T 1781/12 () of 6.2.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T178112.20140206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2014
Aktenzeichen: T 1781/12
Anmeldenummer: 02450137.1
IPC-Klasse: C22C 1/08
C22C 32/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines leichtgewichtigen Formkörpers und Formkörper aus Metallschaum
Name des Anmelders: Hütte Klein-Reichenbach Gesellschaft m.b.H.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 11. April 2012 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die Europäische Patentanmeldung Nr. 02 450 137.1 zurückgewiesen.

II. Anspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 (Hauptantrag), welcher der obigen Entscheidung zugrunde liegt, lautet wie folgt:

"Leichtgewichtiger Formkörper aus Metallschaum, bestehend aus einer Metallmatrix in welche Partikel eingelagert sind und welche eine Vielzahl von im Wesentlichen sphärischen und/oder im Wesentlichen ellipsoiden Hohlräumen umschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Metallschaum des Formkörpers bei räumlicher Betrachtung eine monomodale Verteilung der anteilsmäßig maximalen Längserstreckungen der Hohlräume im Bereich zwischen 1,0 und 30,0 mm aufweist."

III. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht klar sei. Die Bestimmung, ob eine Häufigkeitsverteilung als monomodal oder nicht (d.h. bimodal oder polymodal) anzusehen ist, hänge von der Auflösung des Messwerts und damit der Skalierung des Streubandes ab. Je nach Skalierung der x-Achse der in Druckschrift

D4: T. Miyoshi, M. Itoh, S Akiyama, A. Kitahara: Aluminum Foam, "ALPORAS": The production process, properties and applications; Mat. Res. Soc. Symp. Proc. Vol 521, 1998, Materials Research Society, Seiten 133 bis 137; XP-002225837,

Abbildung 7 gezeigten Porengröße (cell size) könne auch dieses Streuband als monomodale Verteilung dargestellt werden. Fasse man z.B. bei der in Druckschrift D4, Abbildung 7 gezeigten Zellgrößen­verteilung mit den beiden Modalwerten bei 5 mm und 12 mm immer drei benachbarte Säulen zusammen und bilde daraus eine einzige Größenklasse, so verschwinde der zweite Peak bei 12 mm und es ergebe sich eine monomodale Verteilung. Eine solche Betrachtungs­weise sei zulässig, denn die Anmeldung enthalte keinerlei Hinweise darauf, wie genau die Einteilung der Größenklassenverteilung erfolgen solle. Ferner sei der Prüfungsabteilung nicht klar, ob eine räumliche Betrachtung und Ausmessung der Hohlräume in einem Metallschaum überhaupt möglich ist und auf welche Weise ein Fachmann ermitteln könne, ob räumlich eine monomodale Verteilung der Hohlräume vorliegt.

Auch sei Anspruch 1 des Hauptantrags mangels Neuheit seines Gegenstandes gegenüber der Druckschrift D4 nicht gewährbar. Da man - wie oben dargelegt - durch eine andere Skalierung der Zellgrößen bei dem in D4, Abbildung 7 offenbarten Aluminiumschaum auch eine monomodale Verteilung der Porengröße ermitteln könne, sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber dem bekannten Al-Schaumkörper, denn dieser offenbare alle Merkmale von Anspruch 1.

Anspruch 1 des Hauptantrags erfülle deshalb nicht die Erfordernisse der Artikel 84 und 54 EPÜ.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 1. Juni 2012 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Der am 10. Juli 2012 eingereichten Beschwerdebegründung waren die folgenden Druckschriften beigefügt:

B1: H.P. Degischer, et al.: "On the Non-Destructive Testing of Metal Foams", in J. Banhart, M. F. Ashby, N. A. Fleck: Metal Foams and Porous Metal Structures, MIT Verlag (1999), Seiten 213 bis 220; ISBN 3-9805748-7-3;

B2: F. Grote et al.: "Characterization of cast and compressed foam structures by combined 2D-3D analysis", in J. Banhart, M. F. Ashby, N. A. Fleck: Metal Foams and Porous Metal Structures, MIT Verlag (1999), Seiten 227 bis 232; ISBN 3-9805748-7-3;

B3: E. Cornelis et al.: "Desktop X-ray microtomography to studies of metal foams", in J. Banhart, M. F. Ashby, N. A. Fleck: Metal Foams and Porous Metal Structures, MIT Verlag (1999), Seiten 233 bis 234; ISBN 3-9805748-7-3;

B4: A. Sassov et al.: "Non destructive 3-D Investigation of Metal Foam Microstructure", Mat.- wiss. u. Werkstofftechnik, 31, WILEY-VCH Verlag GmbH (2000), D-69451 Weinheim, Seiten 571 bis 573;

B5: E. Jasiuniene B. Illerhaus, J. Goebbels, BAM Berlin, Germany: "3D Investigations of Metallic Foams by microtomography (myCT)", 15th World Conference on Non-Destructive Testing, 15-21 Oct. 2000, Rom, 4 Seiten;

B6: B. E. Zettl et al.: "High Cycle Fatigue Properties of Aluminium Foams", Mat. Res. Soc. Proc. Vol. 521: Porous and Cellular Materials for Structural Applications; Symposium held April 13-15, 1998, San Francisco, California, U.S.A.; Materials Research Society, Seite 97 bis 102;

V. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, Anspruch 1 des Hauptantrags sei klar. Verfahren zur Ermittlung der Parameter und Daten zur Bestimmung, ob eine monomodale Verteilung der Poren in einem Formkörper vorliegt, seien dem auf diesem Gebiet der Technik bewanderten Fachmann bekannt, wie man auch den letzten beiden Absätzen auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung entnehmen könne. Dort werde auf das Computer-Tomographie-Verfahren (CT-Verfahren) hingewiesen, das zum Zeitpunkt der Anmeldung als gängiges Verfahren zur räumlichen Untersuchung von Metallschaumkörpern bekannt und üblich gewesen sei. Zum Beleg dieses allgemeinen fachmännischen Wissens werde auf die Druckschriften B1 bis B6 hingewiesen. Diese Druckschriften zeigten, wie die räumliche Betrachtung eines metallischen Schaumformkörpers typischerweise erfolgt und die räumliche Verteilung der Zellgrößen ermittelt wird. Sie belegten ferner die von der Beschwerdeführerin im Prüfungsverfahren vorgetragene Ansicht, dass - abhängig vom verwendeten CT-Gerät - Auflösungen bzw. Klasseneinteilungen im Bereich von 0,1 bis 1 mm zur Ermittlung der Häufigkeitsverteilung der Porengrößen zum Prioritätszeitpunkt üblich waren. Der Fachmann könne somit eindeutig und sicher feststellen, ob bei räumlicher Betrachtung eine monomodale Verteilung der Zellgrößen in einem Leichtmetallschaum vorliegt oder nicht.

Auch in Abbildung 7 von D4 werde im Einklang mit dem damaligen Stand der Technik eine Klassifizierung der Zellgrößen in der Verteilung im Bereich von 0,1 bis 1 mm gewählt. Daraus ergebe sich - wie Abbildung 7 eindeutig zeige - eine bimodale Verteilung der Zellgröße mit zwei Peaks bei 5 mm und 12 mm und keine monomodale Verteilung wie beansprucht. Der beanspruchte Schaumkörper unterscheide sich damit in eindeutiger Weise von dem aus D4 bekannten Schaumkörper.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags erfülle deshalb die Erfordernisse der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) und der Neuheit (Artikel 54 EPÜ).

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Schreiben vom 31. Januar 2014, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und die Anmeldung auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Klarheit des Wortlauts von Anspruch 1 des Hauptantrags

2.1 Anspruch 1 richtet sich auf einen Formkörper aus Metallschaum mit einer Metallmatrix, in die Partikel eingelagert sind und die eine Vielzahl von im Wesentlichen sphärischen und/oder ellipsoiden Hohlräumen umschließt.

Aus dem Wortlaut von Anspruch 1 ergibt sich klar und unmissverständlich, dass die Erfassung und Vermessung der sphärischen und ellipsoiden Hohlräume im Schauminneren nicht nur in einer Schnittebene, sondern räumlich, d.h. dreidimensional erfolgen muss und auf diese Weise die maximale Längserstreckung der Hohlräume bestimmt werden muss. Weiterhin fordert Anspruch 1 im Schaumkörper, dass eine monomodale Verteilung der Hohlräume, die eine Längserstreckung im Bereich zwischen 1,0 und 30 mm aufweisen, vorliegt.

2.2 Die Prüfungsabteilung beanstandet als unklar, die Anmeldung enthalte keine Hinweise, wie die Größenklassenverteilung der Hohlräume im Schauminneren zu bestimmen ist und in welcher Weise die Einteilung der Größenklassen erfolgen soll (siehe angefochtene Entscheidung Punkt 2.1). Außerdem sei nicht klar, wie die Bestimmung der Porengröße "bei räumlicher Betrachtung" erfolgen soll.

2.3 Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung beschreibt in dem begleitenden Text zu Figur 6, dass eine monomodale Verteilung der Abmessung der Hohlräume dann vorliegt, wenn die mittlere lokale Dichte des Schaumkörpers ein enges Häufigkeitsmaximum aufweist, wie dies in Figur 6 der Anmeldung dargestellt ist. In der Beschreibung der Anmeldung ist weiter auf Seite 8, vorletzter und letzter Absatz ausgeführt, dass die mittlere relative Häufigkeit der mittleren lokalen Dichte in einem Schaumkörper durch das CT-Verfahren ermittelt werden kann. Somit enthält die Anmeldung selbst bereits genügend Hinweise an den Fachmann, wie er das Vorliegen einer monomodalen Häufigkeits­verteilung der Porengrößen im Schaum feststellen kann.

Um die in der Entscheidung der Prüfungsabteilung vorgebrachten Klarheitsbeanstandungen auszuräumen, weist die Beschwerdeführerin auf die Druckschriften B1 bis B6 hin, die zusammen mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden. Diese Druckschriften belegen, dass zum Prioritätszeitpunkt z.B. durch den Einsatz des Micro-Computer-Tomographie-Verfahrens (Micro-CT-Verfahren) Messungen der inneren Morphologie und räumliche Strukturen von Leichtmetallschäumen vorgenommen werden können. Damit lassen sich dreidimensionale (3D) Parameter quantitativ im Metallschaum bestimmen und sich so Schaumwerkstoffe mit definierten Eigenschaften erzeugen (siehe z.B. B1, Seite 214, Absatz 3.2. X-Ray Radiography; B2, Seite 232, 4. Summary; B3, 3. Results und 4. Conclusions;

B4, 1. Introduction, 2. X-ray Microtomography Methods and Instruments, 3. Application, Example Al: foam with closed cells, 5. Conclusions; B5, Seite 3, Pore size distribution, Figur 4b). Im Lichte der Angaben in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung und dem allgemeinen Fachwissen, nachgewiesen durch die Druck­schriften B1 bis B6, ist es somit klar, wie der fachkundige Leser den Ausdruck "bei räumlicher Betrachtungsweise" in Anspruch 1 versteht, auf welche Weise die dreidimensionale Porengröße innerhalb des Metallschaums zuverlässig bestimmt wird und festgestellt werden kann, ob eine monomodale Verteilung der Poren mit den anspruchs­gemäß definierten maximalen Längserstreckungen vorliegt oder nicht.

Auch ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass zum Prioritätszeitpunkt Auflösungen bzw. Klasseneinteilungen im Bereich von 0.1 bis 1 mm abhängig vom CT Gerät zur Ermittlung der statistischen Häufigkeitsverteilung der Porengrößen in Metallschäumen üblich waren. So zeigen beispielsweise D4, Bild 7 eine Zellgrößen-Klasseneinteilung in Schritten von 1 mm, B5, Seite 4, Bild 4 eine Verteilung der Porengröße in Schritten von ca. 0.07 mm (ca. 0.1 mm) und B6, Seite 97, Figur 2 eine Klassifizierung in Schritten von 0.5 mm (B6, Seite 98, Zeilen 3 bis 11).

Daraus folgt, dass Anspruch 1 des Hauptantrags klar und deutlich ist.

3. Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags

Druckschrift D4 zeigt in Figur 7 die relative Häufigkeits­verteilung der Porengrößen des Leichtmetallschaums ALPORAS. Dabei wurde die Klassifizierung der Zellgrößen in 1 mm Schritten vorgenommen. Ein erstes ausgeprägtes Häufigkeitsmaximum (erster Modalwert) liegt bei einer Porengröße von 5 mm, eine zweiter weniger stark ausgeprägter Modalwert liegt bei 12 mm. Somit liegt eine bimodale Verteilung der Porengrößen vor. Der beanspruchte Metallschaum mit einer monomodalen Verteilung der Porengrößen unterscheidet sich somit zweifelsfrei vom bekannten bimodalen ALPORAS Metallschaum.

3.1 Nach Ansicht der Prüfungsabteilung kann man bei der Wahl einer anderen statistischen Klassengröße in Figur 7 auch zu einer monomodalen Verteilung der Zellgrößen kommen. Bei einer statistischen Häufigkeitsverteilung mit der entsprechend gewählten Klassengröße wäre die Lehre von D4 neuheitsschädlich gegenüber dem Anspruchsgegenstand.

3.2 Eine solche Vorgehensweise ist jedoch nicht zulässig. Druckschrift D4 offenbart für den untersuchten ALPORAS-Schaumkörper in Figur 7 unmittelbar und eindeutig eine bimodale Häufigkeitsverteilung der Porengrößen. Entgegen der Ansicht der Prüfungsabteilung besteht für den Fachmann überhaupt keine Veranlassung, die - wie bereits oben gezeigt - übliche Klasseneinteilung von 1 mm in D4, Figur 7 dahingehend abzuändern, dass sich eine monomodale Verteilung der Zellgrößen ergibt und somit das in Figur 7 gefundene Ergebnis in Frage zu stellen. Eine solche hypothetische Möglichkeit, eine andere als die in D4 gewählte Klasseneinteilung in Betracht zu ziehen und daraus spekulative Schlussfolgerungen zu ziehen, die zu einem technischen Ergebnis führen, welches der Lehre von D4 widerspricht, kann nicht die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage stellen.

Der vorliegende Anspruch 1 genügt damit den Erfordernissen von Artikel 84 und 54 EPÜ.

4. In der angefochtenen Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde lediglich die Frage der Klarheit und Neuheit abgehandelt. Zur erfinderischen Tätigkeit wurden dagegen keine Ausführungen gemacht. Unter diesen Umständen macht die Kammer von der Befugnis gemäß Artikel 111(1) EPÜ Gebrauch, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

Die Kammer entspricht damit dem von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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