European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T199612.20170523 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 Mai 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1996/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03001079.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01F 13/00 B01F 5/04 B01F 3/04 B01F 3/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Erzeugung vom medizinischem Schaum | ||||||||
Name des Anmelders: | CHEMISCHE FABRIK KREUSSLER & CO. GMBH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BTG International Limited | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B-1 331 031 betrifft eine Vorrichtung zur Erzeugung eines sterilen medizinischen Schaums.
II. Das Patent wurde im Einspruchsverfahren in geänderter Form aufrechterhalten. Der von der Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtete Anspruch 1 lautet:
"1. Vorrichtung zur Erzeugung von medizinischem, sterilem Schaum aus einer Flüssigkeit, nämlich einem Sklerosierungsmittel und einem Gas, insbesondere Luft, mit einer Schaumdüse (10), einer mit der Schaumdüse (10) verbundenen Gas-Zuführeinrichtung (34) und einer mit der Schaumdüse verbundenen Flüssigkeits-Zuführeinrichtung (26), dadurch gekennzeichnet, dass in der Gas-Zuführeinrichtung (34) eine Filtereinrichtung (36) angeordnet ist."
III. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung legte die Einsprechende (im folgenden: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
IV. Folgende Dokumente wurden unter anderen genannt:
O-3: WO-A-0 072 821 A1
O-4: US-A-4 444 661
O-5: US-A-4 874 513
O-6: US-A-3 782 083
O-9: J.C. Wollmann, "60 Jahre Sklerosierungsschaum", Phlebologie, Vol. 33, No. 2, April 2004, Seiten 63 bis 70
O-10: J.C. Wollmann, "The History of Sclerosing Foams", Dermatol. Surgery 2004; 30, Seiten 694 bis 703
O-13: WO-A-02/41 872
V. In ihrer Antwort beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Kammer ging in zwei Mitteilungen auf das Vorbringen der Parteien ein.
Die Beschwerdegegnerin reichte mit Schreiben vom 24. April 2017 zwei Hilfsanträge ein.
VI. Am 23. Mai 2017 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdegegnerin reichte einen neuen Hilfsantrag 1 ein, der den bisherigen ersetzte.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 1 lautet:
"1. Vorrichtung zur Erzeugung von medizinischem, sterilem Schaum aus einer Flüssigkeit, nämlich einem Sklerosierungsmittel und einem Gas, nämlich Luft, mit einer Schaumdüse (10), einer mit der Schaumdüse (10) verbundenen Gas-Zuführeinrichtung (34) zum Zuführen von Umgebungsluft und einer mit der Schaumdüse verbundenen Flüssigkeits-Zuführeinrichtung (26), dadurch gekennzeichnet, dass in der Gas-Zuführeinrichtung (34) eine Filtereinrichtung (36) zur Sterilisation der Umgebungsluft angeordnet ist."
(Hervorhebungen der Unterschiede zum Hauptantrag durch die Kammer).
Die Ansprüche 2 bis 11 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Vorrichtung nach Anspruch 1.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zur Ausführbarkeit:
Das Streitpatent offenbare ein essentielles Merkmal der beanspruchten Vorrichtung, nämlich das zu verwendende Filter, nicht so klar und deutlich, dass der Fachmann die Erfindung ausführen könne. Da die Erfindung die Herstellung eines sterilen medizinischen Schaums aus einem Sklerosierungsmittel und Luft zum Ziel habe, sei es notwendig, die Luft durch ein Sterilfilter zu filtrieren. Es fehlten allerdings Angaben, welche Filter dafür geeignet wären (z.B. hinsichtlich Material, Porengröße und Hersteller), welcher Grad an Sterilität notwendig sei und wie man ihn bestimmen könne. Die Beschwerdeführerin könne akzeptieren, dass diese fehlenden Informationen zum allgemeinen Fachwissen zählten. Dies bedeute jedoch, dass derselbe Kenntnisstand des Fachmanns auch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehen sei.
Zur Neuheit:
Die Beschwerdeführerin stützt sich in ihrem Neuheitseinwand auf O-3, insbesondere Beispiele 2 und 5 und Figur 3. Sie argumentiert insbesondere, dass die in Figur 3 (bzw. Beispiel 2) offenbarte Anordnung mehrerer Nylon-Siebe ("meshes") mit 20 mym Porengröße zwangsläufig nicht nur als Schaumdüse, sondern auch als Filter für das Gas fungiere. Aus O-6 (Spalte 5, Zeile 37) sei bekannt, dass Gasfilter für medizinische Anwendungen vorzugsweise eine Porengröße von weniger als 50 mym aufwiesen.
Weitere Neuheitseinwände betrafen die nachveröffentlichten Dokumente O-10 und O-13.
Erfinderische Tätigkeit:
Die Beschwerdeführerin betrachtete in ihrem Schriftsatz vom 11. November 2016 das Dokument O-3 als den nächstliegenden Stand der Technik. Davon ausgehend bestehe die Aufgabe des Streitpatents darin, bekannte schaumerzeugende Vorrichtungen so zu adaptieren, dass sie die Produktion von Schaum mit steriler Luft ermöglichten. Die beanspruchte Lösung sei naheliegend, da Inline-Sterilfilter zur Filtration von Luft an sich bekannt seien (O-4, O-5 und O-6), wobei O-6 sogar die wirksame Porengröße angebe. Der Fachmann würde daher in naheliegender Weise ein solches Sterilfilter in der Luftzuleitung vorsehen.
IX. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Das Dokument O-13 sei verspätet eingereicht und nicht ins Verfahren zuzulassen.
Die Erfindung sei ausführbar, da der Fachmann ausreichende Kenntnis darüber habe, welche Filter zur Sterilfiltration geeignet seien.
Zur Neuheit machte die Beschwerdegegnerin geltend, dass der Unterschied zur O-3 in der Sterilisation des verwendeten Gases liege. Das in O-3, Figur 3, mit dem Bezugszeichen 20 bezeichnete Bauteil sei keine Filtereinrichtung, sondern dasjenige Element, durch das der Schaum erzeugt werde. Gemäß O-3 werde ein steriles Gas zur Schaumerzeugung verwendet. Außerdem befinde sich das Bauteil 20 nicht wie im Anspruch gefordert in der Gaszuführeinrichtung.
Neuheit gegenüber dem nachveröffentlichten Dokument O-10 liege vor, da das seit 2001 bekannte Doppelspritzensystem vor dem Prioritätstag des Streitpatents nicht in Verbindung mit einem Sterilfilter verwendet worden sei. Im Übrigen offenbare O-10 keine Schaumdüse, die mit einer Gaszuführeinrichtung und einer Flüssigkeitszuführeinrichtung verbunden wäre.
Erfinderische Tätigkeit:
O-3 lehre gerade, verunreinigte Umgebungsluft nicht zur Erzeugung von medizinischem Schaum zu verwenden, indem es den Fachmann anweise, bereits sterilisiertes Gas zu verwenden. Der Anspruchsgegenstand habe daher ausgehend von O-3 nicht nahegelegen.
X. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017, oder weiter hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schreiben vom 24. April 2017.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit verspätet vorgelegter Dokumente
O-13 wurde von der Kammer ins Verfahren zugelassen. Eine nähere Begründung zur Zulassung erübrigt sich, da die weitere Entscheidung davon nicht abhängt.
2. Änderungen (Hilfsantrag 1)
Die Beschwerdeführerin erhob keine Beanstandungen im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ.
Das neue Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, wonach die "Gas-Zuführeinrichtung (34) zum Zuführen von Umgebungsluft" dient, ist in der Beschreibung, Seite 3, Zeile 14, der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart.
Das ebenfalls neue Merkmal in Anspruch 1, wonach die "Filtereinrichtung (36) zur Sterilisation der Umgebungsluft" dient, ist offenbart in der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 21 und 22, der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen.
Die Änderungen erfüllen somit die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.
Die geänderten Ansprüche erfüllen auch die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ.
3. Ausführbarkeit der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)
3.1 Beim Einwand mangelnder Ausführbarkeit gilt es, etwaige Informationslücken sowie einen etwaigen Mangel an Anleitung zur Durchführung der Erfindung in den Anmeldungsunterlagen aufzuzeigen und zu untersuchen und gegebenenfalls zu klären, ob solche Defizite durch das Allgemeinwissen des Fachmanns zu beheben sind.
Hierbei bedeutet ein Fehlen von vollständigen Angaben über zur Anwendung kommende Mittel oder Verfahren nicht zwangsläufig, dass eine mangelhafte Offenbarung vorliegt, vorausgesetzt, der Fachmann kann die erforderlichen Maßnahmen oder Mittel mit Hilfe seines Fachwissens und gegebenenfalls einiger routinemäßiger Versuche bestimmen und so die Informationslücke schließen.
3.2 Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass das Streitpatent ein essentielles Merkmal der beanspruchten Vorrichtung, nämlich das zu verwendende Filter, nicht so offenbare, dass der Fachmann die Erfindung ausführen könne. Da die Erfindung die Herstellung eines sterilen medizinischen Schaums aus einem Sklerosierungsmittel und Luft bezwecke, sei es offenkundig notwendig, die Luft durch ein Sterilfilter zu filtrieren. Es fehlten allerdings Angaben, welche Filter dafür geeignet seien (Material, Porengröße, Hersteller) und auch welcher Grad an Sterilität notwendig sei und wie man ihn bestimmen könne.
3.3 Es steht außer Streit, dass Sterilfilter zur Filtration von Luft im Stand der Technik bekannt sind. Unstreitig ist auch, dass zur Herstellung eines medizinischen Schaums, insbesondere zur Venenverödung, ein hohes Maß an Sterilität des Schaums erforderlich ist. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass der Fachmann, ohne erfinderisches Zutun, aus den bekannten Sterilfiltern (siehe beispielsweise O-6, Spalte 5, Zeilen 35 bis 45) solche auswählen kann, die für den erforderlichen Grad an Sterilität der zuzuführenden Luft sorgen. Das Treffen einer solchen Auswahl, abhängig von den jeweiligen Anforderungen an die Sterilität, stellt keine unzumutbare Hürde dar.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin auch nicht zu, wenn sie vorbringt, dass im vorliegenden Fall das Streitpatent ohne ein einziges reproduzierbares Ausführungsbeispiel die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ nicht erfülle.
3.4 Ein Mangel an Ausführbarkeit liegt also nicht vor. Die Bestimmungen des Artikels 83 EPÜ sind erfüllt.
4. Neuheit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1)
4.1 Neuheit gegenüber O-10
O-9 und O-10 wurden im Jahre 2004, also nach dem Anmeldetag (18. Januar 2003) und dem Prioritätstag (26. Januar 2002) des Streitpatents veröffentlicht. Sie gehören daher nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54 EPÜ.
Die Beschwerdegegnerin räumt allerdings ein, dass das in O-9 (Seiten 68 und 69; Abb. 4) und O-10 (Seiten 700 und 701) beschriebene DSS-System ("Double Syringe - System"; Doppelspritzensystem) vor dem Prioritätstag des Streitpatents zum Stand der Technik gehörte. Sie bestreitet insofern aber, dass dieses Doppelspritzensystem eine erfindungsgemäße Schaumdüse aufwies.
Die Kammer vertritt dabei den Standpunkt, dass O-9 und O-10 als nachveröffentlichte Dokumente im allgemeinen nicht als Beweismittel für Sachverhalte herangezogen werden können, die angeblich vor dem Prioritätstag der Anmeldung bekannt gewesen seien, außer wenn die Vorkenntnis solcher Sachverhalte nicht bestritten wird oder anderweitig sichergestellt ist, dass ein in den Dokumenten beschriebener, neuheitsschädlicher Sachverhalt bereits vor dem Prioritätstag vorgelegen hat.
Aus O-9 (Seite 69, linke Spalte, letzter Absatz) geht hervor, dass die DSS-Technik im Jahre 2001 nach präklinischen Versuchsreihen vorgestellt wurde. Die Kammer versteht dies so, dass diese Technik zur Erzeugung medizinischen Schaums spätestens im Jahre 2001 der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, obwohl O-9 selbst nachveröffentlicht ist.
O-9 und O-10 offenbaren u.a. eine Vorrichtung zur
Erzeugung medizinischen Schaums mittels zweier über einen Adapter verbundener Spritzen ("DSS-System"), in deren eine über ein Sterilfilter von 0,2 mym Porengröße sterile Luft aufgezogen werden kann. Dieser Sterilfilter wird jedoch vor der eigentlichen Schaumerzeugung entfernt (siehe O-10, Seite 701, rechte Spalte, Absätze 1 und 2; Figur 9). Der Anspruch 1 des Streitpatents ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht so zu verstehen, dass das Sterilfilter ein nicht-permanenter, also zum Beispiel nur während der Prozedur des Zuführens der Umgebungsluft vorhandener Teil der beanspruchten Vorrichtung wäre.
Die DSS-Spritzenanordnung weist auch keine Schaumdüse auf.
O-9 und O-10 offenbaren daher diese Anspruchsmerkmale nicht in Kombination, sodass der Neuheitseinwand der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Hauptantrag nicht stichhaltig ist.
4.2 Neuheit hinsichtlich O-13:
Dieses Dokument ist vor dem (gültig beanspruchten) Prioritätstag des Streitpatents eingereicht, jedoch nach diesem Tag veröffentlicht. Es gehört somit zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ, der zur Beurteilung der Neuheit herangezogen werden kann.
O-13 offenbart eine Vorrichtung zur Erzeugung eines sterilen medizinischen Schaums zur Verödung von
Varizen. Die Vorrichtung weist einen Druckbehälter für ein Gas (2), einen Behälter (1) für eine wässrige Lösung des Verödungsmittels (Polydocanol) und ein Verbindungsstück auf. Bei der Verwendung der Vorrichtung wird das Druckgas (Luft, Sauerstoff) über das Verbindungsstück in den Behälter mit Verödungsmittel geleitet. Danach wird der Druckgasbehälter entfernt und das Gas/Lösungs-Gemisch aus dem Behälter (2), der nunmehr unter Druck steht, durch einen Auslass (17), der mit feinmaschigen Netzen bestückt ist, ausgebracht. Die feinmaschigen Netze bewirken die Schaumbildung. Das Bauteil (17) ("mesh stack shuttle") fungiert somit als Schaumdüse.
Allerdings offenbart O-13 kein in der Gas-Zuführeinrichtung angeordnetes Filter zur Zufuhr von sterilem Gas. Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Fundstellen auf Seiten 9, 16, 19 und 20 beziehen sich auf das "mesh stack shuttle", also auf die Schaumdüse, nicht auf ein Sterilfilter. Ein solches ist gemäß O-13 auch gar nicht erforderlich, da das Treibgas in Behälter (2) steril ist. O-13 verwendet keine (nicht-sterile) Umgebungsluft zur Schaumerzeugung.
Außerdem weist die in O-13 offenbarte Vorrichtung keine mit der Schaumdüse verbundene Einrichtung zur Gaszuführung auf.
Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass O-13 den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt.
4.3 Neuheit im Hinblick auf O-3:
Die Beschwerdeführerin erhob einen Neuheitseinwand basierend auf O-3, insbesondere Beispiel 5 und Figur 3. Sie argumentierte insbesondere, dass die in Figur 3 (bzw. Beispiel 2) gezeigte Anordnung mehrerer Nylon-Siebe ("meshes") mit 20 mym Porengröße zwangsläufig nicht nur als Schaumdüse, sondern auch als Filter für das Gas fungiere. Aus O-6 (Spalte 5, Zeile 37) sei bekannt, dass Gasfilter für medizinische Anwendungen vorzugsweise eine Porengröße von weniger als 50 mym aufwiesen.
Dem hält die Kammer entgegen, dass die aus O-3 bekannte Vorrichtung kein Filterelement in der Gas-Zuführleitung aufweist. Die Siebe mit Bezugszeichen (8) in Figuren 1 und 2 bzw. (20) in Figur 3 dienen der Verschäumung, nicht der Filtration. Ihre Porengröße von 20 mym (siehe Beispiel 2) wäre auch zur Sterilfiltration nicht geeignet (vgl. O-6, Spalte 5, Zeilen 35 bis 45). Eine solche Porengröße geht auch aus O-6 nicht hervor. O-6 offenbart vielmehr, dass zur Filtration von Mikroorganismen vorzugsweise Filter mit einer Porengröße von weniger als 0,3 mym, also um fast 2 Größenordnungen feiner als in O-3, verwendet werden (siehe Spalte 5, Zeilen 35 bis 39).
Zudem unterscheidet der vorliegende Anspruch 1 zwischen Gas-Zuführeinrichtung und Schaumdüse. Die Filtereinrichtung ist Teil der Gas-Zuführeinrichtung und somit nicht mit der Schaumdüse identisch.
Daher trifft O-3 den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neuheitsschädlich.
4.4 Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass das Neuheitserfordernis nach Artikels 54 EPÜ für den Anspruch 1 und alle davon abhängigen Ansprüche des Hauptantrags erfüllt ist.
4.5 Das unter den Punkten 4.1 bis 4.3 Gesagte gilt gleichermaßen für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1, der im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags durch positive Merkmale weiter eingeschränkt ist, und für die davon abhängigen Ansprüche.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Hauptantrag
Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung, die sterilen Schaum für medizinische Zwecke erzeugt. O-3 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Dies wurde von beiden Parteien bestätigt.
Der Hauptantrag ist auf die Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der in der angefochtenen Entscheidung für gewährbar erachteten Ansprüche gerichtet (siehe Punkt II).
Laut Streitpatent liegt die Aufgabe der Erfindung in der Bereitstellung einer Vorrichtung zur Herstellung von medizinischem, sterilem Schaum, aus einem gasförmigen Medium und einem flüssigen Medium (Absatz [0007] des Streitpatents).
Aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags wird zwar klar, dass der erzeugte Schaum steril sein muss, nicht aber, auf welchem Wege dies erreicht wird. Der vorliegende Anspruch 1 g verlangt nicht notwendigerweise nach einem Sterilfilter in der Gas-Zuführeinrichtung (34). Es ist daher die Möglichkeit umfasst, dass die Sterilität des Schaums durch Verwendung eines sterilen Gases (wie in O-3, Figur 2) oder aber, bei Verwendung von Umgebungsluft, durch Sterilisation derselben mittels ionisierender Strahlung (siehe O-3, Seite 26, Zeilen 6 bis 11) oder dgl. erreicht wird. In beiden Fällen wäre offenbar kein Sterilfilter erforderlich. Die Filtereinrichtung diente nur der Reinigung, nicht der Sterilisation des zugeführten Gases (Umgebungsluft) (vgl. auch Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 45 bis 51).
Die Beschwerdegegnerin machte in ihrer Eingabe vom 26. März 2013 auf Seite 13, letzter Absatz, geltend, dass der Unterschied zu O-3 in der Sterilisation des verwendeten Gases liege. Die vorliegende Beschreibung enthält nun zwar in Spalte 2, Zeilen 45 bis 47, einen Hinweis darauf, dass die Filtereinrichtung (36) zur Sterilisation des zuzuführenden Gases geeignet ist, dieses Merkmal ist allerdings nicht im Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag wiedergegeben.
Auch der auf Seite 14, erster Absatz der genannten Eingabe erwähnte Umstand, dass verunreinigte Umgebungsluft zur Schaumerzeugung verwendet wird (vgl. Beschreibung, Spalte 2, Zeilen 39 bis 49, sowie Figur 2), ist nicht zwingend im Anspruchswortlaut wiedergegeben.
Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag keine erfinderische Tätigkeit aufweist (Artikel 56 EPÜ), da die gestellte Aufgabe, nämlich sterilen Schaum herzustellen, durch die in O-3 offenbarten Vorrichtungen nahegelegt wird. Die speziellere, von der Beschwerdegegnerin angeführte Aufgabenstellung, nämlich (nichtsterile) Umgebungsluft zur Herstellung eines sterilen medizinischen Schaums einsetzen zu können, kann zudem mit den Anspruchsmerkmalen nicht gelöst werden.
Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.
5.2 Hilfsantrag 1:
Die vorstehenden Einwände treffen ersichtlich auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht zu, da die Gas-Zuführeinrichtung (34) nunmehr anspruchsgemäß zum Zuführen von Umgebungsluft und
die Filtereinrichtung (36) zur Sterilisation der Umgebungsluft dienen.
5.2.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe, ausgehend von O-3, die Aufgabe des Streitpatents darin bestanden, die bekannte schaumerzeugende Vorrichtung so zu adaptieren, dass sie die Produktion von Schaum mit sterilisierter Luft ermögliche. Die Kammer kann sich dieser Formulierung der Aufgabe aber nicht anschließen, da sie bereits einen Hinweis auf die Lösung enthält.
Vielmehr bestand ausgehend von O-3 die zu lösende Aufgabe nach Ansicht der Kammer darin, eine alternative Vorrichtung zur Erzeugung von medizinischem, sterilem Schaum bereitzustellen.
5.2.2 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vor, dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Filterelement zur Sterilisation der Umgebungsluft in der Gas-Zuführleitung aufweist.
5.2.3 Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die gestellte Aufgabe erfolgreich gelöst wurde.
5.2.4 Es bleibt zu entscheiden, ob die Lösung angesichts des Standes der Technik nahegelegen hat.
Dabei bleibt O-13 als Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ außer Betracht und O-9 bzw. O-10 werden aus den zuvor genannten Gründen als nicht relevant angesehen.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, die beanspruchte Lösung sei naheliegend, da Inline-Sterilfilter zur Filtration von Luft an sich bekannt seien (O-6, O-5, O-4), wobei O-6 sogar die zur Sterilfiltration wirksame Porengröße angebe. Der Fachmann würde daher in naheliegender Weise ein solches Sterilfilter in der Luftzuführung vorsehen.
Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Der Fachmann kennt zwar unbestreitbar geeignete Sterilfilter, findet in dem zitierten Stand der Technik aber keine konkrete Anregung, Umgebungsluft zur Aufschäumung zuzuführen und diese mittels eines Sterilfilters zu sterilisieren. O-5 und O-6 betreffen kleine, austauschbare Filter für Laborzwecke ohne besondere Anforderung an die Sterilität des Filtrats. O-6 offenbart zwar für die Sterilfiltration geeignete austauschbare Filter insbesondere für die Filtration von medizinischen Gasen oder Transfusionsflüssigkeiten (siehe auch Punkt 4.3, zweiter Absatz), gibt jedoch keine Anregung, wie ein solches Filter unmittelbar in einer Vorrichtung zur Schaumerzeugung in der Art von O-3 zum Einsatz kommen könnte.
Auch O-3 selbst kann den Anspruchsgegenstand nicht nahelegen. Die aus O-3 bekannte Vorrichtung weist kein Filterelement in der Gas-Zuführleitung auf, da die Siebe mit Bezugszeichen (8) in Figuren 1 und 2 bzw. (20) in Figur 3 der Verschäumung, nicht der Filtration dienen und ihre Porengröße von 20mym (siehe Beispiel 2) zur Sterilfiltration nicht geeignet sind.
In O-3 (Figuren 3 und 4) ist eine im Vergleich mit Figur 2 relativ einfache Vorrichtung in Form einer Spritze dargestellt, bei der offenbar (nichtsterile) Umgebungsluft zur Aufschäumung der Polydocanol-Lösung verwendet wird, bevor diese zusammen mit der Lösung des Sklerosierungsmittels durch eine Schaumdüse ("meshes" 20) oder durch eine poröse Membran (22) gepresst und verschäumt wird. Eine Sterilfiltration der zugeführten Umgebungsluft ist jedoch nicht vorgesehen. Der so erzeugte medizinische Schaum ist also offenbar nicht steril. In diesem Zusammenhang wird auf Seite 26 (Beispiel 2) angegeben, dass ionisierende Strahlung zum Sterilisieren der verwendeten Bestandteile verwendet wird. Eine mit der Schaumdüse verbundene Flüssigkeits-Zuführeinrichtung ist im Beispiel 3 nicht beschrieben. Es bedürfte mehrerer signifikanter Modifikationen, um vom dargestellten Gegenstand zur erfindungsgemäßen Vorrichtung zu gelangen, ohne dass der Fachmann dafür eine konkrete Veranlassung hätte.
5.2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 haben damit ebenfalls Bestand.
5.2.6 Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag 2.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017, und einer anzupassenden Beschreibung nebst Figuren aufrechtzuerhalten.