T 2133/12 () of 14.3.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T213312.20160314
Datum der Entscheidung: 14 März 2016
Aktenzeichen: T 2133/12
Anmeldenummer: 01123821.9
IPC-Klasse: A61Q 5/12
A61K 8/04
A61K 8/34
A61K 8/41
A61K 8/44
A61K 8/81
A61Q 5/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von auf den isoelektrischen Punkt von Haaren eingestellten Zubereitungen zur Konditionierung von oxidativ gefärbten Haaren
Name des Anmelders: The Procter & Gamble Company
Name des Einsprechenden: Beiersdorf AG
Henkel AG & Co. KGaA
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 1 206 929 wurden zwei Einsprüche eingelegt. Die erteilte Fassung des Streitpatents enthielt sieben Ansprüche, wovon die vier unabhängigen Ansprüche 1, 2, 6 und 7 den folgenden Wortlaut hatten:

"1. Verwendung einer auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren, d.h. auf einen pH-Wert im Bereich von 3,4 bis 3,9 eingestellten und mindestens ein kationische Gruppen aufweisendes Polymer enthaltenden wässrigen Zubereitung zur Konditionierung von mit Oxidationsfarbstoffen gefärbten Haaren, wobei das Polymer ausgewählt ist aus Homo- und Copolymeren aus ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Monomeren, welche mindestens eine basische Gruppe oder mindestens eine quaternäre Amingruppe tragen."

"2. Auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren, d.h. auf einen pH-Wert im Bereich von 3,4 bis 3,9 eingestellte wässrige Lösung mindestens eines Polymeren, welches kationische Gruppen aufweist und ausgewählt ist aus Homo- und Copolymeren aus ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Monomeren, welche mindestens eine basische Gruppe oder mindestens eine quaternäre Amingruppe tragen."

"6. Schaumbildendes Aerosol-Produkt bestehend aus (a) einer druckfesten Verpackung, (b) einem Schaumkopf, (c) einer auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren, d.h. auf einen pH-Wert im Bereich von 3,4 bis 3,9 eingestellten wässrigen Lösung enthaltend mindestens ein Polymer, welches kationische Gruppen aufweist und ausgewählt ist aus Homo- und Copolymeren aus ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Monomeren, welche mindestens eine basische Gruppe oder mindestens eine quaternäre Amingruppe tragen und (d) mindestens ein Treibmittel."

"7. Verfahren zur Konditionierung und oxidativen Färbung von Haaren, wobei die Haare mit einem oxidativen Haarfärbemittel, welches zusätzlich mindestens einen synthetischen, direktziehenden Farbstoff oder mindestens einen pflanzlichen Farbstoff enthalten kann, gefärbt werden, und wobei die Haare anschließend oder gleichzeitig mit einem zweiten Haarbehandlungsmittel gemäß einem der Ansprüche 2 bis 6 behandelt werden."

II. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens wurden unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen genannt:

D7: EP-A-0 470 381

D8: DE-A-42 32 506

D10: WO-A-00/50000

D14: Vergleichsversuch, eingereicht von der Einsprechenden 1 mit Schreiben vom 7. Mai 2012

III. Die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents im geänderten Umfang wurde am Ende der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2012 verkündet. Die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende geänderte Fassung war die des damaligen Hauptantrags, bestehend aus den Ansprüchen 1-5 und den Beschreibungsseiten 2 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag entsprach dem erteilten Anspruch 1 mit der Änderung des pH-Bereiches auf "von 3,6 bis 3,8" und den Spezifizierungen "worin die Zubereitung mindestens eine haarkonditionierende Substanz, ausgewählt aus Fettalkoholen enthält; und worin die Zubereitung mindestens eine haarkonditionierende Substanz, ausgewählt aus kationischen Tensiden enthält; und worin das kationische Polymer ein Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer ist". Die unabhängigen Ansprüche 2, 4 und 5 des Hauptantrags entsprachen den erteilten Ansprüchen 2, 6 und 7 mit ähnlichen Änderungen.

IV. In der angefochtenen Entscheidung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

a) Aus dem Kontext der Anmeldung sei klar, dass bei der Verwendung (Anspruch 1) und im Aerosol-Produkt (Anspruch 4) die in der Anmeldung genannten Zusammensetzungen (Anspruch 2) zum Einsatz kämen, sodass alle Änderungen, die in einem der Ansprüche 1, 2 und 4 zulässig seien, auch in den anderen beiden unabhängigen Ansprüche zulässig seien. Der Wortlaut "mindestens eine haarkonditionierende Substanz, ausgewählt aus Fettalkoholen and kationischen Tensiden" sei so zu interpretieren, dass eine oder mehrere Substanzen vorkommen könnten, also auch ein Tensid und ein Fettalkohol. Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer sei in der Anmeldung als das am meisten bevorzugte Copolymer offenbart. Aus diesen Gründen erfülle der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

b) Der nächstliegende Stand der Technik sei D10, da es sich genau wie das Streitpatent mit der Verbesserung der Waschechtheit einer Haarfärbung befasse und es Zubereitungen zur Behandlung menschlicher Haare auf Basis einer Polymerkombination beschreibe. Ein spezifischer pH-Bereich zwischen 3,6 und 3,8 werde in D1 nicht offenbart. Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, eine Zusammensetzung bereitzustellen, welche oxidativ gefärbte Haare konditioniere und deren Farbbeständigkeit beim Haarwaschen erhöhe. Die Lösung gemäß Anspruch 2 sei im Hinblick auf D10 als erfinderisch anzusehen, weil ein unerwarteter Effekt in dem spezifischen pH-Bereich nachgewiesen worden sei. Insbesondere seien die Vergleichsversuche im Patent aussagekräftig, weil sie den Effekt des Unterscheidungsmerkmals (des engen pH-Bereiches) zeigten und das spezifische Copolymer in die unabhängigen Ansprüche aufgenommen worden sei. Das werde nicht von D14 widerlegt.

V. Die Einsprechende 2 (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. In der Beschwerde­begründung bestritt sie sowohl die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ als auch die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Gegenstände auch unter Betrachtung einer neuen Entgegenhaltung (D15: WO-A-98/27944).

VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 15. April 2013 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen weiteren Anspruchsatz als Hilfsantrag 1, der nur die Ansprüche 4 und 5 des als Basis für die angefochtene Entscheidung vorgelegten Anspruchssatzes enthielt.

VII. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung bezüglich der bestrittenen Punkte. Insbesondere wurde festgestellt, dass es sich die Frage stelle, ob man die beanspruchte Lösung als eine gezielte Auswahl innerhalb der Lehre von D10 betrachten könne (Punkt 3.3).

VIII. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 legte die Beschwerde­gegnerin einen weiteren Anspruchsatz als Hilfsantrag 2 vor, der zwei Ansprüche mit folgendem Wortlaut enthielt:

"1. Schaumbildendes Aerosol-Produkt bestehend aus (a) einer druckfesten Verpackung, (b) einem Schaumkopf, (c) einer auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren, d.h. auf einen pH-Wert im Bereich von 3,6 bis 3,8 eingestellten wässrigen Lösung enthaltend nur ein Polymer, welches kationische Gruppen aufweist und ausgewählt ist aus Homo- und Copolymeren aus ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Monomeren, welche mindestens eine basische Gruppe oder mindestens eine quaternäre Amingruppe tragen und (d) mindestens ein Treibmittel; und worin die Lösung zusätzlich mindestens einen haarpflegenden Stoff enthält, der ausgewählt ist aus Fettalkoholen; und worin die Lösung zusätzlich mindestens einen haarpflegenden Stoff enthält, der ausgewählt ist aus kationischen Tensiden; und worin das kationische Polymer ein Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer ist."

"2. Verfahren zur Konditionierung und oxidativen Färbung von Haaren, wobei die Haare mit einem oxidativen Haarfärbemittel, welches zusätzlich mindestens einen synthetischen, direktziehenden Farbstoff oder mindestens einen pflanzlichen Farbstoff enthalten kann, gefärbt werden, und wobei die Haare anschließend oder gleichzeitig mit einem zweiten Haarbehandlungsmittel gemäß dem Anspruch 1 behandelt werden."

IX. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 14. März 2016 statt. Die Einsprechende 1, die im schriftlichen Verfahren weder Vorbringen noch Anträge eingereicht hatte, nahm als weitere Verfahrensbeteiligte an der Verhandlung teil.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin und der weiteren Verfahrensbeteiligten können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung von Dokument D15

a) Das Dokument D15 sei mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden und könne als Reaktion auf die Entscheidung betrachtet werden. Es sei insbesondere relevant für die erst kurz vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren hinzugefügte Beschränkung des pH-Bereiches. Es sei deshalb ins Verfahren zuzulassen.

Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit

b) Das Dokument D10 offenbare nach der Färbung angewendete Nachbehandlungsmittel, die eine bessere Waschechtheit der Färbung gewährleisteten, und sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Die beanspruchte Zusammensetzung unterscheide sich von den Zusammensetzungen in den Beispielen 11 und 12 von D10 dadurch, dass ein spezifisches Polymer und ein spezifischer pH-Bereich ausgewählt worden seien. Da kein Vergleichbeispiel gegenüber D10 verfügbar sei, könne ein Effekt demgegenüber nicht anerkannt werden, und die Aufgabe könne nur dahin formuliert werden, eine Alternative zur Verfügung zu stellen. Es sei anzumerken, dass im Patent nicht ausgeschlossen sei, dass zwei Polymere wie in D10 verwendet worden seien, und dass die Vergleichsversuche im Patent nicht relevant für D10 seien. Die Auswahl eines in D10 erwähnten Polymers und eines spezifischen pH-Unterbereiches sei willkürlich und deshalb nicht erfinderisch. Darüber hinaus seien pH-Werte innerhalb des Bereiches aus D15, D7 und D8 bekannt. Aus diesen Gründen sei eine erfinderische Tätigkeit weder für den Hauptantrag noch für den Hilfsantrag 1 anzuerkennen.

Hilfsantrag 2 - Zulassung, Änderungen und erfinderische Tätigkeit

c) Die gegen die vorigen Anträge erhobenen Einwände unter Artikel 123 (2) und 56 EPÜ seien auch gegen den Hilfsantrag 2 zu erheben. Dessen Anspruch 1 sei das Ergebnis einer mehrfachen Auswahl (eines pH-Bereiches, der Beschränkung auf ein einziges Polymer, eines spezifischen Polymers, einer Kombination eines Fettalkohols und eines kationischen Tensids) innerhalb der ursprünglichen Offenbarung. Darüber hinaus sei keine Basis für die Beschränkung auf "nur" ein Polymer zu finden. Die gegen die erfinderische Tätigkeit der vorigen Anträge entwickelte Begründung gelte auch für den Hilfsantrag 2. Die unterscheidenden Merkmale blieben die selben und es sei auch in diesem Fall kein geeigneter Vergleichsversuch verfügbar, der eine Verbesserung der Farbbeständigkeit beim Haarwaschen belege. Der Fachmann auf der Suche einer Alternative würde das Weglassen eines Polymers in Betracht ziehen, auch weil diese Lösung einfacher und günstiger wäre. Darüber hinaus werde durch den geänderten Wortlaut das Vorhandensein von Polymeren aus nicht radikalisch polymerisierbaren Monomeren nicht ausgeschlossen.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung von Dokument D15

a) Das Dokument D15 offenbare eine nicht auf das im Patent gesetzte Ziel gerichtete Zusammensetzung und sei nicht relevanter als die im Verfahren schon befindlichen Dokumente. Seine Einreichung könne auch nicht als eine Reaktion auf eine Änderung im Verfahren betrachtet werden. Aus diesen Gründen sei das Dokument nicht zuzulassen.

Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit

b) Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von den in D10 als nächstliegendem Stand der Technik offenbarten Zusammensetzungen dadurch, dass Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer als spezifisches Polymer und 3,6 bis 3,8 als spezifischer pH-Bereich ausgewählt worden seien. Die Beispiele im Patent zeigten, dass durch die bestimmte Auswahl ein Effekt erreicht worden sei, und zwar eine Verbesserung der Farbstabilität beim Waschen. Die gelöste Aufgabe sei deshalb, die Erzielung einer verbesserten Farbstabilität beim Waschen. Die Abwesenheit der restlichen Komponenten der Zusammensetzungen der Beispiele von D10 in den im Patent befindlichen Beispielen sei nicht relevant, da es plausibel sei, dass sie keine Änderung des gezeigten Effekts bewirken könnten. Wegen dieser Plausibilität könne die Aufgabe nicht als eine reine Alternative formuliert werden. Es sei weder in D10, noch in den anderen zitierten Entgegenhaltungen einen Hinweis zu finden, dass durch die Auswahl des spezifischen Polymers in Kombination mit dem spezifischen pH-Bereich eine Verbesserung der Farbbeständigkeit erzielt werden könne. D15, D7 und D8 zeigten insbesondere für andere Ziele entwickelte Zusammensetzungen und seien deshalb nicht relevant. Da es keine Gründe für die beanspruchte Auswahl gebe, sei eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen. Die Argumentation sei sowohl für den Hauptantrag als auch für den Hilfsantrag 1 gültig.

Hilfsantrag 2 - Zulassung, Änderungen und erfinderische Tätigkeit

c) In dem Hilfsantrag 2 sei eine klare Beschränkung hinzugefügt, die den beanspruchten Gegenstand auf die wesentliche Lehre der Erfindung einschränke und durch die die aus D10 ausgehende Argumentation über erfinderische Tätigkeit irrelevant gemacht werde. Was die Änderungen betrifft, sei keine mehrfache Auswahl notwendig, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, sondern dieser Gegenstand sei aus den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 5 in Kombination mit dem bevorzugten pH-Bereich und der Auswahl der Kombination eines Fettalkohols und eines kationischen Tensids (d.h. der Auswahl einer aus nur drei Möglichkeiten) ableitbar. Der Wortlaut "nur ein Polymer" beschränke den beanspruchten Gegenstand auf die Variante, dass nur ein Polymer verwendet worden sei, was die Beispiele als bevorzugte Form bestätigten. Während in D10 der Effekt der Kombination von zwei Polymeren nicht gezeigt worden sei, zeigten die Beispiele im Patent, dass durch die Verwendung von Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer als einziges Polymer und eines pH-Wert im Bereich 3,6 bis 3,8 eine Verbesserung der Farbbeständigkeit erreicht werde. Ein entsprechender Hinweis sei im Stand der Technik nicht zu finden. Da aus dem Wortlaut des Hilfsantrags 2 es klar sei, dass nur ein Polymer verwendet worden sei und es gegen die Lehre von D10 sei, ein einziges Polymer zu verwenden, sei der Gegenstand des Hilfsantrags 2 auf jeden Fall demgegenüber erfinderisch.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

XIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des Hilfsantrages 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 15. April 2013, oder auf der Basis des Hilfsantrages 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016.

Entscheidungsgründe

Zulassung von Dokument D15

1. Das Dokument D15, dessen Zulassung von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde, wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

1.1 Das Dokument enthält Beispiele von Zusammensetzungen mit einem pH-Wert im Bereich gemäß den Ansprüchen der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden geänderten Fassung, wobei der kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hinzugefügte Bereich das entscheidende Merkmal in der Analyse der erfinderischen Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung ist (Punkt IV.b), oben).

1.2 Das Dokument wurde dann von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingereicht (Artikel 12 (1) und (2) VOBK) und kann als eine legitime Reaktion auf die Entscheidung betrachtet werden, sodass die Kammer keinen Grund unter Artikel 12 (4) VOBK sieht, es nicht im Verfahren zu berücksichtigen.

1.3 Aus diesen Gründen wird das Dokument D15 ins Verfahren zugelassen.

Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

2. Sowohl in der Entscheidung als auch in dem unstreitigen Vorbringen der Parteien wurde das Dokument D10 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Die Kammer sieht keinen Grund, die Auswahl des Ausgangspunkts in Frage zu stellen.

2.1 Dokument D10 betrifft Zubereitungen zur Behandlung menschlicher Haare mit einer speziellen Wirkstoffkombination (Seite 1, ersten Absatz), bei deren Verwendung in direkt nach der Färbung angewendeten Nachbehandlungsmitteln eine bessere Waschechtheit der Färbung erhalten wird (Seite 2, vorletzten Absatz). Die Wirkstoffkombination besteht aus einem verdickend wirkenden synthetischen Polymer (A) ausgewählt aus spezifischen Homopolymeren oder Copolymeren und mindesten einem kationischen Polymer (B) (Anspruch 1). In der Auflistung von bevorzugten kationischen Polymeren werden unter anderen Polymer JR 400 und Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer erwähnt (Seite 6, mittleren Absatz, ersten und zweiten Stichpunkt). Der pH-wert der Zubereitungen kann prinzipiell bei Werten von 2 bis 11 liegen, bevorzugt zwischen 2 und 7, besonders bevorzugt von 3 bis 5 (Seite 13, letzten Absatz).

2.2 Die Beispiele 11 und 12 von D10 offenbaren insbesondere Haarpflegemischungen als wässrige Zubereitungen enthaltend Salcare SC 96 als Polymer (A), Polymer JR 400 als kationisches Polymer (B), Cetearylalkohol (ein haarkonditionierendes Fettalkohol) und Cetyltrimethyl­ammoniumchlorid (ein kationisches Tensid).

2.3 Die Zubereitung des Anspruchs 2 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von den in den Beispielen 11 und 12 offenbarten Zubereitungen dadurch, dass das kationische Polymer (B) Polymer JR 400 anstatt Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer ist und es nicht bekannt ist, ob der pH-Wert dem spezifischen Bereich 3,6 bis 3,8 gehört. Zwar wird Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer in D10 offenbart, sowie ein pH-Bereich enthaltend den spezifischen Bereich, eine Kombination der beanspruchten Merkmale ist aber in D10 nicht zu finden.

2.4 Um die gelöste Aufgabe zu formulieren, stellt sich die Frage, ob durch den Austausch des Polymers und durch die Auswahl des spezifischen pH-Bereiches ein Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik erreicht wird.

2.5 In den Beispielen im Patent werden drei Zusammensetzungen verglichen (Absatz [0024] und folgende). Zusammensetzung 1 enthält Cetearylalkohol, Cetyltrimethyl­ammoniumchlorid und Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer in Wasser und ist eingestellt auf pH 3,8 (Absatz [0025]). Zusammensetzung 2 entspricht Zusammensetzung 1 ohne Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer und mit selber pH (Absatz [0026]). Zusammensetzung 3 enthält dieselbe Komponente wie Zusammensetzung 1, aber mit pH eingestellt auf 4,5 (Absatz [0027]). Die Zubereitungen werden als Nachbehandlungsmittel für oxidativ gefärbte Haare verwendet und die Stabilität der Färbung beim Waschen wird getestet (Absätze [0028]-[0031]).

2.6 Diese Versuche erlauben einen Vergleich mit Dokument D10 aber nicht, weil weder eine Zubereitung gemäß D10 (mit den Polymeren (A) und (B)), noch eine erfindungsgemäß geänderte Zubereitung (durch Umtausch von Polymer JR 400 mit Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer und Einstellung der pH auf einen Wert zwischen 3,6 und 3,8) getestet werden. Ohne diesen Vergleich kann ein Effekt gegenüber D10 nicht anerkannt werden.

2.7 In diesem Zusammenhand ist zu bemerken, dass weder in Anspruch 2 noch in den weiteren unabhängigen Ansprüchen des Hauptantrags ausgeschlossen wird, dass zwei Polymere wie in D10 enthalten sind und dass es dementsprechend Zusammensetzungen gibt, die unter Anspruch 2 fallen und die eine Auswahl innerhalb der Lehre von D10 darstellen.

2.8 Da es kein Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik anerkannt werden kann, ist die zu lösende Aufgabe dahin gehend zu definieren, ausgehend von D10, weitere Zusammensetzungen zur Nachbehandlung von gefärbten Haaren mit Erhaltung der Waschechtheit der Färbung zur Verfügung zu stellen.

2.9 Dar Fachmann auf der Suche nach weiteren Zusammensetzungen würde alle Zubereitungen innerhalb der Lehre von D10 ohne erfinderisches Zutun in Betracht ziehen. Sowohl der Austausch von Polymer JR 400 durch Dimethyldiallyl­ammonium­chlorid/Acrylamid Copolymer, das in der selben Liste wie Polymer JR 400 in D10 erwähnt wird (siehe Punkt 2.1, oben), als auch die Auswahl eines willkürlichen pH-Bereiches sind deshalb naheliegend.

2.10 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 2 des Hauptantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit

3. Hilfsantrag 1 enthält nur die Ansprüche 4 und 5 des Hauptantrages. Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 betrifft ein schaumbildendes Aerosol-Produkt enthaltend die Zusammensetzung von Anspruch 2 des Hauptantrages in Verbindung mit den üblichen Merkmalen eines Aerosol-Produktes, nämlich einer druckfesten Verpackung, einem Schaumkopf und einem Treibmittel.

3.1 Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrages 1 wurden von den Parteien keine getrennten oder zusätzlichen Argumente vorgebracht. Da Dokument D10 als nächstliegender Stand der Technik vorsieht, die Zusammensetzungen durch die Verwendung von Treibgasen als Schaumaerosole zu formulieren (Seite 12, letzten Absatz; Seite 13, ersten Absatz), braucht auch die Kammer keine getrennte oder zusätzliche Begründung über die erfinderische Tätigkeit zu entwickeln, mit der Folge, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Hilfsantrag 2 - Zulassung, Änderungen und erfinderische Tätigkeit

4. Hilfsantrag 2 enthält zwei Ansprüche, die den Ansprüchen 4 und 5 des Hauptantrages entsprechen, mit der Beschränkung, dass die wässrige Lösung "nur ein Polymer" enthält.

4.1 Die Zulassung des Hilfsantrages 2 wurde von der Beschwerdeführerin und der weiteren Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt. Beide erhoben im Wesentlichen die gegen den Hauptantrag erhobenen Einwände auch gegen Hilfsantrag 2.

4.2 Die Kammer sieht keinen Grund, die Zulassung des Hilfsantrags 2 in Frage zu stellen, insbesondere weil die Änderung keine Komplexität hinzufügt und weil dadurch der Gegenstand des Antrags so beschränkt wird, dass er damit nicht mehr Ausführungsformen enthält, die eine Auswahl innerhalb der Lehre von D10 darstellen.

4.3 Aus diesen Gründen betrachtet die Kammer es als angemessen, den Hilfsantrag 2 zuzulassen (Artikel 13 VOBK).

5. Es wurde im Wesentlichen beanstandet, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 das Ergebnis einer mehrfachen Auswahl innerhalb der ursprünglichen Anmeldung sei und dass es keine Basis dort für die Beschränkung auf "nur" ein Polymer gebe.

5.1 Die Ansprüche der Anmeldung wie eingereicht sind auf ein Haarbehandlungsmittel (Anspruch 3), auf dessen Verwendung zur Konditionierung von gefärbten Haaren (Anspruch 1) und in einem Verfahren zur Konditionierung von Haaren (Anspruch 8) und auf ein das Mittel enthaltendes schaumbildendes Aerosol-Produkt (Anspruch 7) gerichtet. Es ist aus den Ansprüchen selbst und aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Seite 1, Zeilen 7-11; Seite 3, Zeilen 9-14; Seite 4, Zeilen 14-22 und die viele Erwähnungen eines erfindungsgemäßen Haarbehandlungsmittels in den folgenden Seiten) eindeutig, dass das beanspruchte Haarbehandlungsmittel in den Verwendungen und in dem Aerosol-Produkt zum Einsatz kommt.

5.2 Was das Mittel betrifft, wird im ursprünglichen Anspruch 5 als abhängig von Anspruch 4 ein Mittel offenbart, das eine auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren eingestellte und Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer als kationisches Polymer enthaltende wässrige Lösung enthält, wobei das Mittel mindestens einen haarpflegenden Stoff enthält, der ausgewählt ist aus Fettalkoholen und kationischen Tensiden. Was unter "auf den isoelektrischen Punkt von menschlichen Haaren eingestellt" gemeint ist, wird in der ursprünglichen Beschreibung durch die Definition eines pH-Bereiches erklärt, wobei der besonders bevorzugte Bereich 3,6 bis 3,8 entspricht (Seite 3, Zeile 31 bis Seite 4, Zeile 2).

5.3 Das im Aerosol-Produkt des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 enthaltende Mittel entspricht dieser bevorzugten Ausführungsform mit der Beschränkung auf "nur" ein Polymer und der Spezifizierung, dass sowohl ein Fettalkohol als auch ein kationisches Tensid enthalten sind.

5.3.1 Durch den Wortlaut "enthaltend nur ein Polymer, welches kationische Gruppen aufweist und ausgewählt ist aus Homo- und Copolymeren aus ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Monomeren, welche mindestens eine basische Gruppe oder mindestens eine quaternäre Amingruppe tragen ... worin das kationische Polymer ein Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer ist" wird eindeutig ausgedrückt, dass die Lösung nur ein Polymer enthält, dass das Polymer zu einer spezifischen Klasse gehört und dass das Polymer ein spezifisches Copolymer ist. Wie oben ausgeführt, enthält die Lösung in dem Mittel vom ursprünglichen Anspruch 5 mindestens ein kationisches Polymer, wobei das Polymer ein Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer ist. Auch wenn dieser Wortlaut offen lässt, dass andere Polymere enthalten sind, wird in der Beschreibung das Polymer nicht nur als besonders bevorzugtes kationisches Polymer erwähnt (Seite 4, Zeilen 10-12), aber auch als einziges in den Beispielen verwendetes Polymer offenbart (Seiten 12 bis 15). Darüber hinaus wird weder in dem allgemeinen Teil der Beschreibung die Möglichkeit erwähnt, das spezifische Polymer mit anderen Polymer zu mischen, noch in den Beispielen eine Mischung mit anderen Polymeren offenbart, sondern das Polymer wird in beiden Fällen immer allein verwendet. Der Fachmann würde aus dieser Offenbarung die unmittelbare und eindeutige Lehre ableiten, dass es bevorzugt ist, das spezifische Polymer als einziges Polymer zu verwenden.

5.3.2 Was den zweiten Punkt betrifft, entspricht die Spezifizierung, dass sowohl ein Fettalkohol als auch ein kationisches Tensid enthalten sind, der Beschränkung auf eine von drei aus dem ursprünglichen Wortlaut ableitbaren Möglichkeiten (nur ein Fettalkohol, nur ein kationisches Tensid oder beide), was eine einzige Auswahl aus drei Möglichkeiten ist und deshalb kein Hinausgehen über den Inhalt der Anmeldung darstellen kann.

5.4 Aus diesen Gründen erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ. Dasselbe gilt für Anspruch 2, gegen den keinen weiteren Einwand erhoben wurde.

6. Was die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände von Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrags 2 betrifft, sind die Beschwerdeführerin und die weitere Verfahrensbeteiligte der selben Argumentation wie für die vorigen Anträge gefolgt.

Ausgehend von D10 und der oben entwickelten Analyse folgend (Punkte 2.1 und 2.2), ist aber in diesem Fall anzuerkennen, dass der Unterschied gegenüber den Beispielen von D10 nicht nur der Austausch von Polymer JR 400 gegen Dimethyldiallylammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer als kationisches Polymer (B) ist (zusammen mit dem spezifischen pH-Bereich, siehe Punkt 2.3), sondern auch die Abwesenheit anderer Polymere. Dadurch wird es keine Ausführungsformen mehr geben, die zum beanspruchten Gegenstand gehören und die eine Auswahl innerhalb der Lehre von D10 darstellen.

6.2 Wie oben erörtert (Punkte 2.5 und 2.6), erlauben die Beispiele im Patent einen Vergleich mit D10 nicht, weil eine Zubereitung gemäß D10 mit einer erfindungsgemäßen Zubereitung nicht verglichen wird, sodass die Aufgabe die selbe bleibt wie beim Hauptantrag (weitere Zusammensetzungen zur Nachbehandlung von gefärbten Haaren mit Erhaltung der Waschechtheit der Färbung zur Verfügung zu stellen, siehe Punkt 2.8).

6.3 In diesem Fall ist aber der jeweilige Anspruchsgegenstand des Hilfsantrags 2 nicht eine willkürliche Auswahl innerhalb der Lehre von D10. Umgekehrt wäre die Verwendung eines einzigen Polymers, um das Ziel zu erreichen, gegen die Lehre von D10 gerichtet, das immer die Verwendung eines Polymer (A) und eines zweiten Polymers (B) vorsieht. In keinem der zitierten Entgegenhaltungen ist ein Hinweis zu finden, dass eine weitere Zusammensetzung zur Nachbehandlung von gefärbten Haaren mit Erhaltung der Waschechtheit der Färbung durch die Verwendung von Dimethyldiallyl­ammoniumchlorid/Acrylamid Copolymer als einzigem Polymer erhalten werden kann. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Dokumente D7, D8 und D15 nur von der Beschwerdeführerin zitierten wurden, um zu zeigen, dass der spezifische pH-Bereich bekannt ist.

6.4 Aus diesen Gründen beruhen die Gegenstände von Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrages 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 als Hilfsantrag 2 eingereichten Anspruchssatzes und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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