T 1847/12 () of 25.1.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T184712.20170125
Datum der Entscheidung: 25 Januar 2017
Aktenzeichen: T 1847/12
Anmeldenummer: 03104538.8
IPC-Klasse: F02F 1/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zylinderkopf mit einem Kühlmittelmantel, der einen Kühlmantelkern und eine Entlüftungsleiste umfasst
Name des Anmelders: Ford Global Technologies, LLC, A subsidary of Ford
Motor Company
Name des Einsprechenden: AVL LIST GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (nein)
Verspätetes Vorbringen - offenkundige Vorbenutzung zugelassen (nein)
Neuheit - frühere Offenbarung
Neuheit - implizite Merkmale (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0691/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0098/18
T 1808/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 20. Juni 2012 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 538 327 am 20. August 2012 Beschwerde eingelegt, am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet und am 29. Oktober 2012 die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Mit dem Einspruch der Einsprechenden war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100(a) i.V.m. 52(1), 54 und 54 EPÜ wegen mangelnder Neuheit und erfinderischen Tätigkeit angegriffen worden. Ein weiterer Einspruchsgrund unter Artikel 100(b) EPÜ wurde zurückgenommen.

- Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden. Sie hat dabei die folgenden Entgegenhaltungen, die auch eine Rolle im Beschwerdeverfahren gespielt haben, berücksichtigt:

E3: FR 2 774 128 A1

H1: Auszug aus einem Artikel von Wikipedia (Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Honda_Accord) und eine Zeichnung eines Zylinderkopfes mit einigen Anbauteilen (Quelle: http://www.honda-parts-catalog.com/hpc.php), 1 Seite.

H2: Eine Vergrößerung der in H1 gezeigten Zeichnung eines Zylinderkopfes mit einigen Anbauteilen (Quelle: http://www.honda-parts-catalog.com/hpc.php), 2 Seiten.

H3: Fotos eines Zylinderkopfes, aufgenommen aus unterschiedlichen Perspektiven (Quelle http://www.americancylinderheads.com/cylinder_head-Honda-2.3-liter-16-valve-L4-NA-side-Gas-Aluminum-AC218C8.html), 7 Seiten.

H4: Fotos eines Querschnitts und einer Seitenansicht eines Zylinderkopfes mit dem eingegossenen Kennzeichen PAA-HA-7, 3 Seiten.

H5: otos eines Motorraums eines Hondas, 5 Seiten.

III. Im Beschwerdeverfahren wurden zusätzlich folgende Entgegenhaltungen genannt:

- Unterlagen J1 bis J8 zum Nachweis einer erstmals mit der Beschwerdebegründung vom 29. Oktober 2012 geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung von Opel Motor:

J1: Entwurf eines Zylinderkopf

J2,J2a: Layout-Zeichnung, Elastische Saugrohrbefestigung, 27. Januar 1993.

J3, J4 und J5: Konstruktionszeichnungen mit Erstellungsdatum Mai 1992.

J6: "1. Klasse die neuen DTM-Autos von Opel und Mercedes",Sport Auto, August 1993.

J7: "Blitz-Karriere", Sport Auto, Februar 1995.

J8: Eidesstattliche Erklärung des Herrn Michta, 25. Oktober 2012.

IV. Am 25. Januar 2017 wurde vor der Kammer zur Sache mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 4 bis 7, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht im Einspruchsverfahren.

VII. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags (wie erteilt) lautet wie folgt:

"Zylinderkopf (1) einer Brennkraftmaschine mit Einlasskanälen (17) und Auslasskanälen (18), wobei die Einlasskanäle (17) und Auslasskanäle an verschiedenen Seiten aus dem Zylinderkopf (1) austreten, und einem Kühlmittelmantel (2), umfassend einen einteiligen ühlmantelkern [sic](3) und mindestens eine Entlüftungsleiste (4), und wobei in der Einbaulage des Zylinderkopfes (1), in welcher der Zylinderkopfboden (7) gegenüber einer horizontalen Ebene (6) um einen Winkel ß geneigt ist, eine virtuelle auf den Kühlmantelkern (3) von oben aufgelegte Dachebene (5) in Richtung der mindestens einen Entlüftungsleiste (4) horizontal verläuft bzw. ansteigt, so dass die Dachebene (5) mit der horizontalen Ebene (6) in der Einbaulage einen Winkel alpha >= 0° bildet, dadurch gekennzeichnet, dass es zwei Einlasskanäle (17) und zwei Auslasskanäle (18) je Zylinder gibt."

VIII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen folgendes vor.

- Der spät vorgebrachte Neuheitsangriff sei zulässig, weil das Dokument E3 hochrelevant und als solches für die Frage der Neuheit zu berücksichtigen sei. Dieses Dokument sei mit der Einspruchschrift ins Verfahren eingeführt worden, und die Patentinhaberin habe sich mit E3 auch in ihrer Erwiderung der Einspruchsgründe auseinandergesetzt, somit könne darin keine Überraschung liegen.

- Zur Zulassung der verspätet geltend gemachten Vorbenutzung "Opel" seien alle Umstände genügend erklärt. In der Automobilbranche sei aus der Lebenserfahrung die Lieferung eines Gegenstands an einen Auftraggeber dem Verkauf an einen gewöhnlichen Kunden gleichzusetzen Somit gelte die Lieferung als Offenbarung dieses Gegenstands. Durch die lange Zeitspanne zwischen der Entwicklung des Motors im Jahr 1993 und der Anmeldung 2003 sei auch von einer Vorveröffentlichung auszugehen. Aus diesen Gründen sei die Vorbenutzung genügend belegt, und ins Verfahren zuzulassen.

- Die Beschwerdeführerin hat am Tag der mündlichen Verhandlung ein Modell eines Zylinderkopfs mitgebracht, dessen erster Teil einen Endabschnitt eines Zylinderkopfes wie in Bild H3 umfasst, und dessen zweiter Teil komplementär zum ersten Teil ist. Anhand dieses Modells führte die Beschwerdeführerin aus, dass die obere Ausnehmung durchgehend sei, und eine Entlüftungsfunktion aufwiese. Bezüglich der impliziten Abfuhrfunktion einer Entlüftung sei auch im Patent keine Abfuhr der Gasen aus der Entlüftungsleiste vorgesehen. Somit sei auch eine Abfuhr durch den Schlauch zum Radiator wie in de vorbenutzten Zylinderkopf neuheitsschädlich.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat folgendes vorgetragen:

- Die Beschwerdegegnerin sei durch das späte Vorbringen in Bezug auf E3 überrascht. E3 sei weder während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung noch mit der Beschwerdebegründung oder seitdem vorgebracht worden. Außerdem fehlten zwei Merkmale des Anspruchs 1 in E3, und das Dokument sei somit nicht prima facie relevant.

- Die Vorbenutzung "Opel" sei erst mit der Beschwerdebegründung vorgebracht worden, und es gälten besonders hohe Maßstäbe für deren Zulassung im Beschwerdeverfahren. Bei Prototypen im Rennsport gälten aus Lebenserfahrung Geheimhaltungsverpflichtungen. Die unklare Erklärung des Herrn Michta mit dem Ausdruck "soweit ich weiß" trügen nicht dazu bei, über die Geheimhaltung zu urteilen.

- Die obere Ausnehmung im Bild H4 der Vorbenutzung "Honda" sei lediglich zur Kühlung und nicht zur Entlüftung ausgestaltet. Die Entlüftung umfasse sowohl das Sammeln als auch eine Abfuhrfunktion für die Gasblasen. Keine der beiden Funktionen sei von dem Fachmann aus der Vorbenutzung "Honda" direkt und unmittelbar abzuleiten. Durch die Entlüftungsleiste des Patents sei auch die Möglichkeit gegeben, getrennt von dem Kühlmittelkreislauf zu entlüften.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung von verspätetem Vorbringen, Artikel 13(3) VOBK

2.1 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin zum ersten Mal vorgetragen, dass das Dokument E3 die Neuheit vorwegnehme. Dieses Dokument sei nach ihrer Auffassung bereits mit der Einspruchschrift ins Verfahren eingeführt worden, und die Patentinhaberin habe sich auch in ihrer Erwiderung der Einspruchsgründe mit dem Dokument auseinandergesetzt.

2.2 Entsprechend der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegen dem Beschwerdeverfahren die Beschwerdebegründung sowie die Erwiderung darauf zugrunde. Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sind nach Artikel 13(3) VOBK Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragene Argumente, die sich auf bereits im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen stützen, stellen eine Änderung im Sachvortrags eines Beteiligten (siehe hierzu die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPÜ, 8. Auflage, 2016 (RdBK),IV.C.1.3.11 a) und c), und die darin zitierten Entscheidungen).

2.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass keine offensichtliche Rechtfertigung für das verspätete Vorbringen vorliegt. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung erfolgte auf der Grundlage des erteilten Anspruchs 1, der auch als Hauptantrag im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt wird. Es wurde auch nicht vorgebracht, das dieser neue auf E3 basierende Neuheitsangriff eine Reaktion auf Argumente in der Entscheidung darstelle.

2.4 Das Dokument E3 wurde zwar mit der Einspruchschrift formell ins Verfahren eingeführt, wurde aber nur beiläufig und nur zur Frage der erfinderischen Tätigkeit als alternativer Quelle für den Verlauf einer Dachebene zusammen mit anderen Dokumenten genannt (siehe Einspruchschrift Seite 4, Kapitel B). E3 wurde danach nicht mehr erwähnt. Die Beschwerdebegründung enthielt auch keinen Verweis auf dieses Dokument. Erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wollte die Beschwerdeführerin den neuen Neuheitsangriff in Bezug auf E3 vorbringen.

Auch wenn E3 erstinstanzlich bereits genannt wurde, ist eine darauf basierender Neuheitsangriff zu diesem sehr späten Zeitpunkt im Verfahren sowohl für die Gegenpartei als auch die Kammer überraschend. Da dies erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erfolgte, hatte weder die Gegenpartei noch die Kammer Gelegenheit gehabt, sich darauf vorzubereiten und, falls zugelassen, sich gebührend damit auseinanderzusetzen.

Wenn zugelassen, wäre mindestens eine Aussetzung der Verhandlung notwendig, damit der Beschwerdegegnerin die Gelegenheit geboten wird, darauf angemessen zu reagieren. Die Vorbereitungszeit sowie die notwendige Debatte -mit der möglichen Einreichung zusätzlicher Hilfsanträge-, um dieses neue Vorbringen abschließend in Rahmen der angesetzten mündlichen Verhandlung beurteilen zu können, wären der Gegenpartei und auch der Kammer nicht zuzumuten.

2.5 Aus den vorstehenden Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(3) VOBK beschlossen, den neuen Vortrag auf der Grundlage von E3 nicht in das Verfahren zuzulassen.

3. Zulassung der verspätet geltend gemachten Vorbenutzung "Opel", Artikel 12(4) VOBK

3.1 Mit der Beschwerdebegründung macht die Beschwerdeführerin eine neue offenkundige Vorbenutzung geltend, basierend auf Beweismittel J1 bis J8. Dieses Vorbringen erfolgt nach Ablauf der Einspruchsfrist, und ist somit verspätet im Sinne von Artikel 114(2) EPÜ. Nach Artikel 12(4) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer Beweismittel, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zuzulassen.

Insbesondere ist nach geltender Rechtsprechung bei der Zulassung einer verspätet geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung ein strenger Maßstab anzulegen, siehe hierzu die RdBK, IV.C.1.3.17. Nach der darin zitierten Entscheidung T 691/12 kann eine erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung nur noch dann berücksichtigt werden, wenn zumindest drei Bedingungen erfüllt sind:

a) es darf sich nicht um einen erkennbaren Verfahrensmissbrauch handeln;

b) die Vorbenutzung muss prima facie so relevant sein, dass sie wie vorgebracht die Gültigkeit des Patents in Frage stellt; und

c) die Vorbenutzung muss lückenlos nachgewiesen sein, sodass keine weiteren Ermittlungen zur Feststellung ihres Gegenstands bzw. ihrer Umstände notwendig sind.

Die Kammer teilt diese Auffassung und stellt fest, dass im vorliegenden Fall mindestens die dritte Bedingung nicht erfüllt ist. Insbesondere ist nicht lückenlos nachgewiesen worden, dass der Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung durch Inverkehrbringen offenkundig gemacht wurde.

3.2 Nach der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Michta handelt es sich um einen Motor, der in Auftrag von Opel von der Firma Schrick in Form von Prototypen entwickelt wurde. Die Prototypen wurden dann von Schrick in Kleinserie hergestellt und Opel übergeben, die sie im Rennbetrieb eingesetzt hat. Somit hängt eine angebliche Offenbarung in diesem Fall in erster Linie von den vertraglichen Beziehungen der Beteiligten ab, worauf die Beschwerdegegnerin zu Recht hinweist.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass in der Automobilebranche aus der Lebenserfahrung heraus die Lieferung an einen Auftraggeber einem Verkauf von Waren von einen Händler an einen Kunden gleichzusetzen sei und somit als Offenbarung gelte.

Nach Ansicht der Kammer ist aber das Verhältnis zwischen zwei Firmen, wobei der eine Firma die andere beauftragt, Prototypen zu entwickeln und zu liefern, nicht mit dem Verhältnis zwischen Händler und Kunde gleichzusetzen. Durch die Auslieferung eines Fahrzeuges durch den Hersteller an den Händler wird das Fahrzeug nach allgemeiner Lebenserfahrung der Öffentlichkeit übergeben. Jedermann kann es erwerben. Bei einem Entwicklungsvertrag liegen die Dinge anders. Die Entwicklung selbst erfolgte unter Geheimhaltung, wie sich aus den eingereichten Zeichnungen J1 - J5 ergibt und auch unbestritten ist. Die Auftragnehmerin Dr. Schrick GmbH war damit gehalten, die Entwicklungsergebnisse geheimzuhalten. Die Auftraggeberin Opel ist aber für die fraglichen Motoren genausowenig Dritte, wie er es wäre, hätte sie die Motoren selbst entwickelt. Die Firma Opel wird nämlich nicht dadurch Dritte, dass sie einen Prototyp im Auftrag entwickeln läßt. Vielmehr ist sie es als Auftraggeberin, die darüber entscheiden kann, ob und wie sie die auftragsgemäß und unter Geheimhaltungsvorbehalt entwickelten Prototypen Dritten zugänglich machen möchte.

Die Aussage des Herrn Michta in seiner eidesstattlichen Versicherung, dass "soweit [er] weiß, sind die Prototypen ohne Geheimhaltungsverpflichtung an unseren Kunden Opel übergeben worden", ist deshalb unerheblich, weil die Bestimmung über die Geheimhaltung nicht durch die Auftragnehmerin, sondern die Auftraggeberin vorgenommen wird. Nicht die Aufragnehmerin Schrick GmbH hat darüber zu entscheiden, ob die Motoren unter Geheimhaltung entwickelt werden, sondern die Aufraggeberin Opel.

3.3 Von einer öffentlichen Zugänglichkeit der Motoren kann deshalb nach Auffassung der Kammer nur dann ausgegangen werden, wenn entweder die Firma Schrick diese eigenverantwortlich gebaut und an Personen geliefert hat, die rechtlich als Öffentlichkeit einzustufen sind, mithin an andere Personen als den Auftraggeber. Dazu ist aber nichts vorgetragen worden. Oder aber wenn Opel selbst diese Motoren oder die entsprechenden Zeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

3.4 Sonst ist zu den genauen Umständen der Lieferung (wo, wann) nicht ausgeführt worden, geschweige denn das dazu Belege vorgelegt worden sind. In Abwesenheit von Nachweisen der behaupteten Lieferung fehlt auch bezüglich des Zeitpunkt der Lieferung jegliche Angabe oder Beweis. Die Beschwerdeführerin meint, dass durch die lange Zeitspanne zwischen der Entwicklung des Motors im Jahr 1993 und der Anmeldung im Jahr 2003 von einer Vorveröffentlichung auszugehen sei. Ohne Belege über das wann, wo und an wen, z.B. in Form von eines Lieferscheins, kann auch keine abschließende Beurteilung ohne weitere Ermittlungen getroffen werden.

3.5 Eine öffentliche Zugänglichkeit könnte nur in der Benutzung der Motoren in den Rennautos bei ihrer Teilnahme an öffentlichen Wettrennen gesehen werden, wobei sich dann allerdings die Frage stellte, ob hierdurch der konkrete Aufbau des Zylinderkopfes tatsächlich erkennbar gewesen wäre, oder ob diese Autos Dritten überlassen worden sind, was aber im Rennbetrieb in Wettrennen sehr zu bezweifeln und auch nicht konkret belegt worden ist. Zu den Umständen dieses Rennbetriebes, wo und wann solche Wettrennen stattfanden, und ob sie tatsächlich vor der Öffentlichkeit stattfanden, ist weder ausgesagt noch sind dazu Belege vorgelegt worden.

3.6 Die Kammer stellt somit fest, dass die oben genannten Umstände der Vorbenutzung nicht genügend erklärt oder anhand von Beweismitteln schlüssig und lückenlos nachgewiesen wurden, und zwar dermaßen, dass die Gegenpartei und die Kammer eindeutig und abschließend ohne weitere Ermittlungen darüber nicht urteilen könnte.

Somit hat die Beschwerdekammer in der Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK entschieden, die mit der Beschwerdeschrift erstmalig geltend gemachte offenkundigen Vorbenutzung nicht zuzulassen.

4. Neuheit - Vorbenutzung "Honda" H1-H5.

4.1 Die Einspruchsabteilung hat, ohne auf die Frage der öffentlichen Zugänglichkeit einzugehen, festgestellt, dass insbesondere aus dem Bild der Seite 2 von H4 eine Entlüftungsleiste im Sinne von Anspruch 1 nicht eindeutig und unmittelbar hervorgehe. Es wird bestritten, dass die obere Ausnehmung auf diesem Bild als Entlüftungsleiste mit Dachebene im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden kann.

4.2 Nach ständiger Rechtsprechung sollte bei der Offenbarung eines nur in einer Zeichnung gezeigten Merkmals nicht nur die Struktur des Merkmals hinreichend deutlich aus der Zeichnung hervorgehen, sondern auch die technische Funktion daraus ableitbar sein (Rechtsprechung, 8. Auflage 2016, I.C.4.6). Gleiches gilt auch für die Bilder in H3 bis H5. Dies trifft im wesentlichen auch zu für das in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gezeigte Motorblockteil, das die innere Gestaltung des Zylinderkopfes besser veranschaulichen sollte (die Frage, ob dieses Teil und die in den Bildern gezeigten Motorblockteile ein und dasselbe sind, kann hierbei offen bleiben). Der Fachmann soll insbesondere aus der ersichtlichen Struktur der oberen Ausnehmung sowie der Zylinderkopfdecke die erforderliche Entlüftungsfunktion eindeutig und unmittelbar erkennen können.

4.3 Entlüften wird im Duden Lexikon wie folgt definiert: "störende Lufteinschlüsse in einer Leitung, einem hydraulischen System o.?Ä. entfernen". Demnach sollte der Fachmann eindeutig erkennen können, dass die obere Ausnehmung zum Entfernen etwaiger im Kühlmantelkern sich bildenden Dampfblasen dient.

Das Bild auf der Seite 2 von H4 ist eine photographische Aufnahme eines Querschnitts durch einen Zylinderkopf. Oberhalb und unterhalb eines mittleren Auslasskanals sind zwei zu einander leicht geneigt verlaufende Ausnehmungen bzw. Durchgänge zu erkennen. In den vorgezeigten Motorblockteilen war außerdem eine Wölbung der oberen Ausnehmungsdecke zwischen dem Schnitt H4,Seite 1 und H4,Seite 2 ersichtlich.

Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die Ummantelung der Zylinderauslässe durch eine relativ gleichdimensionierte Schicht zumindest primär, wenn nicht ausschließlich auf eine Kühlfunktion hinweist (vgl. obere und untere Ausnehmungen in H4, Seite 2).

Bei Dampfblasenbildung erwartet der Fachmann durch das deutlich größere Volumen des Dampfes ein entsprechend angepasstes Volumen der Ausnehmungen im Kühlmantelkern. Dies ist hier eindeutig nicht der Fall. Die Ausnehmungen verlaufen zudem nicht in der gleichen Ebene, wie man es zum leichten Abströmen von Luftblasen erwarten würde, sondern sie sind mit Wölbungen in der Zylinderkopfdecke versehen, wo sich etwaige Luftblasen eher verfangen werden. Diese Indizien weisen von einer Entlüftungsfunktion weg. Jedenfalls erkennt der Fachmann darin nicht unmittelbar und eindeutig eine Entlüftungsleiste mit besonders ausgestalteter Dachebene im Sinne des erteilten Anspruchs 1. Es ist also nicht erkennbar, dass das Teil des abgebildeten bzw. vorgezeigten Motorblocks Ausnehmungen bzw. Durchgänge enthielte, die als Entlüftungsleiste mit bei geneigter Einbaulage horizontal bzw. ansteigend verlaufender Dachebene diente.

4.4 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass auch im Patent keine gesonderte Abfuhr von Gasen aus der Entlüftungsleiste vorgesehen sei, und somit die Abfuhr wie in dem vorbenutzten Zylinderkopf durch den Schlauch zum Radiator erfolgen könnte.

Dieses Argument vermag die Kammer nicht zu überzeugen.

Der Anspruch bezieht sich ausdrücklich auf eine Entlüftungsleiste. Dass unter gewissen Umständen Dampfblasen zusammen mit der Strömung von Kühlflüssigkeit bis zum geodätisch höher gelegenen Auslassschlauch mitgeführt werden können und danach im notwendigen Ausgleichpuffer des Kühlmittelkreises abgeführt werden, kann nicht als implizite Offenbarung einer Entlüftungsleiste im Zylinderkopf im Sinne des Anspruchs 1 gelten. Wenn überhaupt eine Entlüftung stattfindet, erfolgt sie nicht mittels eines eigens dafür angepassten Bauteils im Zylinderkopf in Zusammenhang mit einem geneigten Einbau des Motors, sondern nur durch das zwangsläufige Mitführen der Dampfblasen mit der Kühlmittelströmung entlang der höchsten Bereiche -oder Maxima- der Zylinderkopfdecke. Aber auch wenn ab einem gewissen Einbauneigungswinkel dadurch möglicherweise eine Entlüftung stattfinden würde, kann durch die Dimensionierung und die Wölbungen der oberen Ausnehmungen nicht eindeutig und unmittelbar festgestellt werden, dass diese eigens zur Entlüftung angepasst sind.

4.5 Die Kammer bestätigt somit die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass unbeschadet der Frage der öffentlichen Zugänglichkeit der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der Druckschriften H1 bis H5 neu im Sinne des Artikels 54 (1), (2) EPÜ ist.

5. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung nur den Neuheitsbefund der angegriffenen Entscheidung in Frage gestellt. Zu den anderen Gründen der Entscheidung hat sie nicht vorgetragen. Die Kammer sieht auch keinen triftigen Grund, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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