T 1783/12 () of 12.5.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T178312.20170512
Datum der Entscheidung: 12 Mai 2017
Aktenzeichen: T 1783/12
Anmeldenummer: 07723515.8
IPC-Klasse: A61B 17/00
A61B 17/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: OCCLUSIONSINSTRUMENT UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Occlutech Holding AG
Name des Einsprechenden: AGA Medical Corporation (nicht beteiligt)
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 107
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 99(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 1. Juni 2012 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung wurde festgestellt, dass das Europäische Patent Nr. 1 998 686 in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2012 eingereichten Hilfsantrags 1 den Erfordernissen des EPÜ genüge. In der Entscheidung wurde ferner der Hauptantrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, zurückgewiesen.

II. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 des von der Einspruchsabteilung stattgegebenen Hilfsantrags 1 sind identisch mit jeweils Anspruch 1 und Anspruch 11 des erteilten Patents mit folgender Änderung im ersten Absatz des erteilten Anspruchs 11:

"11. Verfahren zum Herstellen eines Occlusionsinstruments[deleted: , insbesondere eines Occlusionsinstruments] nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verfahren die folgenden Verfahrensschritte aufweist:"

III. Die Patentinhaberin legte mit Schreiben vom 8. August 2012 Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein. Im Wortlaut der Beschwerdeschrift sei die Beschwerde gerichtet "against the decision ... to reject the request of the patent proprietor that opposition should be dismissed, and against the decision to reject the request of the patent proprietor to maintain the patent in unamended form".

In der Beschwerdebegründung vom 8. Oktober 2012 begründete die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin ihren Antrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten.

Mit weiteren Schreiben vom 28. Februar 2013 und 20. Dezember 2013 stellte die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin weitere Hilfsanträge, u.a. den Hilfsantrag, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2012 eingereichten Hilfsantrags 1 aufrecht zu erhalten.

IV. Mit Schreiben vom 6. Juli 2016 nahm die (bis dahin ebenfalls beschwerdeführende) Einsprechende ihren Einspruch zurück und war folglich nicht mehr am Beschwerdeverfahren beteiligt.

V. Mit Bescheid vom 9. Februar 2017 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin ihre vorläufige Meinung mit.

VI. Am 12. Mai 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Die Schlussanträge der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin lauten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in unveränderter Form aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2012 eingereichten Hilfsantrags 1 aufrecht zu erhalten.

VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 des Hauptantrags (bzw. des Patents in der erteilten Fassung) lauten wie folgt:

"1. Occlusionsinstrument, bestehend aus einer Fassung (5) und einem Geflecht (2) dünner Drähte oder Fäden (4), welches mittels eines Umformungs- und Wärmebehandlungsverfahrens eine geeignete Form erhält, mit einem proximalen Retentionsbereich (6), einem distalen Retentionsbereich (8), wobei in dem distalen Retentionsbereich (8) die Enden der Drähte oder Fäden (4) in der Fassung (16) zusammenlaufen, und mit einem zylindrischen Steg (l0) zwischen dem proximalen und dem distalen Retentionsbereich (6, 8), wobei die beiden Retentionsbereiche (6, 8) durch einen meist intravaskulären Operationseingriff beideiseits eines zu verschließenden Shunts in einem Septum zur Anlage kommen können, während der Steg (10) durch den Shunt hindurchläuft,

dadurch gekennzeichnet, dass

der proximale Retentionsbereich (6) des Geflechts (2) am proximalen Ende (12) des Occlusionsinstruments eine vollständig geschlossene Proximalwand (112) aufweist, welche eine stetige Fläche ist, die das proximale Ende (12) des Occluslonsinstruments bildet."

"11. Verfahren zum Herstellen eines Occlusionsinstruments, insbesondere eines Occlusionsinstruments nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verfahren die folgenden Verfahrensschritte aufweist:

- Ausbilden eines kugel-, birnen- oder tropfenförmigen Hohlgeflechts (2) mittels eines an sich bekannten Flechtverfahrens, wobei das Hohlgeflecht (2) an einem ersten, distalen Ende (3) gebündelt wird und an einem gegenüberliegenden zweiten, proximalen Ende (12) eine vollständig geschlossene Proximalwand (112) mit einer stetigen Fläche aufweist; und

- Ausformen eines proximalen Retentionsbereichs (6) an der Proximalwand (112) eines distalen Retentionsbereichs (8) am gebündelten ersten Ende (3) und eines zwischen dem proximalen und dem distalen Retentionsbereich (6, 8) angeordneten zylindrischen Stegs (10)."

VIII. Die von der Patentinhaberin/Einsprechenden vorgebrachten entscheidungsrelevanten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Eine Beschwer im Sinne von Artikel 107 EPÜ sei zunächst deshalb gegeben, da dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, nicht stattgegeben worden sei. Auch wenn die Beschwerdebegründung keine explizite Begründung zu diesem Punkt enthalte, so sei dennoch eine implizite Begründung in der Diskussion der Offenbarung einiger Dokumente des Standes der Technik gegeben. Darüber hinaus sei während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung der Neuheitseinwand gegen den erteilten Anspruch 11 diskutiert worden, bevor er durch den letztendlichen (und derzeitigen) Hilfsantrag 1 ersetzt wurde. Mit der Zurücknahme des Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung sei beabsichtigt gewesen, den Arbeitsaufwand für die Einspruchsabteilung möglichst gering zu halten. Aus Absatz 11.3 der angefochtenen Entscheidung gehe hervor, dass die Einspruchsabteilung eine Entscheidung über den erteilten Anspruch 11 sehr wohl getroffen habe. Demzufolge sei die Patentinhaberin durch die Entscheidung, das Patent in erteiltem Umfange nicht aufrecht zu erhalten, beschwert, so dass die Beschwerde zulässig sei.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

1.1 Nach Artikel 107 EPÜ ist jeder Verfahrensbeteiligte, der durch die Entscheidung beschwert ist, dazu berechtigt, Beschwerde einzulegen. Eine Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung hinter dem Begehren dieses Verfahrensbeteiligten zurückbleibt, ihm also weniger zugesprochen wurde, als er beantragt hatte (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8. Auflage 2016, IV.E.2.4.2).

1.2 Der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Hauptantrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wurde von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin war demzufolge in Bezug auf diesen prozeduralen Aspekt beschwert.

1.2.1 In ihrer Beschwerdeschrift erklärte die Beschwerdeführerin zunächst, dass die Beschwerde unter anderem gegen diesen prozeduralen Aspekt der angefochtenen Entscheidung gerichtet sei. Allerdings wurde in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, aus welchen Gründen dieser Aspekt der Entscheidung aufzuheben sei, entgegen den Anforderungen von Regel 99(2) EPÜ. Die Beschwerdebegründung befasst sich nämlich ausdrücklich und ausschließlich mit den Gründen, weshalb das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten sei. Es wird konkret dargelegt, weshalb nach Ansicht der Beschwerdeführerin das erteilte Patent die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erfülle. Auf die unter Punkt 10 der Entscheidung erwähnten Gründe, wonach der Einspruch als zulässig befunden wurde, geht die Beschwerdebegründung jedoch mit keinem Wort ein.

1.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass auch wenn die Beschwerdebegründung keine explizite Begründung hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs enthalte, so sei dennoch eine implizite Begründung aufgrund der Diskussion der Offenbarung einiger der erwähnten Dokumente des Standes der Technik gegeben.

Die Kammer teilt diese Auffassung jedoch nicht. Die in der Beschwerdebegründung vorgebrachte Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der erteilten Patentansprüche erlaubt keine konkreten impliziten Rückschlüsse auf die erstinstanzlich beanstandete Unvollständigkeit der Einspruchsschrift. Ferner geht aus der Beschwerdebegründung auch nicht klar hervor, inwiefern die erstinstanzliche Entscheidung zu diesem Punkt nicht zutreffend sein soll. Ausdrückliche und spezifische Argumente hierzu sind daher entgegen den Erfordernissen von Regel 99(2) EPÜ in der Beschwerdebegründung nicht enthalten.

1.2.3 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass die Anfechtung der Entscheidung, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, nicht begründet ist (Regel 99(2) EPÜ).

1.3 Neben diesem prozeduralen Antrag hatte die Patentinhaberin während des erstinstanzlichen Verfahrens als Hilfsantrag zunächst die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang beantragt. Dieser Hilfsantrag wurde jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Patentinhaberin zurückgenommen und durch den Antrag ersetzt, das Patent in geändertem Umfang gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 aufrecht zu erhalten (siehe Punkt 9 des Protokolls der mündlichen Verhandlung). Demzufolge wurde in der angefochtenen Entscheidung nur über letzteren Hilfsantrag 1 entschieden (Punkte 11.3 bis 14), und zwar zu Gunsten der Patentinhaberin.

1.3.1 Die Patentinhaberin hat folglich im erstinstanzlichen Verfahren materiellrechtlich nicht mehr beantragt als die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung stattgegebenen Fassung gemäß Hilfsantrag 1 (obiger Punkt II). Somit ist ihr materiellrechtlich genau das zugesprochen worden, was sie beantragt hatte.

1.3.2 Der Umstand, dass der höherrangige prozedurale Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen wurde, präjudiziert nicht die davon unabhängige materiellrechtliche Entscheidung der Aufrechterhaltung des Patents. Ein zulässiger Einspruch ist für die Anfechtung der Aufrechterhaltung des Patents eine notwendige, jedoch keine hinreichende Vorraussetzung. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Einspruch zulässig ist, stellt folglich keine Beschwer hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Patents (in welchem Umfange auch immer) dar.

1.3.3 Die Beschwerdeführerin erläuterte vor der Kammer, dass während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung der Neuheitseinwand gegen den erteilten Anspruch 11 diskutiert worden sei, wonach dieser Anspruch durch den eingeschränkteren Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ersetzt worden sei. Mit der Rücknahme des Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung sei nur beabsichtigt gewesen, den Arbeitsaufwand für die Einspruchsabteilung möglichst gering zu halten. Aus Absatz 11.3 der angefochtenen Entscheidung gehe jedoch hervor, dass die Einspruchsabteilung eine Entscheidung über den erteilten Anspruch 11 getroffen habe.

Letztere Einschätzung teilt die Kammer nicht. Besagter Absatz 11.3 der angefochtenen Entscheidung erwähnt in einem einzigen Satz, dass der in der mündlichen Verhandlung eingeschränkte Hilfsantrag 1 durch den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit veranlasst und daher nach Regel 80 EPÜ zulässig sei. Die Kammer vermag in dieser Feststellung eindeutig keine begründete Entscheidung über die Neuheit des zurückgenommenen erteilten Anspruchs 11 erkennen. Im Übrigen hätte die vermeintlich getroffene endgültige Entscheidung der Einspruchsabteilung die erst danach erfolgte Rücknahme des Antrags auch gar nicht gestattet.

1.3.4 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass hinsichtlich des materiellrechtlichen Antrags der Aufrechterhaltung des Patents in erteiltem Umfange keine Beschwer im Sinne von Artikel 107 EPÜ vorliegt.

Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass zum gemäß Artikel 108 EPÜ maßgeblichen Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdebegründung: a) die Anfechtung der Entscheidung, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, nicht begründet war und b) dem materiellrechtlichen Antrag, das Patent in erteiltem Umfange aufrecht zu erhalten, keine Beschwer im Sinne von Artikel 107 EPÜ zu Grunde lag. Demnach ist die Beschwerde unzulässig. Folglich bleiben Anträge unberücksichtigt, die später als zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, insbesondere der (von der Einspruchsabteilung stattgegebene) Hilfsantrag, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2012 eingereichten Hilfsantrags 1 aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

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