European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T178812.20131204 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Dezember 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1788/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03026723.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 14/02 C23C 14/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Werkstoff oder Bauteil mit einer Metallbeschichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | hartec GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderung der Anmeldung - Ermessen der Prüfungsabteilung Änderung der Anmeldung - Zustimmung der Prüfungsabteilung (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 16. März 2012, mit der sie die europäische Patentanmeldung Nr. 03026723.1 gemäß Artikel 97 (2) EPÜ zurückwies.
II. Der Zurückweisung lag zugrunde, dass die Prüfungsabteilung den von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 eingereichten geänderten Anspruchssatz nicht ins Verfahren zuließ (Regel 137 (3) EPÜ), so dass kein von der Beschwerdeführerin gebilligter Anspruchssatz vorlag.
Der Entscheidung vorausgegangen war eine Abfolge von seitens der Beschwerdeführerin nach dem ersten Bescheid der Prüfungsabteilung eingereichten geänderten Anspruchsfassungen, zu denen die Prüfungsabteilung jeweils eine negative Mitteilung erließ. Auf die mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 eingereichte weiter geänderte Anspruchsfassung, nebst angepasster Beschreibung, teilte die Prüfungsabteilung am 8. Februar 2011 der Beschwerdeführerin gemäß Regel 71 (3) EPÜ in der ab 1. April 2009 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (a.F.) ihre Absicht mit, ein europäisches Patent auf der Basis dieser Anspruchsfassung mit zusätzlichen Anpassungen der Beschreibung zu erteilen. Nachdem die Beschwerdeführerin daraufhin die Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens auf der Basis eines geänderten Anspruchssatzes beantragt hatte, lud die Prüfungsabteilung zum Termin zur mündlichen Verhandlung. Mit der Ladung wies die Prüfungsabteilung die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung G 7/93 (ABl. EPA 1994, 775) darauf hin, dass sie in Ausübung ihres Ermessens nach Regel 137 (3) EPÜ den neuen Anspruchssatz nicht ins Verfahren zuzulassen gedenke und die Beschwerdeführerin deshalb mit einer Zurückweisung ihrer Anmeldung rechnen solle, da der Umfang der Änderungen in Anspruch 1 eine Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens erforderte und überdies die neue Anspruchsfassung nicht gewährbar sei. Diese Frage war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, die in die angefochtene Entscheidung mündete.
III. Die in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten und für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Anspruchsfassungen lauten wie folgt:
Anspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 7. Dezember 2010:
Verfahren zur Beschichtung eines Werkstoffs oder Bauteils mit einer Metallbeschichtung, wobei
- die Metallbeschichtung durch eine Direktmetallisierung auf die Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils aufgebracht ist,
- die Metallbeschichtung aus mehreren aufeinander liegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten besteht und
- der Gehalt eines bestimmten Elements in den mehreren aufeinander liegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten von der auf der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils aufliegenden ersten Metallschicht bis zur letzten Metallschicht variiert,
welches die folgenden Schritte umfasst:
a) Aktivierung der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils durch ein Plasmaverfahren, welches die Schritte
- des Einbringens des Werkstoffes oder Bauteils in eine Prozesskammer,
- des Ausgasens desselben bei einem Druck von 10**(-5)bis 10**(-1)hPa (mbar), während 3 bis 60 min,
- des kontinuierlichen Abpumpens der Ausgasungen mittels Vakuumpumpen und
- des Aktivierens der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils mit einem in einem Edelgas durch eine elektrische Gasentladung im Vakuum erzeugten Plasma bei einem Druck von 10**(-3)bis 10**(-2)hPa (mbar) umfasst,
wobei die Energie und die Einwirkdauer des Plasmas auf die Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils so gewählt sind, bis die Oberflächenenergie des zu beschichtenden Bauteils >35 mN/m erreicht und der Werkstoff oder das Bauteil direkt mit einem PVD-Verfahren metallisiert werden kann, und
b) Direktmetallisierung durch ein PVD-Verfahren, wobei die einzelnen Schichten der Metallbeschichtung schichtartig nacheinander abgeschieden werden und aus mindestens einem Metall oder einer Metalllegierung mit einer definierten chemischen Zusammensetzung bestehen, und
c) Bestäubung der Oberfläche des Werkstoffes oder Bauteils bei einer Temperatur zwischen 20 und 100ºC,
wobei in Schritt a) das Plasma außerhalb der Prozesskammer erzeugt wird.
Anspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 17. Juni 2011:
Verfahren zur Beschichtung eines Werkstoffs oder Bauteils mit einer Metallbeschichtung, wobei
- die Metallbeschichtung durch eine Direktmetallisierung auf die Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils aufgebracht ist,
- die Metallbeschichtung aus mehreren aufeinander liegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten besteht und
- der Gehalt eines bestimmten Elements in den mehreren aufeinander liegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten von der auf der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils aufliegenden ersten Metallschicht bis zur letzten Metallschicht variiert,
welches die folgenden Schritte umfasst:
a) Aktivierung der Oberflache des Werkstoffs oder Bauteils durch ein Plasmaverfahren weiches die Schritte
- des Einbringens des Werkstoffes oder Bauteils in eine Prozesskammer,
- des Ausgasens desselben bei einem Druck von 10**(-5)bis 10**(-1)hPa (mbar),
- des kontinuierlichen Abpumpens der Ausgasungen mittels Vakuumpumpen und
- des Aktivierens der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils mit einem durch eine elektrische Gasentladung im Vakuum erzeugten Plasma umfasst,
wobei die Energie und die Einwirkdauer des Plasmas auf die Oberflache des Werkstoffs oder Bauteils so gewählt sind, dass die oberflächennahen Moleküle signifikant modifiziert werden und dadurch der Werkstoff oder das Bauteil direkt mit einem PVD-Verfahren haftend metallisiert werden kann,
b) Direktmetallisierung durch ein PVD-Verfahren, wobei die Direktmetallisierung schrittweise erfolgt, so dass der Gehalt eines bestimmten Elementes in den mehreren aufeinander liegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten von der auf der Oberfläche des Werkstoffs oder Bauteils aufliegenden ersten Metallschicht bis zur letzten Metallschicht variiert und die mehreren aufeinanderliegenden gleichen oder unterschiedlichen Metallschichten eine definierte chemische Zusammensetzung aufweisen, und
c) Bestäubung der Oberfläche des Werkstoffes oder Bauteils bei einer Temperatur zwischen 20 und 100ºC.
IV. Gegen die Zurückweisungsentscheidung reichte die Beschwerdeführerin frist- und formgemäß Beschwerde ein.
Sie stützt ihre Beschwerde im Wesentlichen darauf, dass die Prüfungsabteilung sich bei ihrer Ablehnung der Prüfung des von ihr mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 eingereichten Anspruchssatzes zu Unrecht auf die Entscheidung G 7/93 (supra) berufen habe, tatsächlich aber kein Ermessensspielraum eröffnet gewesen wäre und die Prüfungsabteilung damit diese Ansprüche in der Sache hätte prüfen müssen. Die Entscheidung G 7/93 sei nicht einschlägig, weil sie sich auf die seit Inkrafttreten des EPÜ 2000 nicht mehr geltende Regel 51 (6) EPÜ 1973 beziehe. Vielmehr erfolge eine Mitteilung, mit der ein Anmelder zur Zustimmung zur von der Prüfungsabteilung zur Patenterteilung vorgeschlagenen Fassung aufgefordert wird. Eine solche Zustimmung habe sie indes nicht gegeben, sondern die Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens auf der Basis eines neuen Anspruchssatzes beantragt. Die Regel 137 (3) EPÜ sei nicht einschlägig, da sie keine (weitere) Änderung der Anmeldung, sondern eine Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens begehrt hätte. In der Neufassung der seit 1. April 2012 geltenden Regel 71 (6) EPÜ (n.F.) komme zum Ausdruck, dass die Wiederaufnahme nicht in das Ermessen der Prüfungsabteilung gestellt ist. Diesen gesetzgeberischen Willen hätte die Prüfungsabteilung bereits beachten müssen, zumal die geänderten Ansprüche keine neue Sachprüfung erforderlich gemacht hätten.
V. In der Anlage zur Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2013 wies die Kammer darauf hin, dass die Beschwerde kaum Aussicht auf Erfolg habe.
Im Termin selbst wurde die Sach- und Rechtslage mit der Beschwerdeführerin eingehend erörtert, insbesondere im Hinblick auf die Ausübung und Begründung des Ermessens der Prüfungsabteilung betreffend die Nichtzulassung des mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 eingereichten Anspruchssatzes ins Prüfungsverfahren, dessen Zulassung ins Beschwerdeverfahren sowie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung auf der Basis der der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ a.F. vom 8. Februar 2011 zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen.
Die Beschwerdeführerin nahm ihren ursprünglichen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers seitens der Prüfungsabteilung zurück und stellte klar, dass sie lediglich die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung begehre, nicht dagegen eine Direkterteilung eines Patents durch die Beschwerdekammer.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen auf der Basis des mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 eingereichten Anspruchssatzes oder,
hilfsweise, auf der Basis der der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ vom 8. Februar 2011 zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen.
VII. Soweit die Beschwerdekammer am Schluss der mündlichen Verhandlung eine verfahrensleitende Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ verkündete, in der sie die Beschwerdeführerin aufforderte, binnen einer Frist von zwei Monaten etwaige fehlende Übersetzungen der Patentansprüche einzureichen sowie gegebenenfalls noch erforderliche Gebühren zu leisten, hat die Beschwerdeführerin diese Auflage fristgemäß erfüllt.
Entscheidungsgründe
1. Entscheidungserheblicher Gegenstand der Beschwerde
Nachdem die Prüfungsabteilung in ihrer Mitteilung vom 8. Februar 2011 gemäß Regel 71 (3) EPÜ a.F. die Erteilung eines europäischen Patents auf der Basis der von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 eingereichten Anspruchsfassung und einer von ihr geänderten Beschreibung in Aussicht gestellt hatte und die Beschwerdeführerin ihrerseits im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer (nunmehr) im Rahmen ihres Hilfsantrages ihre Zustimmung hierzu erteilt hat, beschränkt sich die vorliegende Beschwerde in der Sache auf die dem Hauptantrag zugrunde liegende Rechtsfrage, ob die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Ablehnung der Prüfung des mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 eingereichten Anspruchssatzes korrekt ist.
2. Anwendbares Recht
Nach Artikel 7 (1) der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 findet die revidierte Fassung des EPÜ (EPÜ 2000) auf alle nach ihrem Inkrafttreten (am 13. Dezember 2007) eingereichten europäischen Patentanmeldungen und die darauf erteilten Patente Anwendung. Sie findet nicht auf die bei ihrem Inkrafttreten bereits erteilten europäischen Patente und auf europäische Patentanmeldungen Anwendung, die in diesem Zeitpunkt anhängig sind. Letztes gilt allerdings dann nicht, wenn und soweit der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation in seinem Beschluss vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Revisionsakte etwas anderes bestimmt hat (Artikel 7 (2) Revisionsakte)). Die Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 ist auf alle dem EPÜ 2000 unterliegenden europäischen Patentanmeldungen, europäischen Patente, Entscheidungen von Organen des Europäischen Patentamts und internationalen Anmeldungen anzuwenden (Artikel 2 Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ 2000).
Da die Artikel 94, 97 und 123 EPÜ zu den nach Artikel 7 (2) Revisionsakte auch auf vor dem Stichtag eingereichte Anmeldungen anwendbaren Vorschriften gehören, unterliegt die Streitpatentanmeldung dem EPÜ 2000 und sind auf diese unter anderem die Regel 71 (3) EPÜ a.F. und die Regel 137 (3) EPÜ anwendbar.
Damit bedurfte die von der Beschwerdeführerin nach Erhalt der Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Regel 71 (3) EPÜ a.F. vom 8. Februar 2011 mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 vorgenommene Änderung der Zustimmung durch die Prüfungsabteilung. Im Fall der Ablehnung verlangt Regel 71 (5) EPÜ a.F. die Gewährung rechtlichen Gehörs, das vorliegend durch die Mitteilung der Prüfungsabteilung vom 16. August 2011 und die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2012 gewährt wurde.
3. Ermessen der Prüfungsabteilung bei der Nichtzulassung der geänderten Anspruchsfassung vom 17. Juni 2011 (Hauptantrag)
Vorliegend entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Prüfungsabteilung bei ihrer Entscheidung nach Regel 71 (3) EPÜ a.F. ein Ermessen hatte oder ihre Entscheidung zugunsten einer Zustimmung zu und damit Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens mit den am 17. Juni 2011 eingereichten Ansprüchen gebunden war bzw. sie ihr Ermessen gegebenenfalls fehlerhaft ausgeübt hat.
3.1 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann für die Annahme einer im Hinblick die Regel 71 (6) EPÜ n.F. gebundenen Entscheidung der Prüfungsabteilung zugunsten einer Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens auf der Basis der von der Beschwerdeführerin am 17. Juni 2011 eingereichten Ansprüche kein Raum sein. Denn diese Neufassung trat erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in Kraft.
3.2 Soweit damit das Ermessen der Prüfungsabteilung bei der Frage der Zulassung gemäß Regel 137 (3) EPÜ eröffnet war, kommt lediglich eine Überprüfung dieser Ermessensentscheidung durch die Beschwerdekammer in Betracht. Diese Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Prüfungsabteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa T 640/91, ABl. EPA 1994, 918, Leitsatz III).
3.3 Die Prüfungsabteilung hat ihr Ermessen vor allem auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 7/93 (supra) gestützt. In dieser Entscheidung werden die Kriterien für die Zulassung oder Zurückweisung von Änderungsanträgen nach Regel 86 (3) in Verbindung Regel 51 EPÜ 1973 festgelegt (siehe auch T 1064/04, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
In dieser Entscheidung hat die Große Beschwerdekammer ausgeführt (a.a.O., Leitsatz 2):
"Bei der Ausübung dieses Ermessens nach Erlass einer Mitteilung gemäß Regel 51 (6) EPÜ muss die Prüfungsabteilung allen rechtserheblichen Faktoren Rechnung tragen. Sie muss insbesondere das Interesse des Anmelders an einem in allen benannten Staaten rechtsbeständigen Patent und das seitens des EPA bestehende Interesse, das Prüfungsverfahren durch Erlass eines Erteilungsbeschlusses zum Abschluss zu bringen, berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Da der Erlass der Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ dem Zweck dient, das Erteilungsverfahren auf der Grundlage der zuvor gebilligten Fassung der Anmeldung abzuschließen, wird die Zulassung eines Änderungsantrags in diesem späten Stadium des Erteilungsverfahrens eher die Ausnahme als die Regel sein."
Sie hat als einen solchen Ausnahmefall genannt (a.a.O., Gründe Nr. 2.5):
" kleinere Änderungen, die keine Wiederaufnahme der Sachprüfung erfordern und den Erlass eines Erteilungsbeschlusses nicht nennenswert verzögern ",
aber zugleich betont (a.a.O., Gründe Nr. 2.6), dass
"eine Beschwerdekammer [sich] nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen [sollte], wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der unter Nummer 2.5 dargelegten richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat."
3.4 Diese Kriterien gelten auch für die Folgevorschriften der Regeln 137 (3) und 71 EPÜ a.F. fort (siehe: T 1326/11 und T 1540/11, beide nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
3.5 Die Prüfungsabteilung hat sich in der angefochtenen Entscheidung umfassend mit den patentrechtlichen Aspekten der Anspruchsänderungen auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb aus ihrer Sicht diese nicht patentfähig sind. Dies erfolgte bereits im Ladungsbescheid vom 16. August 2011 und erneut in der angefochtenen Entscheidung. Auch ohne ausdrückliche und förmliche Wiederaufnahme des Prüfungsverfahrens hat die Prüfungsabteilung damit faktisch die von der Beschwerdeführerin am 17. Juni 2011 eingereichten Ansprüche geprüft und abschlägig beschieden.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren vor Erlass der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ a.F. mehrfach geänderte Ansprüche eingereicht und am 24. Februar 2010 eine beschleunigte Prüfung beantragt, gleichwohl jedoch nach der ersten Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ vom 28. September 2007 mehrfach Fristverlängerungen beantragt hatte.
Die Prüfungsabteilung hat mithin erkennbar alle maßgeblichen Umstände des Falles berücksichtigt, insbesondere hat sie das Interesse der Beschwerdeführerin an einem in allen benannten Staaten rechtsbeständigen Patent einerseits wie auch das öffentliche Interesse des Europäischen Patentamtes andererseits, das Prüfungsverfahren durch Erlass eines Erteilungsbeschlusses zum Abschluss zu bringen, gegeneinander abgewogen.
3.6 Vor diesem Hintergrund ist die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht als ermessens- und damit rechtsfehlerhaft in dem eingangs genannten Sinne, so dass das von der Beschwerdeführerin mit ihrem Hauptantrag verfolgte Begehren nicht durchgreift.
4. Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur Patenterteilung (Hilfsantrag)
Soweit dem Hauptantrag unbegründet und damit erfolglos bleibt, ist allein über den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Mit diesem begehrt die Beschwerdeführerin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur Erteilung eines europäischen Patents auf der Basis der der Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Regel 71 (3) EPÜ a.F. vom 8. Februar 2011 zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen.
Nachdem die Prüfungsabteilung in der genannten Mitteilung bereits die Patenterteilung in Aussicht gestellt und lediglich eine weitere Anpassung der von der Beschwerdeführerin bereits mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 eingereichten angepassten Beschreibung an die von der Beschwerdeführerin mit demselben Schriftsatz eingereichten geänderten Ansprüche sowie orthographische Korrekturen vorgenommen hatte und die Beschwerdeführerin (nunmehr) ihre Zustimmung hierzu erteilt und auch mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2013 die Übersetzungen der Patentansprüche in die englische und die französische Sprache eingereicht hat, erübrigt sich eine Sachprüfung durch die Beschwerdekammer.
Die sonstigen formellen Erfordernisse (Gebührenzahlung) sind ebenfalls erfüllt.
5. Da somit eine erteilungsreife Fassung sowohl der (geänderten) Patentansprüche wie auch der (insoweit angepassten und korrigierten) Beschreibung vorliegt, wird auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur Patenterteilung zurückverwiesen.
Alle weiteren, ursprünglich von der Beschwerdeführerin gestellten bzw. angekündigten Anträge, insbesondere ihre Anträge auf Direkterteilung durch die Beschwerdekammer sowie auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat die Beschwerdeführerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zurückgenommen, weshalb insoweit keine Entscheidung ergeht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Basis der der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ vom 8. Februar 2011 zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen zu erteilen.