige Änderung des erteilten Anspruchs 1 (Artikel 100(c) EPÜ 1973).

1.1.1 Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs aus drei Gründen über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht:

a) Im Anspruch 1 werde sowohl eine "Einrichtung zur AD-Wandlung" als auch ein "Schnittstellenwandler" definiert. Dem Wortlaut des Anspruchs 1 des erteilten Patents zufolge scheine es sich dabei um zwei unterschiedliche Elemente zu handeln. Der Schnittstellenwandler könne somit nicht als Basis für die Aufnahme einer "Einrichtung zur AD-Wandlung" dienen.

Folglich sei die Einspruchsabteilung der Meinung, dass die "Einrichtung zur AD-Wandlung" nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart war.

b) Gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 (Spalte 3, Zeilen 54-58 der Patentschrift) habe die dort definierte Einrichtung zwei Funktionen:

- AD-Wandlung der vom Füllstandsensor bereitgestellten Analogsignale;

- Ausgabe der den Füllstand repräsentierenden digitalen Signale.

Die Einspruchsabteilung sei der Auffassung, dass in den ursprünglichen Unterlagen nur die Erzeugung der digitalen Signale explizit offenbart werde. Welche Einrichtung genau die Ausgabe der digitalen Signale verwirklicht, sei den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen.

c) Im ursprünglichen Anspruch 5 werde die “erste Schnittstelle (3) in Form eines Modems“ definiert. Obwohl ein Schnittstellenwandler und ein Modem als separate Elemente ursprünglich offenbart seien, fehle in den ursprünglichen Unterlagen die Definition einer ersten Schnittstelle, die diese beiden Komponenten umfasst.

1.1.2 Basis für die Merkmale des erteilten Anspruchs 1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 stützt sich im Wesentlichen auf das Ausführungsbeispiel, wie es in der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 5 und 6 und im Zusammenhang mit Figur 3 und Seite 3, Zeilen 4-10 offenbart ist. Zu den Merkmalen, für die die Einspruchsabteilung keine ausreichende Stützung in den ursprünglichen Unterlagen gesehen hat, nimmt die Kammer wie folgt Stellung:

a) Eine "Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Füllstandsensor (1) bereitgestellten Analogsignale und zur Ausgabe der den Füllstand repräsentierenden digitalen Signale" ist den ursprünglichen Unterlagen wortwörtlich nicht zu entnehmen.

Der ursprüngliche Anspruch 1 definiert jedoch, dass die Sensoreinheit 9 "zur Erfassung einer Prozessgröße und zum Erzeugen eines für die Prozessgröße repräsentativen digitalen Signals" geeignet ist. Diese funktionale Definition im Anspruch 1 schließt für den Fachmann ein, dass auch entsprechende Vorrichtungen oder Einrichtungen implizit offenbart sind, die die genannten Funktionen erfüllen.

In den Figuren ist zu sehen, dass die Einheit 9 einen Sensor 1 aufweist, der die Prozessgröße (Füllstand) erfassen und analog ausgeben kann (siehe Seite 3, Zeilen 15-17). Eine Einrichtung zum Erzeugen eines für die Prozessgröße digitalen Signals ist auch vorhanden: In den Figuren 1 und 2 ist ein Schnittstellen­wandler 2 an den Füllstandsensor 1 angeschlossen, der dazu dient, das analoge Ausgangssignal des Sensors 1 in ein digitales Signal umzusetzen (siehe Seite 3, Zeilen 15-20).

In dem Ausführungsbeispiel nach Figur 3 und den ursprünglichen Ansprüchen 5 und 6 gibt es zusätzlich zu der ersten Schnittstelle 3 eine zweite Schnittstelle 10 für die Kommunikation mit einem Netzwerk. In diesem Fall werden die vom Sensor aufgenommen Messwerte allerdings über die zweite Schnittstelle 10 an das Netzwerk 11 übertragen, und die Kommunikation über die Telefonleitung 5 (mit Schnittstellenwandler 2 und Modem 3, siehe Figur 3) wird nur zum Abfragen und Setzen von Betriebsparametern eingesetzt (siehe Seite 4, Zeile 34 bis Seite 5, Zeile 13; ursprünglicher Anspruch 6). Aus den vom Sensor aufgenommenen Messwerten wird ein digitales Signal erzeugt, bevor es über die zweite Schnittstelle 10 übertragen werden kann (siehe ursprünglicher Anspruch 1, wo für alle Ausführungsbeispiele definiert ist, dass ein für die erfasste Prozessgröße repräsentatives digitales Signal erzeugt wird; über einen Feldbus 11 (Seite 5, Zeile 2) oder ein LAN (ursprünglicher Anspruch 5) können nur digitale Daten übertragen werden). Daher befindet sich zwischen dem Sensor 1 und dem Feldbus 11 eine Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Sensor bereitgestellten analogen Signale, auch wenn sie in Figur 3 nicht explizit gezeigt ist.

Eine Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Füllstandsensor (1) bereitgestellten Analogsignale - zusätzlich zum Schnitt­stellen­wandler 2 für die Funktionsparameter der Sensoreinheit - ist daher zweifelsfrei offenbart.

b) Im Anspruch 1 wird die "Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Füllstandsensor (1) bereitgestellten Analogsignale und zur Ausgabe der den Füllstand repräsentierenden digitalen Signale" definiert. Wie bereits unter Punkt a) ausgeführt ist die Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung der vom Füllstandsensor bereitgestellten Analogsignale in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Die Einspruchsabteilung sieht aber nicht, wo offenbart ist, dass die Einrichtung auch zur Ausgabe der den Füllstand repräsentierenden digitalen Signale geeignet ist. Auch dieses Merkmal ist den ursprünglichen Unterlagen nicht wortwörtlich zu entnehmen. Für einen Fachmann ist es jedoch implizit mitoffenbart, dass jeder Analog-Digital-Wandler auch einen Ausgang oder eine Ausgabe hat, an dem die digitalen Signale bereitgestellt werden. Ein Analog-Digital-Wandler ohne Eingang und Ausgang ist nicht vorstellbar. Deshalb offenbaren die ursprünglichen Unterlagen selbstverständlich auch das Merkmal, dass die Einrichtung zur Analog-Digital-Wandlung auch zur Ausgabe der digitalen Signale geeignet ist. Die Art der erzeugten digitalen Signale präzisiert, dass die Einrichtung die Messsignale digitalisiert und ausgibt, im Gegensatz zum Schnittstellen­wandler, der in dieser Ausführung für die Funktionsparameter der Sensorvorrichtung vorgesehen ist.

c) Aus den ursprünglichen Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Einheit 9 einen Sensor 1, einen Schnittstellenwandler 2 und ein Modem 3 enthält (siehe Seite 4, Zeilen 4-5; Figur 3). Das Modem 3 ist eine mögliche Art von Schnittstelle (siehe Seite 2, Zeile 35, ursprünglicher Anspruch 5), und der Fachmann kann daraus entnehmen, dass die Schnittstelle durch das Modem realisiert werden kann.

Im erteilten Anspruch 1 wird definiert, dass "eine erste Schnittstelle mit einem Schnittstellen­wandler (2) mit nachgeschaltetem Telefon-Modem (3) vorgesehen ist". Nach dieser Definition umfasst die erste Schnittstelle den Schnittstellenwandler (2) und das Telefon-Modem (3). Der erteilte Anspruch 1 definiert daher die Schnittstelle etwas anders als die ursprünglichen Unterlagen.

Es stellt sich daher die Frage, ob der Fachmann durch diese andere Definition Angaben erhält, die aus den zuvor durch die ursprüngliche Anmeldung vermittelten Angaben nicht unmittelbar und eindeutig hervorgehen. In beiden Fällen sind ein Schnittstellenwandler und ein nachgeschaltetes Modem in der Einheit vorhanden. Der erteilte Anspruch 1 gibt zwar, wie der ursprüngliche Anspruch 6, an, dass "die erste Schnittstelle zum Abfragen und/oder Setzen von Funktionsparametern der Füllstandsensorvorrichtung vorgesehen ist". Diese vorgesehene Verwendung und Eignung bezieht sich im erteilten Anspruch 1 auf Modem und Schnittstellenwandler, wohingegen in den ursprünglichen Unterlagen nur das Modem für diese Verwendung geeignet sein musste. Die Funktion und das Zusammenwirken von Schnittstellenwandler und Modem zum Abfragen und/oder Setzen von Funktionsparametern ist jedoch unverändert. Wenn in den ursprünglichen Unterlagen das Modem zum Abfragen und/oder Setzen der Funktionsparameter geeignet ist, wenn es mit dem Schnittstellen­wandler zusammen wirkt, dann ist auch die Kombination dieser Elemente für diese Funktion geeignet. Die Kammer sieht daher in dieser anderen Definition lediglich eine andere Begriffsbestimmung, die jedoch keine andere, vorher nicht offenbarte technische Lehre zur Folge hat.

1.1.3 Zusammenfassend stellt die Kammer daher fest, dass alle in Frage stehenden Merkmale des erteilten Anspruchs 1 in der ursprünglichen Fassung der Anmeldeunterlagen zweifelsfrei offenbart sind. Somit genügt der Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 100(c) EPÜ 1973.

1.2 Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54(1), (2) und 56 EPÜ 1973)

1.2.1 In der Anlage zur Ladung vom 19.03.2012 hat die Einspruchsabteilung die vorläufige Meinung vertreten, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

1.2.2 Die Einsprechende hat dieser Auffassung nicht widersprochen und den Einspruch zurückgenommen.

1.2.3 Neuheit und erfinderische Tätigkeit waren auch nicht Gegenstand der strittigen Entscheidung.

1.2.4 Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung in Frage zu stellen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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