European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T189212.20160930 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 September 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1892/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04789958.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 65/06 B23K 20/10 B23K 20/12 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Anordnung zum Reibungsschweißen | ||||||||
Name des Anmelders: | KLN ULTRASCHALL AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Branson Ultraschall, Niederlassung der EMERSON Technologies GmbH & Co. OHG |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit (ja) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
Beweisanzeichen ("sekundäre Indizien") für das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit (siehe Punkt 4.3.3) Zitierte Entscheidungen: Beschluss des Bundespatentgerichts vom 31. Juli 2014 (Aktenzeichen 11 W (pat) 23/08) |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent Nr. 1 670 632 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.
II. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung insbesondere folgende Druckschriften berücksichtigt:
- D1: WO 02/076737 A1;
- D2: A. Schießl: "Reibleistungsvariation beim Vibrationsschweißen technischer Thermoplasten: Realisierung und Potentialabschätzung", Diplomarbeit, Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Universität Erlangen-Nürnberg (2003);
- D4: Auszug aus "Handbuch Lineares Vibrationsschweißen" der Firma Branson (NB: Beschwerdeführerin ist Branson Ultraschall), undatiert;
- D7: DE 40 01 367 A1;
- D16: DE 1 577 011.
Mit ihrem Schreiben vom 11. Dezember 2014 hat die Beschwerdeführerin einen Beschluss des Bundespatentgerichts vom 31. Juli 2014 bezüglich des deutschen Patents 103 47 345, dessen Gegenstand mit dem des Streitpatents verwandt ist, eingereicht.
III. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer hat am 30. September 2016 stattgefunden.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Die unabhängigen Ansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Reibungsschweißen, bei welchem eines der zu verbindenden Teile mit Hilfe eines elektromagnetischen Schwingers (4,5,6) in Schwingung versetzt wird und gesteuert von einem Wegsensor (11) ein Anschwingen durch abwechselnde Magnetisierung zweier entgegengesetzt wirkender Elektromagnete (2,3) erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass nach einem geregelten Anschwingen und einer vorgebbaren Schwingzeit der Schwinger (4,5,6) elektrisch abgebremst wird, dass in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung des Schwingers (4,5,6) beim Anschwingen ein die Bewegung unterstützender Elektromagnet (2,3) und beim Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet (2,3) mit Strom beaufschlagt wird und dass während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird."
"3. Anordnung zum Reibungsschweißen, bei welcher ein Schwinger (4,5,6) vorgesehen ist, mit dem eines der zu verbindenden Teile in Schwingung versetzt wird und der von entgegengesetzt wirkenden Elektromagneten (2,3) angetrieben wird, wobei ein Ausgang eines die jeweilige Position des Schwingers (4,5,6) aufnehmenden Wegsensors (11) mit einem Eingang eines Reglers (12) verbunden ist, der ausgangsseitig an Eingänge einer Leistungsendstufe (13) für die Elektromagnete (2,3) angeschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Regler (12) so ausgebildet ist, dass er die Leistungsendstufe (13) derart ansteuert, dass in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung des Schwingers (4,5,6) ein die Bewegung unterstützender Elektromagnet (2,3) mit Strom beaufschlagt wird, dass zum Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet (2,3) mit Strom beaufschlagt und dass während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird."
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Folgendes vorgetragen:
a) Mangelnde Ausführbarkeit
Es fehle an jeder beispielgebenden Ausführungsform in der Beschreibung, die den technischen Inhalt der Begriffe "geregeltes Anschwingen" und "Regler" vermitteln. Das Streitpatent lasse offen, welche Regelgröße geregelt und welche Stellgröße eingesetzt werden solle. Das Anschwingen könnte auch mit einfacher Steuerung ohne Rückkopplung erfolgen. Dem Streitpatent seien keine Angaben zu entnehmen, auf welche Art der Wegsensor die Steuerung des Schwingers realisiert.
Angesichts der Breite des Anspruchs wären mehrere Ausführungsformen vonnöten.
Der Begriff "Anschwingen" führe nicht notwendigerweise zur Amplitudenregelung, da auch bei einer Frequenzregelung von "Anschwingen" gesprochen werden könne. Auch Absatz [0019] des Streitpatents mache keine Aussage zum Anschwingen generell. Darüber hinaus bleibe offen, inwieweit sich das gesteuerte Anschwingen und das geregelte Anschwingen beeinflussen bzw. überdecken. Es fehle eine Erläuterung der Kombination von zwei Anschwing-Prozessen.
Den Absätzen [0026] und [0027] des Streitpatents sei allenfalls der stationäre Zustand und ein Abbremsen entnehmbar. Sollte man daraus auf ein geregeltes Aufschwingen schließen können, so sei es im Umkehrschluss möglich, bei der Diskussion des Stands der Technik auch vom Aufschwingen auf das Abbremsen zu schließen.
Der Inhalt der Druckschriften D1 und D7 gehöre zum speziellen Fachwissen des Fachmanns und könne nicht als allgemeines Fachwissen gelten. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Fachmann diese Druckschriften kannte. Der genaue Umfang des Fachwissens sei ungewiss. Die Druckschrift D7 sei erst durch die Recherche der Einsprechenden entdeckt worden; weder die Patentinhaberin noch das EPA hätten diese Druckschrift gefunden. Darüber hinaus versetze die Druckschrift D7 den Fachmann nicht in die Lage, die Erfindung auszuführen. Dies gelte auch für die Druckschrift D1. Für den Fachmann sei es nicht trivial, ein gesteuertes Anschwingen seinem allgemeinen Fachwissen zu entnehmen und der Erfindung hinzuzufügen.
b) Fehlende Neuheit
Das Wegmesssystem der Druckschrift D2 (Seite 41) offenbare die Regelung über die Wegsensoren zumindest implizit. Der Fügeweg entspreche dem vom Schwinger zurückgelegten Weg.
Da die Vorrichtung gemäß der Druckschrift D2 über eine Amplitudenregelung verfügt, sei auch das Merkmal eines geregelten Anschwingens offenbart.
Dass ein elektrisches Abbremsen stattfinde, gehe aus der Tatsache hervor, dass die Zeiten für das freie Ausschwingen in der Druckschrift D2 immer länger seien als die Zeiten bei vorgegebener minimaler Ausschwingzeit (Bilder 6.21 bis 6.24). Die Argumentation der Einspruchsabteilung (Entscheidung, Punkt 2.5.1.3) sei technisch falsch, da beim Fahren in Resonanz mit geringerer Stromstärke oder Stromdauer dem Schwinger immer noch Energie zugeführt werde. Die gegenteiligen Argumente der Beschwerdegegnerin würden auf einer Fehlinterpretation der Druckschrift und insbesondere auf einer unzulässigen Kombination von Textstellen beruhen.
Es sei platt selbstverständlich und implizit in der Druckschrift D2 offenbart, beim Anschwingen einen die Bewegung unterstützenden Elektromagneten in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung des Schwingers zu verwenden.
Ein Abschalten des Stroms beim Abbremsen bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude sei ebenfalls zumindest implizit offenbart, da es offensichtlich sei, dass ab einer bestimmten Amplitude kein Strom mehr zum Bremsen benötigt sei.
c) Fehlende erfinderische Tätigkeit
Dem Erfindungsgegenstand fehle es an der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombinationen der Druckschriften D1+D2, D1+D16 und D2+D16.
i) D1+D2
Anspruch 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der Druckschrift D1 dadurch, dass der Schwinger elektrisch abgebremst wird, bzw. beim Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt wird, und dass während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird.
Das "Bestromen" im Sinne des Anspruchs 1 lasse offen, ob der Strom oder die Spannung angesteuert werde. Daraus lässt sich kein weiterer Unterschied ableiten.
Die technischen Effekte sind (1) das Verhindern der Beeinträchtigung der Verbindung und eine kurze Schweißprozesszeit, und (2) das Verhindern des Wieder-Anschwingens mit entgegengesetzter Phasenlage.
Der relevante Fachmann sei ein Maschinenbauer mit Erfahrung im Reibungsschweißen von Kunststoffen und Metallen.
Die Druckschrift D2 lehre in der Zusammenfassung, dass die Festigkeit der Verbindung mit zunehmender Abschwingzeit abnimmt. Dass bei gewissen Experimenten Streuung auftritt, steht dieser klaren Lehre nicht entgegen.
Der Fachmann verstehe, dass in der Druckschrift D2 unterhalb des freien Ausschwingens ein Bremsen stattfinde (siehe Bild 6.14).
Den Fachmann halte nichts davon ab, die Lehre der Druckschrift D2 auf die Druckschrift D1 anzuwenden. Ihm sei das elektromagnetische Prinzip zum Abbremsen bekannt. Die kinematische Umkehr führe ihn dazu, die Elektromagneten hemmend einzusetzen. Dazu bedürfe es keiner konstruktiven Veränderung, sondern nur einer anderen Konfiguration des Reglers, wozu der Fachmann nicht erfinderisch tätig werden müsse.
Das Merkmal des Abschaltens könne auch keine erfinderische Tätigkeit rechtfertigen. In der Druckschrift D1 werde der Schweißprozess durch freies Ausschwingen beendet. Ein Abschalten sei erforderlich, um die Bauteile zu entnehmen. Das Abschalten sei ein logischer Vorgang, der sich für den Fachmann implizit aus der Umsetzung des Abbremsens ergebe. Würde nicht abgeschaltet, würde das System notwendigerweise wieder anschwingen.
ii) D1+D16
Der Fachmann würde die Druckschrift D16 zur Kenntnis nehmen, weil auch sie ein Reibschweißverfahren betrifft (Figur 5). Die Beschwerdeführerin selbst sei eine Firma, die sowohl Reibschweißgeräte gemäß der Druckschrift D1 als auch Bonding-Geräte im Sinne der Druckschrift D16 vertreibe; die Gebiete seien also in der Praxis nicht getrennt. Das Literaturverzeichnis der Druckschrift D2 sei diesbezüglich irrelevant. Die Druckschrift D16 betreffe Metalle sowie einen Frequenzbereich, der von Hz bis kHz reicht. Das Streitpatent sage aber nichts über das Material oder die Bauteilgröße der zu verbindenden Materialien aus. Die Druckschrift D16 versuche, die Abfallzeit zu verringern, weil so ein Großteil der molekularen Bindungen unversehrt bleibt (Seite 5, letzter Satz). Sie offenbare eine elektrische Lösung zum Abbremsen, nämlich ein Ansteuersignal zu erzeugen, das um 180° phasenverschoben ist (Seite 30, letzter Absatz; "elektrische Bremse"). Diese qualitative Lehre lasse sich auf andere Vorrichtungen übertragen, insbesondere auf die Lehre der Druckschrift D1, die einen ähnlichen Frequenzbereich betreffe. Die Druckschrift D1 lehre das Ausschalten bei Beenden des Schwingungsvorgangs; nichts in der Druckschrift spreche gegen eine Verkürzung der Ausschwingzeit. Der Fachmann müsse konstruktiv nichts ändern; es genüge, die Steuerung umzuprogrammieren.
Die Druckschrift D1 enthalte schon das Prinzip des Anhaltens der Schwingungen (Seite 14, Zeilen 21-22). Der Fachmann, der die Bewegung abbremsen will, würde nicht auf den Schritt des Abschaltens verzichten. Selbst wenn er das Abschalten durch das Abbremsen ersetzen würde, müsse er irgendwann abschalten. Er würde aufgrund seines allgemeinen Fachwissens abschalten, um die Gefahr des Wieder-Anschwingens zu vermeiden. Spätestens bei Erreichen der Null-Amplitude werde abgeschaltet.
iii) Andere Überlegungen
Die Beschwerdeführerin hat auch sekundäre Indizien für das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht.
Die Beschwerdeführerin hat zudem auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts in einem ähnlich gelagerten Fall hingewiesen (Aktenzeichen: 11W (pat) 23/08). Das Gericht war zum Schluss gekommen, dem Erfindungsgegenstand fehle es an der erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:
a) Ausführbarkeit
Dem Fachmann stehe sein allgemeines Fachwissen und der Stand der Technik zur Verfügung. Der Begriff "Anschwingen" würde ihn zur Wahl der Amplitudenregelung führen, wie dies auch in der Druckschrift D7 und in der im Streitpatent genannten Druckschrift D1 offenbart sei. Auch Absatz [0019] der Beschreibung führe zur Amplitudenregelung.
Die Differenzierung zwischen allgemeinem und speziellem Fachwissen sei bei der vorliegenden Sachlage nicht dienlich. Auch die Druckschrift D4, die allgemeines Fachwissen darstelle, spreche von der Regelung der Schwingweite.
Das Merkmal betreffend das Anschwingen und das nachfolgende Bremsen dürfe nicht aus dem Zusammenhang gelöst werden. Der Fachmann erkenne aus dem Anspruchswortlaut einen Regelkreis. Dieser werde vom Schwinger 4-6, dem Wegaufnehmer 11, dem Regler 12, der Leistungsendstufe 13 und den Elektromagneten 2,3 gebildet. Die Magnetisierung bzw. der Strom durch die Elektromagnete stelle eine Stellgröße dar.
Der Hinweis auf eine Steuerung durch einen Wegsensor stehe dem Vorhandensein eines Regelkreises nicht entgegen. Dass die Regelung mithilfe des Wegsensors erfolge, gehe insbesondere aus Absatz [0022], Zeilen 40 bis 42 des Streitpatents hervor. Der Fachmann schließe nicht aus dem Steuern auf das Vorhandensein eines Steuerkreises; ein Element kann auch steuernd in einen Regelkreis eingreifen (Beispiel: händisches Drehen eines Lenkrads mit elektronischer Lenkhilfe).
Für den Fachmann sei es auch ein Leichtes, aus der Position des Schwingers auf die Bewegungsrichtung zu schließen; es sei lediglich erforderlich, die Positionen zu mehreren Zeiten zu vergleichen.
Bezüglich der Ausführbarkeit der Erfindung verwies die Beschwerdegegnerin auch auf die Absätze [0018] und [0026] bzw. [0027].
Eine Anmeldung sei für Fachleute bestimmt. Darüber hinaus gebe das Streitpatent einen Weg zur Ausführung an. Die Ansprüche seien nicht so weit gefasst, dass mehrere Ausführungsbeispiele vonnöten seien.
b) Neuheit
In der Druckschrift D2 gebe es keine Steuerung durch einen Wegsensor.
Bei Vibrationsschweißmaschinen wie derjenigen der Druckschrift D2 finde kein geregeltes Anschwingen durch abwechselnde Magnetisierung zweier entgegengesetzt wirkender Elektromagnete statt. Das Anschwingen erfolge vielmehr durch eine an die Magnete angelegte Wechselspannung.
Bezüglich der Argumentation der Beschwerdeführerin zum elektrischen Abbremsen hat die Beschwerdegegnerin vorgebracht, die mit dem Kürzel "frei" versehenen Zeiten seien Zeiten, die der Schwinger benötigt, um ohne bremsendes Werkstück auszuschwingen. Auf Seite 76 sei offenbart, dass "der Schwingkopf bei den Freischwingversuchen nicht durch ein gefügtes Bauteil abgebremst wird". Man müsse daher zwischen "Abbremsen" (durch ein gefügtes Bauteil" und "freiem Ausschwingen" (ohne Bauteil) unterscheiden. Mit Berufung auf Seite 40 hat die Beschwerdegegnerin erklärt, "frei" sei als die von der Maschine ohne die erweiterte Steuerung vorgegebene Sollzeit anzusehen. Die Druckschrift D2 sei eine Diplomarbeit , die die Auswirkungen verschiedener Ein- und Ausschwingzeiten auf die Nahtqualität untersuche. Der Student habe übliche Maschinen verwendet; Vorschläge zu einem elektrischen Abbremsen seien nicht zu erwarten gewesen. Die Ausführungen zum Abbremsvorgang auf der Seite 53 würden auch klarstellen, dass es sich nicht um einen elektrischen Abbremsvorgang handeln könne. Das Umschalten auf die Nullamplitude (Seite 53) zeige, dass an ein geregeltes Ausschwingen und nicht an ein elektrisches Abbremsen gedacht sei. Die SPS-Steuerung möge zu einer abwechselnden Bestromung geeignet sein; die im Frequenzumrichter eingestellte Frequenz lasse jedoch ein Abbremsen nicht zu.
Auch die Beaufschlagung "in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung" sei in der Druckschrift D2 nicht offenbart. Dort würden die Magnete abwechselnd mit Strom beaufschlagt, ohne Berücksichtigung der Bewegungsrichtung.
In der Druckschrift D2 gebe es keinen Hinweis auf das Abschalten des Stroms.
c) Erfinderische Tätigkeit
Der Erfindungsgegenstand sei erfinderisch.
i) D1+D2
Der Diplomand, der die Druckschrift D2 verfasst habe, sei der angemessene Fachmann. Es handle sich um einen Maschinenbauer mit Kenntnissen in der Steuerungstechnik.
Es sei nicht richtig, dass die Druckschrift D2 lehre, dass die Verbindung umso besser sei, je kürzer die Abschwingzeit sei. Dieser Umkehrschluss sei nicht zulässig. Die Bilder der Druckschrift würden zeigen, dass eine Verkürzung der Ausschwingzeit unterhalb der Zeit für freies Ausschwingen nicht zu einer Verbesserung führe. Auch die optischen Versuche würden nichts Gegenteiliges zeigen. Die Druckschrift D2 thematisiere das Bremsen nicht; die gegenteiligen Argumente würden auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhen.
Die Versuche mit dem freien Ausschwingen (Bild 6.14) hätten mit den Versuchen am Material nichts zu tun, sondern dienten nur der Charakterisierung der Maschine.
Die Figur 6 der Druckschrift D1 sowie die dazugehörige Beschreibung (letzter Absatz der Seite 9) mache klar, dass ein Gleichspannungsverstärker zum Einsatz komme. Die Induktivität werde benutzt, um eine Phasenverschiebung zu bekommen, die dann unterstützend wirke. Die Figur 6 sei insofern fehlerhaft, dass es nach Anlegen der Spannung nicht einer ?-Periode bedürfe, bis das Magnetfeld aufgebaut sei. Es sei kein Zufall, dass das Streitpatent von "Bestromung" spricht: es werde dort ein Strom zugeführt, anstatt eine Spannung anzulegen. Dies sei bereits ein Unterschied zur Druckschrift D1.
Das Reibschweißen sei eine alte Technik, aber das Bremsen sei noch nie als vorteilhaft angepriesen worden. Die Druckschrift D2 lehre nicht das Bremsen, sonder nur das "Nichtverlängern".
In der Druckschrift D1 werde abgeschaltet, damit die Schwingung abklingt. In der Druckschrift D2 erfolge das Abschwingen durch das Herunterfahren des Sollwerts. Man könne dann irgendwann abschalten, aber die Schwingung sei dann schon beendet. Im Streitpatent führe das hemmende Bestromen der Elektromagneten früher oder später zum Stillstand, aber die Praxis zeige, dass Störungen zum Wieder-Anfahren führen können. Das Abschalten verhindere dies. Die Druckschrift D2 offenbare nichts dergleichen.
ii) D1+D16
Die Vorrichtung der Druckschrift D16 habe einen völlig anderen Aufbau und arbeite nach einem gänzlich anderen Prinzip. Es handle sich nicht um ein Reibschweißverfahren, sondern um Ultraschall-"Bonden". Das "Bonden" sei eine andere Disziplin als die Vibrationsschweißtechnik; die Beschwerdegegnerin kenne keinen Hersteller von Bondgeräten, der auch Vibrationsschweißgeräte herstellt. Das Bonden werde im Literaturverzeichnis der Druckschrift D2 nicht erwähnt. In der Druckschrift D16 würden winzige Plättchen mit dünnen Drähten verbunden, wobei die Drähte noch speziell behandelt werden müssten, während im Streitpatent relativ handfeste Werkstücke miteinander verbunden werden. Der Schwingungserzeuger sei auch ganz anderer Art, nämlich ein piezoelektrischer oder magnetorestriktiver Schwinger, der nicht nur winzig klein sei, sondern auch die Eigenschaft habe, als Generator zu wirken, wenn die antreibende Spannung abgeschaltet wird. Außerdem sei in der Druckschrift D16 die eigentliche Schwingungszeit gemeinsam mit der Ausschwingzeit zu betrachten (Seite 4, erster Absatz). Die Schwingungsdauer selbst müsse schon kurz gehalten werden; es wäre also paradox, eine sehr lange Ausschwingzeit vorzusehen, während derer die Bindung wieder zerbrochen würde. Die Einwirkung von Schwingungen müsse insgesamt kurz gehalten werden. Das sei eine andere Aufgabe als beim Erfindungsgegenstand.
Im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 sei eine Scheibe 31 aus energieabsorbierenden Material vorgesehen. Die Beschreibung erwähne Alternativen, nämlich eine Wirbelstrombremse und ein elektrisches Dämpfungselement (Seite 30). Der Übertrager erzeuge hier seinen eigenen Dämpfungsstrom, der umso kleiner sei, je kleiner die Auslenkung des Schwingers ist. Es handle sich also um eine Dämpfung wie bei einem mechanischen Dämpfungselement. Die Dämpfung über die Gegenkopplungsschleife sei notwendig, weil kein Wegsensor vorliege und die Schwingung frei im Raum stattfinde. Es sei nicht richtig, dass ein Ansteuersignal zum Bremsen verwendet werde.
Die Anwendung eines Dämpfungselements elektrischer Art gemäß der Druckschrift D16 käme bei Vibrationsschweißmaschinen nicht in Frage.
Dass der Fachmann nicht daran gehindert ist, die Lehre der Druckschrift D16 anzuwenden, sei nicht relevant; es stelle sich vielmehr die Frage, ob er sie tatsächlich anwenden würde.
Entscheidungsgründe
1. Anwendbares Recht
Die Anmeldung, auf der das Streitpatent beruht, wurde am 11. Oktober 2004 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 219) die Artikel 54 und 56 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Zum Verständnis der Erfindung
Im Verfahren gemäß Anspruch 1 wird der Schwinger einer Vorrichtung zum Reibungsschweißen nach einer gewissen Schwingzeit abgebremst. Dies führt zu einer besseren Verbindung der zu verschweißenden Teile. Während des Abbremsens sinkt die Schwingungsamplitude. Bei Erreichen einer bestimmten Schwingungsamplitude - also vor dem Stillstand des Schwingers - wird dann der Strom abgeschaltet. Diese Maßnahme führt zu etwas längeren Ausschwingzeiten, da das Ausschalten der Elektromagneten deren bremsende Wirkung entfallen lässt. Im Gegenzug wird jedoch sichergestellt, dass es nicht zu einem unerwünschten Wieder-Anschwingen des Systems kommt. Dieses Wieder-Anschwingen bedeutet nicht notwendigerweise ein volles Anschwingen, denn das könnte durch eine entsprechende Steuerung der Elektromagnete verhindert werden. Es betrifft vor allem ein Schwingen mit reduzierter Amplitude und unbestimmter Frequenz, das der Schweißverbindung abträglich sein könnte.
Insgesamt wird das Abschwingen also durch elektrische Bremsung verkürzt, aber man verzichtet auf einen Teil der grundsätzlich möglichen Verkürzung, um unerwünschte Nebeneffekte auszuschließen.
3. Ausführbarkeit
Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Das Streitpatent enthält ein Ausführungsbeispiel (siehe Fig. 1) mit einem Beispiel für die Leistungsendstufe (siehe Fig. 2).
Die Kammer sieht keinen Bedarf für weitere Ausführungsformen, zumal die Beschwerdeführerin nicht dargelegt hat, welcher vom Anspruch abgedeckte Bereich nur unzureichend offenbart sei.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Anordnung zum Reibungsschweißen bei dem eines der zu verbindenden Teile mithilfe eines elektromagnetischen Schwingers in Schwingung versetzt wird. Derartige Verfahren und Vorrichtungen als solche sind dem Fachmann bekannt.
Da eines der Teile in Schwingung versetzt werden muss, setzt die Durchführung des Verfahrens ein Anschwingen voraus, dem eine Phase konstanten Schwingens ("eingeschwungener Zustand") und, nach Herstellung der Verbindung, eine Abbremsphase folgt. Es ist richtig, dass das Anschwingen auch mit einfacher Steuerung ohne Rückkopplung erfolgen kann, aber im Sinne der Effizienz des Verfahrens wäre der Fachmann geneigt, das Anschwingen zu regeln. Der Fachmann bedarf keiner weitergehenden Offenbarung, um das Anschwingen regeln zu können. Die Auswahl einer geeigneten Regelgröße bzw. Stellgröße würde den Fachmann auch nicht vor Probleme stellen, die seine Fachkenntnisse übersteigen. Die Tatsache, dass der Fachmann nicht notwendigerweise nur die Amplitudenregelung in Betracht ziehen würde, sondern auch eine Frequenzregelung ins Auge fassen könnte, tut dem keinen Abbruch.
Um zu diesem Schluss zu gelangen, ist es nicht erforderlich, aus der Lehre der Absätze [0026] und [0027] auf ein geregeltes Anschwingen zu schließen. Dass das Anschwingen geregelt ist, geht aus dem Streitpatent klar hervor (siehe z.B. Absatz [0006]).
Der Fachmann bedarf keiner besonderen Angaben dazu, "auf welche Art der Wegsensor ... die Steuerung des Schwingers realisiert". Es ist für den Fachmann klar, dass die Steuerung nicht vom Wegsensor vorgenommen wird, sondern dass das Signal des Wegsensors in die Steuerung einfließt.
Die Kammer versteht ein geregeltes Anschwingen als einen Spezialfall eines gesteuerten Anschwingens. Wenn Anspruch 1 so verstanden wird, besteht keine Notwendigkeit, die Wechselwirkung oder Kombination zwischen dem gesteuerten Anschwingen und dem geregelten Anschwingen darzulegen; es handelt sich dabei um ein und denselben Vorgang.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass die Druckschriften D1 und D7 nicht dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet werden können. Diese Frage ist allerdings hier nicht entscheidend. Das Streitpatent bezieht sich nämlich in seinem Absatz [0005] explizit auf die Druckschrift D1. Würde der Fachmann beim Ausführen der im Streitpatent beanspruchten Erfindung im Zusammenhang mit der Regelung vor offenen Fragen stehen, darf angenommen werden, dass er der Druckschrift D1 einen Hinweis auf eine PID-Regelung (siehe Figur 7) sowie die bekannte Verwendung von Regelungen, in denen der Schweißapparat mit einem Amplitudenmessgerät versehen ist und die Frequenz automatisch justiert wird (siehe Seite 3, Zeilen 16-22), entnehmen würde. Dazu ist nicht erforderlich, die Druckschrift D1 als zum allgemeinen Fachwissen gehörig zu betrachten.
Ob die Regelung als solche eine "platte Selbstverständlichkeit" darstellt, ist eine Frage, die ggf. die erfinderische Tätigkeit, aber nicht die Ausführbarkeit der Erfindung betrifft.
4. Neuheit gegenüber der Druckschrift D2
4.1 Anspruch 1
Es ist unbestritten, dass die Druckschrift D2 ein Verfahren zum Reibungsschweißen offenbart, bei welchem eines der zu verbindenden Teile mit Hilfe eines elektromagnetischen Schwingers in Schwingung versetzt wird. Dass das Anschwingen in der Druckschrift D2 durch abwechselnde Magnetisierung zweier entgegengesetzt wirkender Elektromagnete erfolgt, ist ebenso nicht strittig. Auch die Möglichkeit der Vorgabe der Schwingzeit in der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D2 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
Was die Offenbarung der anderen Merkmale durch die Druckschrift D2 angeht, unterscheiden sich die Standpunkte der Parteien aber grundlegend.
4.1.1 Steuerung durch einen Wegsensor
Die Druckschrift D2 offenbart unzweifelhaft, dass die verwendete Anlage eine gleichzeitige Messung der Schwingungsamplitude und des Fügewegs erlaubt (Seite 41, zweiter Absatz). Damit ist aber nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass das Anschwingen von einem Wegsensor gesteuert wird, zumal das Streitpatent offenbart, dass der Wegsensor die jeweilige Position des Schwingers aufnimmt (Seite 3, Zeilen 21-22). Der Fügewegsensor der Druckschrift D2 ist an der Steuerung des Anschwingens nicht beteiligt.
Die vorgeschlagene Gleichsetzung von Fügeweg und Position des Schwingers hat die Kammer nicht überzeugt. Der Fügeweg im Sinne der Druckschrift D2 entspricht unzweifelhaft dem Weg, über den sich die zu schweißenden Bauteile aufeinander zubewegen (siehe Bild 2.4, Seite 7, Gleichungen 2.28 und 2.29 etc.).
4.1.2 Bremsen "nach einem geregelten Anschwingen"
Die Parteien waren sich uneinig, ob das Anschwingen gemäß der Druckschrift D2 als geregelt gelten kann. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass bei den verwendeten Maschinen das Anschwingen dadurch erfolgt, dass die Elektromagnete an eine Wechselspannung, deren Frequenz vorher ermittelt wurde, angeschlossen werden. Dies ist zwar in der Druckschrift D2 nicht explizit offenbart, ist aber stimmig mit der Lehre der Druckschrift D2 bezüglich des Frequenzabgleichs (Seiten 49 und 50). Die Beschwerdeführerin hat bestritten, dass die Elektromagneten immer und ohne Abweichung mit der Resonanzfrequenz angesteuert werden. Ihrer Auffassung nach folgt aus der Offenbarung der Druckschrift D2, dass in der biaxialen Vibrationsschweißmaschine die Ist-Werte der Amplituden erfasst und geregelt werden (Seite 39, erster Absatz), dass auch das Anschwingen selbst geregelt sein muss. Diese Schlussfolgerung ist nicht zwingend. Das Merkmal ist daher in der Druckschrift D2 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.
4.1.3 Elektrische Abbremsung
Die Druckschrift D2 offenbart, dass "der Schwingkopf bei den Freischwingversuchen nicht durch ein gefügtes Bauteil abgebremst wird" (Seite 76, zweiter Absatz). Diese Aussage wird jedoch im Zusammenhang mit der "Charakterisierung der Maschine anhand von Freischwingversuchen" (Punkt 6.2.1) getroffen. Die in den Bildern 6.21 bis 6.24 mit "frei" markierten Versuche sind hingegen Schweißversuche (Punkt 6.2.2), für die weiters gesagt wird, "dass der Schwingkopf beim freien Ausschwingen umso stärker abgebremst wird je höher der E-Modul des verwendeten Werkstoffes ist" (Seite 80, vorletzter Satz). Daraus würde der Fachmann schließen, dass das freie Ausschwingen nicht mit den oben genannten Freischwingversuchen gleichzusetzen ist und dass die mit "frei" markierten Versuche mit freiem Ausschwingen vorgenommen wurden. Die Auffassung, "frei" sei aufgrund der Offenbarung der Seite 40 als die von der Maschine ohne die erweiterte Steuerung vorgegebene Sollzeit anzusehen, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar.
In den Abbildungen 6.21 bis 6.24 der Druckschrift D2 sind für die kürzesten Sollwerte für die Abschwingzeit (dort als Ausschwingzeit bezeichnet), nämlich 10 ms, tatsächliche Abschwingzeiten angegeben (30, 41, 55 und 55 ms), die jeweils kleiner sind als die entsprechende Zeit des freien Abschwingens (52, 79, 96 und 96 ms). Es stellt sich nun die Frage, ob man daraus auf das Vorhandensein einer elektrischen Abbremsung schließen kann.
Die Verkürzung der Abschwingzeit unterhalb der Werte, die bei freiem Abschwingen erreicht werden, weist auf zusätzliche Bremskräfte hin. Die verwendete biaxiale Vibrationsschweißmaschine weist keine offenkundigen Bremsmechanismen auf (siehe Bild 4.2).
Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass das Bremsen elektrisch erfolgt. Angesichts der Tatsache, dass keine mechanischen Bremselemente offenbart sind, ist die Möglichkeit einer elektrischen Abbremsung, wie sie mit den offenbarten Elementen erreicht werden kann, wahrscheinlicher als die Möglichkeit mechanischen Abbremsens, aber es handelt sich dabei nicht um eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Druckschrift D2.
Deshalb ist auch dieses Merkmal in der Druckschrift D2 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.
4.1.4 Beaufschlagung der Magnete mit Strom "in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung"
Die Druckschrift D2 beschreibt nicht näher, wie die Magnete mit Strom beaufschlagt werden. Es stellt sich also die Frage, ob dort die Magnete notwendigerweise in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung mit Strom beaufschlagt werden. Wie schon erwähnt (siehe Punkt 4.1.24.1.2 ) ist die Auffassung der Beschwerdegegnerin plausibel, dass bei den in der Druckschrift D2 verwendeten Maschinen das Anschwingen dadurch erfolgt, dass die Elektromagnete an eine Wechselspannung, deren Frequenz vorher ermittelt wurde, angeschlossen werden. In diesem Falle ist aber nicht davon auszugehen, dass die Beaufschlagung in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung erfolgt. Die Beschwerdegegnerin hat letzteres als "platt selbstverständlich" bezeichnet, diese Behauptung aber nicht näher erläutert.
Die Messung der Bewegungsrichtung ist im Übrigen in der Druckschrift D2 nicht erwähnt.
Auch dieses Merkmal ist somit in der Druckschrift D2 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
4.1.5 Beaufschlagung unterstützender/hemmender Magnete
Wie schon erwähnt (Punkt 4.1.44.1.4 ) beschreibt die Druckschrift D2 nicht näher, wie die Magnete mit Strom beaufschlagt werden. Es ist aber klar, dass dort der Schwinger erfolgreich zum Schwingen gebracht und wieder abgebremst wird. Diese Schwingung wird mittels der Elektromagnete initiiert. Es ist also implizit offenbart, dass beim Anschwingen ein die Bewegung unterstützender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt wird.
4.1.6 Abschalten des Stroms beim Abbremsen
Das Argument der Beschwerdeführerin, das Abschalten des Stroms beim Abbremsen bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude sei zumindest implizit offenbart, da es offensichtlich sei, dass ab einer bestimmten Amplitude kein Strom mehr zum Bremsen benötigt sei, hat die Kammer nicht überzeugt. Die Tatsache, dass kein Strom benötigt wird, mag dem Fachmann suggerieren, er könne den Strom abschalten, offenbart das Abschalten aber nicht. Es handelt sich also hierbei um ein Argument, das im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit relevant sein kann, das aber im Zusammenhang mit der Neuheit nicht von Belang ist.
4.1.7 Ergebnis
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D2.
4.2 Anspruch 3
Das oben Gesagte führt die Kammer auch für den Anspruch 3 zum Schluss, dass der Anspruchsgegenstand neu ist gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D2.
5. Erfinderische Tätigkeit
Zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bedient sich die Kammer des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.
5.1 Nächstliegender Stand der Technik
Die Druckschriften D1 und D2 wurden als mögliche Ausgangspunkte genannt.
5.1.1 Dokument D1
Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zum Reibungsschweißen, bei welchem eines der zu verbindenden Teile mit Hilfe eines elektromagnetischen Schwingers in Schwingung versetzt wird. Gesteuert von einem Wegsensor ("position sensor") 52 erfolgt das Anschwingen durch abwechselnde Magnetisierung zweier entgegengesetzt wirkender Elektromagnete 42, 44 (siehe Fig. 5). Das Anschwingen ist geregelt (Fig. 7). Beim Anschwingen wird in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung des Schwingers ein die Bewegung unterstützender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der Druckschrift D1 dadurch, dass:
- der Schwinger elektrisch abgebremst wird, bzw.
- beim Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt wird;
- während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird.
Die Beschwerdegegnerin hat einen weiteren Unterschied darin gesehen, dass gemäß Anspruch 1 die Elektromagneten mit Strom beaufschlagt werden, während die Druckschrift D1 lehre, eine Spannung anzulegen. Die Kammer folgt diesem Vortrag nicht, da auch in der Vorrichtung gemäß Druckschrift D1 das Anlegen einer Spannung zu einem Stromfluss in den Elektromagneten führt.
5.1.2 Dokument D2
Wie unter Punkt 4.14.1 dargelegt wurde, unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 dadurch von der Offenbarung der Druckschrift D2, dass:
- das Anschwingen von einem Wegsensor gesteuert erfolgt;
- das Anschwingen geregelt ist;
- die Magnete in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewegungsrichtung des Schwingers mit Strom beaufschlagt werden;
- dass elektrisch abgebremst wird bzw. beim Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt wird;
- während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird.
5.1.3 Ergebnis
Die Druckschrift D1 liegt der Erfindung näher als die Druckschrift D2 und dient daher als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.
5.2 Fachmann
Die Parteien waren sich weitgehend einig, dass der Fachmann ein Maschinenbau-Ingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet des Reibungsschweißen ist. Die Kammer teilt diese Auffassung. Der Verfasser der Druckschrift D2 kann allerdings nicht als der relevante Fachmann angesehen werden. Der Fachmann im Sinne des EPÜ ist eine fiktive Person, der unter anderem jede erfinderische Fähigkeit abgesprochen werden muss. Daher ist es nicht sinnvoll, den Fachmann mit tatsächlich existierenden Personen gleichzusetzen.
5.3 Technische Wirkungen / objektive technische Aufgaben
Das Merkmal, dem zufolge der Schwinger elektrisch abgebremst wird, war auch schon das kennzeichnende Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1. Die Anmeldung begründet die Wahl dieses Merkmals so, dass einerseits die Schweißprozesszeit kurz ist (Seite 2, Zeilen 17-18) und andererseits "eine Beeinträchtigung der bereits erfolgten Verbindung vermieden wird" (Seite 2, Zeilen 22-24).
Das Merkmal, dem zufolge beim Abbremsen ein die jeweilige Bewegung hemmender Elektromagnet mit Strom beaufschlagt wird, führt dazu, dass obengenannte Wirkung "besonders ausgeprägt" ist (Seite 2, letzter Absatz). Man kann hier also von einer Synergie zwischen den beiden ersten unterscheidenden Merkmalen sprechen.
Das dritte unterscheidende Merkmal, dem zufolge während des Abbremsens bei Erreichen einer vorgegebenen Schwingungsamplitude der Strom abgeschaltet wird, wird im zweiten Absatz der Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung besprochen. Demzufolge verhindert dieses Merkmal "ein Wiederanschwingen mit entgegengesetzter Phasenlage".
Die unterscheidenden Merkmale lösen daher zwei Aufgaben:
1. Vermeiden der Beeinträchtigung der bereits
erfolgten Verbindung und Ermöglichen einer
kurzen Schweißprozesszeit;
2. Verhindern des Wieder-Anschwingens.
5.4 Naheliegen
Die Kammer hat zu untersuchen, ob der Fachmann, der vom Verfahren der Druckschrift D1 ausgeht und sich die unter Punkt 5.25.2 genannten Aufgaben stellt, eine Lösung dafür in einer der Druckschriften D2 oder D16 suchen würde, bzw. ob durch diese Druckschriften eine erfindungsgemäße Lösung nahegelegt wird.
5.4.1 Kombination mit der Druckschrift D2
Die Druckschrift D2 ist eine Diplomarbeit, die sich zum Ziel setzt, die "Auswirkung oszillierender Fügedruckverläufe in der quasistationären Schmelzreibphase auf die mechanische Nahtfestigkeit" bzw. "die Auswirkungen unterschiedlicher Ein- und Ausschwingzeiten auf die Zykluszeit sowie die ... Nahtqualität" zu untersuchen (Seite 1, letzter Absatz). Dieses Ziel entspricht genau der ersten unter Punkt 5.35.3 genannten Aufgabe. Der Fachmann würde daher die Druckschrift D2 zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe in Betracht ziehen.
Die Tatsache, dass die Diplomarbeit in der Bibliothek eines Universitätsinstituts ruht, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang, da sie dem (fiktiven) Fachmann am Prioritätstag zugänglich war und damit zum Stand der Technik zählt.
Die Druckschrift D2 vermittelt dem Fachmann vor allem die Lehre, dass für gewisse Werkstoffe die Festigkeit der Schweißverbindung mit zunehmender Schwingzeit abnimmt (Seite 116, letzter Absatz). Manche Versuche der Druckschrift D2 wurden so durchgeführt, dass die Ausschwingzeit unterhalb der Werte liegt, die beim freien Ausschwingen erreicht werden. Das legt nahe, dass der Schwinger auf irgendeine Weise gebremst wurde. Die Druckschrift D2 thematisiert dieses Bremsen jedoch nicht. Angesichts der relativ großen Messfehler bezüglich der Festigkeit beschränkt sich die Druckschrift auf Feststellungen, die die allgemeine Abhängigkeit der Festigkeit von der Ausschwingzeit über den gesamten untersuchten Bereich betreffen. Dass das Abbremsen selbst zu einer Erhöhung der Festigkeit führt, wird weder festgestellt, noch lässt es sich aus den dargstellten Messergebnissen eindeutig erkennen. So ist zum Beispiel aus der Abbildung 6.42 angesichts der Messfehler überhaupt keine Aussage zum Einfluss des Abbremsens möglich.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die Abbildung 6.49 suggeriert, dass die Festigkeit beim Abbremsen im Vergleich zum freien Ausschwingen sogar abnimmt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Eine klare Lehre, dass die Festigkeit des Werkstoffs durch Abbremsen des Schwingers erhöht werden kann, geht aus der Druckschrift D2 nicht hervor.
Das Wieder-Anschwingen des Schwingers wird in der Druckschrift D2 ebenfalls nicht thematisiert.
Der Fachmann würde möglicherweise den Strom abschalten, wenn er die fertigen Bauteile entnimmt, aber in diesem Falle würde das Abschalten nicht, wie von Anspruch 1 verlangt, "während des Abbremsens" erfolgen.
Die Kammer ist deshalb zum Schluss gelangt, dass der Fachmann, der von der Druckschrift D1 ausgeht und bestrebt ist, die unter Punkt 5.25.2 genannten Aufgaben zu lösen, zwar die Druckschrift D2 in Betracht ziehen würde, von ihr aber nicht zu einem Gegenstand gemäß Anspruch 1 geführt würde. Es ist daher nicht möglich, dem Anspruchsgegenstand auf dieser Grundlage die erfinderische Tätigkeit abzusprechen.
Die Kammer ist sich bewusst, dass das deutsche Bundespatentgericht in seinem Beschluss vom 31. Juli 2014 (Aktenzeichen 11 W (pat) 23/08) in einem ähnlich gelagerten Fall zum Schluss gelangt ist, dass die Erfindung durch eine Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2 unter Berücksichtigung des Fachwissens des Mess- und Regelungstechnikers nahegelegt wird. Die unterschiedliche Auffassung der Kammer begründet sich in einer anderen Bewertung der gelösten Aufgaben bzw. in einer anderen Sicht dessen, was in der Druckschrift D2 tatsächlich offenbart ist. Die Kammer hat die Argumente des Beschlusses des Bundespatentgerichts aufmerksam erwogen, hält aber an ihrer Auffassung fest.
5.4.2 Kombination mit der Druckschrift D16
Die Druckschrift D16 offenbart eine Anordnung zum Reibungsschweißen, die die Ausschwingzeit (dort Abfallzeit genannt) weitgehend herabsetzt (Seite 4, Zeilen 9-10) und die Zuverlässigkeit der Bindung verbessert (Seite 4, Zeilen 13-14). Deshalb würde der Fachmann auch diese Druckschrift zur Lösung der ihm vorliegenden Aufgaben in Betracht ziehen.
Das Argument, dass die Druckschrift D16 einem anderen Fachgebiet (nämlich dem Bonding) angehört, hat die Kammer nicht überzeugt. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 der Druckschrift D16 ist unzweifelhaft ein Verfahren zum Reibungsschweißen im Sinne des Streitpatents. Der Anspruch 1 des Streitpatents ist weit gefasst und beschränkt sich nicht auf Verfahren zum Verschweißen von Bauteilen einer bestimmten Größe oder eines bestimmten Materials. Der Inhalt des Literaturverzeichnisses der Druckschrift D2 ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend; eine Diplomarbeit kann naturgemäß nur einen Teil des technischen Gebiets, dem sie angehört, abdecken.
Auch das Alter der Druckschrift D16, die im Jahr 1969 veröffentlicht wurde, würde den Fachmann nicht grundsätzlich davon abhalten, ihre Lehre in Betracht zu ziehen.
Die Offenbarung der Druckschrift D16 geht insofern über die Lehre der Druckschrift D2 hinaus, dass sie die Möglichkeit einer "elektrischen Bremse", insbesondere in Form einer elektrischen Schaltung mit einer Gegenkopplungsschleife, explizit offenbart (siehe den Absatz, der die Seiten 30 und 31 überbrückt). Damit führt sie den Fachmann zur erfindungsgemäßen Lösung der ersten Aufgabe.
Die Druckschrift D16 offenbart allerdings keine Lösung der Aufgabe, das Wieder-Anschwingen zu verhindern. Die Druckschrift D1 selbst macht keine Ausführungen zur Problematik des Wieder-Anschwingens. Sie beschränkt sich auf die Lehre, dass die Schwingungen beendet werden, sobald das Material geschmolzen ist (Seite 14, Zeilen 21-22: "When the interface 70 is sufficiently melted, the oscillations are stopped."). Wie dies geschieht, und ob der Strom dazu abgeschaltet wird, das bleibt offen. Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass der Fachmann den Strom abschalten würde, sobald die Null-Amplitude erreicht ist, aber in diesem Falle kann nicht davon die Rede sein, dass das Abschalten wie von Anspruch 1 verlangt "während des Abbremsens" erfolgt. Die Erklärung, dass der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens abschalten würde, um die Gefahr des Wieder-Anschwingens zu vermeiden, ist eine reine Behauptung und durch nichts belegt.
Die Kammer ist deshalb zum Schluss gelangt, dass der Fachmann, der von der Druckschrift D1 ausgeht und bestrebt ist, die unter Punkt 5.25.2 genannten Aufgaben zu lösen, zwar die Druckschrift D16 in Betracht ziehen würde, von ihr aber - selbst unter Berücksichtigung seines Fachwissens - nicht zu einer erfindungsgemäßen Lösung der zweiten Aufgabe geführt würde. Es ist daher nicht möglich, dem Anspruchsgegenstand auf dieser Grundlage die erfinderische Tätigkeit abzusprechen.
Da die Druckschrift D2 auch keines der Merkmale offenbart, die den Gegenstand von Anspruch 1 von der Druckschrift D1 unterscheiden, kann auch eine Kombination der Druckschriften D2 und D16 den Fachmann nicht in naheliegender Weise zur Erfindung führen.
5.4.3 Sekundäre Indizien
Die Beschwerdeführerin hat auch "sekundäre Indizien" für das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht, nämlich (1) die Auffassung, dass die kinematische Umkehr als technische Äquivalenz naheliegend ist, und (2) dass keine unerwartete technische Wirkung erzielt werde.
Die Beschwerdekammern haben in Einzelfällen sog. "Beweisanzeichen" (im Englischen: "secondary indicia") für das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 8. Auflage, 2016, I.D.10). Dieses Konzept wurde - nach bestem Wissen der Kammer - bislang nicht auf das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit übertragen. Der Grund dafür liegt ihrer Auffassung nach in der Definition der erfinderischen Tätigkeit. Gemäß Artikel 56 EPÜ 1973, erster Satz, "gilt [eine Erfindung] als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt". Diese negative 'Definition' hat zur Folge, dass das Vorhandensein der erfinderischen Tätigkeit grundsätzlich nicht bewiesen, aber mit Beweisanzeichen unter Umständen plausibel gemacht werden kann. Hingegen kann ihre Abwesenheit durch schlüssiges Aufzeigen eines naheliegenden Lösungswegs bewiesen werden. Der Beweis des Fehlens der erfinderischen Tätigkeit ist also im Prinzip möglich, und im konkreten Fall auch vonnöten; die Tatsache, dass Beweisanzeichen vorliegen, ist nicht ausreichend.
5.4.4 Ergebnis
Die Beschwerdeführerin hat nicht überzeugend dargelegt, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 in naheliegender Weise aus dem vorgelegten Stand der Technik ergibt. Dieses Ergebnis lässt sich auf den Gegenstand von Anspruch 3 übertragen.
Daher hat die Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu gelten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.