T 1993/12 () of 24.3.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T199312.20150324
Datum der Entscheidung: 24 März 2015
Aktenzeichen: T 1993/12
Anmeldenummer: 05804996.6
IPC-Klasse: C08L 21/00
C08L 9/00
C09D 109/00
C09D 121/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SPRITZBARE, NIEDRIGVISKOSE KAUTSCHUK-DÄMPFUNGSMASSEN
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: EFTEC AG
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0108/91
T 0190/99
T 1023/02
T 0431/03
T 0177/08
T 0195/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1946/16
T 1190/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 16. Juli 2012 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 838 778 (Anmeldenummer 05 804 996.6, zurückgehend auf die internationale Patentanmeldung Nr. PCT/EP2005/013728 veröffentlicht als WO 2006/076958) widerrufen wurde.

II. Die Einsprechende hatte Einspruch eingelegt und während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang auf Grund mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ), sowie unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) beantragt. Anspruch 1 des Patents lautete wie folgt (die Änderungen gegenüber Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung wurden von der Kammer hervorgehoben):

"1. Spritzbare, [deleted: niedrigviskose] Kautschukdämpfungsmasse auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, die eine Viskosität bei 20°C von 1000 mPa.s bis 100.000 mPa·s gemessen nach DIN 53019 haben, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung a) 5-50 Gew. % flüssige(s) Polyen(e) mit einem Molekulargewicht unter 20000,

b) ein Vulkanisationssystem ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus

? Schwefel und einem oder mehreren organischen Beschleuniger(n) und Metalloxid(en),

? peroxidischen Vulkanisationssystemen oder

? Chinonen, Chinondioximen oder Dinitrosobenzol, ggf. in Kombination mit organischen Beschleunigern und/oder Metalloxid(en)

c) Kurzfasern mit einer mittleren Faserlänge von 50 µm bis 500 µm, vorzugsweise 100 µm bis 250 µm, wobei die Masse 0,5 bis 15 Gew. % Kurzfasern enthält,

d) ggf. weitere Zusätze ausgewählt aus der Gruppe gebildet durch

? Thermoplastische Polymere in Form von feinzerteilten Pulvern,

? Füllstoffe,

? Leichtfüllstoffe,

? Klebrigmacher und/oder Haftvermittler,

? Extenderöle,

? Alterungsschutzmittel,

? Rheologiehilfsmittel, oder deren Mischungen, enthält, wobei die Summe der Bestandteile a) bis d) sich zu 100 Gew.-% addieren."

III. Der Entscheidung lag das Patent wie erteilt als Hauptantrag, sowie zwei während der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2012 eingereichte Hilfsanträge, zu Grunde. In der angefochtenen Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es in der ursprünglichen Anmeldung keine Offenbarung für natürliche und/oder synthetische olefinische Doppelbindungen enthaltende Elastomeren und Vulkanisationsmittel mit einer Viskosität bei 20°C von 1000 mPas bis 100 000 mPas gemessen nach DIN 53019 gäbe, so dass der Hauptantrag die Bedingungen von Artikel 123(2) EPÜ nicht erfüllte. Durch die Änderung im 1. und 2. Hilfsantrag, wodurch die Viskositätsangabe nicht mehr die natürliche und/oder synthetische olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmittel, sondern die spritzbare Kautschukdämpfungsmasse betraf, wurde der Schutzumfang erweitert. Der geänderte Anspruch 1 der 1. und 2. Hilfsanträge verstieß daher gegen die Bestimmungen von Artikel 123(3) EPÜ.

IV. Mit der Beschwerdebegründung vom 9. November 2012 legte die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruchssatz als Hauptantrag vor. Anspruch 1 dieses Satzes lautete wie folgt (die Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wurden von der Kammer hervorgehoben):

"1. Spritzbare Kautschukdämpfungsmasse auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, die eine Viskosität bei 20°C von 1000 mPa.s bis 100.000 mPa.s gemessen nach DIN 53019 hat [deleted: haben], dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung

a) 5-50 Gew. % flüssige(s) Polyen(e) mit einem Molekulargewicht unter 20000,

b) ein Vulkanisationssystem ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus

? Schwefel und einem oder mehreren organischen Beschleuniger(n) und Metalloxid(en),

? peroxidischen Vulkanisationssystemen oder

? Chinonen, Chinondioximen oder Dinitrosobenzol, ggf. in Kombination mit organischen Beschleunigern und/oder Metalloxid(en)

c) Kurzfasern mit einer mittleren Faserlänge von 50 µm bis 500 µm, vorzugsweise 100 µm bis 250 µm, wobei die Masse 0,5 bis 15 Gew. % Kurzfasern enthält,

d) ggf. weitere Zusätze ausgewählt aus der Gruppe gebildet durch

? Thermoplastische Polymere in Form von feinzerteilten Pulvern,

? Füllstoffe,

? Leichtfüllstoffe,

? Klebrigmacher und/oder Haftvermittler,

? Extenderöle,

? Alterungsschutzmittel,

? Rheologiehilfsmittel, oder deren Mischungen, enthält, wobei die Summe der Bestandteile a) bis d) sich zu 100 Gew.-% addieren."

Mit diesem Schreiben wurde ebenfalls ein weiterer Anspruchssatz als zweiter Hilfsantrag eingereicht.

V. In einer Telefax-Mitteilung vom 05. März 2015 wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer informiert.

VI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Es sei nicht strittig, dass die Ansprüche gemäß vorliegendem Hauptantrag die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen.

b) Eine streng sprachliche Interpretation des erteilten Anspruchs 1 sei technisch nicht nachvollziehbar. Unter Heranziehen der gesamten Unterlagen des Streitpatents, zum Beispiel im Hinblick auf Absatz [0018], sei offensichtlich, dass es erfindungswesentlich ist, dass die Kautschukdämpfungsmasse als ganze eine niedrige Viskosität aufweise, so dass sie mit den Spritzapplikationsgeräten des Standes der Technik applizierbar ist. Dementsprechend sei es bei Würdigung des Gesamtzusammenhangs für den Fachmann selbstverständlich, dass sich die im erteilten Anspruch 1 enthaltene Viskositätsangabe auf den Oberbegriff "spritzbare Kautschukdampfungsmasse" bezieht. Daher verstoße der geänderte Anspruch 1 nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123(3) EPÜ.

VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Es wurden keine Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ gegen die Ansprüche des Hauptantrags erhoben.

b) Anspruch 1 des Streitpatents sei unklar und somit auslegungsbedürftig. Die Viskositätsangabe im erteilten Anspruch 1 könne sich entweder auf die Vulkanisationsmittel, auf die Mischungen aus Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, oder auf Elastomere und Vulkanisationsmittel einzeln beziehen. Der vorliegende Hauptantrag betreffe daher die einzige Variante, die durch eine sprachliche Auslegung des erteilten Anspruchs 1 nicht möglich und somit nicht mitumfasst sei. Die Angabe in Anspruch 7 des gleichen Viskositätsbereichs für die Kautschukdämpfungsmasse sei mit der Verwendung von Zusatzstoffen wie zum Beispiel Extenderölen, wie in Absatz [0026] des Streitpatents beschrieben, zu erklären. Daher seien die Ansprüche 1 und 7 nicht widersprüchlich.

c) Der Ausdruck "niedrigviskose" in den Absätzen [0001], [0014] und [0018] sei nicht definiert, so dass man die Viskositätsangabe im erteilten Anspruch 1 nicht als die der Kautschukdämpfungsmasse verstehen könne. Außerdem sei die Verwendung der Pluralform "haben" korrekt, unabhängig davon, ob sich das Verb auf Elastomere oder Vulkanisationsmittel beziehe.

d) Wie vom Absatz [0036] des Streitpatents gezeigt werde, würde der Fachmann verstehen, dass es bei der vorliegenden Erfindung auf die Viskosität der flüssigen Polyene und auf den Verzicht von Festkautschuken ankäme. Somit betreffe die Viskositätsangabe im erteilten Anspruch 1 nicht die der spritzbaren Kautschukdämpfungsmasse.

e) Darüber hinaus gäbe eine bloße Diskrepanz zwischen Anspruch 1 und der Beschreibung keinen Anlass dem Anspruch eine andere Bedeutung zuzumessen. In diesem Zusammenhang wurden die Entscheidungen T 1023/02, T 0108/91, T 0190/99, T 0177/08, T 0195/09 und T 0431/03 herangezogen.

f) Der geänderte Anspruch 1 verlange nun nicht mehr, dass die Vulkanisationsmittel und/oder die Mischungen mit Elastomeren die im erteilten Anspruch definierte Viskosität haben. Infolgedessen verletze der geänderte Anspruch 1 die Bestimmungen von Artikel 123(3) EPÜ.

g) Weitere formelle Einwände gegen die Gewährbarkeit der Ansprüche 1 bis 13 des Hauptantrags wurden nicht erhoben.

VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des mit Schreiben vom 9. November 2012 eingereichten Hauptantrags, oder hilfsweise auf der Basis der erteilten Fassung (Hilfsantrag 1), oder des mit Schreiben vom 9. November 2012 eingereichten zweiten Hilfsantrags, aufrecht zu erhalten.

IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

X. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ

2. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrages stellt eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 7 und 8 dar, wobei der Begriff "niedrigviskose" im Hinblick auf die spezifische Viskositätsangabe gestrichen wurde. Somit geht der geänderte Anspruch 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, was von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde. Es ist ebenfalls nicht strittig, dass der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 (Kautschukdämpfungsmassen) und der Ansprüche 9 bis 13 (Herstellung dieser Massen, Verfahren und Verwendung, die diese Massen benutzen), deren Wortlaut sich auf die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 13 stützen, und die sich auf eine vorhergehende Definition der Kautschukdämpfungsmasse beziehen, ebenfalls die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen. Die Ansprüche gemäß dem vorliegenden Hauptantrag erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Artikel 123(3) EPÜ

3. Nach Artikel 123 (3) EPÜ darf das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass der Schutzbereich erweitert wird. Bei der Beurteilung, ob die nach der Erteilung vorgenommenen Änderungen die Bestimmungen des Artikels 123 (3) EPÜ verletzen, ist im vorliegenden Fall daher die Frage zu untersuchen, ob die spritzbare Kautschukdämpfungsmasse gemäß dem geänderten Anspruch 1 unter den Schutzbereich des erteilten europäischen Patentes fiel.

4. Nach Artikel 69 EPÜ wird der Schutzbereich eines europäischen Patentes durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Nach dem Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ, das gemäß Artikels 164 Absatz 1 EPÜ Bestandteil des Übereinkommens ist, "ist der Schutzbereich des europäischen Patentes nicht so zu verstehen, dass er sich aus dem genauen Wortlaut der Ansprüche ergibt und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung eventueller Unklarheiten in den Ansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Artikel 69 dahin gehend auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden."

5. Der Streitpunkt zwischen den Parteien bezüglich der Auslegung von Anspruch 1 des Streitpatents im Lichte ihrer Beschreibung betrifft lediglich die Frage, ob die Viskositätsangabe "bei 20°C von 1000 mPa.s bis 100.000 mPa.s gemessen nach DIN 53019" die beanspruchte spritzbare Kautschukdämpfungsmasse oder die natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomere und Vulkanisationsmittel, auf deren Basis die beanspruchte spritzbare Kautschukdämpfungsmasse hergestellt wird, betrifft.

6. Gemäß Absatz [0001] der Beschreibung betrifft die Erfindung "spritzbare, niedrigviskose Zusammensetzungen auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen, olefinischen Doppelbindungen enthaltenen Elastomeren (Kautschuken), die im vulkanisierten Zustand akustisch dämpfende Eigenschaften haben".

7. Das Streitpatent macht in den Paragraphen [0013] bis [0018] deutlich, dass der Bedarf bestand, bekannte Zusammensetzungen so weiter zu entwickeln, dass diese bei Raumtemperatur oder gegebenenfalls nur leicht erhöhter Temperatur eine ausreichend niedrige Viskosität aufweisen, dass sie mit den Spritzapplikationsgeräten des Standes der Technik gezielt in den Bereichen einer Kraftfahrzeug-Rohkarosserie applizierbar sind, in denen sie die höchste Effektivität in Bezug auf akustische Dämpfung bewirken.

8. Gemäß Paragraph [0019] des Streitpatents ist die erfindungsgemäße Lösung dieser Aufgabe den Patentansprüchen zu entnehmen. Sie besteht in Hauptsache aus der Bereitstellung von spritzbaren Kautschukdämpfungsmassen auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, die eine Viskosität bei 20°C von 1000 mPa·s bis 100 000 mPa.s gemessen nach DIN 53019 haben, wobei die Komponenten dieser Zusammensetzung in dem gleichen Paragraph in der gleichen Weise wie im Anspruch 1 des Streitpatents definiert werden.

9. Die Pluralform "haben" in diesem Paragraph könnte sich rein grammatikalisch sowohl auf "die spritzbaren Kautschukdämpfungsmassen", als auch auf "die natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln" beziehen. Dennoch kann sich die Pluralform für den Fachmann auf Grund der vorangegangenen technische Aufgabe - die unter anderem die Entwicklung von Kautschukzusammensetzungen mit ausreichend niedriger Viskosität, die mit Spritzapplikationsgeräten des Standes der Technik gezielt in den Bereichen einer Kraftfahrzeug-Rohkarosserie applizierbar sein sollen, betrifft - nur auf die gesamte Zusammensetzung, d.h. auf die spritzbare Kautschukdämpfungsmasse, beziehen. Das bedeutet, dass die Viskositätsangabe, "bei 20°C von 1000 mPa·s bis 100 000 mPa.s gemessen nach DIN 53019" in Paragraph [0019] lediglich die ausreichend niedrige Viskosität der Kautschukdämpfungsmasse definiert.

10. Dieses wird im Absatz [0036], Zeilen 21-22 explizit bestätigt: "die erfindungsgemäßen Kautschukdämpfungsmassen haben dabei eine Viskosität bei 20°C von 1000 mPa·s bis 100 000 mPa·s gemessen nach DIN 53019".

11. Im Hinblick auf die Mengenangaben für die flüssigen Polyene (5 bis 50 Gew.-%) und für die anderen Komponenten, die entsprechend 50 bis 95 Gew.-% der Kautschukdämpfungsmasse ausmachen können, würde der im Anspruch 1 definierte Viskositätsbereich, wenn dieser für die flüssigen Polyene gemeint wäre, nicht ausreichen, um Zusammensetzungen zu definieren, die als ganzes eine ausreichend niedrige Viskosität für Spritzapplikationen aufweisen. Daher kann die Angabe im Absatz [0036], dass "bei den Zusammensetzungen gemäß vorliegender Erfindung auf den Zusatz von Festkautschuken vollständig verzichtet werden" kann, kein Indiz darstellen, dass die Viskositätsangabe im Anspruch 1 die der flüssigen Polyene betrifft.

12. Infolgedessen ist festzustellen, dass im Lichte der Beschreibung kein Zweifel besteht, dass die Viskositätsangabe die der beanspruchten spritzbaren Kautschukdämpfungsmasse darstellt. Daher definiert der geänderte Anspruch 1 den Gegenstand, für den bei näherer Betrachtung des Streitpatents in der erteilten Form Schutz begehrt wurde.

13. Diese Schlussfolgerung ist im Einklang mit der von der Beschwerdegegnerin zitierten Rechtsprechung (T 0108/91 und T 0190/99) wonach die Änderung eines erteilten Anspruchs, durch die eine unrichtige technische Aussage, die mit der Gesamtoffenbarung des Patents offensichtlich unvereinbar ist, durch die richtige Angabe der betreffenden technischen Merkmale ersetzt wird, nicht gegen Artikel 123(3) EPÜ verstößt. Die anderen zitierten Entscheidungen betreffen entweder Situationen, in denen nicht festgestellt wurde, dass eine solche unrichtige technische Aussage in den erteilten Ansprüchen vorlag (T 177/08 und T 195/09) oder Fälle, bei denen eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung nicht in Zusammenhang mit der Frage stand, ob eine Erweiterung des Schutzbereichs vorlag (T 1023/02 und T 0431/03). Somit sind diese anderen zitierten Entscheidungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.

14. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass der geänderte Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123(3) EPÜ verstößt.

Zurückverweisung

15. Aus der obigen Feststellung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin die in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwände ausgeräumt hat. Da die Einspruchsabteilung zu den weiteren Einspruchsgründen keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat, hat die Kammer keine Entscheidung in der Angelegenheit insgesamt getroffen und verweist, in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ, die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hauptantrags zurückverwiesen.

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