T 1671/12 () of 8.4.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T167112.20160408
Datum der Entscheidung: 08 April 2016
Aktenzeichen: T 1671/12
Anmeldenummer: 07785955.1
IPC-Klasse: A47C 1/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 366 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EINRICHTUNG ZUR SITZPLATZNUMERIERUNG DER EINZELNEN SITZE VON IN HALLEN, SÄLEN ODER DERGLEICHEN AUFGESTELLTEN SITZREIHEN
Name des Anmelders: Kusch & Co. Sitzmöbelwerke GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Brunner GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 040 581 (im Folgenden: Patent) betrifft die Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von Sitzreihen, die in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellt sind.

II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt, gestützt auf den Grund des Artikels 100 b) EPÜ und auf drei Gründe des Artikels 100 a) EPÜ, nämlich mangelnde gewerbliche Anwendbarkeit, mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit.

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung entschied diese, den Einspruch zurückzuweisen.

IV. Die Einsprechende hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.

V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mit.

VI. Anträge

Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 8. März 2016, aufrechtzuerhalten.

VII. Anspruchssätze

a) Hauptantrag

Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung ist auf den folgenden Gegenstand gerichtet (die Merkmalsgliederung wurde von der Beschwerdeführerin eingeführt):

a) Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen entlang einer Reihungslinie,

b) bei der jeder Sitz einer Sitzreihe ausgestattet ist mit einem elektronischen Display und

c) einer eingebauten Elektronik, und

d) die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine Infrarot-Schnittstelle überträgt,

e) die entgegengesetzt gerichtete Infrarot-Sender zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze aufweist,

f) so dass durch ein Eingabegerät eine Start-Sitznummer an die Elektronik eines ersten Sitzes an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist,

g) die von den Elektroniken der jeweils aufgestellten Sitze der Sitzreihe einer Reihenzählung folgend als jeweils um 1 erhöhte Folge-Sitznummer an den jeweils nächsten Sitz weitergebbar ist.

b) Hilfsantrag

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die hinzugefügten Merkmale, dass die Elektronik jedes Sitzes einer Sitzreihe "von einem Mikroprozessor gebildet ist" und "kontaktlos angesteuert wird, um die Sitze mit ihrer jeweiligen Sitznummer zu versehen".

VIII. Entgegenhaltungen

In der Beschwerdebegründung nahm die Beschwerdeführerin Bezug unter anderem auf folgende, in der Entscheidung genannten Druckschriften:

E2: DE 10 2005 054 398 A1

E3: DE 100 44 589 A1

Die Beteiligten haben außerdem auf die Prioritätsunterlagen des Patents verwiesen:

P: deutsche Patentanmeldung 10 2006 033 369.1

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

E2 offenbare ein System zur elektronisch gesteuerten Nummerierung von Sitzen, das die Merkmale (a) bis (c) und (g) des Anspruchs 1 verwirkliche. Das Merkmal (f) sei ebenfalls in E2 offenbart, denn dort sei durch ein Eingabegerät (PDA 16 bzw. Laptop 17) eine Start-Sitznummer an die Elektronik des ersten Sitzes an dem rechten (Figur 11) oder dem linken Ende der Sitzreihe (Figur 12) eingebbar. Obwohl die Bedienungsperson zuvor eine Mastereinheit unter dem ersten Sitz am rechten bzw. linken Ende der Sitzreihe anbringen müsse, sei diese Maßnahme in Anspruch 1 nicht ausgeschlossen. Die Übertragung der Daten wie der Sitznummer durch die an den einzelnen Sitzen vorgesehene Anzeigevorrichtung könne somit sowohl nach links als auch nach rechts erfolgen. Diese Bidirektionalität der Datenübertragung sei erfindungswesentlich in E2, denn erst dadurch ergebe sich der Vorteil, dass die Sitze beim Auf- und Abbau wahllos entnommen bzw. gestapelt werden könnten (Absätze 36 und 40). In Absatz 38 von E2 sei offenbart, dass die Datenübertragung zwischen den Sitzen einer Reihe statt über Kabel per Funk erfolgen könne. Die Elektronik der Sitze übertrage dann jeweils eine Sitznummer über eine Funk-Schnittstelle (Merkmal (d)), die implizit einen Funk-Sender und einen Funk-Empfänger zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze aufweisen müsse (Merkmal (e)).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von diesem Nummerierungssystem gemäß E2 nur dadurch, dass als Übertragungsmedium Infrarot statt Funk verwendet werde. Dies ermögliche eine kostengünstigere, anforderungsgerechte Übertragung der Sitznummer. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin sei eine unmittelbare Quittierung der empfangenen Signale über "Handshake"- bzw. Rückmeldungssignale dem im Merkmal (d) verwendeten Begriff "Infrarot-Schnittstelle", geschweige dem Patent als Ganzem, nicht zu entnehmen. In Kontext des Anspruchs 1 sei der Begriff "Infrarot-Schnittstelle" breiter auszulegen.

Ausgehend von E2 sei der Wechsel des Übertragungs-mediums von Funk auf Infrarot eine naheliegende Maßnahme für den zuständigen Fachmann. Erstens sei ihm aufgrund seines Grundwissens in der Elektronik bekannt, dass für die drahtlose Übertragung von einzelnen Daten wie Sitznummern IR-Schnittstellen gegenüber Funk-Schnittstellen die Vorteile haben, dass sie erheblich kostengünstiger, einfacher aufzubauen und stromsparender seien. Zweitens sei aus E3 bereits bekannt, dass bei einem elektronischen Sitzplatzbezeichnungssystem die drahtlose Kommunikation zwischen einer Bedienvorrichtung und jedem Sitz wahlweise über Infrarot oder Funk erfolgen könne (Absatz 7). Der Fachmann würde somit in naheliegender Weise zu einer Einrichtung gemäß Anspruch 1 gelangen.

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Die Argumentation der Beschwerdeführerin beruhe auf einer unzulässigen ex-post Betrachtung. Die genial einfache Idee, die in einer Reihe verketteten Sitze über bidirektionale IR-Schnittstellen größtenteils automatisch zu nummerieren, die wiederum eine sichere Datenübertragung gewährleisteten und eine Umkehr der Übertragungsrichtung erlaubten, sei im zitierten Stand der Technik ohne Vorbild.

In E2 sei keine bidirektionale Übertragung der Sitznummer über Funk offenbart. Dort erfolge die Übertragung der Sitznummer stets nur in einer Richtung, die durch den Einbau der Mastereinheit vorgegeben werde: Sei die Mastereinheit zu Beginn der Nummerierung unter den Sitz am rechten Ende der Reihe gesteckt worden, erfolge die Übertragung der Sitznummer von rechts nach links (Figur 11); für eine Übertragung der Sitznummer von links nach rechts müsse die Mastereinheit zuvor unter den Sitz am linken Ende der Reihe gesteckt werden (Figur 12). Bei der beanspruchten Erfindung hingegen erfolgten die Generierung und die Übertragung der Sitznummer ohne Mastereinheit, und eine Umkehr der Übertragungsrichtung sei ohne Umbau der Sitzreihe jederzeit möglich, weil die Sitzreihe symmetrisch aufgebaut sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von E2 also dadurch, dass anstelle der unidirektionalen Übertragung der Sitznummer per Funk eine bidirektionale Übertragung über IR-Schnittstellen stattfinde.

Bei der Übertragung der Sitznummer über IR-Schnittstellen erfolge zwangsläufig eine Quittierung der empfangenen Sitznummer per Handshake, so dass eine korrekte Übertragung der Sitznummer gewährleistet werde. Demnach liege die zu lösende Aufgabe ausgehend von E2 darin, die Sicherheit der Übertragung der Sitznummer zu verbessern.

Der mit dieser Aufgabe befasste Fachmann, der als ein Möbelbauer mit Grundwissen in der Elektrik, nicht aber in der Elektronik zu definieren sei, erhalte im entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung zur beanspruchten Lösung. Insbesondere habe er keine Veranlassung, auf die in E2 offenbarte, in jeder Sitzreihe dauerhaft montierte Mastereinheit zu verzichten, weil sie dort für die Steuerung der Nummerierung wesentlich sei. Die Einrichtung nach Anspruch 1 beruhe mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit.

b) Zulassung des Hilfsantrags im Verfahren

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Der Hilfsantrag sei durch die aus dem Ladungsbescheid erkennbare negative Tendenz der Kammer zu Anspruch 1 wie erteilt veranlasst gewesen.

Mit den vorgenommenen Änderungen werde der Unterschied zwischen der anspruchsgemäßen, bidirektionalen Übertragung der Sitznummer über IR-Schnittstellen und der unidirektionalen Funk-Übertragung gemäß E2 weiter verdeutlicht.

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Der verspätet eingereichte Hilfsantrag dürfe nicht ins Verfahren zugelassen werden, weil die Änderungen gegen Regel 80 EPÜ verstießen, zu einem neuen Einwand der mangelnden Ausführbarkeit nach Artikel 83 EPÜ führten und den bisherigen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in Hinblick auf E2 nicht ausräumen könnten.

c) Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

Vorbringen der Beschwerdegegnerin:

Aus dem Wortlaut des geänderten Anspruchs 1 gehe nun deutlich hervor, dass die IR-Schnittstellen die Funktion hätten, sowohl die Sitznummer als auch Steuersignale an die Elektronik der Sitze zu übertragen, um die Sitznummer dezentral von einem Sitz aus auf den nächsten Sitz zu generieren. E2 offenbare keines der hinzugefügten Merkmale. Die beanspruchte Einrichtung beruhe eindeutig auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber E2.

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Die in Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale seien in E2 offenbart. Nach Absatz 30 von E2 umfasse jede elektronische Anzeigevorrichtung 10 einen Rechner 12, der implizit einen "Mikroprozessor" aufweise. Auch würden die Anzeigevorrichtungen 10 und damit ihre Elektronik jeweils über Funk und damit "kontaktlos" angesteuert, um die Sitze mit ihrer jeweiligen Sitznummer zu versehen. Die Einrichtung nach Anspruch 1 beruhe also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit aus den bereits zum Hauptantrag genannten Gründen.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung des Anspruchs 1

1.1 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, wie folgende Merkmale des Anspruchs 1 auszulegen sind:

d) die Elektronik der Sitze überträgt jeweils eine Sitznummer über eine IR-Schnittstelle,

e) die entgegengesetzt gerichtete IR-Sender zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze aufweist,

f) so dass durch ein Eingabegerät eine Start-Sitznummer an die Elektronik eines ersten Sitzes an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist.

1.2 Aufgrund der in Anspruch 1 verwendeten technischen Begriffe richtet sich der Anspruch an einen Fachmann, der im Möbelbau mit der Entwicklung von Sitzen bzw. Stühlen mit elektronischer Sitzplatznummerierung betraut ist. Da beim Möbelbau ganz allgemein Elemente mit elektrischer Steuerung regelmäßig zum Einsatz kommen, können bei einem Möbelbauer einfache Fachkenntnisse im Gebiet der Elektrotechnik, insbesondere im Teilgebiet der Nachrichtentechnik vorausgesetzt werden.

1.3 Dieser Fachmann erkennt beim Lesen der strittigen Merkmale (d) und (e), dass jede IR-Schnittstelle zusätzlich zu den zwei entgegengesetzt gerichteten IR-Sender auch zwei entgegengesetzt gerichteten IR-Empfänger aufweisen muss, denn ansonsten wäre sie nicht "zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze" geeignet. Damit ist eindeutig, dass jede IR-Schnittstelle und mithin jeder Sitz sowohl entgegengesetzt gerichtete IR-Sender als auch entgegengesetzt gerichtete IR-Empfänger zur IR-Übertragung der Sitznummer entlang der Sitzreihe aufweist.

1.4 Da die IR-Schnittstellen sowohl Daten empfangen als auch senden können, kann die Übertragung der Sitznummer entlang der Sitzreihe in beide Richtungen stattfinden. Dem Fachmann ist geläufig, dass je nach Aufbau der IR-Schnittstellen eine Übertragung in beide Richtungen gleichzeitig oder nur in einer Richtung zur Zeit möglich ist. Dieses technische Verständnis wird durch den Wortlaut des Merkmals (f) bestätigt: die Übertragung entlang der Sitzreihe kann in einer Richtung zur Zeit stattfinden, nämlich ausgehend von "dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe". Dabei erkennt der Fachmann beim Lesen des Merkmals (f) im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 1, dass die in diesem Merkmal verwendete "oder"-Verknüpfung im Merkmal (f) als "sowohl als auch"-Verknüpfung zu lesen ist.

1.5 Aus all dem folgt, dass die strittigen Merkmale (d) bis (f) eine bidirektionale IR-Schnittstelle im weitesten fachüblichen Sinne definieren.

1.6 Für den Fachmann ist dabei klar, dass die in Anspruch 1 genannte "Infrarot-Schnittstelle" wegen fehlender genauer Definition ihres Aufbaus und ihrer Funktion breit ausgelegt werden darf. Deshalb umfasst Anspruch 1 unter anderem Einrichtungen, bei denen die IR-Schnittstellen einzig und allein dazu dienen, die Sitznummer in beide Richtungen, jedoch nicht gleichzeitig, zu übertragen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin ist die IR-Schnittstelle in Anspruch 1 also keineswegs darauf beschränkt, dass der IR-Empfänger den korrekten Erhalt der Sitznummer durch das Senden einer Rückmeldung an den IR-Sender quittiert. Im Übrigen ist diese einschränkende Auslegung der "Infrarot-Schnittstelle" auch nicht von der Beschreibung des Patents gestützt.

2. Zeitrang des Anspruchs 1 und E2

2.1 Es ist unstreitig, dass die in Anspruch 1 aufgeführten Merkmale (b), (e) und (f) jeweils über den Inhalt der Prioritätsunterlagen P hinausgehen. Demnach kommt dem Gegenstand des Anspruchs 1 nur der Zeitrang des Anmeldetages zu (10. Juli 2007).

2.2 Die am 24. Mai 2007 veröffentlichte E2 gehört somit zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ.

3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Kammer teilt die Auffassung der Beteiligten, dass das aus E2 bekannte Sitzplatznummerierungssystem einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bildet.

3.2 E2 offenbart ein System zur elektronisch gesteuerten Nummerierung der in einer Reihe verketteten Sitze einer bestuhlten Halle, wobei jeder Sitz mit einer Anzeigevorrichtung ausgestattet ist, die als ein- oder mehrfarbige LCD-Displays ausgebildet ist und einen Rechner aufweist, der zum Empfang, zur Weiterverarbeitung und zur Weitergabe von über eine Bedienvorrichtung und eine Mastereinheit gelieferten Daten an die Anzeigevorrichtungen der benachbarten Sitze vorgesehen ist (Absätze 1, 5 und 10; Ansprüche 1, 6 und 7). Der individuelle Rechner der Anzeigevorrichtungen der Sitze ist selbst im Stand, die jeweilige Sitznummer in der Reihe durch Hochzählen zu errechnen (Absatz 5).

3.3 Figur 12 von E12 zeigt einen Sektor einer bestuhlten Halle mit 7 Sitzreihen 1R bis 7R, die jeweils 10 Sitze 1P bis 10P aufweisen. Unter dem ersten Sitz 1P jeder Reihe ist eine Mastereinheit 6 montiert. Bei jeder Reihe gibt eine Bedienungsperson per Funk über die Bedienvorrichtung 16 Daten wie Sektoren-, Reihen- und Sitznummer in die Mastereinheit 6 der Reihe ein. Diese Mastereinheit 6 sendet die gelieferten Daten selbstständig an die Anzeigevorrichtung 10 des Sitzes 1P weiter. Danach sendet diese ihre Daten an die Anzeigevorrichtung 10 des nächsten Sitzes 2P. Diese empfängt die Daten, rechnet automatisch die Sitznummer um 1 hoch und sendet ihre Daten an die Anzeigevorrichtung des nächsten Sitzes 3P weiter. Dieser Vorgang wiederholt sich dann bis zum Ende der Sitzreihe (Absatz 37).

3.4 Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dieses Sitzplatznummerierungssystem eine Einrichtung mit den Merkmalen (a) bis (c) und (g) des Anspruchs 1 verwirklicht.

3.5 Ebenfalls unstreitig ist, dass dieses System gemäß E2 keine IR-Schnittstellen zur Übertragung der Sitznummer zwischen den Sitzen aufweist, wie in Merkmalen (d) und (e) von Anspruch 1 definiert.

3.6 Die Kammer teilt dennoch die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach beim System gemäß E2, in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Merkmale (d) bis (f) von Anspruch 1,

d') die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine Funk-Schnittstelle überträgt,

e') die einen Funk-Sender zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze aufweist,

f) so dass durch ein Eingabegerät eine Start-Sitznummer an die Elektronik eines ersten Sitzes an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist.

2.6 1 Figuren 11 und 12 von E2 zeigen, dass eine Start-Sitznummer an die Elektronik des ersten Sitzes an dem rechten (Figur 11) oder an dem linken Ende einer Reihe (Figur 12) per Funk durch ein Eingabegerät eingegeben wird (siehe Laptop 17 in Figur 11; Personal Digital Assistant, kurz "PDA", 16 in Figur 12). Der erste Sitz der Sitzreihe wird zuvor durch den Einbau einer Mastereinheit unter dem Sitz an dem einen oder dem anderen Ende definiert. Eine Umkehr der Übertragungsrichtung entlang der Sitzreihe ist jederzeit nach einem Umbau der Sitzreihe möglich: Die Mastereinheit muss lediglich aus dem ersten Sitz aus- und in den zuvor letzten Sitz der Reihe eingebaut werden. Damit offenbart E2 eine bidirektionale Übertragung der Sitznummer im Sinne des Merkmals (f) von Anspruch 1 (siehe Punkt 1.4 oben). Wie die Beschwerdeführerin ausgeführt hat, ist die Bidirektionalität der Datenübertragung durch die Sitze ein wesentliches Merkmal der Erfindung nach E2. Nur so kann dort gewährleistet werden, dass beim Auf- und Abbau der Sitze keine Reihenfolge beachtet werden braucht und die Sitze wahllos aufgestellt und gestapelt werden können (Absatz 2; Absatz 36, Satz 3; Absatz 40, Satz 2; Absatz 41).

3.6.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin schließt der Wortlaut des Merkmals (f) von Anspruch 1 diese Verwendung einer Mastereinheit nicht aus. In E2 bildet die Mastereinheit einen Teil der eingebauten Elektronik des ersten Sitzes der Reihe. Sie erhält von dem PDA bzw. Laptop per Funk die Daten wie die Start-Sitznummer für den ersten Sitz und gibt diese Daten an die Anzeigevorrichtung des ersten Sitzes selbstständig weiter. Anspruch 1 ist nicht darauf beschränkt, dass die Sitzreihe symmetrisch aufgebaut sei, geschweige denn, dass die Sitze der Reihe eine identische Elektronik haben.

3.6.3 In den Figuren 11 und 12 ist die bidirektionale Übertragung der Sitznummer dadurch ermöglicht, dass die Sitze der einzelnen Reihen über strom- und signalführende Steckverbindungen miteinander verbunden sind, wie sie in Figuren 8 bis 10 gezeigt sind, so dass Energie- und Signalleiter sämtliche Sitze einer Reihe miteinander verbinden (Absätze 6 und 36). In einer alternativen Ausführungsform des Systems nach E2 findet die Übertragung der Sitznummer drahtlos über Funk statt (Absatz 38). In dieser alternativen Ausführungsform ist implizit, dass jeder Sitz einen Funk-Sender und einen Funk-Empfänger zur Übertragung der Sitznummer haben muss, um die Bidirektionalität der Datenübertragung zu gewährleisten. Damit offenbart diese Einrichtung nach E2 die vorgenannten Merkmale (d') und (e').

3.6.4 Die Beschwergegnerin führt aus, dass eine bidirektionale Funk-Übertragung zwischen benachbarten Sitzen einer Reihe aufgrund der großen Reichweite von Funk-Sendern technisch unmöglich sei. Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass es nur fachüblicher Versuche und Maßnahmen bedürfte, wie eine Optimierung der Sendeleistung, der Empfänger-empfindlichkeit und der Position und Bauform der Sende- und Empfangsantennen, um eine sichere bidirektionale Funk-Übertragung über die kurze Distanz zwischen benachbarten Sitzen zu erhalten.

3.7 Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem in E2 offenbarten Sitzplatznummerierungssystem mit Funk-Übertragung der Sitznummer nur dadurch unterscheidet, dass

d) die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine IR-Schnittstelle überträgt,

e) die entgegengesetzt gerichtete IR-Sender zum Kommunizieren beidseits benachbarter Sitze aufweist.

3.8 Es gehört zum allgemeinen einfachen Fachwissen im Gebiet der Nachrichtentechnik, dass für die drahtlose Übertragung von Daten über kurze Distanzen IR-Schnittstellen in der Regel kostengünstiger, stromsparender und im Aufbau einfacher als Funk-Schnittstellen sind. Der Fachmann würde diese Vorteile der IR-Schnittstellen gegenüber der in E2 offenbarten Funk-Schnittstellen für die Sitznummerübertragung über die kurze Distanz zwischen benachbarten Sitzen erkennen und hätte keine praktischen Schwierigkeiten, die Funk-Schnittstellen gemäß E2 durch IR-Schnittstellen auszutauschen, um diese allgemein bekannten Vorteile zu erreichen. Dabei würde der Fachmann zwangsweise jeden Sitz mit entgegengesetzt gerichteten IR-Sendern und IR-Empfängern versehen, weil die IR-Übertragung einen Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger verlangt. Der Fachmann würde mithin ohne erfinderisches Zutun zu den vorgenannten Unterscheidungsmerkmalen gelangen.

3.9 Für den Fall, dass der Fachmann nicht allein aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse in der Nachrichtentechnik die Vorteile der Verwendung von Infrarot statt Funk als Übertragungsmediums erkennen sollte, würde er jedoch aus E3 einen konkreten Hinweis auf die Verwendung von Infrarot für die drahtlose Übertragung von Sitznummern zu den Sitzen erhalten. So sind in Absatz 7 von E3 Infrarotstrahlen und Funkwellen als zwei Alternativen für die drahtlose Übertragung der Sitznummer zwischen einer Bedienvorrichtung und den Steuer- und Anzeigenvorrichtungen von Konferenzstühlen genannt. Diese Textstelle von E3 betrifft zwar nur die Datenübertragung zwischen einer zentralen Bedienvorrichtung und den einzelnen Sitzen. Sie würde dem Fachmann aber dennoch die Anregung geben, für die Übertragung der Sitznummer zwischen benachbarten Sitzen anstatt der Funk-Schnittstellen gemäß E2 auch IR-Schnittstellen zu verwenden. Im Übrigen würde der Fachmann das Dokument E3 schon allein deshalb heranziehen, weil es in E2 als relevanter Stand der Technik genannt ist (Absatz 3).

3.10 Die Beschwerdegegnerin sieht als Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit, dass bei der anspruchsgemäßen IR-Schnittstelle der IR-Empfänger den korrekten Erhalt der Sitznummer durch das Senden einer Rückmeldung an den IR-Sender quittiert, wodurch eine zuverlässige, fehlerfreie Übertragung der Sitznummer gewährleistet sei. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen, denn Anspruch 1 ist nicht auf den Einsatz solcher IR-Schnittstellen beschränkt: Er umfasst auch Einrichtungen, bei denen die IR-Schnittstellen die Sitznummer ohne Rückmeldung übertragen (siehe Punkt 1.6 oben).

3.11 Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

4. Berücksichtigung des Hilfsantrags im Verfahren

4.1 Der mit Schriftsatz vom 8. März 2016 und damit erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin stellt aufgrund der eingefügten Merkmale eine wesentliche Änderung ihres Vorbringens zu einem sehr späten Verfahrensstadium dar.

4.2 Nach Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, diesen neuen Antrag zuzulassen und zu berücksichtigen.

4.3 In der mündlichen Verhandlung war die Beschwerdeführerin allerdings sofort in der Lage, Einwände unter Regel 80 und Artikel 83 und 56 EPÜ gegen diesen Antrag zu erheben, und die Kammer konnte, ohne Verzögerung des Verfahrens, auf Basis dieser Einwände eine abschließende Entscheidung treffen. Deshalb entschied die Kammer, diesen sehr spät gestellten Hilfsantrag ins Verfahren zuzulassen.

5. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Die in Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale, wonach die Elektronik eines Sitzes von einem Mikroprozessor gebildet ist und kontaktlos angesteuert wird, um den Sitz mit seiner Sitznummer zu versehen, sind ebenfalls bereits in E2 offenbart. Erstens weisen die Anzeigevorrichtungen 10 der Sitze jeweils einen individuellen Rechner in Form einer Sende- und Empfangs - sowie Rechnereinheit auf, um die Daten zu empfangen und weiterzusenden und um die Sitznummer durch Hochzählen zu errechnen und anzuzeigen (Absatz 5; Rechner 12 in Figur 6 und Absatz 30; Absatz 38). Dieser Rechner weist damit implizit auch einen "Mikroprozessor" auf. Zweitens werden die Rechner der Sitze einer Reihe jeweils über Funk und mithin "kontaktlos" angesteuert, um den Sitz mit seiner Sitznummer zu versehen (Absatz 38).

5.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht daher aus denselben Gründen wie Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Folglich ist keiner der Anträge der Beschwerdegegnerin gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation