European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T199512.20150806 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 August 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1995/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08842387.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29B 7/60 B01F 15/04 B01F 7/00 B29B 7/40 B29B 7/42 E06B 3/673 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Einspritzen eines Stranges aus einer pastösen Masse in den Zwischenraum zwischen zwei Glasplatten einer Isolierglasscheibe | ||||||||
Name des Anmelders: | Bystronic Lenhardt GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja) Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein) Änderungen - Widerspruch zu R. 164(2) EPÜ in der bis zum 31. Oktober 2014 geltenden Fassung (nein) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat gegen die am 17. April 2012 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 08 842 387.6 wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Am 6. August 2015 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache mit der Maßgabe zurückzuverweisen, ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrages wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht zu erteilen.
IV. Es wird insbesondere auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
D1: GB 908 519 A
D2: US 3 902 850 A
D3: US 3 203 675 A
D4: DE 39 29 608 A1
D5: WO 95/05349 A1
D6: DE 20 2006 014 190 U1
V. Der unabhängige Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Verwendung einer Vorrichtung zum Erzeugen eines Stranges aus einer aus mehreren Bestandteilen gebildeten Masse
mit einer Düse (25),
mit je einem Speicher (15, 15', 16, 16', 27, 27') für jeden der Bestandteile der Masse, welcher mit der Düse (25) durch einen Förderweg verbunden ist, mit einem dynamischen Mischer (20), welcher in dem Förderweg vorgesehen ist,
und mit Verdrängern (17, 17', 28, 28'), welche in die Speicher (15, 15', 16, 16', 27, 27') eingreifen und durch deren jeweilige Betätigung ein Bestandteil der Masse aus dem jeweiligen Speicher (15, 15', 16, 16', 27, 27') in den Förderweg hinein verdrängt wird,
zum Einspritzen des Stranges in den Zwischenraum zwischen zwei Glastafeln (33, 34) einer Isolierglasscheibe,
dadurch gekennzeichnet, dass
durch das Mischen eine pastöse Masse auf der Basis eines Thiokols oder eines Polyurethans entsteht, welche bereits, wenn sie durch den dynamischen Mischer (20) hindurchgefördert wird, pastös ist und dann fortschreitend abbindet, wobei sie sich verfestigt,
dass beim Einspritzen ein einheitlicher Strang aus der pastösen Masse gebildet wird, welcher sich von der einen Glastafel (33) bis zu der 15 mm bis 25 mm beabstandeten gegenüberliegenden Glastafel (34) erstreckt,
dass die Düse (25) und die mit ihr in Verbindung stehenden Anordnungen, welche aus dem Speicher (15, 15', 16, 16', 27, 27') und dem Verdränger (17, 17', 28, 28') bestehen, sowie der mit der Düse (25) in Verbindung stehende dynamische Mischer (20) auf einem beweglichen gemeinsamen Träger angebracht sind und zusammen mit der Düse (25) am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegt werden."
VI. Im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt argumentiert:
Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag sei im Vergleich zu der ursprünglichen Fassung mit Merkmalen eingeschränkt, die in der eingereichten Anmeldung auf Seite 3, Zeilen 8 bis 12, Seite 5, Zeilen 1, 2 und 27 bis 31, Seite 6, Zeilen 7 bis 11, Seite 8, Zeilen 25 bis 31, Seite 16, Zeilen 6 bis 9 und in den Ansprüchen 21, 32, 34 und 35 offenbart seien, weshalb die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt seien.
Der vorliegende Anspruchssatz genüge auch den Anforderungen an die Klarheit, da der Begriff "pastös" nach fachmännischem Verständnis unzweideutig sei.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Lehre des Dokuments D5 durch die im kennzeichnenden Teil genannten Merkmale. Insbesondere sei die dort beschriebene Vorrichtung aufgrund des relativ langen, durch die Geometrie des Abstandhalters bedingten Fliesswegs nur für dünnflüssiges Silikon geeignet, das erst in der Düse abbinde. Dagegen sei diese bekannte Vorrichtung weder für die Verarbeitung von bereits im Mischer abbindenden, herkömmlichen Versiegelungsmassen wie Thiokol oder Polyurethan zu verwenden, noch für die Bildung eines einheitlichen Stranges, welcher sich über eine Breite von 15 bis 25 mm zwischen den Glastafeln einer Isolierglasscheibe erstrecke. Da sich der in dem Dokument D5 beschriebene Anlagentyp aus den genannten Gründen in der industriellen Praxis nicht bewährt habe, erfahre diese Druckschrift in der Fachwelt auch keine weitere Berücksichtigung. Als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei sie jedenfalls ungeeignet. Zudem würden im Dokument D5 statische und dynamische Mischer als gleichwertige Alternativen genannt, weshalb der Fachmann der Entgegenhaltung diesbezüglich keine klare Lehre entnehmen könne. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe jedoch schon aufgrund der Merkmale des als Versiegelungsmasse verwendeten Materials und des einheitlichen, sich von der einen Glastafel bis zu der 15 mm bis 25 mm beabstandeten, gegenüberliegenden Glastafel erstreckenden Stranges auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte umso mehr, wenn man berücksichtige, dass anspruchsgemäß die Düse, die aus dem Speicher und dem Verdränger bestehenden Anordnungen sowie der dynamische Mischer auf einem beweglichen gemeinsamen Träger angebracht seien und zusammen mit der Düse am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegt würden. Mit diese Anordnung werde der Förderweg zwischen dem dynamischen Mischer und der Düse verkürzt, wodurch vermieden werde, dass die Versiegelungsmasse bereits vor Erreichen des Zwischenraums zwischen den beiden Glastafeln zu stark abbinde und sich in der Förderleitung oder der Düse festsetze. Da der zitierte Stand der Technik weder diese Anordnung von Speicher, Verdränger und dynamischem Mischer, noch ihre Bewegung gemeinsam mit der Düse entlang des Randes der Isolierglasscheibe thematisiere, sei auch dieser weitere Aspekt der Erfindung nicht nahegelegt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des Hauptantrags
1.1 Der geltende Hauptantrag ist erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht worden.
1.2 Gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung (oder Erwiderung) zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens sind von der Kammer neben der Komplexität des neuen Vorbringens auch der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Nach Artikel 13 (3) VOBK sind Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung dann nicht mehr zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer (oder anderen Beteiligten) ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
1.3 Die Kammer stellt fest, dass der vorliegende Hauptantrag im Wesentlichen auf den bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens mit der Beschwerdeschrift eingereichten Hilfsantrag 8 zurückgeht. Die weiteren, am Anspruchssatz vorgenommenen Anpassungen sind als eine angemessene Reaktion auf Einwände der Kammer im Ladungsbescheid und in der mündlichen Verhandlung zu werten. Komplexe Fragen, die das Beschwerdeverfahren erschweren oder eine Verlegung der mündlichen Verhandlung notwendig machen würden, werden durch die Änderung des Vorbringens nicht aufgeworfen. Insofern sieht die Kammer keine Veranlassung dafür, den geänderten Hauptantrag trotz seiner späten Vorlage nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13 (1) und (3) VOBK.
2. Artikel 123 (2) EPÜ - Änderungen
Anspruch 1 nach dem Hauptantrag beruht auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 21, 32, 34 und 35 und der Offenbarung in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 5, Zeilen 1, 2 und 27 bis 31 sowie auf Seite 8, Zeilen 25 bis 31. Die sich daran anschließenden abhängigen Ansprüche 2 bis 12 haben ihre jeweilige Basis in den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 11 und 13. Damit ist der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche unmittelbar und eindeutig in der ursprünglich eingereichten Fassung der Patentanmeldung offenbart. Ein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ liegt nicht vor.
3. Regel 164 EPÜ - Prüfung der Einheitlichkeit durch das Europäische Patentamt
3.1 Die mit der internationalen Anmeldung eingereichten Ansprüche sind vom Europäischen Patentamt als Internationale Recherchenbehörde als nicht einheitlich angesehen worden. Der entsprechenden Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren ist die Anmelderin nicht nachgekommen, sodass nur die der ersten Erfindung zugeordneten Ansprüche 1 bis 13 und 32 bis 34 Gegenstand einer Recherche gewesen sind. Der vorliegende, geänderte Anspruch 1 weist jedoch nicht nur Merkmale der recherchierten Ansprüche 1, 32 und 34 auf, sondern auch Charakteristika der ursprünglichen Ansprüche 21 und 35, die der zweiten und dritten Erfindung zugeordnet und mangels Gebührenzahlung nicht recherchiert worden sind. Aufgrund dieser Konstellation ist zu klären, ob die Anmeldungsunterlagen nach dem vorliegenden Hauptantrag die Erfordernisse von Regel 164 (2) EPÜ in der hier anwendbaren, vom 1. April 2010 bis zum 31. Oktober 2014 gültigen Fassung (im Folgenden bezeichnet als Regel 164 (2) EPÜ) erfüllen, die im zweiten Halbsatz vorsieht, dass die Anmeldung auf eine einzige Erfindung zu begrenzen ist, die im internationalen Recherchenbericht (oder im ergänzenden europäischen Recherchenbericht) behandelt wurde.
3.2 Die Erläuterungen zur Regel 164 (2) EPÜ in Dokument CA/PL 17/06 (vgl. Sonderausgabe 5 zum ABl. EPA 2007, 278) betonen, dass in Übereinstimmung mit der Stellungnahme G 2/92 (vgl. ABl. EPA 1993, 591) eine Sachprüfung grundsätzlich nur in Bezug auf eine recherchierte Erfindung durchgeführt wird.
Folglich soll der hier relevante zweite Halbsatz der Regel 164 (2) EPÜ insbesondere verhindern, dass während des Erteilungsverfahrens einer Euro-PCT-Anmeldung von einer recherchierten Erfindung auf eine ursprünglich beanspruchte, aber wegen Nicht-Zahlung der zusätzlichen Recherchengebühr nicht recherchierte Erfindung gewechselt wird.
3.3 Im vorliegenden Fall ist in dieser Hinsicht festzustellen, dass der geltende Anspruch 1 sämtliche Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 32 aufweist. Er betrifft damit weiterhin die erste, recherchierte Erfindung, die mit Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 21 und 35, die der zweiten bzw. dritten Erfindung zugeordnet worden sind, weiter eingeschränkt ist, wofür es in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 12, zweiter Absatz, sowie im einzigen Ausführungsbeispiel ab Seite 13 eine grundsätzliche Offenbarung gibt. Es wird also mit dem vorliegenden Verwendungsanspruch 1 weiterhin Schutz für den als erste Erfindung benannten Gegenstand begehrt. Da dieser im internationalen Recherchenbericht behandelt worden ist, liegt kein Wechsel zu einer nicht recherchierten Erfindung vor, was zu verhindern, wie oben dargelegt, die Intention der Regel 164 (2), zweiter Halbsatz, EPÜ ist. Deren Vorschriften stehen dem Hauptantrag folglich nicht entgegen.
4. Artikel 56 - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Nächstkommender Stand der Technik
4.1.1 Der Rechtsprechung der Beschwerdekammern folgend wird bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit nach dem Aufgabe-Lösungsansatz von einem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen. Bei der Auswahl dieses Ausgangspunktes wird in der Regel darauf abgestellt, dass er einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, der also die wenigsten strukturellen Änderungen erfordert (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, 2013, Abschnitt I.D.3.1).
4.1.2 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass im verfügbaren Stand der Technik das Dokument D5 die einzige Entgegenhaltung ist, die die Versiegelung einer Isolierglasscheibe betrifft, wobei für das Mischen der dafür eingesetzten Versiegelungsmasse ein dynamischer Mischer genannt wird (vgl. D5, Seite 5, Zeilen 20 bis 26). Auf Grundlage der oben genannten, in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sieht die Kammer dieses Dokument als nächstkommenden Stand der Technik an.
4.1.3 Die Beschwerdeführerin verweist darauf, dass sich die aus dem Dokument D5 bekannte Vorrichtung in der industriellen Praxis nicht bewährt habe, weshalb sie als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ungeeignet sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin würde der Fachmann daher nicht von dem Dokument D5 ausgehen, sondern von einer bis dato fachüblichen Lösung mit statischem Mischer.
4.1.4 Diesem Vorbringen kann sich die Kammer nicht anschließen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Ermittlung des nächstliegenden Standes der Technik im Rahmen des Aufgabe-Lösungsansatzes kein subjektiver, sondern ein objektiver Vorgang ist. Da keine Belege für das Vorhandensein eines technischen Vorurteils gegenüber dem Einsatz von dynamischen Mischern im Rahmen der Isolierglasscheibenversiegelung vorliegen, kann der bloße Hinweis, die aus dem Dokument D5 bekannte Vorrichtung habe sich in der industriellen Praxis nicht bewährt, die technische Lehre dieser Entgegenhaltung nicht relativieren. Vielmehr dient sie objektiv dem gleichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung und hat die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein, sodass sie für die Zwecke des Aufgabe-Lösungsansatzes als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist.
4.2 Unterscheidungsmerkmale
4.2.1 Von der Offenbarung des Dokuments D5 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag durch die folgenden, im kennzeichnenden Teil genannten Merkmale:
a) Die pastöse Masse ist eine Masse auf der Basis eines Thiokols oder eines Polyurethans.
b) Beim Einspritzen wird ein einheitlicher Strang aus der pastösen Masse gebildet, welcher sich von der einen Glastafel bis zu der 15 mm bis 25 mm beabstandeten gegenüberliegenden Glastafel erstreckt.
c) Die Düse und die mit ihr in Verbindung stehenden Anordnungen, welche aus dem Speicher und dem Verdränger bestehen, sowie der mit der Düse in Verbindung stehende dynamische Mischer sind auf einem beweglichen gemeinsamen Träger angebracht und werden zusammen mit der Düse am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegt.
4.2.2 Die Beschwerdeführerin sieht zusätzlich zu den genannten Merkmalen a) bis c) in dem Aspekt, dass die Masse, wenn sie durch den dynamischen Mischer hindurchgefördert wird, bereits pastös ist und dann fortschreitend abbindet, wobei sie sich verfestigt, einen weiteren Unterschied zum Dokument D5, wo aufgrund des langen, durch die Geometrie des Abstandhalters bedingten Fliesswegs nur dünnflüssiges Silikon zum Einsatz käme, das erst in der Düse abbinde.
4.2.3 In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf die konkrete Offenbarung auf Seite 6, Zeilen 13 bis 22 des Dokuments D5. Dort wird die Möglichkeit erläutert, dass der pastösen Masse im Mischer Wärme zugeführt wird, wobei die Temperatur der Masse unter 90°C gehalten wird ("In another method, the individual streams of components A and B are heated prior to the time that they are mixed in the airless mixer. Appropriate heaters are designated as 112, 114 in Figure 1, and may be heat exchangers of the tube and shell variety. Heat energy may be added to the sealant as it is mixed in mixer 108. [...]. We prefer to maintain the temperature of the individual components, and of the mixed sealant, below about 90°C until just before the sealant is pumped into the spaced recesses in the insulating glass window unit."). In der Düse wird die Masse dann auf eine Temperatur von 110°C aufgeheizt, bei der sie sich innerhalb von ca. 10 Sekunden verfestigt (D5, Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz), wobei der temperaturabhängige Vernetzungsprozess bereits bei 90°C, also der Massetemperatur im Mischer, stattfindet, wenn auch deutlich langsamer (D5, Seite 8, zweiter Absatz: "Desirably, the gel time at 90-95°C ranges from about 30 to about 90 seconds, and the gel time at 110°C ranges from about two to about ten seconds.")
Unter Berücksichtigung dieser Lehre kann die Kammer im anspruchsgemäßen Merkmal, wonach die Masse, wenn sie durch den dynamischen Mischer hindurchgefördert wird, bereits pastös ist und dann fortschreitend abbindet, wobei sie sich verfestigt, keine weitere Abgrenzung zur Offenbarung im Dokument D5 erkennen. Damit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 vom Dokument D5 in den oben genannten Merkmalen a) bis c).
4.3 Technische Wirkung und objektive technische Aufgabe
Während die Unterscheidungsmerkmale a) und b) für sich genommen in der Beschreibung der zurückgewiesenen Anmeldung eher als fachübliche Maßnahmen dargestellt werden (vgl. Seite 3, Zeilen 10 bis 12, Seite 5, Zeilen 27 bis 31 sowie Seite 8, Zeilen 25 bis 29), wird das Merkmal c) dort im Rahmen der Offenbarung der Erfindung als vorteilhafte Ausgestaltung beschrieben (vgl. Seite 4, Zeilen 8 bis 11). Die mit dem letztgenannten Merkmal erreichte technische Wirkung liegt nach Auffassung der Beschwerdeführerin darin, dass der Förderweg zwischen dem dynamischen Mischer und der Düse sehr kurz gehalten wird, um so die Gefahr, dass die Versiegelungsmasse bereits vor Erreichen des Zwischenraums zwischen den beiden Glastafeln zu stark abbindet und sich durch die Verfestigung in der Leitung oder der Düse festsetzt, zu minimieren.
Folglich besteht die zu lösende objektive technische Aufgabe darin, den Förderweg zwischen dem dynamischen Mischer und der Düse zu verkürzen, um so die Gefahr einer vorzeitigen Verfestigung der Versiegelungsmasse zu minimieren.
4.4 Beanspruchte Lösung
Die im Anspruch nach dem Hauptantrag vorgeschlagene Lösung stellt darauf ab, dass die Düse und die mit ihr in Verbindung stehenden Anordnungen, welche aus dem Speicher und dem Verdränger bestehen, sowie der mit der Düse in Verbindung stehende dynamische Mischer auf einem beweglichen gemeinsamen Träger angebracht sind und zusammen mit der Düse am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegt werden. Diese kompakte Bauweise wird dadurch ermöglicht, dass aufgrund des Einsatzes eines dynamischen statt des statischen Mischers geringere Förderdrücke benötigt werden, weshalb weniger robuste und damit leichtere Fördereinrichtungen vorgesehen werden können (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeile 32 bis Seite 4, Zeile 11).
Im verfügbaren Stand der Technik findet sich kein Hinweis auf die beanspruchte Lösung: Das Dokument D5 erwähnt zwar die beiden Möglichkeiten, dynamische oder statische Mischer einzusetzen, nennt hinsichtlich dieser Alternativen aber keinerlei Vor- oder Nachteile. Auch bezüglich der konstruktiven Möglichkeiten, die die Auswahl eines dynamischen Mischers eröffnet, insbesondere die beanspruchte Anordnung der Düse, des Speichers und Verdrängers und des dynamischen Mischers auf einem gemeinsamen, am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegten Trägers, bietet die Entgegenhaltung D5 keine Anregung. Insofern kann sie für sich genommen den Gegenstand von Anspruch 1 nicht nahelegen.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften betreffen entweder dynamische Mischer als solche (D1 bis D3) oder Versiegelungsvorrichtungen für Isolierglasscheiben mit statischem Mischer (D4) bzw. ohne Erwähnung des Mischers (D6). Eine Anordnung der Düse, des Speichers und Verdrängers und des dynamischen Mischers auf einem gemeinsamen, am Rand der Isolierglasscheibe entlang bewegten Träger ist daraus nicht bekannt, weshalb auch diese Entgegenhaltungen nicht geeignet sind, allein oder in Zusammenschau mit dem Dokument D5 zur beanspruchten Lösung zu führen.
Aus diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
5. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
Wie unter Punkt 3.13.1 oben erläutert, ist der ursprüngliche Anspruch 21, auf den das für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bedeutsame Merkmal der Anordnung der Düse, des Speichers und Verdrängers und des dynamischen Mischers auf einem gemeinsamen beweglichen Träger zurückgeht, nicht recherchiert worden. Auch wenn die Kammer den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag gegenüber den derzeit im Verfahren befindlichen Druckschriften als erfinderisch ansieht, kann sie angesichts der durchgeführten Teilrecherche nicht davon ausgehen, dass der ihr vorliegende Stand der Technik vollständig ist. Die Kammer hält es im vorliegenden Fall daher für geboten, ihr Ermessen nach Artikel 111 (1) EPÜ dahingehend auszuüben, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage des geltenden Hauptantrags, gegebenenfalls nach Durchführung einer zusätzlichen Recherche, zurückzuverweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrages zurückverwiesen.