T 2064/12 () of 28.6.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T206412.20160628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2016
Aktenzeichen: T 2064/12
Anmeldenummer: 06016956.2
IPC-Klasse: C09J 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 412 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung eines Klebebandes zum Umwickeln eines Kabelbündels
Name des Anmelders: certoplast Technische Klebebänder GmbH
Name des Einsprechenden: Coroplast Fritz Müller GmbH & Co.KG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - (ja) mehrfache Auswahl
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 754 764 zu widerrufen.

II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ beantragt.

Die Einsprechende hatte unter anderem folgende Dokumente zitiert:

D1: WO 2005/085379 A1;

D4: DE 298 23 462 U1;

D6: WO 03/033611 A1; und

D7: DE 295 10 907 U1.

III. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen ein Hauptantrag sowie zwei Hilfsanträge zugrunde. Anspruch 1 des Hilfsantrags II, eingereicht am 21. Juni 2012 und der einzige für diese Entscheidung relevante Antrag, lautete:

"1. Verwendung eines Klebebandes mit wenigstens einem textilen Träger (1, 2) aus zumindest einer Gewebe-schicht (1) und einer damit verbundenen sowie als Faservlieslagenschicht ausgebildeten Flächengebilde-schicht (2), und mit einer ein- oder beidseitig auf den Träger (1, 2) aufgebrachten Kleberbeschichtung (3), zum Umwickeln eines Kabelbündels (4) bei der Herstellung von Kabelsätzen in Automobilen, wobei

- die Gewebeschicht (1) als Feingewebeschicht mit mehr als 25 Fäden/cm in Längs- und Querrichtung ausgebildet ist, wobei ferner

- die Feinheit der Fäden der Gewebeschicht (1) im Bereich von 30 bis 180 denier angesiedelt ist, wobei weiter

- die Gewebeschicht (1) nach außen weisend auf dem zu ummantelnden Kabelbündel (4) angeordnet ist, wobei

- die Kleberbeschichtung (3) auf die nach innen weisende Flächengebildeschicht (2) vollflächig oder bereichsweise aufgebracht ist, und wobei

- das Flächengewicht der Gewebeschicht (1) im Bereich von 30 bis 200 g/m**(2), und

- das Flächengewicht der Flächengebildeschicht (2) im Bereich von 50 bis 300 g/m**(2) angesiedelt ist."

IV. Die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich Hilfsantrag II kann wie folgt zusammengefasst werden:

- Die Erfindung sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

- Die Neuheit gegenüber D1 sei anzuerkennen, da D1 die Feinheit der Fäden weder explizit noch implizit offenbare. Außerdem sei auch das Merkmal der nach außen weisenden Gewebeschicht aus D1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

- Der beanspruchte Gegenstand beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik sah die Einspruchsabteilung die zugrundeliegende Aufgabe darin, alternative Klebebänder für das Umwickeln von Kabelbündeln in Kraftfahrzeugen zu verwenden. Die Lösung gemäß Anspruch 1 sei für den Fachmann naheliegend im Hinblick auf die Druckschriften D7 und D6 und das allgemeine Fachwissen, das z.B. aus D4 hervorgeht.

V. Am 5. September 2012 legte die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der am 16. November 2012 eingegangenen Beschwerdebegründung beantragte sie die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß Hilfsantrag II, eingereicht am 21. Juni 2012, aufrecht zu erhalten.

VI. In ihrer Stellungnahme vom 20. März 2013 widersprach die Einsprechende (im folgenden: Beschwerdegegnerin) dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

VII. Mit Schreiben vom 2. April 2014 brachte die Beschwerdeführerin weitere Argumente zur Stützung ihres Vorbringens vor. Sie reichte außerdem einen weiteren Hilfsantrag, Hilfsantrag III, und eine neu getippte Fassung des Hilfsantrags II ein.

VIII. In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid teilte die Kammer den Parteien mit, welche Punkte in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren seien.

IX. Mit Schreiben vom 25. Mai 2016 reichte die Beschwerdegegnerin weitere Argumente und folgende Dokumente ein:

D11: "RÖMMP Chemie Lexikon", 5. Auflage, Stuttgart, 1962, Band III "P-Z", Seite 3995, Stichwort: "Polyesterfasern";

D12: "Großes Textil-Lexikon A-K" (Hrsg.: P. A. Koch, Stuttgart, 1965), Seiten 431 und 435, Stichwort "Filze";

D13: "Großes Textil-Lexikon L-Z" (Hrsg.: P. A. Koch, Stuttgart, 1966), Seite 95, Stichwort "Nadelfilze" sowie Seite 571, Stichwort "Vliese"; und

D14: Wikipedia "Feinheit (Textilien)", 8 Seiten.

X. Am 28. Juni 2016 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Während der Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin eine geänderte Beschreibung ein.

XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

- Es stehe außer Frage, dass ein Fachmann Klebebänder, wie sie beansprucht werden, ohne unzumutbaren Aufwand bereitstellen kann. Die Einwände der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die nicht angegebenen Obergrenzen der möglichen Fadenzahl haben nichts mit der Ausführbarkeit zu tun. Die weiteren Einwände betreffen eher die Klarheit der Ansprüche.

- Der beanspruchte Gegenstand sei neu gegenüber D1, da D1 das Merkmal, wonach die Feinheit der Fäden der Gewebeschicht im Bereich von 30 bis 180 denier angesiedelt ist, nicht beschreibe. Außerdem werde in D1 nicht beschrieben, dass die durch die Anzahl der Fäden und deren Titer charakterisierte Gewebeschicht nach außen weisend auf dem zu ummantelnden Kabelbündel angeordnet ist.

- Der beanspruchte Gegenstand sei ebenfalls erfinderisch. Ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik sei das objektive technische Problem, das Klebeband von D7 so weiter zu entwickeln, dass bei kostengünstigem Aufbau die widerstreitenden Anforderungen der Medienbeständigkeit, Schmutzempfindlichkeit und gleichzeitig eine gute mechanische Stabilität sowie Geräuschdämpfung erfüllt werden. D7 erwähne zwar den Einsatz eines Gewebes oder Gewirkes als Außenschicht, dennoch sei gemäß D7 der Einsatz einer Vliesschicht als Außenschicht dem Einsatz eines Gewebes vorzuziehen. Würde der Fachmann D6 hinzuziehen, wäre er motiviert den Träger einschichtig auszubilden, indem er eine der beiden den Träger bildenden Schichten gemäß D7 weglässt, wodurch der Fachmann von der erfindungsgemäßen Merkmalskombination weggeführt werde.

XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Erfindung sei nicht ausführbar, weil mit einigen Werten der Fadenzahl und der Feinheit der Fäden nicht das beanspruchte Flächengewicht in der Gewebeschicht erreicht werden kann. Darüber hinaus gebe es keine Obergrenze der möglichen Fadenzahlen in Längs- und Querrichtung, was zu Flächengewichten außerhalb des beanspruchten Bereichs führt. Überdies sei der Ausdruck "in Längs- und Querrichtung" in Anspruch 1 zweideutig. Ferner sei es nicht klar, ob eine beidseitige Klebebeschichtung vom Wortlaut des Anspruchs ausgeschlossen ist.

- D1 beschreibe außer der Feinheit der Fäden der Gewebeschicht explizit alle Merkmale von Anspruch 1. Dieses Merkmal lässt sich jedoch aus der explizit in D1 genannten PET-Gewebekonstruktion berechnen, und ist somit implizit offenbart. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1 nicht neu.

- Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit stimmte sie im Wesentlichen den Argumenten der Einspruchsabteilung zu. Mangels eines nachgewiesenen Effekts hinsichtlich mechanischer Stabilität und Geräuschdämpfung gegenüber D7 sei die objektive Aufgabe nur in der Bereitstellung eines weiteren Klebebandes zu sehen. Die beanspruchte Lösung ergebe sich aus der naheliegenden Kombination von D7 und D6 sowie der fachmännischen Kenntnisse bezüglich des Flächengewichts einer Faservlieslagenschicht.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß Hilfsantrag II, hilfsweise gemäß Hilfsantrag III, beide eingereicht mit Schreiben vom 2. April 2014, aufrecht zu erhalten.

XIV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

HILFSANTRAG II

1. Ausführbarkeit

1.1 Die Erfindung betrifft die Verwendung eines Klebebandes zum Umwickeln eines Kabelbündels bei der Herstellung von Kabelsätzen in Automobilen. Anspruch 1 lautet, mit einer von der Kammer eingefügten Nummerierung der Merkmale, wie folgt:

1.1 Verwendung eines Klebebandes mit wenigstens einem textilen Träger (1, 2) aus zumindest einer Gewebeschicht (1) und

1.2 einer damit verbundenen sowie als Faservlieslagenschicht ausgebildeten Flächengebildeschicht (2), und

1.3 mit einer ein- oder beidseitig auf den Träger (1, 2) aufgebrachten Kleberbeschichtung (3),

1.4 zum Umwickeln eines Kabelbündels (4) bei der Herstellung von Kabelsätzen in Automobilen, wobei

1.5 -die Gewebeschicht (1) als Feingewebeschicht mit mehr als 25 Fäden/cm in Längs- und Querrichtung ausgebildet ist, wobei ferner

1.6 -die Feinheit der Fäden der Gewebeschicht (1) im Bereich von 30 bis 180 denier angesiedelt ist, wobei weiter

1.7 -die Gewebeschicht (1) nach außen weisend auf dem zu ummantelnden Kabelbündel (4) angeordnet ist, wobei

1.8 -die Kleberbeschichtung (3) auf die nach innen weisende Flächengebildeschicht (2) vollflächig oder bereichsweise aufgebracht ist, und wobei

1.9 das Flächengewicht der Gewebeschicht (1) im Bereich von 30 bis 200 g/m**(2) und

1.10 das Flächengewicht der Flächengebildeschicht (2) im Bereich von 50 bis 300 g/m**(2) angesiedelt ist.

1.2 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist, weil

a) in Merkmal 1.5 der Ausdruck "in Längs- und Querrichtung" zwei Auslegungsmöglichkeiten offen lässt;

b) die Merkmale 1.3 und 1.8 bezüglich der beidseitigen Beschichtung in Widerspruch zueinander stehen;

c) mit einer jeweiligen Fadenzahl von 26 pro cm in Längs- und Querrichtung gemäß Merkmal 1.5 und eine Feinheit der Fäden von 30 denier gemäß Merkmal 1.6 ein Flächengewicht der Gewebeschicht von nur etwa 17 g/m**(2) und nicht, wie von Merkmal 1.9 gefordert, von mindestens 30 g/m**(2) erreicht werden kann; und

d) die Obergrenzen der möglichen Fadenzahlen in Längs- und Querrichtung in Merkmal 1.5 nicht angegeben sind.

1.3 Die Einwände unter Punkt a) und b) betreffen die Auslegung der Ansprüche und somit eher die Klarheit bzw. Deutlichkeit der Ansprüche nach Artikel 84 EPÜ als die Ausführbarkeit der Erfindung. Diese Merkmale waren in den erteilten Ansprüchen bereits enthalten (siehe erteilte Ansprüche 1 und 2) und stellen daher keine Änderung dar, die auf der Grundlage von Artikel 84 EPÜ angegriffen werden kann (vgl. Leitsatz von G 3/14 von 24. März 2015, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

1.3.1 Ungeachtet davon ist die Kammer der Meinung, dass keines dieser beiden Merkmale unklar ist. So folgt die Kammer bezüglich Merkmal 1.5 der Auslegung der Beschwerdeführerin, nämlich dass der Fachmann den Ausdruck "mehr als 25 Faden/cm in Längs- und Querrichtung" nur als "jeweils" 25 Fäden/cm in Längs- und Querrichtung verstehen kann. Dies ist offensichtlich die in diesen Gebiet übliche Auslegung (siehe zum Beispiel D6, Seite 10, Zeilen 6 bis 12). Außerdem hat die Beschwerdegegnerin kein Dokument zitiert, das eine andere Auslegung vorschlagen würde.

1.3.2 Bezüglich des Merkmals 1.3 waren sich die Parteien und die Kammer einig, dass eine einseitige oder eine beidseitige Auftragung der Klebebeschichtung auf den Träger möglich ist. Im Falle einer einseitigen Klebebeschichtung erfordert Merkmal 1.8 dann, dass diese Beschichtung auf die nach innen weisende Flächengebildeschicht aufgebracht ist. Bei einer beidseitigen Auftragung des Klebers ist das Merkmal 1.8 automatisch immer erfüllt.

1.4 Bezüglich der Einwände unter Punkt c) und d) sieht die Kammer ebenfalls kein Problem der Ausführbarkeit.

1.4.1 Wie schon in der Entscheidung der Einspruchsabteilung festgestellt, können innerhalb der angegebenen Werte für die Fadenzahl gemäß Merkmal 1.5 und die Feinheit gemäß Merkmal 1.6 diese beiden Parameter unabhängig voneinander derart variiert werden, dass der beanspruchte Bereich für das Flächengewicht der Gewebeschicht von 30 bis 200 g/m**(2) in jedem Fall erreicht wird.

1.4.2 Auch die Tatsache, dass die Obergrenzen der Fadenzahl in Längs- und Querrichtung nicht angegeben sind, kann keine mangelnde Ausführbarkeit begründen. Die Fadenzahl ist nämlich implizit durch das beanspruchte Flächengewicht der Gewebeschicht begrenzt.

1.5 Aufgrund der vorstehend genannten Überlegungen und mangels eines Nachweises, dass der Fachmann nicht in der Lage gewesen wäre, die verwendeten Klebebänder herzustellen, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausführbar ist.

2. Neuheit

2.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Neuheit des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1 bestritten.

2.1.1 D1 ist eine internationale Patentanmeldung mit dem Anmeldedatum vom 4. März 2005, veröffentlicht am 15. September 2005. Da das angegriffene Patent die Priorität vom 16. August 2005 zu Recht beansprucht, gehört D1 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ 1973.

2.1.2 D1 offenbart ein Band für die Bandagierung von Kabelbäumen, insbesondere in Automobilen, aus einem Träger mit einer ersten Deckschicht A, die mit einer zweiten Schicht C über die gesamte Fläche der Deckschicht A fest verbunden ist (Anspruch 1). Der Träger ist zumindest einseitig mit einer Selbstklebemasse beschichtet (siehe Anspruch 8). Die Merkmale 1.3 und 1.4 des Anspruchs 1 sind daher aus D1 bekannt.

Als Deckschicht A kommen insbesondere Gewebe, Gewirke, Velours, Vliesstoffe und ähnliche textile Materialien in Frage (siehe Seite 15, Zeilen 19 bis 22; siehe auch Anspruch 1). Als besonders geeignet haben sich dicht gewebte Filamentgewebe aus Polyester oder Polyamid mit einer Gewebekonstruktion von 40 bis 50 Fäden/cm in Kettrichtung sowie 20 bis 30 Fäden/cm in Schussrichtung erwiesen (siehe Seite 15, Zeilen 23 bis 25). Solche PET-Gewebe weisen ein Flächengewicht von 60 bis 150 g/m**(2) auf (siehe Seite 15, Zeilen 25 bis 26). Daher ist ein Gewebe gemäß Merkmal 1.1 als alternative Möglichkeit in D1 benannt und die Werte für die Fäden/cm (Merkmal 1.5) und das Flächengewicht (Merkmal 1.9) überschneiden sich teilweise mit den Werten gemäß Anspruch 1.

Geeignet als Schicht C sind Textilien wie Stapelfaser-vliesstoffe, Abstandsgewirke, Schlingerware, dreidimensionale Vliesstoffgebilde aus Kunit, Multiknit oder Maliknit oder Caliweb® und ähnliche (siehe Seite 8, Zeilen 30 bis 33), welche ein Flächengewicht von 100 bis 500 g/m**(2), bevorzugt von 150 bis 300 g/m**(2), aufweisen (siehe Anspruch 4). Dieser Bereich für das Flächengewicht der Schicht C überlappt zum Teil mit dem in Anspruch 1 angegebenen Bereich gemäß Merkmal 1.10 des Anspruchs 1.

2.1.3 Es ist unbestritten, dass D1 die Feinheit der Fäden der Gewebeschicht gemäß Merkmal 1.6 nicht explizit beschreibt. Die Beschwerdegegnerin hat mittels der Angaben der Fäden/cm in Kettrichtung und in Schussrichtung in D1 die Feinheit der Gewebe aus D1 berechnet und gezeigt, dass für eine Vielzahl von Gewebekonstruktionen Werte gemäß Anspruch 1 erreicht werden. Diese Berechnungen sind jedoch unter Auswahl eines bestimmten Werts in Schussrichtung (30 Fäden/cm) durchgeführt. Aber selbst bei dieser Annahme zeigen die Berechnungen, dass lediglich einige und nicht alle Gewebe gemäß D1 eine Feinheit gemäß Merkmal 1.6 besitzen können.

2.1.4 Umstritten bleibt die Frage, ob D1 das Merkmal 1.7, nämlich dass die Gewebeschicht nach außen weisend auf dem zu ummantelnden Kabelbündel angeordnet ist, explizit offenbart ist oder nicht. Die Kammer braucht jedoch diese Frage nicht zu beantworten, da die Neuheit unabhängig davon, ob dieses Merkmal in D1 offenbart ist oder nicht, anzuerkennen ist.

2.1.5 Die obige Analyse zeigt, dass, um zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Patents zu gelangen, mehrmals aus D1 ausgewählt werden muss. So sind mindestens folgende Merkmale auszuwählen:

- (i) ein Gewebe für die Deckschicht A;

mit

- (ii) Werte von mehr als 25 Fäden/cm in Längs- und Querrichtung;

- (iii) eine Feinheit von 30 bis 180 denier;

- (iv) ein Flächengewicht der Gewebeschicht von 30 bis 200 g/m**(2); und

- (v) eine Faservlieslagenschicht für die Schicht C;

mit

- (vi) einem Flächengewicht von 50 bis 300 g/m**(2).

2.1.6 Weder die Beschreibung noch die Ansprüche von D1 enthalten einen Hinweis auf die beanspruchte Merkmalskombination. Auch die Beispiele der D1 geben keinen Hinweis auf eine solche Merkmalskombination. Im Beispiel 2 wird ein 310 g/m**(2) schweres Maliwatt-Vlies als Deckschicht C verwendet, dessen Flächengewicht außerhalb des Bereichs gemäß Merkmal 1.10 von Anspruch 1 des Patents liegt. Beispiel 1 gibt keine Information bezüglich Feinheit, Flächengewicht und/oder Fäden/cm der dort verwendeten Nylongewebe.

2.1.7 Um den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich zu treffen, muss vielmehr die beanspruchte Kombination direkt und unmittelbar aus dem Dokument ableitbar sein, was aber bei D1 nicht der Fall ist. Daher ist D1 für den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Erfindung betrifft die Verwendung eines Klebebandes mit wenigstens einem textilen Träger aus zumindest einer Gewebeschicht und einer damit verbundenen Flächengebildeschicht ausgebildet als Faservlieslagen-schicht, und mit ein- oder beidseitig auf den Träger aufgebrachten Klebebeschichtung zum Umwickeln eines Kabelbündels bei der Herstellung von Kabelsätzen in Automobilen (siehe Absatz [0001]).

3.2 Nächstliegender Stand der Technik

3.2.1 Im Einvernehmen mit beiden Parteien und der Einspruchs-abteilung sieht die Kammer D7 als nächstliegenden Stand der Technik an.

3.2.2 D7 befasst sich allgemein mit einer Schutzummantelung für Kabel, Leitungen, Litzen, Hüllrohre und dergleichen langgestreckte, bewegliche Gegenstände, die in rotierenden, vibrierenden Maschinen, Anlagen oder Fahrzeugen verlegt werden sollen (siehe Seite 1, erster Absatz).

3.2.3 D7 liegt das technische Problem zugrunde, eine Schutzummantelung bereitzustellen, die trotz einfacher Herstellung und Verarbeitung eine hohe Abrieb-beständigkeit mit einer hohen Geräuschisolierung und einer leichten Verlegbarkeit kombiniert (Seite 2, dritter Absatz).

3.2.4 Dieses Problem wird in D7 durch eine Schutzummantelung bestehend aus einem Filz- oder Schaumstoffstreifen mit einem Klebstoffauftrag auf der Innenseite und einer Glattschicht auf der Außenseite gelöst, wobei die Glattschicht eine Vlies-, Gewebe-, Gewirk-, Gestrick- oder Folienbahn aus einem abriebfesten Material ist (siehe Anspruch 1). Nach dem Umwickeln ist die Gewebeschicht nach außen weisend auf dem zu ummantelnden Kabelbündel angeordnet (siehe Fig. 2).

3.2.5 Zusammenfassend beschreibt D7 also die Verwendung eines Klebebandes zum Umwickeln eines Kabelbündels bei der Herstellung von Kabelsätzen in Automobilen, welche die Merkmale 1.1 bis 1.4 und 1.7 des Anspruchs 1 offenbart.

3.2.6 Besonders vorteilhaft ist in D7 der Einsatz eines PE-Schaumstoffstreifens in Verbindung mit einem Polyestervlies als Außenbahn (siehe Fig. 1 und Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, erster Absatz; siehe auch Seite 3, fünfter Absatz).

3.3 Aufgabe und Lösung

3.3.1 Gemäß Beschwerdeführerin ist diese Ummantelung gemäß D7 nicht zufriedenstellend. So wird D7 in D4 gewürdigt und als Nachteile werden unter anderem genannt, "daß der Schaumstoffstreifen bzw. der Filzstreifen an den Durchmesser der zu schützenden langgestreckten Gegenstände, z.B. Kabelbäume, so angepaßt sein muß, daß die Überlappung der Schaumstoffkanten gewährleistet ist" und "daß der Schaumstoffstreifen relativ steif ist und in der Rohrform eine relative große auswärts gerichtete Rückformkraft erzeugt, die eine entsprechend hohe Spannung auf den Überschlagverschluß ausübt" (siehe D4, Seite 3, zweiter Absatz, Zeilen 1 bis 11).

3.3.2 Im Hinblick darauf formuliert die Beschwerdeführerin die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe darin, das Klebeband gemäß D7 weiterzuentwickeln, so dass bei kostengünstigem Aufbau die widerstreitenden Anforderungen der Medienbeständigkeit, Schmutzunempfindlichkeit und gleichzeitig eine gute mechanische Stabilität sowie Geräuschdämpfung erfüllt werden (siehe Absatz [0009] der Patentschrift).

3.3.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Patent die Verwendung eines Klebebandes mit den Merkmalen von Anspruch 1 vor, welche sich von der Lehre der D7 dadurch unterscheidet, dass

- die Gewebeschicht als Feingewebeschicht mit mehr als 25 Fäden/cm in Längs- und Querrichtung ausgebildet ist (Merkmal 1.5);

- die Feinheit der Fäden der Gewebeschicht im Bereich von 30 bis 180 denier angesiedelt ist (Merkmal 1.6);

- das Flächengewicht der Gewebeschicht im Bereich von 30 bis 200 g/m**(2) angesiedelt ist (Merkmal 1.9); und

- das Flächengewicht der Flächengebildeschicht im Bereich von 50 bis 300 g/m**(2) angesiedelt ist (Merkmal 1.10).

3.3.4 Durch die Verwendung einer Feingewebeschicht mit obigen Eigenschaften als Außenschicht sowie Flächengewichten von Vliesen und Feingewebe wie beansprucht, wird ein gegenüber D7 vorteilhaftes Klebeband erhalten. Gemäß Beschwerdeführerin verfügt dieses Klebeband über eine besondere Elastizität gegenüber einwirkenden Abriebkräften, weil die Gewebeschicht in Verbindung mit der nachgiebigen Flächengebildeschicht etwaigen auftretenden Druck bzw. Scheuerdruck gleichmäßig verteilt. Zugleich sorgt die Gewebeschicht für eine erhöhte Abriebfestigkeit, so dass auch Scheuer-beanspruchungen nicht zu einer Beschädigung des Klebebandes führen (siehe Absatz [0020] der Patentschrift).

3.3.5 Die Beschwerdegegnerin und die Einspruchsabteilung betonten, dass das Patent kein Vergleichsbeispiel gegenüber D7 enthält. Sie sahen daher die objektive Aufgabe hinsichtlich D7 lediglich in der Verwendung eines alternativen Klebebandes zum Umwickeln von Kabelsätzen.

3.3.6 Die Kammer findet diesen Einwand nicht überzeugend. Wie oben unter Punkt 3.3.1 dargestellt, wird die in D7 bevorzugte Ummantelung in D4 als nachteilig angesehen. Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung überzeugend dargestellt, dass die jetzige Ummantelung aufgrund ihrer Struktur nicht nur eine gute Geräuschdämpfung und Schmutzunempfindlichkeit aufweist, sondern auch über eine erhöhte Flexibilität und Abriebfestigkeit verfügt. Diese Ausführungen werden zudem gestützt durch Paragraph [0020] in der Patentschrift, in dem die Bedeutung der Kombination von Gewebeschicht und Flächengebildeschicht hervorgehoben wird, insbesondere hinsichtlich der gleichmäßigen Verteilung etwaigen auftretenden Drucks bzw. Scheuer-drucks.

3.3.7 Aus diesen Gründen erkennt die Kammer eine Verbesserung des beanspruchten Klebebandes über das Klebeband von D7 an, zumal auch von der Beschwerdegegnerin keine Beweismittel vorgelegt wurden, die die Aussagen in D4 und in der Patentschrift widerlegen könnten. Daher ist nach Meinung der Kammer die oben gestellte Aufgabe gelöst.

3.4 Naheliegen

3.4.1 Es bleibt zu untersuchen, ob der Fachmann ausgehend von D7 und mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontiert, auf Grund der im Verfahren befindlichen Dokumente in naheliegender Weise zu der beanspruchten Verwendung gelangen würde. Insbesondere ist festzustellen, ob diese Dokumente einen Hinweis für den Einsatz eines Feingewebes als Außenschicht gemäß den Merkmalen 1.5, 1.6 und 1.9 und einer Faservlieslagenschicht gemäß Merkmal 1.10 liefern.

3.4.2 D7 selber gibt keine Anregung zur beanspruchten Lösung. Im Gegenteil, gemäß D7 ist der Einsatz einer Polyestervliesschicht als Außenschicht dem Einsatz eines Gewebes als Außenschicht vorzuziehen (siehe Seite 3, fünfter Absatz; siehe auch Anspruch 6). Der Fachmann wird durch D7 gerade nicht dazu angeleitet, Gewebe als Außenschicht eines Klebebandes zur Verwendung für die Umwicklung eines Kabelbündels einzusetzen.

3.4.3 Auch eine mögliche Kombination der Lehre von D7 mit D6 führt den Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

D6 betrifft ein Klebeband mit einer glatt geschliffenen Trägeroberfläche zur Bündelung von Kabeln in Automobilen (siehe Zusammenfassung). Bevorzugt wird in D6 als Träger ein Gewebe aus Polyesterfilamenten mit 30 bis 50 Fäden/cm in Kett- und 20 bis 50 Fäden/cm in Schussrichtung, sowie mit einer Garnfeinheit von 30 bis 180 denier eingesetzt (siehe Seite 10, Zeilen 6 bis 17). Obwohl nicht explizit in D6 beschrieben, ergibt sich aus der Fadenzahl und der Feinheit des Gewebes ein Flächengewicht der Gewebeschicht im jetzt beanspruchten Bereich, wie die Berechnungen der Beschwerdegegnerin zeigen. Der Träger kann mit einer Lackschicht ausgerüstet werden, um weitere vorteilhafte Effekte zu erzielen, um z. B. das Abrollverfahren und die Beschriftbarkeit zusätzlich zu verbessern (siehe Seite 6, Zeilen 9 bis 16).

Ein Anreiz, diese Feingewebeschicht als Außenschicht mit einer Faservlieslagenschicht zu kombinieren, findet man jedoch in D6 nicht. Dadurch, dass das Klebeband gemäß D6 lediglich mit nur einer einfachen Trägerschicht mit Kleber und einer wahlweise vorteilhaften Ausgestaltung mit einer zusätzlichen Lackschicht ausgerüstet ist, würde der Fachmann es nicht in Erwägung ziehen, weitere Schichten zwischen dem Träger und der Klebeschicht anzuordnen. Mehrschichtenaufbauten werden in D6 eher als nachteilig angesehen, da die angestrebte Wiederverwertbarkeit dabei nicht mehr gewährleistet wäre (siehe Seite 2, dritter Absatz).

3.4.4 Im übrigen wird bemerkt, dass eine Kombination der Lehre von D7 mit D6 nicht zu den beanspruchten Gegenstand führt, da weder D7 noch D6 ein Flächengewicht der Faservlieslagenschicht im beanspruchten Bereich von 50 bis 300 g/m**(2) offenbaren.

3.4.5 Daher wird die Verwendung gemäß Anspruch 1 durch die Lehre der D7 allein oder in Kombination mit D6 nicht nahegelegt.

3.4.6 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich aus der naheliegenden Kombination der D7 und D6 sowie der fachmännischen Kenntnisse im Hinblick auf das Merkmal 1.10 ergibt. Da keines der Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gegenüber D7 zu einem technischen Effekt hinsichtlich mechanischer Stabilität und Geräuschdämpfung führt, wäre der beanspruchte Gegenstand lediglich eine naheliegende Alternative.

3.4.7 Dieser Auffassung kann sich die Kammer nicht anschließen. Es ist richtig, dass die jetzt verwendeten Faservlieslagenschichten bzw. die Feingewebeschichten zum Anmeldezeitpunkt des Patents grundsätzlich zur Verfügung gestanden haben. Dies ist auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden.

Es ist jedoch nicht richtig, dass die beanspruchte Merkmalskombination keinen Effekt bezüglich der mechanischen Stabilität mit sich bringt. Wie oben unter Punkt 3.3.4 bis 3.3.6 bereits dargestellt, wird durch das verwendete Klebeband eine besondere Elastizität gegenüber einwirkenden Abriebkräften erzielt. Dieser vorteilhafte Effekt ist weder aus D7 noch aus D6 herleitbar.

Es handelt sich demnach bei der Argumentation der Beschwerdegegnerin um eine ex-post-facto Analyse, basierend auf der Kenntnis der Lehre des Patents.

3.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 sowie der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.

4. Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung die Beschreibung an die Ansprüche des Hilfsantrags II angepasst. Nach Änderung der von der Beschwerdegegnerin beanstandeten Passagen stimmte sie der angepassten Beschreibung zu. Auch die Kammer hatte keine weitere Beanstandungen.

HILFSANTRAG III

Da der Hilfsantrag II die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, brauchte die Kammer den Hilfsantrag III nicht zu diskutieren.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag II eingereicht mit dem Schriftsatz vom 2. April 2014;

- Beschreibung, Seiten 2 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016; und

- Zeichnungen 1 und 2 der Patentschrift.

Quick Navigation