European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T202112.20150714 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Juli 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2021/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08017547.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16C 9/02 F16C 19/44 F16C 33/58 F16C 33/66 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Radiallagerung | ||||||||
Name des Anmelders: | Schaeffler Technologies AG & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Herzog Intertec GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) Patentansprüche - mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Entscheidung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Europäische Patent Nr. 2 017 486 wurde am 6. Juli 2012 zur Post gegeben.
II. Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 die Erfordernisse des Artikels 76 (1) EPÜ erfülle, gegenüber dem aus
E7: JP 2005 016 644 A bzw.
E7-DE: deutsche Übersetzung der E7
bekannten Gegenstand neu sei und hiervon ausgehend auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 13. September 2012 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 11. November 2012 eingereicht.
IV. Am 14. Juli 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Juni 2015.
V. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"Radiallagerung (1c) eines Außenteils (3) gegenüber einem Innenteil (6), welches Außenteil (3) und welches Innenteil (6) um eine gemeinsame Längsachse (5) relativ zueinander rotieren, wobei die Radiallagerung (1 c) einen im Außenteil (3) oder am Innenteil (6) ausgebildeten Lagersitz (8c) umfasst, der sich über einen Umfang von 360° erstreckt, relativ zu einer den Lagersitz (8c) in einer Lastzone (12c) beaufschlagenden Radiallast (10c) im wesentlichen stillsteht und in Richtung der Längsachse (5) eine über dessen Umfang veränderliche Breite aufweist derart, dass der Lagersitz (8c) ausgehend von der Lastzone (12c) außerhalb der Lastzone (12c) deutlich verjüngt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Radiallagerung (1c) als Wälzlagerung ausgebildet ist (Merkmal A),
und dass das Außenteil (3) als Nabe (13a), das Innenteil (6) als ein die Nabe (13a) lagernder Achsbolzen (14a) und der Lagersitz (8c) veränderlicher Breite in der Nabe (13a) ausgebildet sind, wobei die Radiallast (10c) mit der Nabe (13a) umläuft (Merkmal B)."
Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"Radiallagerung (1d) eines Außenteils (3) gegenüber einem Innenteil (6), welches Außenteil (3) und welches Innenteil (6) um eine gemeinsame Längsachse (5) relativ zueinander rotieren, wobei die Radiallagerung (1d) einen im Außenteil (3) oder am Innenteil (6) ausgebildeten Lagersitz (8d) umfasst, der sich über einen Umfang von 360° erstreckt, relativ zu einer den Lagersitz (8d) in einer Lastzone (12c) beaufschlagenden Radiallast (10d) im wesentlichen stillsteht und in Richtung der Längsachse (5) eine über dessen Umfang veränderliche Breite aufweist derart, dass der Lagersitz (8d) ausgehend von der Lastzone (12d) außerhalb der Lastzone (12d) deutlich verjüngt ist
dadurch gekennzeichnet, dass
die Radiallagerung (1d) als Wälzlagerung ausgebildet ist (Merkmal A) und
dass das Außenteil (3) als Nabe (13b), das Innenteil (6) als ein die Nabe (13b) lagernder Achsbolzen (14b) und der Lagersitz (8d) veränderlicher Breite am Achsbolzen (14b) ausgebildet sind, wobei die Radiallast (10d) relativ zum Achsbolzen (14b) im wesentlichen stillsteht (Merkmal C)."
VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Formelle Einwände
Der Anspruchssatz genüge nicht den Erfordernissen der Regel 43 (2) EPÜ, weil zwei unabhängige Ansprüche der gleichen Kategorie vorhanden seien, die nicht unter eine der Ausnahmen a) bis c) dieser Regel fielen.
Ferner sei Anspruch 1 nicht klar. Da er auf einer während des Einspruchsverfahren vorgenommenen Kombination erteilter Ansprüche beruhe und somit eine Änderung im Vergleich zum erteilten Anspruch gegeben sei, dürfe die Klarheit auch noch im Beschwerdeverfahren beanstandet werden.
Schließlich verstoße der Hilfsantrag 2 gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ.
b) Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der in E7 offenbarten Radiallagerung ausschließlich durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils. Von der Gleitlagerung der E7 ausgehend sei es naheliegend ein Nadellager einzusetzen, um die Reibungsverluste zu senken. Ferner stelle die Radiallagerung gemäß Anspruch 1 lediglich eine kinematische Umkehrung der in Figur 1 der E7 gezeigten Radiallagerung dar. Dies könne auch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Dasselbe gelte entsprechend für den Anspruch 2.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Formelle Einwände
Die Regel 43 (2) EPÜ beziehe sich auf die Erfordernisse einer Patentanmeldung und sei nicht auf ein erteiltes Patent anzuwenden.
Da die beanstandeten Ansprüche jeweils die Kombination zweier erteilter Ansprüche darstellten, dürfe kein Einwand gemäß Artikel 84 EPÜ zugelassen werden.
Ferner sei nicht ersichtlich, wie die Kombination erteilter Ansprüche zu einer Erweiterung des Schutzumfangs führen könne.
b) Erfinderische Tätigkeit
Zum einen sei es im Falle eines Lagersitzes mit sich verjüngender Laufbahn nicht naheliegend, ein Gleitlager durch ein Nadellager zu ersetzen, um die Reibungsverluste zu reduzieren. Ferner gebe es keine Veranlassung dazu, das in E7 gezeigte Motorgehäuse durch eine Nabe und die Welle durch einen Achsbolzen zu ersetzen.
Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderische Tätigkeit. Entsprechendes gelte auch für den Anspruch 2.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Formelle Einwände
2.1 Regel 43 (2) EPÜ
Die Regel 43 (2) EPÜ bezieht sich explizit auf die Erfordernisse einer Patentanmeldung und ist somit nicht auf ein erteiltes Patent anzuwenden. Folglich ist der diesbezüglich von der Beschwerdeführerin vorgetragene Einwand gegenstandslos.
2.2 Artikel 84 EPÜ
Die einzigen beiden im nunmehr geltend gemachten Antrag verbleibenden Ansprüche basieren auf der Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4 (Anspruch 1), sowie auf der Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 5 (Anspruch 2). Da durch diese Kombination kein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ eingeführt worden ist, darf der Einwand mangelnder Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht mehr geprüft werden (siehe G3/14, Leitsatz). Eine Ausnahme hiervon ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
2.3 Erweiterung des Schutzumfangs
Da wie oben ausgeführt die vorliegenden Ansprüche auf der Kombination erteilter Ansprüche beruhen, kann der Gegenstand der Ansprüche gegenüber der erteilten Fassung zwingenderweise nur eingeschränkt sein. Folglich kann auch keine Erweiterung des Schutzumfangs im Sinne des Artikels 123 (3) EPÜ vorliegen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Gegenstände des Anspruchs 1 und des Anspruchs 2 unterscheiden sich von der in E7 offenbarten Radiallagerung unstreitig lediglich durch die Merkmale der jeweiligen kennzeichnenden Teile.
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass das Merkmal A die Aufgabe löse, die Reibungsverluste zu reduzieren und dass die Merkmale B und C lediglich jeweils eine kinematische Umkehrung der in E7 gezeigten Radiallagerung beträfen. Es sei naheliegend, zur Lösung der genannten Aufgabe das Gleitlager durch ein Nadellager zu ersetzten (Merkmal A). Auch die gemäß Merkmal B bzw. Merkmal C vorgesehene kinematische Umkehrung der in Figur 1 der E7 gezeigten Lagerung könne keine erfinderische Tätigkeit begründen.
3.2 E7 beschreibt eine Ausgleichswelle für eine Brennkraftmaschine, die innerhalb des feststehenden Motorgehäuses gelagert ist und durch die Ausgangswelle der Brennkraftmaschine angetrieben wird.
Sowohl in Anspruch 1 als auch in Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 2 findet die beanspruchte Lagerung zwischen einer radial außen liegenden Nabe und einem radial innen liegenden Achsbolzen statt.
Auch wenn es sich beim Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 um eine kinematisch Umkehrung der in E7 beschriebenen Radiallagerung handelt, besteht für den Fachmann zum einen kein Anlass das in E7 gezeigte Motorgehäuse durch eine Nabe und die Welle durch einen Achsbolzen zu ersetzen, da dies zu einer grundsätzlich unterschiedlichen konstruktiven Gestaltung der Brennkraftmaschine führen würde. Ferner würde eine solche kinematische Umkehrung eine erhebliche konstruktive Umgestaltung der Radiallagerung mit sich bringen, die nicht als naheliegend betrachtet werden kann.
Folglich beruht das Vorsehen des Merkmals B, bzw. des Merkmals C auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.3 Somit kann es dahingestellt bleiben, ob das Ersetzen eines Gleitlagers durch ein Nadellager naheliegend ist oder nicht, da der Gegenstand des Anspruchs 1 und des Anspruchs 2 bereits auf Grund der Merkmale B und C auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wir aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden Fassung aufrecht zu erhalten:
Ansprüche:
1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2,
Beschreibung:
Spalten 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2 sowie
Spalten 3 bis 9 wie erteilt,
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 7 wie erteilt.