T 1776/12 () of 3.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T177612.20150603
Datum der Entscheidung: 03 Juni 2015
Aktenzeichen: T 1776/12
Anmeldenummer: 04764329.1
IPC-Klasse: C09J 7/00
C09J 7/02
G06K 19/077
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERWENDUNG EINER KLEBSTOFFFOLIE ZUR IMPLANTIERUNG VON ELEKTRISCHEN MODULEN IN EINEN KARTENKÖRPER
Name des Anmelders: TESA SE
Name des Einsprechenden: GIESECKE & DEVRIENT GmbH
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent 1 658 346 unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Das Patent war mit 8 Ansprüchen erteilt worden. Ansprüche 1 und 8 lauteten wie folgt:

"1. Verwendung einer Klebstofffolie zur Verklebung von einem Chipmodul in einem Kartenkörper, aufweisend zumindest zwei Klebstoffschichten (i) und (ii), wobei sich die zumindest zwei Schichten (i) und (ii) der Klebstofffolie chemisch voneinander unterscheiden."

"8. Verklebungseinheit bestehend aus einem Kartenkörper, einer zumindest zweischichtigen Klebstofffolie nach einem der vorgenannten Ansprüche und einem Chipmodul.

III. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt. Die im Einspruchsschriftsatz zitierten Dokumente umfassten:

E4 Y. Haghiri et al., "Vom Plastik zur Chipkarte"

Carl Hanser Verlag München Wien, S. 26-89, 83-94

und 129 (1999)

E5 EP 0 527 438 A2.

Nach Ablauf der Einspruchsfrist wurden noch weitere, als E7 bis E18 bezeichnete Dokumente eingereicht.

IV. Im Laufe des Einspruchsverfahrens reichte die Patentinhaberin einen Anspruchssatz mit 6 Ansprüchen gemäß einem neuen Hauptantrag ein. Die Ansprüche 1, 2, 3 und 4 sind unabhängige Ansprüche. Die Ansprüche 1 und 2 lauten wie folgt:

"1. Verwendung einer Klebstofffolie zur Verklebung von einem Chipmodul in einem Kartenkörper,

a) wobei die verwendete Klebstofffolie zumindest zwei Klebstoffschichten (i) und (ii) aufweist,

b) wobei sich diese zumindest zwei Klebstoffschichten (i) und (ii) chemisch voneinander unterscheiden,

dadurch gekennzeichnet,

c) dass die Klebstoffschicht (i) auf thermoplastischen Polymeren basiert, nämlich auf Basis von Polyestern, Polyamiden, Copolyestern und/oder Copolyamiden,

d) wobei die Klebstoffschicht (ii) auf Polyurethanen und/oder Kautschuken, insbesondere Synthesekautschuken, basiert.

"2. Verwendung einer Klebstofffolie zur Verklebung von einem Chipmodul in einem Kartenkörper,

a) wobei die verwendete Klebstofffolie zumindest zwei Klebstoffschichten (i) und (ii) aufweist,

b) wobei sich diese zumindest zwei Klebstoffschichten (i) und (ii) chemisch voneinander unterscheiden,

dadurch gekennzeichnet,

c) dass die Klebstoffschicht (i) auf thermoplastischen Polymeren basiert, insbesondere auf Basis von Polyestern, Polyamiden, Copolyestern und/oder Copolyamiden,

e) wobei die Klebstoffschicht (ii) auf hitzeaktivierbaren Systemen basiert, nämlich auf einem Elastomer und zumindest einem Reaktivharz,

e1) wobei als Elastomer Kautschuke, Nitrilkautschuke, epoxidierte Nitril­kautschke Polychlorisoprene und/oder Polyacrylate und

e2) als Reaktivharz Phenolharze, Epoxyharze, Melaminharze und/oder Harze mit Isocyanat­funktion allein oder in Kombination

miteinander eingesetzt werden.

Die unabhängigen Ansprüche 3 und 4 betreffen eine Verklebungseinheit bestehend aus einem Kartenkörper, einer Klebstofffolie und einem Chipmodul, wobei die Klebstofffolie wie im Anspruch 1 bzw. Anspruch 2 definiert ist, abgesehen vom Austausch von "nämlich" durch "insbesondere" im Merkmal e) des Anspruchs 4.

V. Die Gründe der Entscheidung mit der die Einspruchs­abteilung das Patent auf Basis dieser Ansprüche aufrechterhielt, können wie folgt zusammengefasst werden:

- Die Dokumente E7 bis E18 werden nicht zum Verfahren zugelassen.

- Die geänderten Ansprüche erfüllen die Erforder­nisse des Artikels 123(2) EPÜ.

- Der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem neuen Hauptantrag ist neu gegenüber E4 und E5.

- Ausgehend von E4 oder E5 als nächstliegendem Stand der Technik ist der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags erfinderisch, da der Fachmann keine Anregung erhält, die für die Klebstoffschicht (i) definierten thermoplastischen Polymere mit den Polymersystemen gemäß (ii) zu kombinieren.

VI. Die Beschwerde der Einsprechenden (nachfolgend: Beschwerdeführerin) wurde am 31. Juli 2012 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr eingelegt. Die Beschwerdebegründung ging am 9. Oktober 2012 ein. Die Beschwerdeführerin hielt den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E4 und E5, aufrecht. Sie reichte ferner ein mit E20 bezeichnetes Dokument ein und beantragte die Zulassung von E7 bis E18 zum Verfahren.

VII. Die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) antwortete mit Schreiben vom 24. April 2013. Sie beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Weiterhin beantragte sie, die Dokumente E7 bis E18 und E20 nicht zum Verfahren zuzulassen.

VIII. In ihrem Bescheid vom 21. April 2015 nahm die Kammer unter anderem zu der strittigen Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung. Insbesondere bestätigte sie, dass aus E4 und E5 das Prinzip bekannt sei, ein Chipmodul mit einem Kartenkörper mittels einer Klebstofffolie mit zwei Klebstoffschichten in Form eines Verbundsystems zu verbinden, wobei sich die Klebstoffschichten chemisch voneinander unterscheiden. Die erfinderische Tätigkeit müsse daher anhand dieser Dokumente als nächstliegender Stand der Technik beurteilt werden.

IX. Mit Schreiben vom 30. April 2015 nahm die Beschwerdeführerin unter anderem nochmals zur Frage der erfinderischen Tätigkeit Stellung.

X. Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass sie an der für den 3. Juni 2015 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und dass sie im Übrigen die im Schreiben vom 24. April 2013 gestellten Anträge aufrechterhalte.

XI. In der mündlichen Verhandlung, der die Beschwerdegegnerin wie angekündigt fernblieb, wurde mit der Beschwerdeführerin ausschließlich die Frage der erfinderischen Tätigkeit im Lichte der Dokumente E4 und E5 diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Beschwerdeführerin hat die von der Einspruchs­abteilung als gewährbar erachteten Ansprüche (siehe Punkt IV) nur im Hinblick auf mangelnde erfinderische Tätigkeit angegriffen.

3. Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Klebefolie zum Verkleben von Chipmodulen in Kartenkörpern. Der Kleber soll einerseits eine gute Haftung auf dem Kartenkörper besitzen, der üblicherweise aus Polycarbonat, ABS, PVC oder PET gefertigt ist, und andererseits auch eine gute Haftung zum Chipmodul aufweisen, das auf einem Träger, der üblicherweise aus Epoxy-Materialien oder Polyimid besteht, aufgebracht ist (Patentschrift, Abschnitte [0001] und [0003]).

4. Der nächstliegender Stand der Technik wird durch die Dokumente E4 und E5 repräsentiert. Beide Dokumente betreffen das Implantieren von Chipmodulen in einen Kartenkörper mit Hilfe von Klebstoffen.

4.1 E4 beschreibt verschiedene Klebstoffsysteme, die für diesen Zweck geeignet sind. Auf der Seite 87 werden hitzeaktivierbare Kleber, Haftkleber, Verbundkleber, Schmelzkleber und Flüssigkleber genannt. Auf den Seiten 93/94 wird das Prinzip eines Verbundklebers erläutert. Demnach ist ein Verbundkleber ein Kleber, der aus mehreren unterschiedlichen Kleberschichten besteht. Durch Einsatz eines Verbundklebers ist es möglich, die jeweilige Kleberschicht an die zwei unterschiedlichen Klebeflächen des Chipmoduls und der Karte anzupassen (Seite 93, erster Punkt unter der Überschrift "Vorteile"). Ferner wird erwähnt, dass zwischen den Klebeschichten des Verbundklebers eine Trägerfolie angebracht sein kann (zweiter Punkt unter "Vorteile" und Abbildung 4.2-18 auf der Seite 94).

4.2 Ebenso beschreibt E5 den Einsatz einer Schmelzklebe­folie aus zwei flächig miteinander verbundenen Teilklebstofffolien, von denen die eine eine optimale Haftung auf dem Kunststoffmaterial des Kartenkörpers und die andere eine optimale Haftung auf dem Kunststoffmaterial der Trägerfolie für das Chipmodul besitzt (E5, Anspruch 1 i.V.m. Figur 1 und der Erläuterung in Spalte 2, Zeilen 32 bis 45). In Spalte 1, Zeilen 38 bis 47 wird darauf hingewiesen, dass mit dieser Schmelzklebefolie eine optimale Verklebung der bekannten verschiedensten Werkstoffe, die zur Herstellung des Trägers und des Kartenkörpers verwendet werden, möglich ist. Als Materialien für den Träger werden Polyimid-, GFK- oder Polyesterfolien, und für den Kartenkörper Polyvinylchlorid-, ABS- oder Polycarbonatmaterialien genannt.

5. Das der beanspruchten Erfindung zugrundeliegende Prinzip, nämlich die Verwendung eines Verbundklebers mit zwei unterschiedlichen Klebstoffschichten zur Erzielung einer guten Haftung des Klebers sowohl auf dem Kartenkörper als auch mit dem Chipmodul, ist somit aus E4 und E5 bereits bekannt. Beide Dokumente beschreiben explizit, dass die Verwendung verschiedener Klebstoffe die optimale Anpassung and den jeweiligen Werkstoff erlaubt.

6. In den Ansprüchen 1 und 2 des Hauptantrags werden im Unterschied zu E4 und E5 bestimmte Polymerklassen definiert, die für die jeweiligen Klebstoffschichen (i) und (ii) verwendet werden. Da kein besonderer technischer Effekt gegenüber dem in E4 und E5 offenbarten Prinzip der Verwendung einer Klebstofffolie mit zwei unterschiedlichen Klebstoffschichten gezeigt wurde, der auf der Verwendung der in (i) und (ii) definierten Klebstoffschichten beruht, ist das erfindungsgemäß zu lösende Problem lediglich in der Bereitstellung alternativer Klebstofftypen für die Klebeschichten der Klebstofffolie zu sehen.

7. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist daher zu untersuchen, ob der Fachmann, ausgehend von E4 oder E5, Polymere aus den anspruchsgemäß definierten Polymerklassen als Klebstoffe für die unterschiedlichen Klebstoffschichten verwenden würde.

7.1 Zunächst ist festzustellen, dass die Ansprüche 1 und 2 nicht angeben, welche Kontaktfläche des aus Kartenkörper und Chipmodul bestehenden Kartensystems den Klebstoffschichten (i) und (ii) jeweils zugewandt ist. Weiterhin wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass anspruchsgemäß keine Materialien definiert werden, aus denen der Kartenkörper und der Träger für das Chipmodul bestehen. Zum anderen definieren die Merkmale (i) und (ii) keine konkreten Klebstofftypen (z.B. Schmelzkleber, Haftkleber, Flüssigkleber), sondern zählen Polymerklassen auf, die eine enorme Anzahl von einzelnen Polymersubstanzen umfassen, unter die sich die meisten bekannten Klebstofftypen subsumieren lassen.

7.2 Dem Fachmann steht daher anspruchsgemäß eine große Bandbreite offen, die zum einen die Orientierung der einzelnen Klebstoffschichten für Chipmodul und Kartenkörper betrifft, und zum anderen vielfältige Kombinationsmöglichkeiten von Materialien für den Träger und den Kartenkörper mit einer darauf abge­stimmten Auswahl von Klebstoffen für die Klebstoff­schichten (i) und (ii) ermöglicht.

7.3 Die in E5 angegebenen Materialien für den Kartenkörper und den Träger für das Chipmodul entsprechen den in der Patentschrift im Abschnitt [0003] angegebenen Materialien. Der Einsatz von konkreten Klebstoffpaaren, die auf eine bestimmte Kartenkörper/Trägermaterial-Kombination abgestimmt sind, ist offengelassen. Ebenso macht E4 keine Angaben zu den Klebstoffen für das auf den Seiten 93/94 beschriebene Verbundklebesystem.

Hierzu hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Nennung von Klebstoffpaaren in E4 und E5 anscheinend bewusst deshalb offen gelassen und eine geeignete Auswahl damit ins Ermessen des Fachmanns gestellt wurde, da dem Fachmann das Auffinden geeigneter Klebstoffe, die an ein bestimmtes Kartenkörper/Trägermaterial zur optimalen Verklebung angepasst sind, zuzutrauen ist. Diese Argumentation, die auf keiner neuen Interpretation von E4 und E5 beruht, sondern eine reine Folgerung aus der in den Dokumenten offenbarten Lehre ist, ist überzeugend, da der Fachmann, der mit der Verbindung von Kartenkörper und Chipmodul mittels Verklebung vertraut ist, aus seiner Erfahrung weiß, welche Klebstoffe auf einem üblichen Material für den Kartenkörper und für den Träger des Chipmoduls jeweils optimal haften.

Der Fachmann musste also bei der Verbindung einer bestimmten Chipmodulträger/Kartenkörper-Kombination lediglich aus der Vielzahl der von der Definition der Klebstoffschichten (i) und (ii) in den Ansprüchen 1 und 2 umfassten gängigen Klebstoffe die am besten geeigneten Klebstoffpaare (i)/(ii) auswählen. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdegegnerin auch nie bestritten, dass die in den Ansprüchen 1 und 2 unter c), d) und e) aufgezählten Klebstoffe, bekannte Klebematerialien darstellen.

8. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kann das Argument der Beschwerdegegnerin, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, da keines der Dokumente die Klebstoffmaterialien

(i)/(ii) offenbart, nicht greifen.

9. Dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 fehlt daher die erfinderische Tätigkeit. Der einzige Antrag ist daher nicht gewährbar.

10. Bei dieser Sachlage brauchte über die Zulassung der Dokumente E7 bis E18 und E20, die auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht angezogen wurden, nicht entschieden zu werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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