T 1915/12 () of 16.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T191512.20180716
Datum der Entscheidung: 16 Juli 2018
Aktenzeichen: T 1915/12
Anmeldenummer: 02772042.4
IPC-Klasse: G08C 19/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Übertragung von Daten von wenigstens einem Sensor zu einem Steuergerät
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: Conti Temic Microelectronic GmbH
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent mit der Nummer EP 1 436 795 zu widerrufen.

II. Die angefochtene Entscheidung hat folgende Anträge der Patentinhaberin behandelt:

- Die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag);

- Hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, auf der Grundlage eines der folgenden Hilfsanträge:

- Hilfsantrag 1, eingereicht mit Telefax vom 24. April 2012;

- Hilfsanträge 2 und 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2012.

Die Einspruchsabteilung stellte im wesentlichen fest, dass der Inhalt der als WO 2002/091327 A2 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung EP 1 386 299 A0 (Dokument D1) zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ gehört, und dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 sämtlicher Anträge gegenüber dem Dokument D1 nicht neu ist.

III. Mit der Beschwerdebegründung (Telefax vom 30. Oktober 2012) reichte die Beschwerdeführerin Anspruchssätze gemäß Hilfsanträge 1 bis 3 ein. Als Hauptantrag beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung gemäß eines der Hilfsanträge 1 bis 3. Weiter hilfsweise beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

IV. Die Einsprechende hat mit Schreiben vom 26. März 2013, eingegangen per Telefax am 17. April 2013, ihren Einspruch zurückgenommen und ist deswegen am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt.

V. In einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ teilte die Kammer ihre vorläufige Ansicht mit, wonach der Inhalt des Dokuments D1 die Neuheit der erteilten Ansprüche im Sinne von Artikel 54 (1) und (3) EPÜ nicht vorwegnimmt. Die Kammer äußerte ihre Absicht, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen und ersuchte die Beschwerdeführerin zu erklären, ob für diesen Fall der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufrechterhalten wird. In einem Schreiben vom 29. Juli 2018 beantragte die Beschwerdeführerin angesichts der in der Mitteilung aufgezeigten Situation "ohne explizit auf die Hilfsanträge 1 bis 3 zu verzichten:

Die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das nachgesuchte Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Hilfsweise eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer anzuberaumen."

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents lautet:

"1. Verfahren zur Übertragung von Daten von wenigstens einem Sensor (7) zu einem Steuergerät (1), wobei für jeden Sensor (7) eine jeweilige Leitung (6), insbesondere Zweidrahtleitung, verwendet wird, wobei für die Übertragung der Daten ein vorgegebener Wertebereich zur Verfügung steht, dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Teil (12) des Wertebereichs für Sensorwerte, ein zweiter Teil (13) für Status- und Fehlermeldungen und ein dritter Teil (14) für Sensoridentifikationsdaten verwendet werden, wobei die drei Teile (12 bis 14) voneinander getrennt sind und aufeinander folgen."

Der unabhängige Anspruch 6 des Streitpatents lautet:

"6. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung ein Steuergerät (1), wenigstens einen Sensor (7) und eine jeweilige Leitung (6) aufweist und dass ein Empfängerbaustein (2) vorhanden ist, der Mittel zum Lesen von Daten von der jeweiligen Leitung (6) aufweist, wobei eine erste Datenrate für das Lesen geringer ist, als eine zweite Datenrate für ein Senden der Daten, dass der wenigstens eine Sensor (7) Aufteilungsmittel für die Daten aufweist, wobei für die Übertragung der Daten ein vorgegebener Wertebereich zur Verfügung steht, wobei ein erster Teil (12) des Wertebereichs für Sensorwerte, ein zweiter Teil (13) für Status- und Fehlermeldungen und ein dritter Teil (14) für Sensoridentifikationsdaten vorgesehen sind, wobei die drei Teile (12-14) voneinander getrennt sind und aufeinander folgen."

Der unabhängige Anspruch 8 des Streitpatents lautet:

"8. Sensor zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 -5, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (7) einen Senderbaustein (8), eine Messwertelektronik (9) und ein Sensierungselement (10) aufweist, dass der Sensor (7) Aufteilungsmittel für die Daten aufweist, wobei für die Übertragung der Daten ein vorgegebener Wertebereich zur Verfügung steht, wobei ein erster Teil (12) des Wertebereichs für Sensorwerte, ein zweiter Teil (13) für Status- und Fehlermeldungen und ein dritter Teil (14) für Sensoridentifikationsdaten vorgesehen sind, wobei die drei Teile (12-14) voneinander getrennt sind und aufeinander folgen."

Die restlichen Ansprüche 2 bis 5, 7 und 9 des Streitpatents sind abhängige Ansprüche.

VII. Die Beschwerdeführerin argumentiert unter anderem, dass gemäß Dokument D1 der Teil des Wertebereichs der für "Zusatzdaten" verwendet wird (d.h. +3 bis -3) Bestandteil des für Sensorwerte verwendeten Teils des Wertebereichs (+120 bis -120) ist. Diese Teile seien daher nicht voneinander getrennt und folgen nicht aufeinander (vgl. letztes Merkmal der Ansprüche 1, 6 und 8 des Streitpatents).

Entscheidungsgründe

1. In der Figur 3 des Dokuments D1 ist ein Verfahren beschrieben, bei dem die Datenübertragung der Sensor- und Zusatzdaten in digitalen Codewörtern erfolgt (siehe D1, Seite 5, ab Zeile 33). Die Codewörter werden in Form einer 8-Bit-Folge gebildet, was 256 Codewörtern entspricht, die von -128 bis +127 dargestellt werden. Die 256 Codewörter von D1 entsprechen dem zu Verfügung stehenden "vorgegebenen Wertebereich" im Sinne der unabhängigen Ansprüchen 1, 6 und 8 des Streitpatents.

2. Auf Seite 6, Zeilen 6 bis 13 von D1 wird Folgendes ausgeführt:

"Von der Menge von 256 Codewörtern ist ein Teil, hier von +127 bis +120 [+121?] sowie von -121 bis -128, für die Übertragung von Steuersignalen und der andere Teil von +120 bis -120 für die Übertragung von Sensordaten vorgesehen. Von den für die Sensordatenübertragung verwendeten Codewörtern (+120 bis -120) wiederum entspricht ein Teil Sensordaten, die für die Steuerung der Anwendungseinheit unkritisch sind, hier aufgrund besonders strenger Anforderungen begrenzt auf die Codewörter von +3 bis -3. Nur dieser Teil der Codewörter wird für die Übertragung der Zusatzdaten verwendet".

Zudem wird auf Seite 6, Zeilen 14 bis 23 Folgendes ausgeführt:

"In diesem Beispiel in Figur 3 sollen nämlich die Sensordatensignale eines Beschleunigungssensors übertragen werden, wobei den Codewörtern +120 bis -120 entsprechende Werte der Beschleunigung zugeordnet sind, also die Erdbeschleunigung g gerade dem Codewort 1 entspricht. .... Der für die Übertragung der Zusatzdaten verwendete Teil der Codewörter entspricht daher gerade einmal dem Bereich von +3g bis -3g, also einem äußerst kleinen und für die Crasherkennung unkritischen Beschleunigungssignalwertebereich."

Zudem geht aus D1, Seite 7, Zeilen 5 bis 9 hervor, dass das Verfahren dazu verwendet wird,

"Sensorherstellungsdaten, insbesondere eine individuelle Sensorbaugruppennummer mit jedem Reset des Sensors abzufragen bzw. zu übertragen[.] Da die Sensorherstellungsdaten jedoch relativ umfangreich sind, ist eine Übertragung der Zusatzdaten in einer Folge von mehreren Codewörtern erforderlich".

In Figur 3 von D1 ist:

- der Teil des Wertebereichs von +127 bis +121 mit "Fehlerinformationen" bezeichnet;

- der Teil des Wertebereichs von -121 bis -128 mit "Statusinformationen" bezeichnet.

3. Diesen Passagen ist nach Ansicht der Kammer eindeutig zu entnehmen, dass der von -128 bis +127 verlaufende Wertebereich von D1 folgende Teilbereiche umfasst:

a) ein Teil von +127 bis +121, der ausschließlich für die Übertragung von Fehlerinformationen enthaltenden Steuersignalen verwendet wird;

b) ein Teil von -121 bis -128, der ausschließlich für die Übertragung von Statusinformationen enthaltenden Steuersignalen verwendet wird;

c) ein Teil von +120 bis -120, der für die Übertragung von Sensordaten verwendet wird;

d) ein Teil von +3 bis -3, der zusätzlich für die Übertragung von Sensorherstellungsdaten bzw. Sensorbaugruppennummer identifizierenden Zusatzdaten verwendet wird.

Damit ist ersichtlich, dass die Werte +3 bis -3 sowohl für die Übertragung von Sensoridentifikationsdaten als auch für die Übertragung von Sensordaten verwendet werden. Somit bildet der für Sensoridentifikationsdaten verwendete Teil des Wertebereichs (+3 bis -3) einen Teil des für Sensorwerte verwendeten Teils des Wertebereichs (+120 bis -120). Es geht daher aus D1 nicht klar und eindeutig hervor, dass diese Teile voneinander getrennt sind und aufeinander folgen (vgl. letztes Merkmal der Ansprüche 1, 6 und 8 des Streitpatents).

Aus diesen Gründen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass der Inhalt der als WO 2002/091327 A2 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung EP 1 386 299 A0 (Dokument D1), die Neuheit der erteilten Ansprüche im Sinne von Artikel 54 (1) und (3) EPÜ nicht vorwegnimmt.

4. Die Kammer teilt die in Absatz 9.7 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Ansicht nicht, wonach eindeutig getrennte Teile vorliegen, weil der Bereich -3 bis +3 für die Übertragung von Zusatzdaten benutzt wird, wohingegen der jenseits dieses Bereichs liegende Bereich nicht zur Zusatzdatenübertragung geeignet sei.

Nach Ansicht der Kammer trifft dieses Argument die Sache nicht. Es geht nicht darum, ob der jenseits des Bereichs -3 bis +3 liegende Bereich zur Zusatzdatenübertragung geeignet ist, sondern, ob der für Sensoridentifikationsdaten verwendete Teil des Wertebereichs (+3 bis -3) von dem für Sensorwerte verwendeten Teil des Wertebereichs getrennt ist. Der für Sensorwerte verwendete Teil des Wertebereichs umfasst den ganzen Bereich von +120 bis -120, nicht nur den jenseits des Bereichs -3 bis +3 liegenden Bereich. Somit überlappt sich der Wertebereich für Sensorwerte mit dem Wertebereich für Sensoridentifikationsdaten.

5. Da sich die angefochtene Entscheidung nicht mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ befasst, hält es die Kammer für angemessen, den Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht zu gewähren, sondern dem Hilfsantrag nachzukommen, nämlich die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

6. Aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. Juni 2018 ergibt sich aus der Reihenfolge der Anträge, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer nur für den Fall beantragt wird, dass ihr Hilfsantrag nicht gewährt würde, nämlich wenn die angefochtene Entscheidung nicht aufgehoben würde und die Sache nicht an die erste Instanz zurückverwiesen würde.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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