T 2187/12 () of 29.7.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T218712.20140729
Datum der Entscheidung: 29 Juli 2014
Aktenzeichen: T 2187/12
Anmeldenummer: 09158342.7
IPC-Klasse: B29C 71/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Gasexposition
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren - Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat am 10. August 2012 gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 8. Juni 2012, mit der die Anmeldung Nr. 09 158 342.7 zurückgewiesen wurde, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 28. September 2012 eingegangen.

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9, eingereicht am 14. September 2011 bzw. am 22. November 2010, des einzigen Antrags der Beschwerdeführerin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Die Ansprüche 1 und 9 lauten wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Exposition eines Wischgummiprofils von Scheibenwischern einem Gas, umfassend einen Reaktionsraum (3), in dem ein halogenhaltiges Gas enthalten ist, mit einem Einlass (5), durch den das Wischgummiprofil (9) kontinuierlich dem Reaktionsraum (3) zugeführt wird und einem Auslass (7), durch den das Wischgummiprofil aus dem Reaktionsraum (3) austritt, dadurch gekennzeichnet, dass am Einlass (5) und am Auslass (7) jeweils ein mit einer Flüssigkeit (15) gefüllter Syphon (11, 13) ausgebildet ist, durch den das Wischgummiprofil geführt wird."

"9. Verfahren zur Hallogenierung von strangförmigen Wischgummiprofilen von Scheibenwischern in einer Vorrichtung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8, bei dem das strangförmige Elastomerprofil (9) durch die Flüssigkeit (15) im Syphon (11) am Einlass (5) dem Reaktionsraum (3) zugeführt wird und durch die Flüssigkeit (15) im Syphon (13) am Auslass (7) aus dem Reaktionsraum (3) abgezogen wird, wobei im Reaktionsraum (3) ein halogenhaltiges Gas enthalten ist."

II. Im Prüfungsverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschrift Bezug genommen:

D1 WO 01/74481;

D2 EP-A 1 325 974;

D5 EP-A 0 214 635;

D6 DE 196 12 081.

III. In einer Mitteilung vom 17. April 2014, die als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, führte die Kammer Folgendes aus (siehe Punkte 5.2 und 5.3):

Die Halogenierung von Elastomeren, wie sie beispielsweise als Wischgummis für Scheibenwischer eingesetzt werden, war an sich bekannt, vgl. Absatz [0004] der ursprünglich eingereichten Anmeldung (veröffentlichte Fassung), worin ein Verfahren zur Halogenierung von Wischprofilen in einem Reaktor beschrieben wird, die jedoch nicht die kontinuierliche Behandlung erlaubt. Bei einem kontinuierlichen Verfahren zur Halogenierung von Wischprofilen ergibt sich das Problem, dass das Wischprofil dem Reaktor zugeführt und aus dem Reaktor wieder abgeführt werden muss, d. h. es müssen Dichtungen vorgesehen sein, die ein Austreten des Gases aus dem Reaktor verhindern, vgl. Absatz [0003] der ursprünglich eingereichten Anmeldung (veröffentlichte Fassung).

Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 scheinen sich von diesem Stand der Technik dadurch zu unterscheiden, dass die Vorrichtung jeweils am Ein- und Auslass der Reaktionsraum einen mit einer Flüssigkeit gefüllten Siphon aufweist.

Nach der vorläufigen Auffassung der Kammer war es für den Fachmann, der ausgehend von diesem Stand der Technik [versucht] ein kontinuierliches Verfahren zur Halogenierung von Wischprofilen bereitzustellen, bei dem ein Austreten des halogenhaltigen Gases aus dem Reaktor verhindert wird, naheliegend die Lehre der Druckschrift D1 anzuwenden und jeweils am Ein- und Auslass der Reaktionsraum einen mit einer Flüssigkeit gefüllten Siphon vorzusehen.

Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 scheinen somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen.

IV. Am 29. Juli 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 und 9, eingereicht am 14. September 2011 bzw. am 22. November 2010, hilfsweise in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder weiter hilfsweise die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Halogenierung von Wischerblättern werde üblicherweise durchgeführt, in dem das Wischblatt in eine Natriumhypochlorit-Lösung eingetaucht werde, siehe Druckschrift D6, Spalte 4, Zeilen 25 bis 30. In ihrem Ladungszusatz gehe die Kammer von einem im Absatz [0004] der ursprünglich eingereichten Anmeldung (veröffentlichte Fassung) beschriebenen Stand der Technik aus. Die Angabe in diesem Absatz, dass "Produkte, die einer Gasbehandlung ausgesetzt werden, sind z.B. strangförmige Elastomerprofile, wie sie beispielsweise als Wischgummis für Scheibenwischer eingesetzt werden", sei aber nicht korrekt. Ein Verfahren zur Halogenierung von Wischgummiprofilen mit einem Gas (anstatt mit einer halogenhaltigen Flüssigkeit, wie in der Druckschrift D6 beschrieben) sei der Beschwerdeführerin nicht bekannt. Auch der im Absatz [0004] der Anmeldung erwähnten japanischen Druckschrift sei nicht zu entnehmen, dass der Reaktor für die Wischprofile von einem halogenhaltigen Gas durchströmt werde. Die in dem Ladungszusatz geäußerte vorläufige Auffassung der Kammer beruhe somit auf einem Stand der Technik, der nicht existiere.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin

Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin erstmals vorgetragen, dass die im Absatz [0004] der veröffentlichten Fassung der Anmeldung beschriebener Produkte keinen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ darstellen würden. Insbesondere sei die Halogenierung von strangförmigen Gummiprofilen mittels Halogengas nicht bekannt, weder die nicht-kontinuierliche noch die kontinuierliche Variante.

3. Entscheidung der Prüfungsabteilung

3.1 Die Prüfungsabteilung war der Auffassung (siehe Entscheidungsgründe, Seiten 3 bis 5), dass die aus der Druckschriften D1 und D2 bekannten Vorrichtungen geeignet seien, ein Produkt in Form eines Wischgummiprofils zu bearbeiten. Somit unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von demjenigen der Vorrichtungen der D1 oder D2 lediglich dadurch, dass in dem Reaktionsraum ein halogenhaltiges Gas vorhanden ist. Es sei dem Fachmann hinlänglich bekannt, dass Kunststoffmaterialien mittels halogenhaltiger Gase in einer abgeschlossenen Reaktionskammer bei Bedarf halogeniert werden können, siehe Druckschrift D5. Der Fachmann werde daher diese Vorrichtungen zur Halogenierung strangförmiger Elastomerprodukte in naheliegender Art und Weise einsetzen. Diese Einwände gälten entsprechend für den Verfahrensanspruch 9.

3.2 Dem kann sich die Kammer im Lichte des neuen Vortrags der Beschwerdeführerin nicht anschließen.

3.2.1 Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Exposition eines Wischgummiprofils einem halogenhaltigen Gas, bei der das Wischgummiprofil kontinuierlich einem Reaktionsraum zugeführt wird, und ein entsprechendes Verfahren.

Bei einem kontinuierlichen Verfahren zur Halogenierung von Wischprofilen ergibt sich das Problem (siehe Punkt III oben), dass Dichtungen vorgesehen sein müssen, die ein Austreten des Gases aus dem Reaktor verhindern.

3.2.2 Druckschrift D1 offenbart eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Exposition eines strangförmigen, festen Materials einem Gas (siehe Seite 1, Zeilen 6 bis 10 und Figur 1), bei der das Material zum Beispiel aus Fasern oder Wolle besteht (siehe Seite 6, Zeilen 1 bis 3) und das Gas ein chlorhaltiges Gas ist (siehe Seite 1, Zeilen 21 und 22). Chlor gehört zu den Halogenen. Wenn das Gasgemisch unlöslich oder schlecht löslich in Wasser ist (im Falle von Ozon), kann die Abdichtung durch eine "sWasserschleuse" jeweils am Ein- und Auslass der Reaktionsraum sichergestellt werden (siehe Figur 5 und Seite 7, Zeilen 17 bis 31).

Auch die Vorrichtung nach der Druckschrift D2 kann jeweils am Ein- und Auslass der Reaktionsraum einen mit einer Flüssigkeit gefüllten Siphon aufweisen.

Wenn jedoch die Halogenierung von strangförmigen Gummiprofilen mittels Halogengas vor dem Prioritätstag der Anmeldung an sich nicht bekannt war, gab es für den Fachmann keinen Anlass, die Druckschrift D1 oder D2 heranzuziehen.

3.2.3 Die Prüfungsabteilung hat in diesem Zusammenhang auf Druckschrift D5 verwiesen, woraus die kontinuierliche Halogenierung von Kunststoffmaterialien mittels halogenhaltiger Gase in einer Reaktionskammer bekannt sei.

Druckschrift D5 beschreibt ein Verfahren zur Oberflächenbehandlung von flächigem Kunststoffmaterial mit gasförmigem Fluor in einer Reaktionskammer, die mit Ein- und Austrittsschleusen versehen ist (Spalte 2, Zeile 54 bis Spalte 3, Zeile 16, und Spalte 6, Zeile 58 bis Spalte 7, Zeile 8). Ein Beispiel eines aus dem Stand der Technik bekannten Kunststoffmaterials sind z. B. Folien aus Polyäthylen und Styrol-Butadien-Copolymeren (Spalte 2, Zeilen 1 bis 6). Diese Druckschrift offenbart jedoch nicht, dass strangförmige Elastomere aus Gummi halogeniert werden können.

4. Zurückverweisung an die erste Instanz

Die Aussage der Beschwerdeführerin, dass die Halogenierung von strangförmigen Gummiprofilen mittels Halogengas nicht bekannt sei, wurde im Erteilungsverfahren nicht vorgetragen und wurde somit von der Prüfungsabteilung noch nicht geprüft. Die Kammer erachtet es deshalb als angemessen, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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