European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T221612.20180807 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 07 August 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2216/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05730867.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 31/00 A61K 31/56 A61K 31/57 A61P 15/18 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | MEHRPHASENPRÄPARAT ZUR KONTRAZEPTION AUF DER BASIS EINES NATÜRLICHEN ESTROGENS | ||||||||
Name des Anmelders: | Bayer Intellectual Property GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Laboratorios Léon Farma, S.A. Lupin Limited |
||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Änderungen - Erweiterung des Schutzbereichs (nein) Ausreichende Offenbarung - (ja) Spät vorgebrachte Argumentationslinie - zugelassen (nein) Zulassung neuer Beweismittel - teilweise Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechenden I und II) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die geänderte Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 740 163 aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Beweismittel Bezug genommen.
D2 EP 0 770 388 B1
D2b US 6,133,251
D2c Auszug aus dem öffentlichen Teil der Akte zu der Anmeldung US 08/738,314
D2d Auszug aus öffentlichen Teil der Akte zu der Anmeldung US 09/648,858
D3 H. Hoffmann et al., Exp. Toxic. Pathol., 1998, 50, Seiten 458 bis 464
D4 H. Hoffmann et al., Drugs of Today, 1999, 35 (Suppl. C), Seiten 105 bis 113
D5 J. Endrikat et al., Contraception, 2008, 78, Seiten 218 bis 225
D6 Public Assessment Report of the Medicines Evaluation Board in the Netherlands, Qlaira, film-coated tablets Bayer Schering AG, Germany, 2009, Seiten 1 bis 25
D7 C. Moore et al., Clin. Drugs Invest., 1999, 18(4), Seiten 271 bis 278
D11 WO 98/04268
D13 T. Gräser et al., Maturitas, 2000, 35, Seiten 253 bis 261
D19 "Kontrazeption", H. Kuhl, C. Jung-Hoffmann, 2. Auflage, 1999, Georg Thieme Verlag, Stuttgart (DE), Seite 140
D20 T. Gräser, M. Oettel, Drugs of Today, 1996, 32 (Suppl. H), Seiten 43 bis 55
D21 "Dienogest", Herausgeb. A. T. Teichmann, 2. Aufl., 1995, Walter de Gruyter GmbH & Co KG, Seiten 161 bis 169
D26 Market Authorisation for Qlaira film-coated tablets, Irish Medicines Board, 2010, Seiten 1 bis 16
D27 "A Clinical Guide for Contraception", L. Speroff, Ph. D. Darney, 2. Auflage, 1996, Williams & Wilkins, Baltimore (US), Seiten 85 bis 87
D28 Eingaben der Patentinhaberin bezüglich der Einsprüche gegen die Patente EP 1 598 069 und EP 1 380 301 vom 21. September 2010 (Seiten 1 und 47), 30. November 2011 (Seiten 1 und 37) und 28 Mai 2010 (Seiten 1 und 62)
D29 US 5,633,242
D30 US 5,280,023
D31 J. Spona et al., Contraception, 1997, 56, Seiten 185 bis 191
D34 US 6,884,793
D35 US 2002/0107229
D36 Auszug aus dem öffentlichen Teil der Akte zu der Anmeldung US 09/950,915
D37 M. Oettel, Drugs of Today, 1995, 31(7), Seiten 517 bis 536
D38 Loestrin®, Detailed Patient & Brief Summary Patient Package Insert, 1999, Seiten 1 bis 17
D39 Ortho Tri-Cyclen**(®) Lo tablets, Produktinformation, Seiten 3 bis 47
D40 Mircette**(®), Detailed Package Insert, 2000, 2 Seiten
D41 Auszüge aus einer klinischen Phase III Studie mit dem Mehrphasenprodukt gemäß Ausführungsbeispiel 5 der D2, Bayer Healthcare, Bayer Schering Pharma, Seiten 2 bis 8 von 393
D42 Expert Report of Dr. S. Palacios, eingereicht von der Beschwerdeführerin I mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018, vier Seiten
D45 M. Oettel et al., Drugs of Today , 1999, 35 (Suppl. C), Seiten 3 bis 12
D46 T. Gräser et al., Climacteric, 2000, 3, Seiten 109 bis 118
D47 A. E. Schindler et al., Maturitas, 2003, 46S1,, Seiten S7 bis S16
D48 S. Palacios et al., European Journal of Obstetrics Gynecology and Reproductive Biology, 2010, 149, Seiten 57 bis 62
III. Mit den Einsprüchen war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und Erweiterung des Gegenstandes über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus angegriffen worden (Artikel 100 (a), (b) und (c) EPÜ).
IV. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Einspruch der Einsprechenden II, dessen Zulässigkeit von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) bestritten worden war, zulässig sei. Des Weiteren entschied sie, dass der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 22. November 2011, die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und (3), 83 und 84 EPÜ erfülle. Der Gegenstand des Hauptantrags sei zudem neu und beruhe ausgehend vom Ausführungsbeispiel 5 des Beweismittels D2 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die zu lösende Aufgabe bestehe in die Bereitstellung eines wirksameren Östrogen-Gestagen Kontrazeptivums mit guter Zykluskontrolle unter Inkaufnahme geringfügig erhöhter Nebenwirkungen. Die vorgeschlagene Lösung, die Phasenlängen des Mehrphasenpräparates zu ändern und die Menge der Gestagenkomponente zu erhöhen, werde dem Fachmann vom Stand der Technik nicht nahegelegt. Die Einspruchsabteilung befand zudem, dass die Beweismittel D3 und D4 im Wesentlichen gleichwertig zu D2 seien, da sie ein zu Ausführungsbeispiel 5 identisches Mehrphasenpräparat offenbarten. Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ändere sich ausgehend von D3 oder D4 als nächsten Stand der Technik nicht. Eine Kombination der Beweismittel D2 und D2d als nächsten Stand der Technik lehnte die Einspruchsabteilung ab.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des der Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags lauten wie folgt:
"1. Mehrphasenpräparat zur Kontrazeption auf Basis eines natürlichen Estrogens mit einem synthetischen Gestagen, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten des natürlichen Estrogens Estradiolvalerat zu 3 mg besteht, eine zweite Phase aus 2 Gruppen von Tagesdosiseinheiten besteht, wobei die erste Gruppe aus 5 Tagesdosiseinheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat und 2 mg an Dienogest und die zweite Gruppe aus 17 Tagesdosis-einheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat und 3 mg an Dienogest, eine dritte Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten mit 1 mg Estradiolvalerat besteht, und eine weitere Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten an pharmazeutisch unbedenklichem Placebo besteht."
"2. Mehrphasenpräparat zur Kontrazeption auf Basis eines natürlichen Estrogens mit einem synthetischen Gestagen, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten des natürlichen Estrogens Estradiolvalerat zu 3 mg besteht, eine zweite Phase aus 2 Gruppen von Tagesdosiseinheiten besteht, wobei die erste Gruppe aus 5 Tagesdosiseinheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat und 3 mg an Dienogest und die zweite Gruppe aus 17 Tagesdosis-einheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat und 4 mg an Dienogest, eine dritte Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten mit 1 mg Estradiolvalerat besteht, und eine weitere Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten an pharmazeutisch unbedenklichem Placebo besteht."
V. In ihrer Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin I Einwände unter Artikel 123 (2) und (3), 83, 84 und 56 EPÜ geltend. Darüber hinaus reichte sie die zusätzlichen Beweismittel D34 bis D36 ein.
VI. Die Beschwerdeführerin II hielt mit der Beschwerdebegründung ihren Einwand unter Artikel 56 EPÜ aufrecht und reichte D35 bis D40 als zusätzliche Beweismittel ein.
VII. Mit der Beschwerdeerwiderung verteidigte die Beschwerdegegnerin den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag. Hilfsweise verfolgte sie die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf Grundlage des bereits während des Einspruchsverfahrens mit Schriftsatz vom 8. Mai 2012 eingereichten Anspruchssatzes gemäß erstem Hilfsantrag. Die Einwände der Beschwerdeführerin I unter Artikel 123 (2), 83 und 84 EPÜ sollten nach Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht in das Verfahren zugelassen werden. Darüber hinaus reichte sie D41 als zusätzliches Beweismittel ein.
Der erste Hilfsantrag umfasst einen einzigen Anspruch, der mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags identisch ist (siehe Punkt IV oben).
VIII. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 (auf der ersten Seite der Eingabe wird irrtümlich der 23. Januar 2019 genannt, Anmerkung der Kammer) reichte die Beschwerdeführerin I das Beweismittel D42 ein.
IX. In einer Mitteilung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung hat die Kammer ihre vorläufige Meinung geäußert. Insbesondere wies die Kammer darauf hin, dass sie die Auffassung der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Nichtzulassung der Einwände unter Artikel 123 (2) und 83 EPÜ nicht teile. Nach vorläufiger Auffassung der Kammer lag auch kein Verstoß gegen diese Artikel vor. Im Hinblick auf den Einwand unter Artikel 84 EPÜ war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass dieser gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 nicht berücksichtigt werden könne. In Bezug auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sah die Kammer die Beweismittel D2 (Ausführungsbeispiel 5) oder D3 (Abbildung 3) als nächsten Stand der Technik an. Ein Mehrphasenpräparat, das dem Beispiel 2A des nachveröffentlichten Beweismittels D5 entspreche, werde nach vorläufiger Meinung der Kammer im Stand der Technik nicht beschrieben. Zudem verwies die Kammer im Hinblick auf die von den Parteien vorgebrachten Argumente auf eine Reihe von Punkten, die in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein werden.
X. Mit Schriftsatz vom 25. April 2018 reichte die Beschwerdegegnerin zwei weitere Anspruchsätze gemäß zweitem und drittem Hilfsantrag ein. Zudem brachte sie weitere Argumente gegen die Zulassung der neuen Beweismittel und neuen Angriffslinien vor.
Der zweite Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass die Ansprüche 1 und 2 auf ein orales Mehrphasenpräparat beschränkt wurden. Der dritte Hilfsantrag unterscheidet sich vom zweiten Hilfsantrag dadurch, dass der Anspruch 2 gestrichen wurde.
XI. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 teilte die Beschwerdeführerin II der Kammer mit, dass sie an der von der Kammer angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Zu Sachfragen äußerte sie sich nicht.
XII. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 kündigte die Beschwerdeführerin I die Teilnahme von Dr. Palacios an der mündlichen Verhandlung an. Darüber hinaus reichte sie D45 bis D47 als zusätzliche Beweismittel ein und nahm zu den in der Mitteilung der Kammer angesprochenen Punkten Stellung. Des Weiteren reichte die Beschwerdeführerin I am 9. Juli 2018 das Beweismittel D48 ein.
XIII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdegegnerin ihre Einwände bezüglich der Nichtzulassung der Einwände unter Artikel 123 (2) und 83 EPÜ nicht länger aufrechterhalten.
XIV. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen I und II, soweit sie die entscheidungserheblichen Sachverhalte betreffen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Beschwerdeführerin I
- Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 finde keine Grundlage in den Beispielen 1 und 2, da letztere Merkmale enthielten, die in den Ansprüchen fehlten. So werden Estradiolvalerat und Dienogest offenbar oral verabreicht, da in den Beispielen auf die "Einnahmedauer" hingewiesen werde. Zudem seien die Beispiele auf eine bestimmte Gruppe von ovulierenden Frauen beschränkt. Des Weiteren erfolge die Verabreichung über eine Dauer von 3 Zyklen, wobei nur die Zyklen 2 und 3 beobachtet worden seien. Schließlich seien in den Beispielen auch keine Angaben darüber enthalten, dass Estradiolvalerat und Dienogest in Kombination verabreicht worden seien. Ihre Gabe könne außer in Pillenform auf unterschiedliche Weise erfolgen, was die Möglichkeit eröffne, beide Komponenten getrennt zu verabreichen.
In den ursprünglichen Anmeldeunterlagen werde ein Mehrphasenpräparat zur Kontrazeption offenbart, das durch ein Mehrfaches der Ovulationshemmdosis des Gestagens gekennzeichnet ist und somit die Variabilität im Hinblick auf die spezifische Ovulationshemmdosis für die einzelnen Frauen berücksichtige. Dies sei in den Ansprüchen des Hauptantrags nicht länger gegeben. Um als Kontrazeptivum angesehen zu werden, müssen die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate kontrazeptiv wirksam sein. Die kontrazeptive Wirksamkeit werde in den Anmeldeunterlagen nicht definiert. In Abwesenheit einer solchen Definition müsse daher auf das allgemeine Fachwissen zurückgegriffen werden. Nach Angaben der Patentanmelderin, die als Fachmann auf dem Gebiet der Kontrazeption gelten könne, müssen Kontrazeptiva zu mehr als 99 % wirksam sein (siehe D28). In den Beispielen 1 und 2 der Anmeldeunterlagen werde dagegen nur eine kontrazeptive Wirksamkeit von 96 beziehungsweise 97 % erreicht. Die Mehrphasenpräparate der Beispiele seien somit keine Kontrazeptiva, so dass der Begriff "zur Kontrazeption" in den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags, die auf diesen Beispielen beruhen, über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe.
- Änderungen (Artikel 123(3) EPÜ)
Der Schutzbereich des Streitpatents sei erweitert worden, da die Mehrphasenpräparate der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags mit den festgelegten Gestagendosen nicht für alle Frauen kontrazeptiv wirksam seien. In den erteilten Ansprüchen sei dies jedoch der Fall gewesen, da die darin genannte zwei- oder dreifache Ovulationshemmdosis des Gestagens in der ersten Gruppe der zweiten Phase und die drei- oder vierfache Ovulationshemmdosis des Gestagens in der zweiten Gruppe der zweiten Phase lediglich einen Mindestwert darstellte. Da die Ansprüche des Hauptantrags Mehrphasenpräparate umfassen, die nicht für alle Frauen wirksam seien, sei der Schutzbereich somit eindeutig erweitert worden. Darüber hinaus sei die Ovulationsdosis von 1 mg Dienogest lediglich die akzeptierte minimale Ovulationshemmdosis. Die Ovulationshemmdosis sei jedoch für einige Frauen höher (d > 1 mg). Somit entspreche ein Mehrfaches dieser höheren Dosis einem Wert, der größer sei als die beanspruchte zwei oder dreifache bzw. drei oder vierfache Menge an Dienogest. Für diese Frauen reichten die beanspruchten Dosen daher für eine wirksame Kontrazeption nicht aus. Dies werde auch durch das Beweismittel D7 bestätigt. Dies zeige, dass selbst bei täglich 2 mg Dienogest Follikelwachstum erhalten bleibe (siehe Seite 276, linke Spalte zweiter Absatz, Zeilen 8 bis 10). Für den Fachmann sei daher ersichtlich, dass in einem solchen Fall die minimale Ovulationshemmdosis 2 mg sei. Das zwei- und dreifache bzw. drei- und vierfache liege in einem solchen Fall höher als die anspruchsgemäßen Dienogestdosen.
- Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Die Ansprüche 1 und 2 seien auf Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption gerichtet, d.h. eine wirksame Kontrazeption müsse auch erzielt werden. Dies werde mit den anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparaten jedoch nicht erreicht, da deren kontrazeptive Wirksamkeit lediglich bei 96 bis 97 % liege. Die Ovulation werde gemäß den Angaben in Beispielen nicht bei allen Frauen gehemmt. Kontrazeptiva müssen jedoch zu mehr als 99 % wirksam sein (siehe D28).
- Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Die Ansprüche seien nicht klar, insbesondere im Hinblick darauf, wie die kombinierte Gabe von Estradiolvalerat und Dienogest in der Phase II zu erfolgen habe. Werde an einigen Tagen Estradiolvalerat und an den übrigen Tagen Dienogest verabreicht oder werde eine Kombination aus beiden jeden Tag verabreicht oder werden an einigen Tagen eine Kombination an den übrigen Tagen dagegen nur eine der beiden Komponenten verabreicht? Zudem sei unklar was mit dem Begriff "weitere Phase" gemeint sei, insbesondere wo sich diese Phase relativ zu der ersten zweiten und dritten Phasen befinde.
- Zulassung der Beweismittel D34 bis D37, D42 und der Angriffslinie basierend auf der Zusammenschau der Beweismittel D35 und D36
D34 bis D36 seien mit den Beschwerdebegründungen in Reaktion auf die für die Beschwerdeführerinnen negative Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht worden. D35 und D36 seien zudem relevanter als die in der angefochtenen Entscheidung genannten Beweismittel D2 und D2d, da sie zur gleichen Teilanmeldung gehörten. D36 enthalte einen einzigen Anspruch. D35 sei die zu D36 gehörige Beschreibung. Aus ihrer Zusammenschau - Anspruch aus D36, Beispiele 1, 3 und 5 aus D35 - ergebe sich ein näherer Stand der Technik als es das Ausführungsbeispiel 5 der D2 sei. Ein solcher wurde bereits von der Beschwerdeführerin II als geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen. Auf diese Argumente der Beschwerdeführerin II, die zu berücksichtigen seien, könne sich auch die Beschwerdeführerin I stützen. Die Beschwerdegegnerin könne daher nicht überrascht sein. Es entstünden dadurch auch keine besonderen technischen Schwierigkeiten oder Verzögerungen des Verfahrens.
D37 sei für die Frage der ausreichenden Ovulationshemmdosis, und damit für die erfinderische Tätigkeit, relevant. Es zeige, dass eine Dosis von 1 mg Dienogest für eine sichere Ovulationshemmung nicht ausreiche (siehe Seite 529, Tabelle VII; rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz).
Der Expertenbericht von Dr. Palacios (D42) sei in das Verfahren zuzulassen. Der neue Vertreter sei nicht am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen und habe daher nicht früher auf das Vorbringen der Patentinhaberin reagieren können. Darüber hinaus fasse D42 lediglich das allgemeine Fachwissen des Fachmanns vor dem Prioritätstag des Streitpatents zusammen. Der Inhalt von D42 erhöhe nicht die Komplexität des Falls und schaffe auch keinen neuen Fall. Zudem sei D42 noch vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden.
- Ausführungen von Dr. Palacios während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer
Dr. Palacios sei der technische Experte der Beschwerdeführerin I, kein Zeuge. Seine Anwesenheit sei einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, und damit rechtzeitig, angekündigt worden. Die beabsichtigten Ausführungen bezögen sich, wie ebenfalls angekündigt, auf diejenigen Sachverhalte, die in der Mitteilung der Kammer zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung angesprochen wurden, insbesondere darauf wie der Durchschnittsfachmann, die von der Kammer aufgeworfenen Fragen beantworten würde.
- Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Als nächster Stand der Technik sei die Kombination von D2 mit D36 anzusehen. Diese offenbare ein Mehrphasenprodukt, wie es die Beschwerdeführerin II in Punkt 5.14 ihrer Beschwerdebegründung beschreibe. Der gemäß D36 einzige Anspruch offenbare das Phasenregim, die entsprechende Mengen an Estradiolvalerat und Dienogest seien dem Ausführungsbeispiel 5 der D2 zu entnehmen. Gemäß Rechtsprechung der Kammern könne die Kombination zweier Dokumente den nächsten Stand der Technik darstellen, wenn sie zur gleichen Anmelderin/Patentinhaberin gehörten, von im Wesentlichen denselben Erfindern stammten und sich offenbar auf dieselbe Untersuchungsreihe bezögen (siehe T 176/89). Dies sei vorliegend der Fall.
Darüber hinaus dürfe der Anspruch in D36 nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr müsse er im Zusammenhang mit dem erteilten Patent D2b gelesen werden, dessen Beschreibung den zu D2d bzw. D36 gehörenden Beschreibungen entspreche. Dem Beispiel 1 der D2b ließen sich die entsprechenden Estradiolvaleratmengen und dem Ausführungsbeispiel 5 die entsprechenden Dienogestmengen entnehmen.
Für den Fall, dass die Kombination D2 mit D36 nicht als der nächste Stand der Technik anzusehen sei, sei vom Ausführungsbeispiel 5 der D2 auszugehen. Die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate unterschieden sich davon in der Phasenlänge einzelner Phasen und in der zu verabreichenden Dienogestmenge in der zweiten Phase. Die Beweismittel D5, D26 und D41 zeigten bestenfalls, dass dadurch die kontrazeptive Wirksamkeit verbessert werde. Darüber hinaus werde kein weiteres technisches Problem gelöst. Die Nebenwirkungen seien im Vergleich zum nächsten Stand der Technik für die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate größer (siehe D5, Tabelle 3). Die Abbildung 2 der D5 lasse zudem Zweifel über eine verbesserte Ovulationshemmung aufkommen, da sich die Konfidenzintervalle überlappten. Der einzige Beleg für eine vorgeblich verbesserte kontrazeptive Wirksamkeit seien die unterschiedlichen Werte im Pearl Index.
Dem Fachmann sei bereits aus D2c bekannt, dass das Mehrphasenpräparat des Stands der Technik keine ausreichende Ovulationshemmung besitze (siehe Seite 4, letzter Absatz und Ergebnisse in der Tabelle auf Seite 8, Reihe 5 der Erklärung). Darüber hinaus wisse er auch, dass die kontrazeptive Wirksamkeit von der Gesamtmenge an Gestagen abhänge (siehe D29, Spalte 1, Zeilen 41 bis 45, Spalte 2, Zeilen 51 bis 56). Mit 36 mg sei diese Dosis im Ausführungsbeispiel 5 der D2 niedriger als die anderer Kontrazeptiva aus dem Stand der Technik, die zwischen bei 42 mg und 48 mg liegen (beispielsweise D29, Spalte 5, Zeilen 11 bis 20; D31, Seite 186, linke Spalte, Zeilen 30 bis 33). Für den Fachmann wäre es daher offensichtlich gewesen, die Gestagenmenge zu erhöhen, um die kontrazeptive Wirksamkeit möglicherweise zu verbessern, umso mehr als ihm bekannt gewesen sei, dass die kontrazeptive Wirksamkeit von Mehrphasenpräparate geringer sei als die von Einphasenpräparaten (siehe D2b, Spalte 1, Zeilen 19 bis 24; D30, Spalte 1, Zeilen 40 bis 44).
Die Kenntnisse des Fachmanns werden zudem durch D11, D21, D30 und D37 bestätigt. D11 offenbare, wie D29, dass die Gestagenkomponente im Wesentlichen für die Ovulationshemmung verantwortlich sei (Seite 1, Zeilen 11 bis 13). Aus D21 sei bekannt, dass die in der Praxis zur Ovulationshemmung eingesetzte Dienogestdosis bei täglich 2 mg liege, und selbst bei dieser Dosis Follikelreifung erfolge (siehe Seite 164, Absatz direkt über der Abbildung 1, Seite 168; zweiter Absatz unter dem Punkt "Diskussion"). D30 offenbare, dass die kontrazeptive Wirksamkeit auf der Gestagenkomponente beruhe und dass dieses in Dosen verabreicht werde, die das zweifache der zur Hemmung der Ovulation benötigten Menge betrage (D30, Spalte 1, Zeilen 51 bis 54, Spalte 4, Zeilen 59 bis 63). D37 zeige, dass mehr als 1 mg Dienogest nötig sei, um die Ovulation sicher zu hemmen (siehe Seite 529, Tabelle VII; rechte Spalte, letzter vollständiger Absatz).
Mit diesem Fachwissen, vor allem im Hinblick auf die in D21 offenbarte Follikelreifung, habe der Fachmann keine andere Wahl gehabt als die Menge an Dienogest im Vergleich zum nächsten Stand der Technik zu erhöhen.
Aus D13 und D20 sei zudem ersichtlich, dass erhöhte Mengen an Dienogest ein vorteilhaftes Blutungsverhalten zeige. So können gemäß D20 mit Dienogestmengen von täglich 3 bis 4 mg Blutungsstörungen vermieden werden können (siehe Seite 48, linke Spalte, Zeilen 11 bis 4 von unten, Abbildung 4 auf Seite 49). In D13 werde als optimale Dosis 3 mg Dienogest beschreiben (siehe Punkt 3.2.1 auf Seite 256/257, insbesondere, Seite 257, linke Spalte, die letzten zwei Zeilen bis rechte Spalte, Zeile 1). D13 und D20 seien zwar auf die Hormonersatzbehandlung gerichtet. Der Fachmann würde diese Beweismittel im Hinblick auf die in der Passage auf Seite 254, linke Spalte, vorletzter Absatz, Zeilen 7 bis 15 der D13 erwähnte Kontrazeption trotzdem berücksichtigen. Der Durchschnittsfachmann käme daher zu dem Schluss, dass eine Dienogestmenge von 2 beziehungsweise 3 mg die optimale Menge für eine Kombination mit 2 mg Estradiolvalerat in der kontinuierliche Kontrazeption oder der Hormonersatzbehandlung sei. Die Dienogestgesamtmenge liege damit zwischen 56 und 84 mg pro Zyklus (28 Tage). Folglich würde er im Hinblick auf den Anspruch 1 der D2 das Phasenregim aus dem Ausführungsbeispiel 5 durch eines aus dem Anspruch 1 der D2 ersetzen, das die höchste Anzahl an Tagen, an denen Dienogest verabreicht wird, besitze. Addiere man zusätzlich 1 mg beziehungsweise 2 mg zu jeder der Gruppe der Phase II des Ausführungsbeispiels hinzu komme man auf 61 beziehungsweise 83 mg. Diese Mengen fallen innerhalb des Bereichs von Dienogest mit dem optimalen Blutungsprofil. Eine solche leichte Dosiserhöhung sei reine Routine. Eine erfinderisch Tätigkeit sei dazu nicht erforderlich (siehe T 1409/06). Die Estradiolvaleratmenge bleibe dabei unverändert und damit auch die Auswirkungen auf das Endometrium.
D19 und D27 seien kein Grund für den Fachmann, die Dienogestmenge nicht zu erhöhen, insbesondere im Hinblick auf die Lehre in D13.
Beschwerdeführerin II
- Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
D2 offenbare Mehrphasenpräparate aus natürlichen Estrogenen und synthetischen oder natürlichen Gestagenen zur Kontrazeption mit vier Phasen, deren Länge innerhalb spezifischer Bereiche liege. Die Tagesdosiseinheit an Estrogen bleibe innerhalb einer Phase konstant, falle jedoch von der ersten zur dritten Phase ab. Der Anteil an Gestagen in der zweiten Gruppe der zweiten Phase übersteige den der ersten Gruppe (siehe Seite 3, Zeilen 40 bis 54). Das Ausführungsbeispiel 5 der D2 offenbare ein Mehrphasenpräparat mit folgendem Applikationsschema:
Phase I: Tage 1-3 (3 Tage) - 3 mg EV
Phase II:
- Gruppe 1: Tage 4-7 (4 Tage) - 2 mg EV + 1 mg DG
- Gruppe 2: Tage 8-23 (16 Tage) - 2 mg EV + 2 mg DG
Phase III: Tage 24-25 (2 Tage) - 1 mg EV
Phase IV: Tage 26-28 (3 Tage) - Placebo
Die Merkmale dieses Ausführungsbeispiels fielen somit eindeutig unter die allgemeine Lehre der D2. Es gebe daher keinen Grund, warum der Fachmann nicht einige Merkmale des Ausführungsbeispiels 5 mit anderen Merkmalen, die an anderer Stelle der D2 offenbart werden, kombinieren würde (siehe T 332/87). Die Phasenlängen in Anspruch 1 und der Beschreibung werden über klare Endpunkte definiert. Der Fachmann würde daher verstehen, dass die Phasenlängen der Ausführungsbeispiele in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lehre geändert werden können. Gemäß ständiger Rechtsprechung können folglich die Endpunkte der Phasenlängenbereiche mit dem Ausführungsbeispiel kombiniert werden, wobei sich das folgende Applikationsregim ergebe:
Phase I: Tage 1-2 (2 Tage) - 3 mg EV
Phase II:
- Gruppe 1: Tage 3-7 (5 Tage) - 2 mg EV + 1 mg DG
- Gruppe 2: Tage 8-24 (17 Tage) - 2 mg EV + 2 mg DG
Phase III: Tage 25-26 (2 Tage) - 1 mg EV
Phase IV: Tage 27-28 (2 Tage) - Placebo
Diese Auffassung der Offenbarung der D2 werde durch Ausführungen der Pateninhaberin in dem entsprechenden Verfahren vor dem US-Patentamt bestätigt. In D2d und D36 schlage die Pateninhaberin Ansprüche mit den im vorstehenden Absatz genannten Phasenlängen vor, die im Übrigen den Phasenlängen der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags entsprechen. Sie verwies dabei auf die gleiche Grundlage, auf die sich auch die Beschwerdeführerin II stütze (siehe D2, Seite 6, D36, Seite 5 und 6). Die Patentinhaberin selbst sehe die beiden oben genannten Phasenregime dabei als so ähnlich an, dass ihrer Ansicht nach die die Erklärung, die für das frühere Phasenregim abgegeben wurde, auch auf das spätere Phasenregim Anwendung finde. Das in der Erklärung erwähnte frühere Phasenregim entspreche dabei demjenigen des Ausführungsbeispiels 5 der D2. Zusätzlich werde auf Seite 4 der D36 darauf verwiesen, dass der neue Anspruch 15 (mit dem obengenannten Phasenregim) eine Grundlage in der ursprünglichen Spezifikation und Ansprüchen der Patentanmelderin (siehe US 6,133,251 (D2b)) habe.
Die anspruchsgemäßen Phasenlängen gehen somit unmittelbar und eindeutig aus D2 hervor. Dem Fachmann werde keine neue Information vermittelt, wie in D2d und D36 zugegeben worden sei. Die anspruchsgemäßen Phasenlängen seien daher, entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung, Teil der Offenbarung der D2.
Als nächster Stand der Technik sei daher die Kombination von D2 mit D2d oder D36 anzusehen. Eine solche Kombination könne gemäß Rechtsprechung (siehe T 176/89) den nächsten Stand der Technik darstellen, wenn sie zur gleichen Anmelderin/Patentinhaberin gehörten, von im Wesentlichen denselben Erfindern stammten und sich offenbar auf dieselbe Untersuchungsreihe bezögen. Dies sei vorliegend der Fall. Das vorliegend kein signifikanter Unterschied zwischen der Lehre von D2 und D2d/D36 vorliege, wie dies in T 176/89 der Fall gewesen sei, sei umso mehr ein Grund für deren Kombination.
Der nächste Stand der Technik sei somit nicht das Ausführungsbeispiel 5 der D2, sondern vielmehr das oben erwähnte Mehrphasenpräparat. Dieses entspreche dem Mehrphasenpräparat 2A der D5. Der einzige Unterschied zwischen diesem und den anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparaten liege darin, dass die Dienogestmenge in jeder Gruppe der Phase II um 1 mg erhöht werde.
Gemäß D5 überlappen die Konfidenzintervalle von 2A und 2B sowie 2A und 2C. Es sei daher nicht sicher, dass die Daten statistisch gesehen auf einen Unterschied hindeuten. Folglich sei eine Verbesserung der kontrazeptiven Wirksamkeit aus diesen Daten nicht ableitbar. Hinsichtlich der Zykluskontrolle enthalte D5 keine Daten. Der Verweis auf D26 helfe nicht, da dieses sich auf das Mehrphasenpräparat 1A beziehe. Der nächste Stand der Technik sei aber 2A. In D5 gebe es auch keinen Hinweis auf Amenorrhö. D26 offenbare, dass Amenorrhö in 15 % der Zyklen auftrete. Der Begriff Zykluskontrolle schließe Amenorrhö mit ein, die ebenso unerwünscht sei wie Zwischenblutungen. Eine gute Zykluskontrolle sei für die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate nicht gezeigt worden.
Bezüglich der vorgeblich fehlenden Motivation des Fachmanns, die Dienogestmenge zu erhöhen, habe sich die Einspruchsabteilung geirrt. So sei nicht ersichtlich woher die Einspruchsabteilung ihre Behauptung nehme, dass gemäß D2, der Prozentsatz an Estrogen für den Erhalt der Zykluskontrolle wichtig sei. In dem entsprechenden englischsprachigen Patent D2b werde lediglich festgestellt, dass das Estrogen/Gestagen-Gleichgewicht zu Gunsten der Estrogenkomponente verschoben sei. Verbesserungen in der Zykluskontrolle werden aber der Verkürzung der Phase, in der keine Hormoneinnahme erfolge, zugeschrieben (siehe D2b, spalte 3, letzter Absatz bis Spalte 4, erster Absatz; Spalte 4, Zeilen 5 bis 7).
D37 zeige darüber hinaus dass die Erhöhung der Dienogestmenge von täglich 0,225 mg auf 2 mg eine bessere Zykluskontrolle ohne Schwangerschaft erziele (siehe Tabelle IX und Seite 530, linke Spalte, letzter Absatz). Zudem werde offenbart, dass eine Dienogest keine antiestrogenen Effekte aufweise und selbst bei Dosen von 2 mg sicher sei. Dies lege nahe, dass Dienogest nicht zu erhöhten Blutungen führe. Es gebe daher keinen Grund, der den Fachmann davon abgehalten hätte, die Dienogestdosis in Erwartung einer besseren kontrazeptiven Wirksamkeit leicht zu erhöhen. Es sei unwahrscheinlich, dass dadurch signifikante Störungen der Zykluskontrolle zu erwarten seien.
D21 offenbare zudem, dass in der Praxis eine Dosis von täglich 2 mg Dienogest, d. h. das zweifach der Ovulationshemmdosis, verwendet werde. Die gleiche Lehre finde sich in D7 (siehe Seite 277, linke Spalte). Dies werde im Übrigen auch von D37 bestätigt, dass sich auf "Valette", ein zugelassenes Kontrazeptivum aus 2 mg Dienogest in Kombination mit Ethinylestradiol, beziehe (siehe Seite 534, linke Spalte, letzter Absatz). Der Fachmann würde daher nicht davon abgehalten, von einer Dienogestdosis von 2 mg auszugehen. Vielmehr würde er dadurch veranlasst werden, die Dosis in der ersten Gruppe der Phase II von 1 mg (Stand der Technik) auf 2 mg zu erhöhen. Darüber hinaus offenbare D37, dass sich mit höherer Dienogestdosis, die Ovulationshemmung erhöhe (siehe Seite 529, Tabelle VII).
XV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie die entscheidungserheblichen Sachverhalte betreffen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
Die mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 neu erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin I, dass die Ansprüche 1 und 2 keine Grundlage in den Ausführungsbeispielen der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen fänden, da bestimmte Merkmale der Beispiele, wie das Alter der Probandinnen, die Einnahmedauer, die orale Einnahme, in den Ansprüchen fehlten, seien als verspätet zurückzuweisen. Das Gleiche gelte für den in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachten neuen Einwand, dass die Ausführungsbeispiele keine kombinierte Gabe von Estrogen und Dienogest offenbarten.
Die Ansprüche 1 und 2 fänden ihre Basis in den Beispielen 1 und 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen, die die Mehrphasenpräparate eindeutig offenbarten. Die Ansprüche bezögen sich auf ein Produkt. Die von der Beschwerdeführerin I angesprochen Verwendungsmerkmale seien nicht untrennbar mit den Produktmerkmalen verbunden. Es sei daher nicht notwendig diese in die Ansprüche aufzunehmen. Auf die kombinierte Gabe von Estradiolvalerat und Dienogest werde durchgehend in den gesamten Anmeldeunterlagen hingewiesen. In diesem Zusammenhang seien auch die Beispiele zu lesen, die gemäß Seite 3, Zeile 20 die Erfindung demonstrierten.
- Änderungen (Artikel 123 (3) EPÜ)
Der Einspruchsabteilung sei in ihrer Beurteilung zuzustimmen, dass kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vorliege. Die Ansprüche enthielten die Untergrenzen des nach oben offenen Bereichs gemäß erteiltem Anspruch 3. Das führe nicht zu einer Erweiterung der Schutzbereichs.
- Ausreichende Offenbarung
Der beanspruchte Gegenstand sei so deutlich und vollständig offenbart, dass er von einem Fachmann ausgeführt werden könne. Die Mehrphasenpräparate könnten ohne Zweifel vom Fachmann hergestellt werden. Zudem sei eine Ovulationshemmung von 96 und 97 % ausreichend für die Kontrazeption. Dies zeige auch die Marktzulassung von Qlaira (D26) und der dort offenbarte Pearl Index.
- Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Klarheit sei kein Einspruchsgrund. Bei geänderten Ansprüchen könne ein Einwand unter Artikel 84 EPÜ nur dann geprüft werden, wenn der Mangel an Klarheit durch die Änderungen herbeigeführt werde. Die von der Beschwerdeführerin I bemängelten Begriffe "Kombination" und "weitere Phase" werden bereits im erteilten Anspruch 3 in der exakt gleichen Art und Weise verwendet, wie in den geänderten Ansprüchen des Hauptantrags. Der vorgebliche Mangel an Klarheit werde daher nicht durch die Änderungen hervorgerufen und sei damit nicht zulässig.
- Zulassung der Beweismittel D34 bis D37, D42 und der neuen Angriffslinie der Beschwerdeführerin I
Die Beweismittel D34 bis D36 gehörten zu der gleichen Patentfamilie wie D2 und seien nicht relevanter als die bisherigen zu dieser Familie eingereichten Beweismittel.
Die Beschwerdeführerin I sei in der Beschwerdebegründung explizit von D3 als dem nächsten Stand der Technik ausgegangen. Dieses Beweismittel hätte Vorrang vor D2. Mit der Kombination von D35 und D36 als nächstem Stand der Technik ändere sie zu einem sehr späten Zeitpunkt ihr Vorbringen und schaffe eine komplexe neue Sachlage. Dieses Vorgehen laufe dem Zweck des Beschwerdeverfahrens zuwider. Auch ein Vertreterwechsel könne ein solches Vergehen nicht rechtfertigen. Die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I enthielt zudem keine Substantiierung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D35 und D36, weder allein noch in Kombination.
Die Beschwerdeführerin II, auf deren Vorbringen sich die Beschwerdeführerin I nun berufe, sehe die Kombination des Ausführungsbeispiels 5 von D2 mit D2d oder D36 (D2f) als nächsten Stand der Technik an. Beide Kombinationen werden von ihr als gleichwertig angesehen, während die Beschwerdeführerin I eine Kombination von D35 und D36 nun offensichtlich als relevanter erachte.
D37 sei wegen mangelnder Relevanz nicht zuzulassen. Es betreffe ein völlig anderes Kontrazeptivum mit Ethinylestradiol und Dienogest, die zudem über 21 Tage verabreicht werden. Die anspruchsgemäße Verwendung von Estradiolvalerat rufe jedoch bekanntermaßen Problem mit der Zykluskontrolle hervor (siehe zum Beispiel D2, Seite 3, Zeilen 7 bis 14); D3, Einleitung). Es mache daher technisch keinen Sinn, sich auf ein Beweismittel zu verlassen, das Ethinylestradiol als Estrogenkomponente enthalte. Hinsichtlich der Dienogestkomponente gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Ovulationshemmdosis mehr als 1 mg betrage.
Das Beweismittel D42 sei in einem sehr späten Stadium des Verfahrens eingereicht worden und nicht zuzulassen. Die Beschwerdeführerin I hätte in den mehr als fünf Jahren seit dem Einlegen der Beschwerde ausreichend Zeit gehabt D42 vorzulegen. Ein Vertreterwechsel sei kein ausreichender Grund für das Einreichen der D42. Darüber hinaus reflektiere D42 nicht das allgemeine Fachwissen. Dies werde durch die im Verfahren befindlichen Fachbücher und Übersichtsartikel belegt. D42 reflektiere die Meinung eines einzelnen Experten. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Fragen, die Dr. Palacios in D42 beantworte, vorliegend relevant seien und zur Klärung des Sachverhalts beitragen könnten.
- Ausführungen von Dr. Palacios während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer
Dr. Palacios sollte nicht gestattet werden, mündliche Ausführungen zu machen. Die Beschwerdeführerin I habe die Fragen der Kammer mit ihrem Schriftsatz von 6 Juli 2019 bereits beantwortet. Dr. Palacios zusätzliche Ausführungen zu gestatten sei nicht erforderlich und unfair gegenüber der Beschwerdegegnerin. Im Übrigen seien auch die grundlegenden Kriterien gemäß G 4/95 nicht erfüllt. So sei beispielsweise der Antrag auf Ausführungen durch einen technischen Experten zu spät eingereicht worden (siehe dazu T 32/10).
- Erfinderische Tätigkeit
Für das Verständnis der erfinderischen Tätigkeit sei es zunächst wichtig den Unterschied zwischen Kombinationspräparaten zur Kontrazeption und zur Hormonersatzbehandlung zu erläutern. Obwohl in beiden die gleichen Hormone (Estrogene und Gestagene) eingesetzt werden, unterscheiden sich deren Rolle in der jeweiligen Anwendung.
Kontrazeptiva zielten auf die Hemmung der Ovulation ab, mit dem Ziel Schwangerschaften zu verhindern. Obwohl die Ovulationshemmung im Wesentlichen von der Gestagenkomponente abhängt, trage auch die Estrogenkomponente dazu bei. Letztere sei darüber hinaus durch die Stabilisierung des Endometrium für die Zyklusstabilität (reguläre Menses, geringe Zwischenblutungen) verantwortlich. Zwischenblutungen seien äußerst unerwünscht und ein häufiger Grund für die Beendigung der Einnahme des Kontrazeptivums (siehe D19, Seite 140, linke Spalte, Zeilen 1 bis 4). Die häufigste Ursache für Zwischenblutungen liege in der Dominanz des Gestagens (siehe D19 Seite 140, rechte Spalte, erster Absatz; D27, Seite 85 vorletzter Absatz, Seite 86, zweite Absatz). Endometrische Atrophie und Amenorrhö (Ausbleiben der Menses), die durch die Gestagenkomponente bewirkt werden, seien in der Kontrazeption unerwünscht, da die Menses als Zeichen dafür fungierten, dass keine Schwangerschaft vorliege (siehe D27, Zeilen, die beiden letzten Absätze).
Bei der Hormonersatzbehandlung werden endogene Hormone, deren Produktion in und nach der Menopause deutlich nachlasse, durch exogene Hormone ersetzt. Insbesondere das Nachlassen der Estrogenproduktion habe eine Reihe unerwünschter Begleiterscheinungen, wie Hitzewallungen, Osteoporose, Kopfschmerzen, Depression etc., zur Folge. Diese werden hauptsächlich durch die Gabe von Estrogenen ausgeglichen. Da dies jedoch ernsthafte Nebenwirkungen, wie endometrische Hyperplasie und Krebs des Endometriums, zur Folge haben könne, werde in der Hormonersatzbehandlung ein Gestagen verabreicht, das nicht wie in der Kontrazeption der Ovulationshemmung diene, sondern der Proliferation des Endometrium durch Estrogen entgegenwirke. Ziel der Hormonersatzbehandlung sei endometrische Atrophie und Amenorrhö (siehe D13, Seite 253, rechte Spalte, Zeilen 2 bis 6, Seite 254, linke Spalte, letzter Absatz). Im Übrigen erfolge in der Hormonersatzbehandlung die Hormongabe kontinuierlich, da monatliche Blutungen zur Bestätigung, dass keine Schwangerschaft vorliege nicht notwendig seien.
Die Kontrazeption und Hormonersatzbehandlung haben somit unterschiedliche Zielsetzungen. Ebenso ist die Verwendung und die Funktion der Hormone unterschiedlich, so dass sich Schlussfolgerungen hinsichtlich der Dosen an Estradiolvalerat und/oder Dienogest aus der Hormonersatzbehandlung nicht direkt auf die Kontrazeption übertragen lassen.
Der nächste Stand der Technik sei D2, insbesondere das Ausführungsbeispiel 5, oder D3 (Abbildung 3), wobei sich D3 von D2 nur darin unterscheide, dass ersteres mehr Daten enthalte.
Dagegen könne die Kombination von D2 mit D2d oder D36 nicht als nächster Stand der Technik angesehen werden. Gemäß T 176/89, auf die sich die Beschwerdegegnerinnen berufen, sei eine solche Kombination nur ausnahmsweise möglich, wobei die Ausnahmesituation offensichtlich darin bestand, dass das zweite Dokument vom Fachmann benutzt worden wäre, um die offensichtlich fehlerhafte Lehre des ersten Dokuments zu korrigieren. Derartige Umstände seien im vorliegenden Fall nicht gegeben, da D2 und D2d beziehungsweise D36 einander nicht widersprechen und die Lehre von D2 nicht durch D2d/D36 korrigiert werden müsse. D2d oder D36 könnten nicht benutzt werden, um die Lehre der D2 zu ergänzen. Mit dem zusätzlichen Verweis auf D2b versuche die Beschwerdeführerin I darüber hinaus nunmehr drei Beweismittel zu kombinieren.
D2 offenbare auch kein Mehrphasenpräparat wie es die Beschwerdeführerin II im Absatz 5.14 ihrer Beschwerdebegründung beschreibe. Dazu müsse ein Teil der Merkmale des Mehrphasenprodukts gemäß Ausführungsbeispiel 5 durch ein Phasenregim ersetzt werden, das in D2 so nicht offenbart werde, sondern das das Ergebnis einer mehrfachen Auswahl an Endpunkten aus den im Anspruch 1 der D2 genannten Bereichen sei. Dies sei zudem keine einfache Kombination unterschiedlicher Passagen wie in T 332/87.
Ausgehend vom Ausführungsbeispiel 5 der D2 bestehe die zu lösende Aufgabe darin, ein Mehrphasenpräparat bereitzustellen, das die kontrazeptive Wirksamkeit unter Erhalt einer akzeptablen Zykluskontrolle verbessere.
Diese Aufgabe werde durch eine Änderung der Phasenlängen der Phasen I, II und IV und eine Erhöhung der Dienogestmenge in den Gruppen 1 und 2 der Phase II gelöst. Diesbezüglich werde auf die Beweismittel D5, D26 und D6 verwiesen.
D5 beschreibe Studien mit vier verschiedenen Präparaten 1A, 2A, 2B und 2C. 1A entspreche dem Stand der Technik, 2B und 2C den Präparaten gemäß den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags. Die Abbildung 2 auf Seite 222 der D5 zeige den Prozentsatz der Frauen mit einem "Hoogland Score" von 5 oder 6. Aus dieser Abbildung sei ersichtlich, dass 2B und 2C einen deutlich niedrigeren "Score", und somit eine bessere kontrazeptive Wirksamkeit, im Vergleich zu 1A aufwiesen. Als weiteren Hinweis für die verbesserte kontrazeptive Wirksamkeit der anspruchsgemäßen Präparate im Vergleich zum Stand der Technik werde auf den spaltenübergreifenden Absatz auf Seite 223 der D5 verwiesen. Dort werde als Erfolgskriterium ein "Score" von weniger als 5 % und einen oberen Endpunkt von weniger als 10 % offenbart, der von 2B eindeutig erreicht werde, nicht aber von 1A. Der Verweis der Beschwerdegegnerin auf den deutlichen Überlappungsbereich mit dem Beispiel 2A der D5 sei nicht relevant, da dieses nicht den nächsten Stand der Technik darstelle.
Bezüglich der Zykluskontrolle gebe es keinen direkten Vergleich. Es werde aber in den letzten zwei Sätzen der linken Spalte auf Seite 224 auf eine akzeptable Zykluskontrolle verwiesen Diese werde zudem von den Beweismitteln D26 und D6 bestätigt. Dort werde beschrieben, dass Zwischenblutungen bei 10 bis 18 % der Frauen auftreten (siehe D26, Seite 7, vorletzter Absatz; D6, Seite 14, Zeilen 4 bis 5 des letzter Absatzes). Dieser Wert sei vergleichbar mit dem Wert, der in D3 für den nächsten Stand der Technik angegeben werde (15,6 %). Dies werde von der D41 bestätigt, die für den nächsten Stand der Technik einen Wert von 13,49 bis 18,60 % angebe, wobei die drei ersten unzuverlässigen Zyklen und die Daten mit weniger als 600 Probandinnen unberücksichtigt bleiben (siehe D41, Seite 5, letzte Tabelle).
Die vorgeschlagene Lösung werde durch den nächsten Stand der Technik nicht nahegelegt. Das Argument der Beschwerdeführerin I, dass es für den Fachmann unmittelbar erkennbar sei, dass die kontrazeptive Wirksamkeit des Ausführungsbeispiels 5 nicht ausreichend sei, er die Dienogestmenge somit einfach erhöhen würde, beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Nichts in der Offenbarung der D2 stütze dieses Argument. Den Tabellen 1 und 2 und den dazugehörigen Erläuterungen entnimmt der Fachmann, dass trotz niedrigerer Gestagengesamtmenge (Dienogest), die kontrazeptive Sicherheit gewährleistet werde. Eine hohe Gestagengesamtdosis (42 mg) werde in D2 als nachteilig beschrieben (siehe Seite 3, Zeilen 33 bis 34) und bildete den Ausgangspunkt für die in D2 beschriebene Erfindung. Aus der D3 sei zudem ersichtlich, dass die Dienogestmenge für die Ovulationshemmung ausreichend sei, dass während 573 Zyklen keine Schwangerschaft aufgetreten sei und dass die Ergebnisse den Start einer Phase III Studie rechtfertigten (Seite 461, linke Spalte Zeilen 1 bis 6, Zeilen 16 bis 17 und die letzten fünf Zeilen). Die von der Beschwerdeführerin I angezogene D2c zeige ebenfalls, dass keine der Frauen ovulierte. Mithin lasse sich daraus auch keine vorgeblich unzureichende Dienogestmenge ableiten. Die Ovulationshemmdosis für Dienogest liege bei täglich 1 mg. Mit dieser Dosis werde die Ovulation zuverlässig gehemmt (siehe D7, Zusammenfassung, letzter Absatz, Seite 274, Tabelle 2, inklusive die Fußnote); D21, Seite 161, Zusammenfassung, letzter Absatz). Darüber hinaus werde auch im Mehrphasenpräparat gemäß dem Stand der Technik über 16 Tage die zweifache Menge der Ovulationshemmdosis eingesetzt.
Unabhängig davon werde in D2 und D3 offenbart, dass in der ersten Zyklushälfte (Tage 1 bis 14) das Estrogen/Gestagen Gleichgewicht weit zugunsten der Estrogenkomponente verschoben sei (siehe D2, Seite 4, Zeilen 14 bis 16; D3, Seite 460, rechte Spalte, Zeilen 24 bis 28). Eine solche Estrogendominanz liege anspruchsgemäß jedoch nicht vor. Gemäß Ausführungsbeispiel 5 der D2 liege das Verhältnis von Estrogen zu Dienogest in der ersten Zyklushälfte bei 1,72 (31 mg EV/18 mg DG), in den Ansprüchen 1 und 2 bei 0,97 (30 mg EV/31 mg DG) und 0,69 (30 mg EV/43 mg DG). Selbst wenn der Fachmann die Dienogestmenge erhöht hätte, um eine vorgeblich unzureichende kontrazeptive Wirksamkeit auszugleichen, hätte er Maßnahmen ergriffen, um die Estrogendominanz, die für die Zykluskontrolle entscheidend sei, sicherzustellen, insbesondere da es Teil seines allgemeinen Fachwissen ist, dass die Erhöhung der Gestagenmenge ohne gleichzeitige Anpassung der Estrogenmenge das Risiko von Zwischenblutungen erhöhe (siehe D19 und D27). Der anspruchsgemäße Gegenstand sei daher erfinderische gegenüber D2 oder D3 alleine.
Er werde auch durch die Kombination mit einem der anderen Beweismittel nicht nahegelegt. D13 beziehe sich auf die Hormonersatzbehandlung. Diese habe ein anderes Ziel und ihre Schlussfolgerungen hinsichtlich der Hormonmenge ließen sich nicht auf die Kontrazeption übertragen. So erfolge die Hormonersatzbehandlung kontinuierlich über 28 Tage ohne hormonfreies Intervall. Sie ziele auf endometrische Atrophie und Amenorrhö, was für die Kontrazeption, wie bereits vorgebracht, völlig unakzeptabel sei. Zudem verweise D13 auf Blutungsstörungen bei erhöhten Mengen (siehe Seite 256, Abbildung 1). Diese seien zu hoch, um toleriert zu werden. D13 gebe dem Fachmann daher keinen Anlass die Dienogestmenge zu erhöhen. Gleiches gelte für D21 und die von der Beschwerdeführerin I angezogen Passage auf Seite 48 von D21, die sich ebenfalls auf die Hormonersatzbehandlung beziehe.
D20 entspreche der D7 und offenbare, dass die tägliche Gabe von 1 mg Dienogest, abzüglich des hormonfreien Intervalls, die Ovulation sicher hemme. D20 und D7 entnehme der Fachmann daher keine Anregung die Dienogestdosis weiter zu erhöhen.
D29 und D30, auf die die Beschwerdeführerin I verwiesen habe, können die anspruchsgemäße Lösung ebenfalls nicht nahelegen. D29 entspreche dem in D2 als nachteilig angesehenen deutschen Patent DE 44 29 374. Eine Anregung die Dienogestmenge zu erhöhen gebe sie somit nicht. Die von der Beschwerdeführerin I zitierte Passage beziehe sich auf ein völlig anderes Applikationsregim. Eine Erhöhung der Dienogestmenge auf mehr als die zweifache Menge sei darüber hinaus auch nicht ersichtlich.
Der Verweis der Beschwerdeführerin auf T 1409/06 und eine vorgebliche Routinemaßnahme zur Auffindung der optimalen Menge an Dienogest gehe fehl, da sie dabei den zusätzlichen Effekt der Zykluskontrolle komplett vernachlässige.
XVI. Die Beschwerdeführerinnen I und II (die Beschwerdeführerin II im schriftlichen Verfahren) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdeführerin I beantragte zudem, das Dokument D42 in das Verfahren zuzulassen und den technischen Experten, Herrn Palacios, in der mündlichen Verhandlung anzuhören.
XVII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß erstem Hilfsantrag vom 8. Mai 2012 oder gemäß dem zweitem oder drittem Hilfsantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. April 2018.
Sie beantragte weiterhin, die neuen Argumentationslinien der Beschwerdeführerin I betreffend Artikel 123(2) und 56 EPÜ, wie eingereicht mit Schreiben vom 23. Januar 2018, sowie die Dokumente D34 bis D40 und D42 nicht in das Verfahren zuzulassen. Ferner beantragte sie, Herrn Palacios nicht zu erlauben, während der mündlichen Verhandlung vorzutragen und die von der Beschwerdeführerin I eingereichten Dokumente D45 bis D48 nicht in das Verfahren zuzulassen.
XVIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Einspruch der Einsprechenden II zulässig ist. Die Kammer hat keine Veranlassung von dieser Entscheidung abzuweichen. Auch die Patentinhaberin hat diese Entscheidung im Beschwerdeverfahren nicht angefochten.
3. Wie angekündigt (siehe Punkt XI oben) nahm die Beschwerdeführerin II nicht an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, zu der sie ordnungsgemäß geladen war, teil. Die Kammer entschied, das Verfahren gemäß Regel 115 (2) EPÜ und Artikel 15 (3) VOBK ohne die Beschwerdeführerin II fortzusetzen.
Hauptantrag
4. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
4.1 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sollten die von der Beschwerdeführerin I in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2018 und der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer im Rahmen der Diskussion über die Gewährbarkeit des geänderten Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag unter Artikel 123 (2) EPÜ vorgeblich neu vorgebrachten Angriffslinien bezüglich der Patientengruppe, der oralen Einnahme, der Einnahmedauer und der Verabreichung einer Kombination von Estradiolvalerat und Dienogest unberücksichtigt bleiben.
4.2 Nach Auffassung der Kammer handelt es sich dabei jedoch nicht um neue Angriffslinien, sondern lediglich um zusätzliche Argumente seitens der Beschwerdeführerin I, mit der Absicht ihre bereits in der Beschwerdeschrift vertretene Position zu untermauern, dass die spezifischen Beispiele der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht verallgemeinert werden können und somit keine geeignete Grundlage für die geänderten Ansprüche seien. Eine auf neue Fakten oder Beweismittel gründende unerwartete oder überraschende Verschiebung der Sachlage ergibt sich dadurch nicht. Unter diesen Umständen hat die Kammer keinen Grund, die zusätzlichen Argumente der Beschwerdeführerin I bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliegt, unberücksichtigt zu lassen.
4.3 Gemäß Artikel 123 (2) EPÜ darf ein europäisches Patent nicht in der Weise geändert werden, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern, ob die Ansprüche durch die vorgenommene Änderung technische Informationen umfassen, die sich nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten lassen.
4.4 Die vorliegende Erfindung betrifft die Weiterentwicklung herkömmlicher Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption auf Basis eines natürlichen Estrogens mit einem synthetischen Gestagen (siehe Seite 1, Zeile 6 bis Zeile 14, Seite 2, Zeilen 24 bis 30 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen). Dementsprechend wird ein Mehrphasenpräparat bereitgestellt, dessen erste Phase aus 2 Tagesdosiseinheiten des natürlichen Estrogens Estradiolvalerat zu 3 mg besteht. Die zweite Phase besteht aus zwei Gruppen von Tagesdosiseinheiten, wobei die erste Gruppe 5 Tagesdosiseinheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat und mindestens der zweifachen oder dreifachen Ovulationshemmdosis eines synthetischen Gestagens umfasst. Die zweite Gruppe besteht aus 17 Tagesdosiseinheiten einer Kombination von 2 mg Estradiolvalerat mindestens der dreifachen oder vierfachen Ovulationshemmdosis eines synthetischen Gestagens. Die dritte Phase enthält 2 Tagesdosiseinheiten mit 1 mg Estradiolvalerat. Eine weitere Phase besteht aus 2 Tagesdosiseinheiten an Placebo (siehe Seite 2, Zeile 31 bis Seite 3, Zeile 5 und Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen). Der Kern der Erfindung liegt somit in der Art und Weise (d. h. Zeitraum und Menge) wie Estradiolvalerat und Gestagen verabreicht werden, mit anderen Worten im Applikationsregim.
4.5 Die Erfindung wird darüber hinaus an zwei Beispielen illustriert (siehe Seite 3, Zeilen 20 bis 23), in denen Estradiolvalerat (EV) und Dienogest (DG) wie folgt verabreicht werden:
Beispiel 1:
Tage 1 bis 2 (2 Tage) 3 mg EV/d
Tage 3 bis 7 (5 Tage) 2 mg EV/d + 2 mg DG/d
Tage 8 bis 24 (17 Tage) 2 mg EV/d + 3 mg DG/d
Tage 25 bis 26 (2 Tage) 1 mg EV/d
Tage 27 bis 28 (2 Tage) Placebo
Beispiel 2:
Tage 1 bis 2 (2 Tage) 3 mg EV/d
Tage 3 bis 7 (5 Tage) 2 mg EV/d + 3 mg DG/d
Tage 8 bis 24 (17 Tage) 2 mg EV/d + 4 mg DG/d
Tage 25 bis 26 (2 Tage) 1 mg EV/d
Tage 27 bis 28 (2 Tage) Placebo
Die in den Tagen 3 bis 7 und 8 bis 24 eingesetzte Menge an Dienogest entspricht im Beispiel 1 der zwei- und dreifachen und im Beispiel 2 der drei- und vierfachen Ovulationshemmdosis (siehe Seite 2, Zeilen 12 - 14 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen).
4.6 Die Ansprüche 1 und 2 des vorliegenden Hauptantrags wurden gegenüber dem Anspruch 1 der Anmeldunterlagen auf die in den Beispielen 1 und 2 unmittelbar und eindeutig offenbarten Applikationsregime für Estradiolvalerat und Dienogest eingeschränkt. Mit dieser Einschränkung auf die zwei ersichtlich bevorzugten Applikationsregime enthalten die Ansprüche 1 und 2 keine technische Information, die der Fachmann den Anmeldeunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen konnte.
4.7 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I, dass es sich bei die Ansprüchen 1 und 2 um das Ergebnis einer unerlaubten Zwischenverallgemeinerung handelt, überzeugt die Kammer nicht. Für den Fachmann ist unmittelbar und eindeutig ersichtlich, dass die vorliegende Erfindung im Applikationsregim liegt. Zwar ist es zutreffend, dass die Studien in Beispiel 1 und 2, wie jede Studie, unter konkret gewählten Umständen (Alter der Probandinnen, Darreichungsform, Studiendauer) durchgeführt wurde. Dem wird der Fachmann jedoch nicht entnehmen, dass die auf dem erfindungsgemäßen Applikationsregim beruhenden Mehrphasenpräparate untrennbar mit diesen Umständen verknüpft sind. So offenbaren die Anmeldeunterlagen, dass die orale Gabe zwar bevorzugt ist, aber auch andere Darreichungsformen denkbar sind (siehe Seite 3 Zeilen 9 bis 12 der eingereichten Anmeldeunterlagen). Darüber hinaus geben die ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen dem Fachmann keinen Grund zu der Annahme, dass es sich bei den Probandinnen um eine spezielle Gruppe von Frauen handelt, für die alleine die auf dem erfindungsgemäßen Applikationsregim beruhenden Mehrphasenpräparate gedacht und kontrazeptiv wirksam sind. Insbesondere gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Mehrphasenpräparate bei ovulierenden Frauen außerhalb der konkreten Altersgruppe der Probandinnen nicht kontrazeptiv wirksam sind. Die gewählten Probandinnen stellen lediglich eine wichtige Zielgruppe dar. Ähnliches gilt hinsichtlich der Länge der Studiendauer. Der Fachmann hat keinen Grund zu der Annahme, dass die festgestellte sichere Ovulationshemmung auf die untersuchten Zyklen beschränkt ist.
Bezüglich der vorgeblich in den Beispielen nicht offenbarten Verabreichung von Tagesdosiseinheiten einer Kombination von Estradiolvalerat und Dienogest ist festzustellen, dass dies ein eindeutiges Merkmal des erfindungsgemäßen Applikationsregims ist (siehe Seite 2, Zeilen 34 bis Seite 3, Zeile 2, und Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen). Der Passage auf Seite 3, Zeilen 20 bis 23 entnimmt der Fachmann zudem dass die Beispiele 1 und 2 die Erfindung demonstrieren. Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann, die in den Beispielen in Kurzform angegebenen Applikationsregime (siehe Punkt 4.5 oben) dahingehend verstehen sollte, dass, entgegen den eindeutigen Angaben in den Anmeldeunterlagen, keine Tagedosiseinheiten einer Kombination von Estradiolvalerat und Dienogest verabreicht worden sein sollten.
4.8 Die Beschwerdeführerin I hat im schriftlichen Verfahren darüber hinaus vorgebracht, dass die Bezeichnung "Kontrazeptiva" für die Mehrphasenpräparate gemäß den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags über den Offenbarungsgehalt der Anmeldung hinausgehe, da der Fachmann unter einem Mehrphasenpräparat "zur Kontrazeption" ein Präparat mit einer kontrazeptiven Wirksamkeit von mehr als 99% verstehe, die in den Beispielen, auf die sich die Ansprüche 1 und 2 gründen, nicht erreicht werde. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat sich die Beschwerdeführerin dazu nicht weiter geäußert und in diesem Zusammenhang auf ihren Einwand unter Artikel 83 EPÜ verwiesen.
4.9 Die Kammer stellt diesbezüglich fest, dass in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen, einschließlich der Ansprüche, der darin verwendete Begriff "zur Kontrazeption" hinsichtlich seiner kontrazeptiven Wirksamkeit nicht definiert wird. Darüber hinaus gibt es für das vorgebliche Verständnis dieses Begriffs durch den Fachmann keinerlei Belege. Das Beweismittel D28, auf das sich die Beschwerdeführerin I in diesem Zusammenhang beruft, ist gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kein Beleg für das allgemein verfügbare Fachwissen. Letzteres findet sich üblicherweise in Standardhandbüchern, Lehrbüchern oder Nachschlagewerken. Die von der Beschwerdeführerin I zitierte Passage aus D28 stellt demgegenüber lediglich eine Meinungsäußerung der Patentinhaberin in einem anderen Verfahren mit anderer Sach- und Rechtslage dar.
Im Hinblick auf die in den Beispielen 1 und 2 erzielte sichere Ovulationshemmung von 96,77% (97%) und 97,85% (98%) sind die auf diesen Beispielen basierten Mehrphasenpräparate zweifellos wirksame Kontrazeptiva. Folglich geht der Begriff "zur Kontrazeption" in den Ansprüchen 1 und 2 nicht über das hinaus, was der Fachmann den Anmeldeunterlagen unmittelbar und eindeutig entnimmt.
4.10 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags den ursprünglichen Anmeldeunterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Ein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ liegt daher nicht vor.
5. Änderungen (Artikel 123(3) EPÜ)
5.1 Anspruch 1 des Streitpatent in der erteilten Fassung ist auf ein Mehrphasenpräparat zur Kontrazeption wie sie in Punkt 4.4 oben beschrieben werden gerichtet. Sie bestehen in der ersten Gruppe der zweiten Phase aus einer Kombination aus 2 mg Estradiolvalerat und mindestens der zweifachen oder dreifachen Ovulationshemmdosis eines synthetischen Gestagens und in der zweiten Gruppe eine Kombination aus 2 mg Estradiolvalerat und mindestens der dreifachen oder vierfachen Ovulationshemmdosis eines synthetischen Gestagens.
Im Vergleich dazu wurden die Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags dahingehend geändert, dass im Anspruch 1 des Hauptantrag die erste Gruppe der zweiten Phase aus einer Kombination aus 2 mg Estradiolvalerat und 2 mg Dienogest und die zweite Gruppe aus einer Kombination aus 2 mg Estradiolvalerat und 3 mg Dienogest besteht. Dies entspricht in der ersten Gruppe der zweifachen und in der zweiten Gruppe der dreifachen Ovulationshemmdosis des Gestagens (Ovulationshemmdosis für Dienogest = 1,0 mg, siehe Absatz [0008] des Streitpatents). Im Anspruch 2 bestehen die entsprechenden Gruppen aus einer Kombination aus 2 mg Estradiolvalerat und 3 mg Dienogest (dreifache Ovulationshemmdosis) und 4 mg Dienogest (vierfache Ovulationshemmdosis. Die beiden spezifischen Ausführungsformen gemäß Anspruch 1 und 2 werden vom Anspruch 1 wie erteilt somit eindeutig umfasst.
5.2 Analog zu ihrem Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ geht die Beschwerdeführerin I davon aus, dass der erteilte Anspruch 1 auf Mehrphasenpräparate mit einer kontrazeptiven Wirksamkeit für 99% aller Frauen beschränkt ist. Die Mehrphasenpräparate gemäß Anspruch 1 und 2 des Hauptantrags seien jedoch lediglich bei 96 bis 97 % der Frauen wirksam. Mithin werde der Schutzbereich erweitert.
5.3 Wie bereits in Punkt 4.9 erläutert, teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin I nicht, dass der Begriff "zur Kontrazeption" im erteilten Anspruch 1 mit "Kontrazeption für mehr als 99% aller Frauen" gleichzusetzen ist. Ein solches Merkmal enthält der Anspruch 1 wie erteilt weder explizit noch implizit.
Hinsichtlich der zum Nachweis einer Schutzbereichserweiterung von der Beschwerdeführerin I im schriftlichen Verfahren angeführten theoretischen Überlegungen (siehe Punkt XIV oben) ist folgendes festzustellen:
- Die Kammer ist der Überzeugung, dass sich der Begriff der zwei-, drei- oder vierfachen Ovulationshemmdosis des Gestagens im erteilten Anspruch 1 auf ein mehrfaches der im Einklang mit der Beschreibung genannten Ovulationshemmdosen bezieht, d.h. für Dienogest 1,0 mg pro Tag (siehe Absatz [0008] der Beschreibung) und nicht, wie von der Beschwerdeführerin I geltend gemacht wird, auf ein Mehrfaches einer für eine Frau individuellen Ovulationshemmdosis d, für das es im Streitpatent keinerlei Hinweise gibt.
- Die von der Beschwerdeführerin I zitierte Passage der D7 verweist in der Tat auf Indikatoren, die auf ein mögliches teilweises Follikelwachstum selbst bei der Gabe von 2 mg Dienogest schließen lassen. Nichtsdestotrotz offenbart D7 für Dienogest eindeutig eine minimale Ovulationshemmdosis 1 mg (siehe Seite 272, letzter Absatz der Zusammenfassung; Seite 277 Zeilen 1 bis 2 des vorletzten Absatzes). Die Kammer kann sich der Ansicht der Beschwerdeführerin I, dass der Fachmann aus dieser Passage auf eine minimale Ovulationshemmdosis von 2 mg täglich für Dienogest schließen würde, daher nicht anschließen.
5.4 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die gemäß Hauptantrag vorgenommen Änderungen im Vergleich zu den erteilten Ansprüchen den Schutzbereich nicht des Streitpatents nicht erweitern. Ein Verstoß gegen Artikel 123(3) liegt somit nicht vor.
6. Ausreichende Offenbarung
6.1 Die Beschwerdeführerin I stützt ihren Einwand der mangelnden Offenbarung wie bereits ihre Einwände unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ darauf, dass die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate keine Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption seien. Mit einer Ovulationshemmung von lediglich 96 und 97 % besäßen sie nicht eine für alle Frauen ausreichende kontrazeptive Wirksamkeit. Ein Kontrazeptivum müsse eine kontrazeptive Wirksamkeit von mehr als 99% aufweisen, wie das Beweismittel D28 belege.
6.2 Wie bereits erläutert teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Es besteht kein Zweifel daran, dass die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate mit einer Ovulationshemmung von 97 und 98 % wirksame Kontrazeptiva sind (siehe Punkte 4.9 oben). Die vorgeblich allgemein übliche Definition für ein Kontrazeptivum wird durch das Beweismittel D28, das nicht als Nachweis für das allgemeine Fachwissen angezogen werden kann (siehe Punkt 4.9 oben), nicht belegt. Das Argument der Beschwerdeführerin I, das dem Fachmann mit den anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparaten keine wirksamen Kontrazeptiva zur Verfügung stehen, er die Erfindung somit nicht ausführen konnte, überzeugt daher nicht. Unstrittig war, dass der Fachmann in der Lage ist die anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparate herzustellen.
6.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags im Einklang mit Artikel 83 EPÜ ausreichend offenbart ist.
7. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
7.1 Gemäß der Entscheidung G 3/14 der Großen Beschwerdekammer können bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, die Ansprüche des Patents nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden, sofern - und dann auch nur soweit - diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt (siehe G 3/14, Entscheidungsformel).
7.2 Die von der Beschwerdeführerin I bemängelten vorgeblichen Unklarheiten bezüglich der Verabreichung der Estrogen- und Gestagenkomponente in der zweiten Phase und des Begriffs "weitere Phase" (siehe Punkt XIV oben) sind jedoch bereits im erteilten Anspruch 1 enthalten und werden nicht erst durch die Änderungen verursacht. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der unter Artikel 84 EPÜ erhobene Einwand einer Überprüfung durch die Kammer nicht zugänglich ist.
8. Zulassung der Beweismittel D34 bis D37 und D42
8.1 D34 bis D36 wurden mit den jeweiligen Beschwerdebegründungen (siehe Punkte V und VI oben) als direkte Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht. Beiden Beschwerdeführerinnen dienten die eingereichten Beweismittel dazu, bereits vorgebrachte Angriffslinien bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2 (in Kombination mit D2d) oder D3 zusätzlich zu untermauern. Insbesondere sollten sie die Auffassungen der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich dessen, was D2 den Fachmann lehrt, weiter stützen. Die Kammer wertete das Einreichen der Beweismittel D34 bis D36 daher als normales Verhalten der unterlegenen Parteien und sah keinen Grund diese nicht in das Verfahren zuzulassen.
8.2 Gleiches gilt für das Beweismittel D37. Die Beschwerdeführerin I berief sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf D37 als weiteren Beleg für die bereits in der Beschwerdebegründung geltend gemachte unzureichende Ovulationshemmung. Inwiefern D37 dazu tatsächlich geeignet ist, ist für die Frage Zulassung ohne Bedeutung und wird im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu untersuchen sein.
8.3 Das Beweismittel D42 wurde von der Beschwerde-führerin I mehr als sechs Jahre nach der Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 eingereicht. Sie begründete das späte Vorbringen damit, dass D42 aufgrund des Vertreterwechsels nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorgebracht werden konnte. Zudem fasse D42 lediglich das allgemeine Fachwissen zusammen und werfe keine neuen und komplexen Fragen auf.
8.3.1 Gemäß Artikel 13(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zu berücksichtigen. In der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer inter alia die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die Verfahrensökonomie. Aus den beiden letztgenannten Kriterien ergibt sich eine Verpflichtung der Parteien, Beweismittel oder Änderungen ihres Vorbringens so früh wie möglich einzureichen, wenn diese zugelassen und berücksichtigt werden sollen.
8.3.2 Dazu ist zunächst festzustellen, dass D42 nicht als Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung angesehen werden kann. Die in D42 angesprochen Sachverhalte wurden bereits in der angefochtenen Entscheidung erörtert (e.g. Zykluskontrolle, Relevanz von Beweismitteln aus der Hormonersatzbehandlung, Interpretation der Lehre der der Beweismittel D19 und D27). Diesbezügliche Erläuterungen durch einen Fachmann, soweit die Beschwerdeführerin I dies für erforderlich hielt, hätten daher bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt vorgelegt werden können und müssen, um dem Stand des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie Rechnung zu tragen. Der Verfahrensverlauf rechtfertigt die Eingabe der D42 somit nicht. Der Wechsel des Vertreters stellt nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern keinen triftigen Grund für verspätetes Vorbringen dar, es sei denn, er ist auf höhere Gewalt zurückzuführen, wofür es im vorliegenden Fall jedoch keinen Hinweis gibt. Der neue Vertreter hat das Verfahren an dem Punkt fortzuführen, das es im Zeitpunkt der Übernahme von seinem Vorgänger erreicht hat.
8.3.3 Darüber hinaus ist die Kammer der Auffassung, dass in D42 nicht lediglich das allgemeine Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Kontrazeption zusammenfasst wird. Vielmehr gibt D42 die Auffassung eines hochqualifizierten Experten zu spezifischen Aspekten und Beweismitteln des vorliegenden Falls wider. Nach Auffassung der Kammer beurteilen Experten eine Sachlage auf Basis ihrer beruflichen Erfahrung und technischen Expertise, die nicht notwendigerweise dem allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns entsprechen. Letzteres wird, wie bereits in Punkt 4.9 oben festgestellt, üblicherweise durch Standardhandbücher, Lehrbücher oder Nachschlagewerken belegt. Keines der von Dr. Palacios in D42 genannten Dokumente fällt unter diese Kategorie.
8.4 Aus den genannten Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 13 (1) RPBA, das Beweismittel D42 nicht in das Verfahren zuzulassen.
9. Zulassung eines neuen Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit
9.1 Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018, mithin mehr als sechs Jahre nach ihrer Beschwerdebegründung, brachte die Beschwerdeführerin I einen neuen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit basierend auf der Kombination der Beweismittel D35 und D36 als nächstem Stand der Technik vor.
Die Beschwerdegegnerin erhob Einwände gegen die Zulassung dieser neuen Angriffslinie, da die Beschwerdeführerin I damit in einem sehr späten Stadium des Verfahrens ihr bisheriges Vorbringen im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit entscheidend ändere.
9.2 Dazu ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin I in ihrer Beschwerdebegründung ausdrücklich von dem in der Abbildung 3 der D3 konkret offenbarten Mehrphasenpräparat als dem nächsten Stand der Technik ausging. Ausgehend von diesem Stand der Technik begründete sie ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Die Beweismittel D35 und D36 wurden von der Beschwerdeführerin I zwar mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Als nächster Stand der Technik wurde eine Kombination dieser beiden Beweismittel jedoch an keiner Stelle identifiziert. D36 wird in einem kurzen Absatz der Beschwerdebegründung (siehe Seite 19, dritter Absatz) als alternativer Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erwähnt, der in Kombination mit D3, und gegebenenfalls weiteren Beweismitteln, den Gegenstand der Ansprüche nahelegen würde. Eine Substantiierung fehlt jedoch in diesem Zusammenhang. Es wird lediglich kursorisch auf die vorausgegangene Diskussion verwiesen, ohne nähere Erklärung, inwieweit diese ihre Gültigkeit behält, wenn nicht länger von dem konkrete Mehrphasenpräparat gemäß D3, das in D36 nicht offenbart wird, als nächstem Stand der Technik auszugehen ist.
9.3 Mit ihrem Ansatz, D35 (US-Patentanmeldung) und D36 (Eingabe des Anmelders von D35 mit der die ursprünglichen Patentansprüche von D35 durch einen einzigen Patenanspruch ersetzt werden) zu kombinieren, weicht die Beschwerdeführerin I nun entscheidend von ihrem bisherigen Vorbringen ab, da das bisher als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehene Mehrphasenpräparat gemäß D3 weder in D35 noch in D36 enthalten ist. Stattdessen verweist die Beschwerdeführerin I auf ein anderes, vorgeblich offenbartes Mehrphasenpräparat, wobei sie den Anspruch aus D36 mit den Estradiolvaleratmengen aus den Phasen I bis III des Mehrphasenpräparats gemäß Beispiel 1 und den Dienogestmengen aus den Gruppen 1 und 2 der Phase II des Mehrphasenpräparats gemäß den Beispielen 3 oder 5 von D35 kombiniert.
In der Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdeführerin I auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin II, in der ein solcher Ansatz im Hinblick auf die Definition des nächsten Standes der Technik vorgebracht wurde.
9.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin I dahingehend zu, dass diese sich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin II berufen kann. Letztere geht in ihrem Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit jedoch von dem Beweismittel D2 und dem Mehrphasenpräparat des Beispiels 5 aus, dessen Kombination mit dem Anspruch 1 von D2 das von der Beschwerdeführerin I angesprochene Mehrphasenpräparat vorgeblich eindeutig offenbare. Dies werde nach Auffassung der Beschwerdeführerin II zudem durch D2d oder dem zu D2d äquivalenten Beweismittel D36 belegt. Im Gegensatz dazu enthält keines der Beweismittel D35 oder D36 ein Mehrphasenpräparat gemäß Ausführungsbeispiel 5 der D2. Tatsächlich offenbart D35, das nach Auffassung der Beschwerdeführerin I, die zu D36 gehörige Beschreibung darstellt, kein konkretes Beispiel für ein Mehrphasenpräparat bestehend aus Estradiolvalerat und Dienogest. Ausführungsbeispiel 1 beschreibt die Applikation von Estradiolvalerat und Destrogrel, Ausführungsbeispiel 3 die Applikation von konjugierten equinen Estrogenen und Dienogest und Ausführungsbeispiel 5, die Applikation von Estradiolvalerat, Ethinylestradiol und Dienogest. Die Beschwerdeführerin I ergänzt somit nicht lediglich das Vorbringen der Beschwerdeführerin II, sondern erhebt in einem späten Stadium des Beschwerdeverfahrens einen auf neue Tatsachenbehauptungen gestützten zusätzlichen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit.
Nach Auffassung der Kammer liegen zudem keine besonderen Umstände vor, die das späte Vorbringen der Beschwerdeführerin I rechtfertigen können. Die Frage, ob das konkrete Mehrphasenpräparat, auf das sich die Beschwerdeführerin I in ihrem verspäteten Vorbringen bezieht, im Stand der Technik offenbart ist, wurde bereits in der angefochtenen Entscheidung mit Blick auf D2 angesprochen und von der Einspruchsabteilung negativ beschieden (siehe Punkt 6.1.2 der angefochtenen Entscheidung). Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre es der Beschwerdeführerin I möglich gewesen, diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereichten Beweismittel D35 und D36 anzufechten. Wie bereits in Punkt 8.3.2 oben festgestellt, stellt ein Vertreterwechsel keinen triftigen Grund für geändertes Vorbringen dar. Ergänzend ist festzustellen, dass der Vertreterwechsel bereits neun Monate vor der Eingabe vom 23. Januar 2018 erfolgte.
Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die Beschwerdeführerin I ausreichend Gelegenheit hatte, eventuelle Änderungen bezüglich des nächsten Standes der Technik bereits in einem wesentlich früheren Verfahrensstadium vorzubringen, sofern sie dies für notwendig erachtete.
Eine größere Relevanz der Kombination der Beweismittel D35 und D36 im Vergleich zu dem in der angefochten Entscheidung gewählten Mehrphasenpräparat (i.e. Ausführungsbeispiel 5 der D2 bestehend aus Estradiolvalerat und Dienogest) ist für die Kammer ebenfalls nicht ersichtlich, da das von der Beschwerdegegnerin I angeführte Mehrphasenpräparat in D35/D36 nicht konkret offenbart ist und zudem Zweifel daran bestehen, ob sich ein solches unter Bezugnahme auf einzelne aus dem Zusammenhang genommenen Merkmale unterschiedlicher Ausführungsbeispiele unmittelbar ableiten lässt.
9.5 Aus den genannten Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 13 (1) RPBA, die neue Angriffslinie nicht in das Verfahren zuzulassen.
10. Antrag auf mündliche Ausführungen eines technischen Experten
10.1 In der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Beschwerdeverfahren kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, über den umfassenden Vortrag des Falls durch den zugelassenen Vertreter hinaus mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen, jedoch nur mit Zustimmung des EPA und in seinem Ermessen. Der zugelassene Vertreter muss einen entsprechenden Antrag stellen, der Namen und Qualifikation der Begleitperson und den Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen nennt (siehe G 4/95, ABl. EPA 1996, 412).
10.2 In der mündlichen Verhandlung wurde der zugelassene Vertreter der Beschwerdeführerin I von Dr. Palacios als technischem Experten begleitet. Die Anwesenheit von Dr. Palacios wurde unter Angabe seiner Qualifikation mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 angekündigt. Im Hinblick auf den Gegenstand der beabsichtigten Ausführungen verwies die Beschwerdeführerin I darauf, dass Dr. Palacios Auskunft darüber geben könne, wie ein durchschnittlicher Fachmann die Fragen der Kammer, wie sie in ihrer vorläufigen Meinung unter Punkt 5.4 angesprochen wurden, beantworten würde.
Der Antrag, dass Dr. Palacios als Sachverständiger Ausführungen zu den von der Kammer in ihrer Mitteilung angesprochenen Diskussionspunkten machen dürfe, wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wiederholt.
10.3 Dazu ist festzustellen, dass es sich bei den in Punkt 5.4 der vorläufigen Meinung der Kammer angesprochenen Fragen nicht um spezifische Fragen seitens der Kammer handelte. Vielmehr verwies die Kammer lediglich auf die im Hinblick auf die von den Parteien vorgebrachten Argumente möglicherweise zu diskutierende Sachverhalte. Zu den angesprochenen Sachverhalten hat die Beschwerdeführerin I in ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2018 dann erneut Stellung genommen. Nähere Angaben darüber, welche zusätzlichen Informationen von Dr. Palacios diesbezüglich zu erwarten sind, enthält dieser Schriftsatz nicht.
10.4 Die Kammer übte das ihr zustehende Ermessen daher dahingehend aus, dass sie entschied, den Antrag der Beschwerdeführerin I auf mündliche Ausführungen durch Dr. Palacios zu berücksichtigen, für den Fall, dass, nachdem die Kammer das gesamte Vorbringen des Falls durch die zugelassenen Vertreter der einzelnen Parteien gehört hat, weitere Klarstellungen in Bezug auf einzelne Sachverhalte nötig seien oder die Kammer Fragen an Dr. Palacios habe. Dies war jedoch nicht der Fall.
11. Erfinderische Tätigkeit
11.1 Die Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags beziehen sich auf Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption bestehend aus drei Phasen mit definierter Phasenlänge und unterschiedlichen Mengen an Estradiolvalerat und Dienogest und einer Placebo Phase mit ebenfalls definierter Phasenlänge (siehe Punkt IV oben).
11.2 Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption sind im Stand der Technik bereits bekannt. So beschreibt D2 Mehrphasenpräparate zur Kontrazeption, deren erste Phase aus 2 bis 4 Tagesdosiseinheiten besteht, wobei jede Tagesdosiseinheit als Wirkstoff ausschließlich natürliche Estrogene enthält. Die zweite Phase des Mehrphasenpräparates besteht aus 2 Gruppen von Tagesdosiseinheiten mit einer Kombination aus mindestens einem natürlichen Estrogen und mindestens einem synthetischen oder natürlichen Gestagen. Dabei wird die erste Gruppe aus 5 bis 3 Tagesdosiseinheiten und die zweite Gruppe aus 17 bis 13 Tagesdosiseinheiten gebildet. Eine dritte Phase besteht aus 2 bis 4 Tagesdosiseinheiten, wobei jede Tagesdosiseinheit als Wirkstoff ausschließlich natürliche Estrogene enthält. Die Tagesdosiseinheit an natürlichem Estrogen bleibt innerhalb der Phasen konstant fällt jedoch von Phase 1 zu Phase 3 ab. Der Anteil an synthetischen oder natürlichen Gestagen übersteigt in der zweiten Gruppe der zweiten Phase den Anteil in der ersten Gruppe. Eine abschließende Phase besteht aus 2 bis 4 Tagesdosiseinheiten und jede Tagesdosiseinheit enthält als Wirkstoff ein pharmazeutisch unbedenkliches Placebo.
Darüber hinaus enthält D2 eine Reihe von Ausführungsbeispielen mit unterschiedlichen Estrogenen und Gestagenen. Das Ausführungsbeispiel 5 offenbart ein Mehrphasenpräparat aus Estradiolvalerat (EV) und Dienogest (DG) mit folgendem Applikationsregim:
Phase I: Tage 1-3 (3 Tage) - 3 mg EV
Phase II:
- Gruppe 1: Tage 4-7 (4 Tage) - 2 mg EV + 1 mg DG
- Gruppe 2: Tage 8-23 (16 Tage) - 2 mg EV + 2 mg DG
Phase III: Tage 24-25 (2 Tage) - 1 mg EV
Phase IV: Tage 26-28 (3 Tage) - Placebo
Die Kammer betrachtet daher in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin, D2, insbesondere das Ausführungsbeispiel 5, als nächsten Stand der Technik und Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
11.3 Der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, dass D2 in Zusammenschau mit D2d oder D36 als nächsten Stand der Technik anzusehen sei, wobei vorgeblich das nachfolgend genannte Mehrphasenpräparat offenbart wird, kann sich die Kammer nicht anschließen.
Phase I: Tage 1-2 (2 Tage) - 3 mg EV
Phase II:
- Gruppe 1: Tage 3-7 (5 Tage) - 2 mg EV + 1 mg DG
- Gruppe 2: Tage 8-24 (17 Tage) - 2 mg EV + 2 mg DG
Phase III: Tage 25-26 (2 Tage) - 1 mg EV
Phase IV: Tage 27-28 (2 Tage) - Placebo
11.3.1 Dazu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei D2d um einen Auszug aus dem Verfahren zu einer Teilanmeldung (US 09/468,858) der D2b handelt. D2b gehört zwar der gleichen Familie an wie D2, ist aber nicht mit D2 identisch. Es enthält beispielsweise nicht das Ausführungsbeispiel 5 der D2. Bei D36 handelt es sich um einen Auszug aus dem Verfahren einer weiteren Teilanmeldung (US 09/950,915) der vorgenannten US-Anmeldung 09/648,858.
11.3.2 Nach Überzeugung der Kammer können einzelne Passagen aus unterschiedlichen Beweismitteln - d.h. die Estradiolvalerat- und Dienogestmengen aus dem Ausführungsbeispiel 5 der D2, in dem diese in Kombination mit einem bestimmten Phasenregime offenbart werden, und das Phasenregim aus D2d oder D36, das keine Angaben zur Estradiolvalerat- und Dienogestmenge enthält - nicht dazu benutzt werden, um künstlich eine bestimmte Ausführungsform zu konstruieren und ausgehend von diesem Konstrukt als nächstem Stand der Technik die erfinderische Tätigkeit zu beurteilen. Schon allein aus diesem Grund kann die Kammer dem Ansatz der Beschwerdeführerinnen, D2 und D2d/D36 zu kombinieren, nicht folgen.
11.3.3 Die Auffassung der Kammer steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung T 176/89, auf die sich die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang beriefen. In dieser Entscheidung hat die zuständige Kammer entschieden, dass zur Definition des nächsten Standes der Technik ausnahmsweise zwei Dokumente in Verbindung miteinander zu lesen waren. Sie begründete ihre Auffassung damit, dass der Fachmann aus dem Dokument (2), das derselben Patentinhaberin gehörte, im Wesentlichen von denselben Erfindern stammte und sich offenbar auf die gleichen Untersuchungsreihen bezog wie das Dokument (1), vernünftigerweise schließen musste, dass die Betonung der notwendigen Anwesenheit eines bestimmten Prozessmerkmals in dem Dokument (1) fehlerhaft war, (siehe T 176/89, Punkte 5.7, 5.8 und 5.12 der Entscheidungsgründe). In der Folge hat die Kammer dieses Merkmal unberücksichtigt gelassen.
Eine derartige Situation ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. D2 steht nicht Widerspruch zu der Lehre der D2d oder D36 und bedarf keiner Korrektur durch den Fachmann. Das Phasenregim gemäß D2d und D36 wird in D2 nicht offenbart, aber vom dessen Anspruch 1 mitumfasst.
11.3.4 Der Verweis der Beschwerdeführerin I auf D2b, insbesondere das Ausführungsbeispiel 1 für die Estrogenmengen und das Ausführungsbeispiel 5 für die Dienogestmengen, hilft in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht. Nach Überzeugung der Kammer können die Angaben bezüglich der eingesetzten Estradiolvalerat- und Dienogestmengen nicht willkürlich aus unterschiedlichen Beispielen der Beschreibung, in denen sie untrennbar mit anderen Merkmalen, wie beispielsweise einer spezifischen Estrogen- oder Gestagenkomponente oder konkreten Phasenlängen, verbunden sind, herausgelöst und miteinander sowie gleichzeitig mit dem in D2d oder D36 vorgeschlagenen Phasenregim kombiniert werden, insbesondere da D2b keine klare und unmissverständliche Lehre für eine solche Kombination enthält.
11.4 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin II, dass das unter Punkt 11.3. formulierte Mehrphasenpräparat, mit seinem spezifischen Phasenregim und den spezifischen Estradiolvalerat- und Dienogestmengen, in D2 unmittelbar und eindeutig offenbart ist.
11.4.1 Das spezifische Phasenregim ist in D2 nicht explizit beschrieben. Vielmehr muss dazu aus den im Anspruch 1 der D2 angegebenen Bereichen zunächst für jede der Phasen I, II und IV und jede der Gruppen 1 und 2 der Phase II ein spezifischer Endpunkt gewählt und anschließend eine Auswahl unter den verschiedenen Möglichkeiten, diese zu verknüpfen, getroffen werden.
11.4.2 Die spezifischen Mengen an Estradiolvalerat- und Dienogestmengen sind im Ausführungsbeispiel 5 der D2 offenbart, jedoch in Kombination mit einem bestimmten Phasenregim, dass sich von dem des unter Punkt 11.3 formulierten Mehrphasenpräparates unterscheidet. Nach Überzeugung der Kammer ist es nicht zulässig diese Mengen aus dem Kontext zu isolieren und willkürlich mit einem Phasenregim zu kombinieren, das selbst das Resultat einer mehrfachen Auswahl ist.
11.5 Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass D2 das unter Punkt 11.3 genannte Mehrphasenpräparat nicht unmittelbar und eindeutig offenbart und D2 zu diesem Zweck auch nicht mit D2d oder D36 kombiniert werden kann. Für die Kammer gibt es daher keinen Grund, vom Ausführungsbeispiel 5 der D2 als nächstem Stand der Technik abzuweichen (siehe Punkt 11.2 oben).
11.6 Ausgehend von diesem Stand der Technik sah die Beschwerdegegnerin die zu lösende Aufgabe darin, ein Mehrphasenpräparat mit verbesserter kontrazeptiver Wirksamkeit unter Erhalt einer akzeptablen Zykluskontrolle bereitzustellen. Die vorgeschlagene Lösung besteht in der Änderung des Phasenregims und der Erhöhung der Dienogestmenge in den Gruppen 1 und 2 der Phase II.
Als Beleg für die Glaubhaftigkeit der behaupteten Vorteile verwies die Beschwerdegegnerin auf die Beweismittel D5, D6 und D26.
11.7 Das nachveröffentlichte Beweismittel D5 beschreibt die Ergebnisse zweier Studien mit insgesamt vier Mehrphasenpräparaten aus Estradiolvalerat und Dienogest. Aus der Abbildung 1 ist ersichtlich, dass das Mehrphasenpräparat 1A dem Ausführungsbeispiel 5 der D2 und die Präparate 2B und 2C den Präparaten gemäß den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags entsprechen. Aus der Abbildung 2 ist des Weiteren ersichtlich, dass 1A mit 10,87 einen höheren Prozentsatz an Frauen mit dem unvorteilhaften Hoogland-Score 5 (luteinisiertes, nicht gerissenes Follikel) oder 6 (Ovulation) aufweist als 2B (3,13 %) und 2C (1,03 %). Der Hoogland-Score von 5 wurde berücksichtigt, da die gebildeten Follikel in den nachfolgenden Zyklen reißen können, wie die Studie 1 gezeigt hat (siehe D5, Seite 223, linke Spalte, Zeilen 1 bis 4 des letzten Absatzes). Ein gegenüber dem Stand der Technik verbesserter Hoogland-Score weist auf eine verbesserte kontrazeptive Wirksamkeit hin. Ein weiterer Hinweis dazu findet sich auf Seite 223 der D5 (siehe linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, Zeile 9). In dieser Passage definiert D5 eine Ovulationsrate von < 5% und ein oberes 90% Konfidenzintervall von < 10% als Erfolgskriterium. Dieses wird von dem Präparat 2B (und 2C) klar erreicht, nicht jedoch von dem Präparat 1A. Das Argument der Beschwerdeführerin I, dass keine verbesserte kontrazeptive Wirksamkeit nachgewiesen worden sei, da in Abbildung 2 der D5 der untere Endpunkt des Konfidenzintervalls von 1A geringfügig unter dem oberen Endpunkt des Konfidenzintervalls von 2B liegt, d.h. ein minimaler Überlappungsbereich existiert, überzeugt die Kammer daher nicht. Ebenfalls nicht überzeugend ist das Argument der Beschwerdeführerin II, die sich auf den deutlichen Überlappungsbereich (d.h. vergleichbare kontrazeptiver Wirksamkeit) zwischen den Beispielen 2A und 2B beruft, da das spezifische Mehrphasenpräparat 2A nicht zum Stand der Technik gehört (siehe die Punkte 11.3 und 11.4 oben).
Zur Zykluskontrolle offenbart D5 keine spezifischen Daten. Es wird jedoch auf Seite 224 (siehe linke Spalte, letzter Absatz, insbesondere der letzte Satz) auf eine neben der zuverlässigen kontrazeptiven Wirksamkeit zu erwartende akzeptable Zykluskontrolle, d.h. reguläre Menses und geringe Zwischenblutungen, hingewiesen. Dies wird von den Beweismitteln D26 und D6 bestätigt, in denen Zwischenblutungen bei 10 bis 18 % der Frauen beschrieben werden (siehe D26, Seite 7, vorletzter Absatz; D6, Seite 14, Zeilen 4 bis 6 des letzten Absatzes). Dieser Wert ist vergleichbar mit dem Wert des Mehrphasenpräparats aus dem Stand der Technik, der gemäß D3 nach dem sechsten Zyklus bei 15,6 % liegt (30 % nach den ersten drei Zyklen). Es wird an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen, dass das Mehrphasenpräparat der D3 dem Ausführungsbeispiel 5 der D2 entspricht. Werte zwischen 13 und 19 % für das Mehrphasenpräparat des Standes der Technik werden auch in D41 beschrieben, abzüglich der wenig verlässlichen Ergebnisse der ersten drei Zyklen (unregelmäßige Blutungen treten meist in der ersten Einnahmezyklen auf; siehe D19, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 5 des zweiten Absatzes) und der Ergebnisse, die mit weniger als 600 Teilnehmern erhalten wurden, unberücksichtigt bleiben. Werden letztere mitberücksichtigt liegen die Werte bei 13 bis 25 % (siehe D41, Seite 5, letzte Tabelle). Die Werte bezüglich Amenorrhö (Ausbleiben der Menses) liegen für den Stand der Technik und den beanspruchten Gegenstand ebenfalls in der gleichen Größenordnung (cf. D41, Seite 5 vorletzte Tabelle und D26, Seite 7, letzter Absatz).
Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die verbesserte Wirksamkeit unter Beibehalt einer akzeptablen Zykluskontrolle nach Auffassung der Kammer ausreichend belegt ist.
11.8 Von den Beschwerdegegnerinnen wurde auch auf die in Tabelle 3 der D5 offenbarten Erhöhung bestimmter Nebenwirkungen (e.g. Kopfschmerzen, Akne, Übelkeit etc.) verwiesen.
11.9 Dazu ist festzustellen, dass D5 selbst diese als wahrscheinliche Folge des spezifischen Studiendesigns ansieht. Bedenken hinsichtlich der Sicherheit liegen gemäß D5 jedoch nicht vor (siehe Seite 224, letzter Absatz, Zeilen 5 bis 8). Dies wird auch durch die Marktzulassung (D26) von Qlaira, einem Mehrphasenpräparat, das dem Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht, bestätigt. Ergänzend ist auch zu bemerken, dass es sich bei den Nebenwirkungen nach Auffassung der Kammer um für hormonelle Kontrazeptive typische Nebenwirkungen handelt.
11.10 Die Kammer sieht die objektiv zu lösende technische Aufgabe daher darin, ein Estradiolvalerat- und Dienogest-haltiges Mehrphasenpräparat mit verbesserter Wirksamkeit unter Erhalt einer akzeptablen Zykluskontrolle bereitzustellen. Typische, häufig auftretende Nebenwirkungen sollten dabei ebenfalls in einem akzeptablen Rahmen liegen.
Im Hinblick auf die vorstehenden Erläuterungen (siehe die Punkte 11.7 und 11.9) ist die Lösung dieses Problem ausreichend nachgewiesen.
11.11 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen lieferte, die genannte Aufgabe durch die beiden spezifischen Mehrphasenpräparate mit ihrer geänderten Phasenlänge und der erhöhten Dienogestmenge in den Gruppen 1 und 2 der Phase II zu lösen.
11.12 Die Beschwerdeführerin I brachte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dazu im Wesentlichen vor, dass es für den Fachmann offensichtlich gewesen sei, dass das Ausführungsbeispiel 5 gemäß D2 keine ausreichende kontrazeptive Wirksamkeit aufweise. Es habe daher nahegelegen die Dienogestmenge, die im Wesentlichen für die ovulationsinhibierende Wirkung verantwortlich sei, zu erhöhen. In diesem Zusammenhang verwies sie auf D2b, D2c, D11, D13, D20, D21, D29, D30 und D37. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin II ist insbesondere aus D37 ersichtlich, dass eine Erhöhung der Dienogestmenge nicht zu höheren Blutungen führe. Da im Übrigen Dienogest für die Ovulationshemmung verantwortlich sei, lag es für den Fachmann nahe die Dienogestmenge zu erhöhen. Des Weiteren verwies die Beschwerdeführerin II auf die Beweismittel D7 und D21 als Motivation die Dienogestmenge des Ausführungsbeispiels 5 zu erhöhen.
11.13 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin I nicht, dass es für den Fachmann a priori und ohne Kenntnis der Erfindung ersichtlich war, dass die Menge an Dienogest im Ausführungsbeispiel 5 der D2 für eine zuverlässige Kontrazeption nicht ausreichend sei. Im Gegenteil, gemäß D3 rechtfertigten die kontrazeptive Wirksamkeit, die Zykluskontrolle und die Verträglichkeit des Mehrphasenpräparates gemäß dem Stand der Technik (i.e. Ausführungsbeispiel 5 der D2 bzw. Abbildung 3 der D3) den Start einer klinischen Phase III Studie. Zusätzlich weist D3 darauf hin, dass die eingesetzten Mengen von 1 mg und 2 mg Dienogest in den Gruppen 1 und 2 der Phase II als kontrazeptiv wirksam betrachtet werden und dass während der Studie keine Schwangerschaften beobachtet wurden (siehe Seite 461, linke Spalte, Zeilen 1 bis 7 und Zeilen 16 bis 17). Ähnliches beschreibt auch D2, das auf die kontrazeptive Sicherheit verweist, trotz einer gegenüber einem herkömmlichen Kontrazeptivum (i.e. Vergleichsbeispiel 3x aus DE 44 29 374 (= Ausführungsbeispiel 3 aus D29)) geringeren Estrogen- und Gestagendosis (siehe D2, Seite 3, Zeilen 29 bis 39, Seite 4, Tabellen 1 und 2, Seite 5, Zeilen 19 bis 23; Anmerkung seitens der Kammer: die Menge an Dienogest im Vergleichsbeispiel 3x in der Tabelle 1 der D2 ist fehlerhaft und beträgt 42 mg, nicht 52 mg wie angegeben). Der Fachmann entnimmt D2 oder D3 somit keinen Hinweis auf eine unzureichende kontrazeptive Wirksamkeit. Erst das nachveröffentlichte Beweismittel D5 verweist auf bis zu diesem Zeitpunkt unveröffentlichte Daten, die eine unzureichende kontrazeptive Wirksamkeit aufzeigten.
Aus D2c ist eine vorgeblich mangelnde kontrazeptive Wirksamkeit für den Fachmann ebenfalls nicht erkennbar. Gemäß D2c wurden Vergleichsversuche des Mehrphasenpräparats entsprechend dem Ausführungsbeispiel 5 der D2 mit Präparaten des Standes der Technik (e.g. DE 42 24 534 und DE 41 04 385) durchgeführt (siehe Seite 12, Zeilen 1 bis 6, von D2c und Seite 4 der beigefügten Erklärung). Die Ergebnisse werden auf Seite 8 der Erklärung zusammengefasst und zeigen eine effektive ovulationsinhibierende Wirkung des Mehrphasenpräparats entsprechend dem Ausführungsbeispiel 5 der D2 über alle Zyklen, ungeachtet der Bildung von luteinisierten nicht gerissenen Follikel (siehe auch Seite 9 der Erklärung, Zeilen 1 bis 4).
11.14 Auch die weiteren in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin I angeführten vorgeblichen Anzeichen dafür, dass die unzureichende Kontrazeption des Mehrphasenpräparats des nächsten Stands der Technik insbesondere im Hinblick auf die verabreichte Dienogestdosis, für den Fachmann ersichtlich war (siehe Punkt XIV oben), überzeugen die Kammer nicht.
11.14.1 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin teilt, dass die kontrazeptive Wirksamkeit von Kombinationspräparaten nicht ausschließlich auf der Gestagenkomponente beruht. Zwar ist es unstrittig, dass die für die kontrazeptive Sicherheit entscheidende Ovulationshemmung im Wesentlichen auf die Gestagenkomponente zurückzuführen ist (siehe D11, Seite 1, Zeilen 11 bis 13 und D29, Spalte 1, Zeilen 41 bis 45). Diese wird jedoch durch die Estrogenkomponente, die zudem für die Zykluskontrolle entscheidend ist, verstärkt (siehe beispielweise D11, Seite 1, Zeilen 15 bis 17; D30, Spalte 1, Zeilen 51 bis 61). Die ovulationshemmende Wirkung des Ausführungsbeispiels 5 der D2 beruht somit nicht allein auf der verabreichten Dienogestdosis.
11.14.2 Die Beschwerdeführerin I betonte darüber hinaus, dass eine Dienogestmenge von 1 mg lediglich ein unterer Grenzwert sei und nicht für alle Frauen eine ausreichende ovulationshemmende Wirksamkeit aufweise. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Tabelle VII der D37. In der Praxis werde daher in der Regel das Zweifache der ovulationsinhibierenden Dosis eingesetzt (siehe D21, letzter Satz auf Seite 164; D13, Seite 254, linke Spalte, Zeilen 32 bis 40; D30, Spalte 1, Zeilen 51 bis 55, Spalte 4, Zeilen 59 bis 63).
11.14.3 Diese Angaben lassen nach Auffassung der Kammer jedoch keine Rückschlüsse auf eine vorgeblich unzulängliche kontrazeptive Wirksamkeit des Ausführungsbeispiels 5 der D2 zu. Die Tabelle VII in D37 ist eine verkürzte Darstellung der Tabelle II der D7 (siehe Seite 271). Aus D7 geht hervor, dass die ovulierende Probandin, auf die die Beschwerdeführerin I verwiesen hat, aus der Beurteilung der Ovulationshemmung ausgeschlossen wurde (siehe Tabelle II, Fußnote). Offensichtlich erfolgte die Dienogesteinnahme nicht gemäß den Vorgaben (siehe Seite 271, linke und rechte Spalte überbrückender Absatz).
Zudem stellen sowohl D7 als auch D21 fest, das Dienogest bei einer täglichen Gabe von 1 mg (über 21 Tage, d.h. 21 mg innerhalb eines Zyklus, siehe D7 Tabelle II, D21, Tabelle 1) die Ovulation zuverlässig hemmt (siehe D7, letzter Absatz der Zusammenfassung und Seite 277, erster Satz unter Schlussfolgerung; D21, letzter Absatz der Zusammenfassung und Seite 168, erster Satz unter der Überschrift "Diskussion"). Die gleiche Angabe findet sich auch in D37, (siehe Seite 529, letzter vollständiger Absatz in der rechten Spalte). Mit 36 mg liegt die Dienogestdosis des Ausführungsbeispiels der D2 deutlich über diesem Wert. Darüber hinaus betrachten D7 und D21 ausschließlich die ovulationshemmende Wirkung von Dienogest. Zusätzliche die Ovulationshemmung beeinflussende Komponenten, wie zum Beispiel Estrogene, bleiben dabei unberücksichtigt.
11.14.4 Hinsichtlich der in der Regel verabreichten Dienogestmenge von täglich 2 mg (siehe D21, die letzten zwei Zeilen auf Seite 164), ist ferner festzustellen, dass auch im Ausführungsbeispiel 5 überwiegend eine tägliche Dosis von 2 mg Dienogest eingesetzt wird. Lediglich für vier Tage liegt diese Dosis bei 1 mg und somit immerhin noch bei einer Menge, die die Ovulation zuverlässig hemmt. Eine für die Ovulationshemmung unzureichende Dienogestdosis lässt sich daraus nicht ableiten.
11.14.5 Seitens der Beschwerdeführerin I wurde auch vorgebracht, dass die Gesamtmenge an Dienogest in D2 mit 36 mg deutlich niedriger sei als im Stand der Technik beschrieben, e. g. 48 bzw. 42 mg in D3 (Präparate A und B gemäß Abb. 2), 42 mg in D29 (Spalte 5, Zeilen 11 bis 20), 42 mg in D31 (Seite 186, linke Spalte, zweiten Absatz unter "Materials and Methods", Zeilen 4 bis 6). Der Fachmann hätte daher auf eine unzureichende kontrazeptive Sicherheit geschlossen.
Im Hinblick auf die Angaben in D7 und D21 ist dem Fachmann jedoch bekannt, dass bereits eine Gesamtmenge von 21 mg eine zuverlässige Ovulationshemmung bewirkt. Mit 36 mg liegt das Ausführungsbeispiel 5 der D2, wie bereits erwähnt, deutlich über diesem Wert. Darüber hinaus entnimmt der Fachmann der D2 und der D3, dass trotz geringfügig niedriger Dosen (36 vs. 42 mg, siehe Punkt 11.13 oben) die kontrazeptive Sicherheit gewährleistet ist. Das Argument der Beschwerdeführerin I überzeugt daher nicht.
11.14.6 Auch das Argument der Beschwerdeführerin I, dass es allgemeines Fachwissen sei, das Mehrphasenpräparate im Allgemeinen in ihrer kontrazeptiven Wirksamkeit weniger zuverlässig seien, überzeugt die Kammer nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass gemäß gefestigter Rechtsprechung der Kammer die diesbezüglich genannten Beweismittel D2b und D30 kein Beleg für das allgemeine Fachwissen sind, wird dies in keinem dieser Beweismittel behauptet. D2b stellt in der Spalte 1, Zeilen 19 bis 24 lediglich fest, dass Einphasenpräparate aufgrund der gleichmäßigen Verabreichung der Estrogen und Gestagenkomponente hoch zuverlässige Kontrazeptiva sind. D30 bezieht sich in Spalte 1, Zeilen 40 bis 44, offensichtlich auf bestimmte Präparate aus der Hormonersatztherapie, die als Kontrazeptiva ungeeignet sind, weil das natürliche Estrogen in den verabreichten Dosen die Ovulation nicht hemmt und die Phase in der Gestagen mit 11 Tage zu kurz ist. Rückschlüsse auf eine vorgeblich nicht ausreichende Kontrazeption des Ausführungsbeispiels 5 der D2 lassen D2b und D30 nicht zu.
11.15 Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin I keine Belege für eine a priori erkennbare mangelnde kontrazeptive Wirksamkeit des Ausführungsbeispiels 5 der D2 vorliegen, die der Fachmann ohne Zögern durch Erhöhung der Dienogestdosis ausgeglichen hätte.
11.16 Unabhängig davon ist es gemäß D2 Teil der Erfindung, dass das Estrogen-Gestagen-Verhältnis in der ersten Zyklushälfte weit zugunsten der Estrogenkomponente verschoben ist. Auf diese Weise kann auf hohe Estrogen- und Gestagendosen verzichtet werden (siehe D2, Seite 4, Zeilen 14 bis 18). Selbst wenn der Fachmann, wie von den Beschwerdeführerinnen vorgebracht, eine Erhöhung der Gestagendosis für eine vorgebliche Verbesserung der ovulationshemmenden Wirkung, und somit der kontrazeptiven Wirksamkeit, in Betracht gezogen hätte, würde er nach Überzeugung der Kammer die Lehre der D2, die Estrogendominanz in der ersten Zyklushälfte sicherzustellen nicht ohne Grund ignorieren. Ein solcher Grund ist jedoch nicht ersichtlich, insbesondere da die Estrogenkomponente durch den proliferierenden Einfluss auf das Endometrium ein entscheidender Faktor für die Zykluskontrolle ist, Dienogest, obwohl es ansonsten keine antiestrogenen Eigenschaften aufweist, wirkt der estrogenen Stimulation des Endometriums jedoch entgegen. Im Ausführungsbeispiel 5 der D2 liegt das Gleichgewicht von Estrogen und Dienogest für die erste Zyklushälfte (Tage 1 bis 14) bei 1,72 (31 mg Estradiolvalerat und 18 mg Dienogest). Im Vergleich dazu beträgt gemäß der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags das Verhältnis Estradiolvalerat/Dienogest 0,97 (30 mg Estradiolvalerat und 31 mg Dienogest) und 0,70 (30 mg Estradiolvalerat und 43 mg Dienogest). Selbst wenn man die Estradiolvalerat- und Dienogestmenge über den gesamten Zyklus berücksichtigt, verschiebt sich anspruchsgemäß das Estrogen-Gestagen Gleichgewicht entgegen der Lehre der D2 zugunsten der Gestagenkomponente (51 mg EV/36 mg DG in Ausführungsbeispiel 5, 52 mg EV/61 mg DG gemäß Anspruch 1 und 52 mg EV/83 mg DG gemäß Anspruch 2). Das Argument der Beschwerdeführerin I dass die Estrogendominanz in den anspruchsgemäßen Mehrphasenpräparaten erhalten bleibt, kann die Kammer daher nicht nachvollziehen.
11.17 Des Weiteren ist festzustellen, dass die zu lösende Aufgabe nicht allein in der Bereitstellung eines Kontrazeptivums mit verbesserter Wirksamkeit besteht. Vielmehr soll gleichzeitig die mit dem Präparat des nächsten Standes der Technik bereits erzielte Zykluskontrolle weitgehend erhalten bleiben, insbesondere im Hinblick auf das Auftreten unerwünschter Zwischenblutungen.
Dem Fachmann ist diesbezüglich bekannt, dass die Ursache von Zwischenblutungen in der Regel auf die dominierende Wirkung der Gestagenkomponente zurückzuführen ist, die eine Dezidualisierung oder Atrophie des Endometriums hervorrufe. Eine Erhöhung der Tagesdosis des ovulationshemmenden Gestagens wird nicht empfohlen. Vielmehr wird bei unerwünschten Zwischenblutungen eine zusätzliche Estrogengabe zur Zyklusstabilisierung vorgeschlagen, (siehe das Lehrbuch D19, Seite 140, linke Spalte, letzter Satz des zweiten Absatzes, linke Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, Zeile 14; Lehrbuch D27, Seite 85, zweiter Absatz bis Seite 86 zweiter Absatz).
Ausgehend von D2 hatte der Fachmann angesichts der zu lösenden Aufgabe somit keine Veranlassung die Dienogestmenge zu erhöhen und das Estrogen-Gestagen(Dienogest)-Verhältnis zugunsten der Gestagenkomponente zu verschieben.
Ein solches Vorgehen gegen die explizite Lehre der D2 kann auch nicht als bloße Routinetätigkeit des Fachmanns angesehen werden, der, nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen, die Dienogestmenge lediglich geringfügig ändere und daher keine wesentliche Auswirkungen auf die Zykluskontrolle erwarte. Ergänzend ist dazu festzustellen, dass sich die Dienogestmenge im Vergleich zum Stand der Technik deutlich erhöht (von 36 mg auf 61 mg (Anspruch 1 des Hauptantrags) 83 mg (Anspruch 2 des Hauptantrags) über den gesamten Zyklus beziehungsweise von 18 mg auf 31 und 43 mg in der ersten Zyklushälfte). Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin I angezogene Entscheidung T 1409/06, in dem die zuständige Kammer die Ermittlung der optimalen Dosis eines bekannten Wirkstoffes als reine Routinemaßnahme ansah, ist für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.
11.18 Die Beschwerdeführerin I verwies hinsichtlich der Motivation des Fachmanns, die Dienogestdosis weiter zu erhöhen auch auf D21, D13 und D20 hin (siehe Punkt XIV oben). Sie schloss aus der Angabe in D21, dass die Follikelreifung auch bei 2,0 mg Dienogest nicht vollständig unterdrückt wird (siehe Seite 168, zweiter Absatz) offensichtlich, dass auch bei täglicher Gabe von 2 mg Dienogest (über 21 Tage, d.h. 42 mg; siehe, Seite 163, zweiter vollständiger Absatz), keine ausreichende Ovulationshemmung erzielt werde und der Fachmann daher veranlasst werde, die Dosis zu erhöhen.
11.19 Dem kann sich die Kammer nicht anschließen. Zum einen offenbart D21 eindeutig, dass die Ovulation bereits bei einer täglichen Dosis von 1 mg Dienogest (über 21 Tage) vollständig gehemmt wird (siehe Seite 161, Zusammenfassung, Seite 168, erster Absatz). Des Weiteren widerspricht dieses Argument dem bisherigen Vorbringen der Beschwerdeführerin I, dass eine Gesamtmenge von 42 mg Dienogest die Ovulation zuverlässig hemmt (siehe Beschwerdebegründung Seite 8 dritter Absatz bis Seite 9, Zeile 11), beziehungsweise, dass es sich in der Praxis bewährt hat die Gestagendosis im Vergleich zur Ovulationshemmdosis zu verdoppeln (siehe D21, Seite 164, vorletzte Zeilen bis Seite 165, Zeile 2). Einen Anlass für eine weitere Erhöhung entnimmt der Fachmann D21 nicht.
11.20 Das Beweismittel D13 bezieht sich auf eine Studie zur Hormonersatzbehandlung von Frauen in der Menopause mit einer Kombination von Estradiolvalerat und Dienogest. Ungeachtet der Tatsache, dass die gleichen Hormone wie in der Kontrazeption zum Einsatz kommen, ist die Zielsetzung in beiden Fällen nicht die gleiche. Ziel der Hormonersatzbehandlung ist es den endogenen Estrogenspiegel, der bei Frauen in der Menopause sinkt und eine Reihe von unerwünschten Begleiterscheinungen zur Folge hat, durch exogene Estrogengabe zu erhöhen. Da damit jedoch ein höheres Risiko für Hyperplasie und Krebs des Endometrium verbunden ist, wird zusätzlich ein Gestagen verabreicht, das Atrophie des Endometrium und letztendlich Amenorrhö (Ausbleiben der Menses) bewirkt. Insbesondere letztere ist für die Kontrazeption jedoch unerwünscht, da es auch auf ein Versagen der Pille hindeuten kann (siehe D27, Seite 87, vorletzter Absatz, Zeilen 1 bis 4, letzter Absatz, Zeile 1 bis 3). Ziel der Kontrazeption ist die zuverlässige Ovulationshemmung und reguläre Menses, vorzugsweise bei gleichzeitig möglichst geringen Hormondosen. Schon allein aus diesem Grund würde der Fachmann, nach Auffassung der Kammer, Gestagendosen wie sie für die Hormonersatzbehandlung verwendet werden nicht ohne weiteres für die Kontrazeption berücksichtigen. Zudem offenbart D13, dass höhere Dosen an Gestagen/Dienogest die Blutungshäufigkeit und auch die Zahl der Blutungsepisoden erhöhen (siehe Seite 256, rechte Spalte, letzter Absatz und Abbildung I). Lediglich hinsichtlich der Intensität der Blutungen zeigt die tägliche Gabe von 3,0 mg Dienogest (über 28 Tage) Vorteile. Das Argument der Beschwerdeführerin I, dass eine tägliche Gabe von Dienogest von 3 mg in Kombination mit 2 mg Estradiolvalerat das vorteilhafteste Blutungsverhalten zeigt, überzeugt die Kammer daher nicht. Ergänzend ist zudem festzustellen, dass in D13 Estrogen und Dienogest in konstanten Mengen über 28 Tage, d. h. ohne hormonfreies Intervall, verabreicht werden. Wie dieses Applikationsregim gegebenenfalls auf das Kontrazeptivum gemäß Ausführungsbeispiel 5 der D2 zu übertragen wäre unter Beibehalt des vorgeblich vorteilhaften Blutungsprofil, ist D13 nicht zu entnehmen. Das Argument der Beschwerdeführerin I, dass der Fachmann ausgehend von Ausführungsbeispiel 5 die Phasenlänge, in der Dienogest verabreicht wird, verlängern, die Estrogenmenge konstant halten und die Menge in der ersten Gruppe der Phase II auf 2 bzw. 3 mg und in der zweiten Gruppe auf 3 mg bzw. 4 mg erhöhen würde, ist nach Überzeugung der Kammer das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise, insbesondere da ein solches Vorgehen der Lehre der D2 bezüglich des Estrogen-Gestagen-Gleichgewichts widerspricht.
11.21 Auch die von der Beschwerdeführerin I zitierte Passage des Beweismittels D20 (siehe Seite 48, linke Spalte, Zeilen 4 bis 11 von unten) bezieht sich auf die Hormonersatzbehandlung. Sie ist damit nach Auffassung der Kammer ebenso wenig relevant wie D13. Zudem weist D20 im gleichen Kontext auf die schwierige Interpretation des Blutungsverhaltens hin, die unter anderem auch vom Stadium der Menopause abhängig kann (siehe Seite 48, linke Spalte, vierte Zeile von unten bis rechte Spalte, Zeile 13). Ein Veranlassung für den Fachmann, die Dienogestmenge für die Kontrazeption, die auf eine völlig andere Zielgruppe gerichtet ist, unter diesen Umständen zu erhöhen und das Estrogen/Gestagen Gleichgewicht entgegen der Lehre von D2 zu verschieben, bietet die D20 nicht.
11.22 Auch die von der Beschwerdeführerin II in Bezug auf D37 vorgebrachten Argumenten (siehe Punkt XIV oben) überzeugen die Kammer nicht. Die Tabelle IX in D37 beschreibt das Blutungsverhalten einer Kombination aus Ethinylestradiol und Dienogest. In dieser spezifischen Kombination führt die Erhöhung von Dienogest auf täglich 2 mg zu einer verbesserten Zykluskontrolle. Die Beschwerdeführerin II verwies in diesem Zusammenhang auf ein auf dem Markt befindliches Präparat (siehe Seite 534, linke Spalte, zweiter Absatz), in dem die Kombination aus Ethinylestradiol und Dienogest über 21 Tage verabreicht wird.
11.23 Nach Auffassung der Kammer lassen sich diese Ergebnisse nicht auf Kontrazeptiva mit anderen Estrogenkomponenten, die andere Eigenschaften haben und deren Zusammenspiel mit der Gestagenkomponente die Eigenschaften des Kontrazeptivums (e.g. kontrazeptive Sicherheit, Zykluskontrolle, Nebenwirkungen) bestimmen, übertragen. Selbst wenn der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin II vorgebracht, der D37 eine Anregung entnehmen sollte, die Dienogestmenge in der Gruppe 1 der Phase 2 des nächsten Stands der Technik von täglich 1 mg auf täglich 2 mg (das zweifache der Ovulationshemmdosis) zu erhöhen, fehlt jede Anregung die Dienogestmenge in der zweiten Gruppe von täglich 2 mg auf täglich 3 beziehungsweise 4 mg zu erhöhen und damit im Widerspruch zum nächsten Stand der Technik das Estrogen/Gestagen Gleichgewicht zugunsten der Gestagenkomponente zu verschieben.
11.24 Aus den vorstehend genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
11.25 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin I das Beweismittel D3 nicht länger als den nächsten Stand der Technik angezogen. Vielmehr ist sie wie die Beschwerdeführerin II in ihrem schriftlichen Vorbringen von D2 ausgegangen. Lediglich vollständigkeitshalber ist festzustellen, dass die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung teilt, dass es keinen Unterschied macht, ob von dem Beweismittel D2 oder D3 als nächstem Stand der Technik ausgegangen wird. Die Unterscheidungsmerkmale, die darauf beruhenden technischen Effekte und die objektiv zu lösende Aufgabe sind ausgehend von D2 oder D3 identisch. Da auch D3 auf die Estrogendominanz in der ersten Zyklushälfte verweist, geltend die gleichen Überlegungen und die gleiche Schlussfolgerung wie in den Punkten 11.13 bis 11.24 oben.
11.26 Da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist eine Entscheidung bezüglich der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht erforderlich.
12. Zulassung der Beweismittel D38 - D40, D45 -D48
Über die Zulassung der Beweismittel D38 bis D40 und D45 bis D48 war letztendlich nicht zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin I berief sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf keines dieser Beweismittel. Eine größere Entscheidungserheblichkeit im Vergleich zu den bereits im Verfahren befindlichen Beweismitteln war für die Kammer a priori nicht ersichtlich. Zudem war keines dieser Beweismittel geeignet, das allgemeine Fachwissen zu belegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.