European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T213212.20131107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2132/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08803656.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16D 65/14 B60T 13/74 B60T 7/12 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ELEKTROMECHANISCH BETÄTIGBARE FESTSTELLBREMSE FÜR KRAFTFAHRZEUGE UND VERFAHREN ZUR BETÄTIGUNG EINER SOLCHEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Continental Teves AG & Co. OHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 11. Juli 2012 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung No. 08803656.1 zurückgewiesen.
II. Die Prüfungsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass die damals geltende Fassung des Anspruchs 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genüge, da sein Gegenstand ausgehend von
D1: DE-A-10 2004 049 434
in Zusammenschau mit
D2: DE-A-197 38 877
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 10. September 2012 Beschwerde eingelegt unter gleichzeitiger Einreichung der Beschwerdebegründung und unter Entrichtung der vorgeschriebenen Beschwerdegebühr.
IV. Am 7. November 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte unter Rücknahme aller übrigen Anträge die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Patentansprüche: 1-8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2013,
Beschreibung: Seiten 1, 4-8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2013, Seiten 2, 3, 9-13 wie veröffentlicht,
Zeichnungen: Figuren 1-3 wie veröffentlicht.
V. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 lautet:
"Elektromechanisch betätigte Feststellbremse für Kraftfahrzeuge, die als Trommelbremse vom Typ 'Duo-Servo' ausgeführt ist, mit einer von einem elektromechanischen Aktuator (15) betätigten, als Spreizelement (2) ausgebildeten Bremsbetätigungsvorrichtung, die auf zwei Bremsbacken (3,4) wirkt, wobei das Spreizelement über einen als Tellerfederpaket ausgebildeten Federspeicher (9) abgestützt ist und bei Betätigung der Feststellbremse zum Aufbringen einer Zuspannkraft über eine vorbestimmte Weglänge auseinander bewegt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Steuergerät vorgesehen ist, welches die von dem Spreizelement (2) bei Betätigung der Feststellbremse zum Aufbringen der Zuspannkraft zurückgelegte Weglänge abhängig von mindestens einem Kraftfahrzeugszustandsparameter einstellt, wobei beim Abstellen des Fahrzeugs an einem Hang abhängig von der konkreten Neigung des Hangs eine von dem Spreizelement (2) zusätzlich zu einer Weglänge (S0) zurückzulegende Weglänge (S1', S1) eingestellt wird."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 5 lautet:
"Verfahren zur Betätigung einer Feststellbremse nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Weglänge, die das Spreizelement (2) bei Betätigung der Feststellbremse in der Auseinanderbewegung zurücklegt, abhängig von mindestens einem Kraftfahrzeugzustandsparameter eingestellt wird, indem das Steuergerät die von dem Spreizelement (2) zusätzlich zurückzulegende Weglänge abhängig von der konkreten Neigung des Hangs an dem das Fahrzeug abgestellt ist, einstellt."
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der beanspruchte Gegenstand sei neu und erfinderisch, da D1 kein Steuergerät offenbare, und D2 lediglich lehre, die Feststellbremse neigungsabhängig mit einer vorgegebenen Zuspannkraft zu beaufschlagen, was eine Kraftsensorik und komplizierte Regelmechanismen erfordere. Das erfindungsgemäße Steuergerät dagegen stelle eine zusätzliche Weglänge ein. Diese Lösung sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123(2) EPÜ
Die neu eingereichten unabhängigen Ansprüche 1 und 5 basieren auf den Ansprüchen 1 und 2, beziehungsweise 6 und 7 wie eingereicht. Ein Steuergerät ist auf Seite 10 letzter Absatz bis Seite 11 erster Absatz offenbart und der Begriff der zusätzlich zurückzulegenden Weglänge findet seine Stütze auf Seite 5 (zweiter und dritter Absatz) und auf Seite 11 (letzter Absatz).
Die vorgenommenen Änderungen verstoßen daher nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ.
3. Artikel 56 EPÜ
3.1 D1 stellt unstrittig den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Entgegenhaltung offenbart eine Feststellbremse vom Typ 'Duo-Servo' entsprechend dem Oberbegriff von Anspruch 1 (siehe D1, Abbildung 1, identisch zu Abbildung 1 der vorliegenden Patentanmeldung), ohne jedoch ein Steuergerät oder gar die spezifische, nun im Kennzeichen explizit beanspruchte Art der Steuerung zu offenbaren. Ferner offenbart D1 ein Verfahren zum Betätigen einer solchen Feststellbremse (siehe Paragraph [0016], [0020] und [0023]).
3.2 Gemäß der Anmeldung (Seite 4, zweiter Absatz) besteht die von der D1 ausgehend zu lösende Aufgabe darin, eine elektromechanisch betätigbare Feststellbremse vom Typ 'Duo-Servo' zu schaffen, die ein Festgehen der Feststellbremse beim Heißabstellen in der Ebene vermeidet und gleichzeitig ein Haltemoment bereitstellt das jederzeit ein sicheres Feststellen des Kraftfahrzeugs auch an einem Hang ermöglicht. Ferner soll ein entsprechendes Verfahren zum Betätigen einer elektromechanisch betätigbaren Feststellbremse angegeben werden.
3.3 Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 bzw. 5 durch die Merkmale ihrer kennzeichnenden Teile gelöst: Die abhängig von der konkreten Neigung des Hangs von dem Steuergerät eingestellte, zusätzlich zurückzulegende Weglänge ermöglicht das sichere Feststellen des Kraftfahrzeugs auch an einem Hang. Gleichzeitig wird ein Festgehen der Feststellbremse beim Heißabstellen in der Ebene vermieden, da die zusätzlich zurückzulegende Weglänge dort nicht eingestellt wird, so dass ein größeres Wegintervall zur Verfügung steht, das beim Heißabstellen des Kraftfahrzeugs und der entsprechenden Abkühlung der Bremse unkritisch ist und ein Lösen der Feststellbremse im später eingenommenen kalten Zustand ermöglicht.
3.4 Diese Lösung wird von D2 nicht nahe gelegt.
Im Gegensatz zur vorliegenden Erfindung offenbart D2 eine Anpassung der Bremskraft der Feststellbremse in Abhängigkeit von der Neigung des Fahrzeugs (D2, Spalte 3, Zeilen 19-25 und Spalte 7, Zeilen 6-17). Diese Merkmale ermöglichen ebenfalls ein sicheres Feststellen des Kraftfahrzeugs an einem Hang und - durch die entsprechend geringere aufgebrachte Bremskraft in der Ebene - eine Vermeidung des Festgehens der Feststellbremse beim Heißabstellen, da so für die durch das Schrumpfen der sich abkühlenden Bremstrommel nach Heißabstellen entstehenden Spannungen ein größeres Kraftintervall zur Verfügung gestellt wird.
Da die vorangehend genannte Aufgabe somit bereits durch ein Steuergerät gemäß D2 gelöst wird, besteht die objektiv zu lösende Aufgabe darin, eine alternative Vorrichtung beziehungsweise ein alternatives Verfahren zur Lösung der gestellten Aufgabe zu schaffen.
D2 lehrt die an die Hangneigung angepasste Bremskraft der Feststellbremsanlage als Sollwert für den Bremsvorgang vorzugeben (Spalte 7, Zeilen 6-10 und Spalte 3, Zeilen 21-25). Lediglich zum Lösen der Bremse ist offenbart, den Betätigungszug weggesteuert, d.h. mit dem während des kraftgesteuerten Anziehens der Bremse ermittelten Hubwert, zu verfahren (Spalte 7, Zeilen 11-17).
Im Gegensatz dazu stellt das in der Anmeldung beanspruchte Steuergerät eine von dem Spreizelement zusätzlich zu einer Weglänge (S0) zurückzulegende Weglänge (S1, S1') zum Aufbringen der Zuspannkraft ein. Die vom Steuergerät zum Aufbringen der Zuspannkraft abhängig von der Hangneigung eingestellte Größe ist also in D2 (sowie auch in den anderen im Recherchenbericht zitierten Dokumenten) eine Kraft, bei der vorliegenden Erfindung dagegen eine Weglänge.
Die in der angegriffenen Entscheidung zitierten Textstellen (D2, Spalte 3, Zeilen 35-52 und Spalte 8, Zeilen 37-65) beziehen sich nicht auf die - nun beanspruchte - von der konkreten Neigung des Hangs abhängige Betätigung der Feststellbremse zum Aufbringen der Zuspannkraft. Sie würden daher vom Fachmann zur Lösung des gestellten Problems des sicheren Feststellens des Kraftfahrzeugs an einem Hang nicht zu Rate gezogen.
Der Fachmann kann somit der Lehre der D2 nicht entnehmen, ein Steuergerät vorzusehen, welches eine von dem Spreizelement bei Betätigung der Feststellbremse zum Aufbringen der Zuspannkraft zusätzlich zurückzulegende Weglänge abhängig von der konkreten Neigung des Hangs einstellt.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anweisung ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:
Patentansprüche: 1-8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2013,
Beschreibung: Seiten 1, 4-8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2013, Seiten 2, 3, 9-13 wie veröffentlicht,
Zeichnungen: Figuren 1-3 wie veröffentlicht.