European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T140012.20141028 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 October 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1400/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06025375.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A23L 1/035 A23L 1/0522 A23L 1/27 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zubereitung für Lebensmittel | ||||||||
Name des Anmelders: | Sensient Colors Europe GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rudolf Wild GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Verspätet eingereichter Versuchsbericht - nicht zugelassen Ausreichende Offenbarung - (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag I (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden Rudolf Wild GmbH & Co. KG richtet sich gegen die am 22. März 2012 mündlich verkündete und am 13. April 2012 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 875 814 der Firma Sensient Colors Europe GmbH (früher Sensient Food Colors Germany GmbH & Co. KG) in geändertem Umfang auf Basis der mit Schreiben vom 14. Juni 2011 eingereichten geänderten Ansprüche 1 bis 21 und einer daran angepassten Beschreibung aufrechtzuerhalten.
II. Der aufrechterhaltene Anspruchssatz enthielt drei unabhängige Ansprüche, nämlich Ansprüche 1, 16 und 17. Sie lauteten:
"1. Zubereitung für Lebensmittel,
dadurch gekennzeichnet,
dass sie als Pulver formuliert ist und, bezogen auf das Gesamtgewicht der Zubereitung,
(a) 10 bis 30 Gew.-% einer Ölphase, die einen fettlöslichen Farbstoff, dispergiert in einem lipid-basierenden Trägerstoff enthält;
(b) 1 bis 10 Gew.-% Polyglycerinester von Speisefettsäuren; Zitronensäureester von Mono- und/oder Diglyceriden von Speisefettsäuren; oder Gemische dieser Ester; und
(c) 60 bis 85 Gew.-% Stärkenatriumoctenylsuccinat, umfasst
oder
dass sie als Flüssigkeit formuliert ist und, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Zubereitung,
(a) 5 bis 15 Gew.-% einer Ölphase, die einen fettlöslichen Farbstoff, dispergiert in einem lipid-basierenden Trägerstoff enthält;
(b) 0,1 bis 5 Gew.-% Polyglycerinester von Speisefettsäuren; Zitronensäureester von Mono- und/oder Diglyceriden von Speisefettsäuren; oder Gemische dieser Ester;
(c) 20 bis 60 Gew.-% Stärkenatriumoctenylsuccinat; und
(d) 30 bis 70 Gew.-% Wasser,
umfasst."
"16. Verfahren zur Herstellung einer Zubereitung nach einem der Ansprüche 1 bis 15, umfassend
- das Bereitstellen des fettlöslichen Farbstoffes in einer Ölphase; und
- das Zumischen von Stärkenatriumoctenylsuccinat und Polyglycerinestern von Speisefettsäuren, Zitronensäureestern von Mono- und/oder Diglyceriden von Speisefettsäuren, oder Gemischen dieser Ester."
"17. Verwendung einer Zubereitung nach einem der vorstehenden Ansprüche zur Herstellung eines Lebensmittels."
Die Ansprüche 2 bis 15 und 18 bis 21 waren abhängige Ansprüche.
III. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) sowie gemäß Artikel 100 b) EPÜ beantragt. Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: JP 6-172170 A;
D1a: Englische Übersetzung von D1;
D2: WO 2007/090610 A2;
D3: WO 2007/090614 A1;
D4-D6: PRODUKT SPEZIFIKATION: PAPRIKA EMULSION 5,5 (21. Januar 2005 und 4. April 2003) und PAPRIKA EMULSION AS 5.5 (6. Juni 2003); WILD Flavors Berlin GmbH & Co. KG. (jeweils 1 Seite);
D7: DE 101 29 713 A1;
D16: EP A 0 845 503 A2;
D17a: Product Data Sheet: CAPSUL® (2. Februar 2001); National Starch & Chemical (5 Seiten); und
D17b: E 1450 Stärkenatriumoctenylsuccinat, Datenbank Zusatzstoffe (2 Seiten).
IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:
- die nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Dokumente D16, D17a und D17b sind wegen mangelnder Relevanz in das Verfahren nicht zuzulassen;
- die Erfindung ist im Sinne von Artikel 83 EPÜ so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann;
- der Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Der ursprüngliche Anspruch 1 wurde mit den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 15 kombiniert;
- der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 15 ist im Hinblick auf die Entgegenhaltungen Dl bis D7 neu und der Gegenstand der Ansprüche 16 bis 21 im Hinblick auf die Entgegenhaltungen Dl bis D3; und
- der beanspruchte Gegenstand beruht ausgehend von Dl oder D7 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit. Im Wesentlichen sah die Einspruchsabteilung die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung und sah die beanspruchte Merkmalskombination als nicht aus dem Stand der Technik ableitbar.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 14. Juni 2012 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebene Gebühr Beschwerde ein. Mit der am 23. August 2012 eingegangenen Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin erneut die Dokumente D16, D17a und D17b sowie D18 ein.
D18: Definition "Dispersionen" Internetseite: http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/tlex/lemmata/11/1112.htm (1 Seite).
Die im Einspruchsverfahren unter Artikel 83 und 56 EPÜ vorgebrachten Einwände wurden aufrechterhalten. Einwände der mangelnden Neuheit gegenüber dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik wurden nicht mehr erhoben.
VI. Mit Schreiben vom 1. März 2013 verteidigte die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung gewährten Fassung. Außerdem reichte sie das Dokument D19 ein.
D19: Auszug aus Römpp Chemie Lexikon, Band 2, 1995, Seite 1010.
VII. Mit Schreiben vom 12. Juli 2013 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge I bis VII ein und beantragte, hilfsweise das Patent gemäß einem dieser Anträge aufrecht zu erhalten.
VIII. In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid vom 16. April 2014 teilte die Kammer den Parteien mit, welche Punkte in der mündlichen Verhandlung voraussichtlich zu diskutieren seien.
IX. Mit Schreiben vom 4. September 2014 brachte die Beschwerdeführerin weitere Argumente zur Stützung ihres Vorbringens vor.
X. Mit Schreiben vom 16. September 2014 reichte die Beschwerdegegnerin einen Versuchsbericht (nachfolgend: D20) ein. Mit Schreiben vom 25. September 2014 erwiderte sie die Argumente der Beschwerdeführerin.
XI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 28. Oktober 2014 statt.
XII. Für die vorliegende Entscheidung sind nur die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Ansprüche (siehe Punkt II oben, Hauptantrag) sowie die Ansprüche des Hilfsantrags I relevant.
Die Ansprüche des Hilfsantrags I basieren auf den Ansprüchen des Hauptantrags, wobei die Pulveralternative gestrichen worden ist. Anspruch 1 des Hilfsantrags I lautet:
"1. Zubereitung für Lebensmittel,
dadurch gekennzeichnet,
dass sie als Flüssigkeit formuliert ist und, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der Zubereitung,
(a) 5 bis 15 Gew.-% einer Ölphase, die einen fettlöslichen Farbstoff, dispergiert in einem lipid-basierenden Trägerstoff enthält;
(b) 0,1 bis 5 Gew.-% Polyglycerinester von Speisefettsäuren; Zitronensäureester von Mono- und/oder Diglyceriden von Speisefettsäuren; oder Gemische dieser Ester;
(c) 20 bis 60 Gew.-% Stärkenatriumoctenylsuccinat; und
(d) 30 bis 70 Gew.-% Wasser,
umfasst."
XIII. Die schriftlich und mündlich vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin, soweit für diese Entscheidung relevant, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Der Versuchsbericht D20 sollte nicht im Verfahren zugelassen werden. Er wurde kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereicht, so dass die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit hatte, die Versuche zu überprüfen. Darüber hinaus seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig.
- Das Patent erfülle nicht die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ, weil der Fachmann aus dem Streitpatent keinerlei Information darüber erhalte, was unter den Begriff "dispergieren" zu verstehen sei. Die Behauptung der Beschwerde-gegnerin, dass zwischen dem Begriff "Dispersion" und "molekulare Dispersion" unterschieden werden müsse, sei nicht korrekt. Eine Dispersion sei keine Lösung, wie die Druckschrift D18 bestätigt.
- Der nächstliegende Stand der Technik D1a betreffe Zubereitungen mit einer hohen Farbstoff-konzentration und einer hohen Stabilität. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von der Lehre von D1a darin, dass die Menge des zugesetzten Polyglycerinesters von Speisefettsäuren spezifiziert werde. Der Fachmann würde ausgehend von D1a eine beliebige Menge an Polyglycerinester in Betracht ziehen, um eine alternative stabile Zubereitung zu erhalten. Die willkürliche Auswahl des Gehalts an Polyglycerinester trage nichts zur erfinderischen Tätigkeit bei.
- Die gleiche Argumentation gelte für die Flüssigformulierung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags I. D1a beschreibe auch flüssige Zubereitungen, nämlich die Zubereitungen vor der Sprühtrocknung. Der Fachmann würde aus diesen Formulierungen in analoger Weise zu den beanspruchten Zubereitungen gelangen.
XIV. Die Beschwerdegegnerin machte folgende Argumente geltend:
- Der Versuchsbericht wurde sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer eingereicht. Die dort beschriebenen Versuche belegten, dass nur eine gezielte Auswahl von Polyglycerinester und eine Zugabe innerhalb des beanspruchten Mengenbereichs zu den vorteilhaften Eigenschaften führte. Eine Zugabe außerhalb des beanspruchten Bereichs führte dagegen zu deutlich schlechteren Eigenschaften. D20 sollte daher aufgrund seiner Relevanz ins Verfahren zugelassen werden.
- Bezüglich der Ausführbarkeit stimmte sie im Wesentlichen den Argumenten der Einspruchs-abteilung zu. Zudem betonte sie, dass die Beschwerdeführerin beweispflichtig sei inwiefern der Fachmann bei Auslegung des Patents nicht in der Lage sei, die Erfindung auszuführen. Zudem ginge aus D19 hervor, dass unter Dispergieren ein feines Verteilen zu verstehen sei und eine Dispersion auch eine molekulare Dispersion umfasse, die eine echte Lösung darstellt.
- Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit sah sie ebenfalls D1a als nächstliegenden Stand der Technik an. Die Vergleichsversuche belegten, dass die Auswahl von Polyglycerinester von Speisefettsäuren und der angegebenen Mengenbereiche für die Herstellung verbesserter Zubereitungen kritisch seien. Auch ohne Berücksichtigung der Versuche sei der beanspruchte Gegenstand erfinderisch. Beispiel 2 aus D1a gebe weder einen Hinweis auf Polyglycerinester noch auf die einzusetzende Menge, so dass dem Fachmann ausgehend von D1a eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung stünden (gezielte Auswahl).
- Bezüglich Hilfsantrag I betonte sie, dass in D1a flüssige Zubereitungen nur als 'Zwischenprodukt' für die Herstellung von Pulverzubereitungen beschrieben werden. Demgegenüber betreffe Anspruch 1 jetzt flüssige Zubereitungen, welche eine lange Lagerstabilität aufweisen. Aus D1a konnte kein Hinweis für die Herstellung der jetzt beanspruchten Zusammensetzungen erhalten werden.
XV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Sie beantragte weiterhin das Dokument D20 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, das Patent gemäß einem der mit Schreiben vom 12. Juli 2013 eingereichten Hilfsanträge I bis VII aufrecht zu erhalten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulassung des Versuchberichtes D20
2.1 Die Beschwerdegegnerin hat nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 16. September 2014, d.h. ca. sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung, einen Versuchsbericht eingereicht. Die Zulässigkeit dieses Berichtes unterliegt somit den Bestimmungen des Artikels 13(3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ("VOBK"). Nach Artikel 13(3) VOBK werden "Änderungen des Vorbringens ... nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist."
2.2 D20 enthält Vergleichsversuche gegenüber dem in D1a offenbarten Gegenstand. D20 sollte belegen, dass durch die Erfindung ein vorteilhafter technischer Effekt erreicht wird und somit eine andere Aufgabe als das bloße Bereitstellen einer alternativen Zusammensetzung gegenüber D1a formuliert werden konnte. Insbesondere sollte gezeigt werden, dass die Zugabe von Polyglycerinester in den beanspruchten Mengen kritisch ist.
2.3 Die Beschwerdeführerin beantragte die Versuche nicht ins Verfahren zuzulassen. Sie argumentierte, dass sie keine Zeit hatte, um die Versuche zu überprüfen. Sie machte auch geltend, dass die Versuche nicht aussagekräftig sind. Einerseits entspricht die in den Vergleichsversuchen verwendete Farbstoffmenge nicht der Menge aus D1a. Andererseits liefert nach ihrer Auffassung die gemessene Partikelgrößenverteilung (Tabelle 2) und Viskosität (Tabelle 3) keine Aussage über Stabilität oder Menge an Farbstoff.
2.4 Die Vergleichsversuche stellen eindeutig ein verspätetes Vorbringen dar.
2.4.1 Die Kammer kann den Argumenten der Beschwerdegegnerin nicht folgen, da die Vergleichsversuche nicht als Reaktion auf den zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ergangenen Bescheid der Kammer angesehen werden können. Die Kammer stellte in ihrem Bescheid lediglich fest, dass ein Vergleich mit der aus D1a und/oder D7 bekannten Zubereitung nicht vorlag, und dass in der Verhandlung zu klären wäre, welche die zu lösende Aufgabe sei.
2.4.2 Die Versuche werfen außerdem Fragen auf, deren Behandlung ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin nicht zuzumuten ist. Insbesondere hätte bei Berücksichtigung des Versuchsberichtes der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben werden müssen, eigene Versuche durchzuführen, um die vorgelegten Ergebnisse zu überprüfen.
2.5 Dem Antrag der Beschwerdeführerin folgend hat die Kammer im Hinblick auf Artikel 13(3) der VOBK daher die Versuche D20 nicht in das Verfahren zugelassen.
HAUPTANTRAG
3. Ausführbarkeit
3.1 Das Patent betrifft eine Zubereitung für Lebensmittel enthaltend:
a) einen fettlöslichen Farbstoff dispergiert in einem lipid-basierenden Trägerstoff;
b) Emulgator(en);
c) eine modifizierte Stärke; und
d) falls als Flüssigkeit formuliert, Wasser.
3.2 Die Patentschrift enthält eine allgemeine Beschreibung, wie die erfindungsgemäße Zubereitung herzustellen ist (siehe Absatz [0029]) und ein Herstellungsbeispiel (siehe [0032]-[0037]). Im ersten Schritt des Beispiels wird ein fettlöslicher Farbstoff (Carotinoid) unter starkem Rühren in Sonnenblumenöl dispergiert ([0033]).
3.3 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist, weil
a) die Beschwerdegegnerin unter den Begriff "Dispersion" auch "molekulare Dispersionen", d.h. echte Lösungen, versteht; und
b) das Patent dem Fachmann keine Information gibt, wie eine Dispersion bestehend aus einem fettlöslichen Farbstoff in einem lipidbasierenden Trägerstoff hergestellt werden kann.
3.4 Bezüglich a) ist festzustellen, dass aus D19 hervor geht, dass unter Dispergieren ein feines Verteilen zu verstehen ist und dass eine Dispersion auch eine molekulare Dispersion umfasst, die eine echte Lösung darstellt. Wie dies zu einer mangelnden Ausführbarkeit führen könnte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt.
3.5 Bezüglich b) hat die beweispflichtige Beschwerde-führerin kein Beweismittel dafür vorgelegt, dass der Fachmann nicht in der Lage ist, die beanspruchten Zubereitungen herzustellen.
3.6 Da in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin auch keine weiteren Argumente vorgelegt wurden, sah die Kammer keinen Grund von der in der angefochtenen Entscheidung gegebenen Begründung und der im Bescheid vom 16. April 2014 geäußerten Meinung, dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt sind, abzuweichen.
4. Neuheit
4.1 Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung die Neuheit des beanspruchten Gegenstands anerkannt.
4.2 Die ursprünglichen Einwände sind von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren nicht weiter verfolgt worden. Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, die getroffene Entscheidung diesbezüglich in Frage zu stellen.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Die Erfindung betrifft als Pulver oder Flüssigkeit formulierte Zubereitungen für Lebensmittel, die einen fettlöslichen Farbstoff dispergiert in einem lipid-basierenden Trägerstoff enthalten. Gemäß Absatz [0010] des Patents basiert die Erfindung auf der Feststellung, dass durch die Kombination des erfindungsgemäßen Emulgators mit dem erfindungsgemäßen Stabilisator eine erhöhte Beladung der Zubereitung mit Farbstoff erreicht werden kann.
5.2 Nächstliegender Stand der Technik
5.2.1 Beide Parteien haben die Druckschrift D1a als nächstliegenden Stand der Technik angesehen, und die Kammer sieht keinen Anlass, hiervon abzuweichen.
5.2.2 D1a offenbart Pulverzubereitungen für Lebensmittel mit einer hohen Farbstoffkonzentration und einer hohen Lagerstabilität (siehe Absätze [0001] und [0006]). Gemäß Absatz [0008] von D1a wird Palmölcarotin in einem Öl oder Fett gelöst. Diese Ölphase wird mit einem Schutzkolloid wie modifizierter Stärke vermischt. Ferner kann zusätzlich zu dem Schutzkolloid ein Emulgator wie Polyglycerinester von Speisefettsäuren verwendet werden (siehe Absatz [0013]).
Die Ausführungsform gemäß Beispiel 2 betrifft eine Pulverzubereitung, die wie folgt hergestellt wird: 350 g einer 30 %igen Suspension von Palmölcarotin werden zusammen mit 5 g Vitamin E in einer Ölphase erhitzt und darin gelöst. Dazu werden 1600 g einer 40 %igen wässrigen Lösung modifizierter Stärke (Capsul, Stärkenatriumoctenylsuccinat), die 0,1 % Vitamin C enthält, gegeben. Die Bestandteile werden vermischt und anschließend sprühgetrocknet. Die so hergestellte Pulverformulierung enthält 35 Gew.-% Ölphase und 65 Gew.-% Stärkenatriumoctenylsuccinat, wobei der Anteil an Carotin 9.8 Gew.% bezogen auf die gesamte Zubereitung ist.
5.3 Aufgabe
5.3.1 Ausgehend von D1a formulierte die Beschwerdegegnerin die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung in der Bereitstellung einer verbesserten Zubereitung für Lebensmittel, die eine hohe Menge an fettlöslichem Farbstoff enthält und vorteilhafte Eigenschaften aufweist, insbesondere eine erhöhte Stabilität.
5.3.2 Die Kammer kann jedoch keine vorteilhaften Eigenschaften für die beanspruchten Zubereitungen anerkennen. Wie oben dargestellt, enthalten die Pulverzubereitungen von D1a bereits einen mit den angestrebten Werten im Patent vergleichbar hohen Gehalt an Farbstoff, sowie eine gute Lagerstabilität. Das Patent enthält keinen Vergleich mit der Zubereitung gemäß D1a und der Versuchsbericht D20 wurde im Verfahren nicht zugelassen. Im Hinblick darauf gilt die von der Beschwerdegegnerin formulierte Aufgabe als nicht gelöst.
5.3.3 Aus diesen Gründen ist die zu lösende Aufgabe umzuformulieren. Ausgehend von D1a wird diese lediglich darin gesehen, alternative Zubereitungen für Lebensmittel bereitzustellen, die eine hohe Menge an fettlöslichem Farbstoff enthalten und eine gute Stabilität aufweisen.
5.4 Lösung
5.4.1 Als Lösung schlägt das Streitpatent zwei verschiedene alternative Zubereitungen vor, die als Pulver (nachfolgend: Pulverzubereitung) oder als Flüssigkeit (nachfolgend: Flüssigzubereitung) formuliert werden.
5.4.2 Die Pulverzubereitungen unterscheiden sich von denen aus Beispiel 2 aus D1a dadurch dass:
- a) sie Polyglycerinester von Speisefettsäuren in einer Menge von 1 bis 10%; und
- b) eine kleinere Menge an der Ölphase (10 bis 30 Gew.% statt 35 Gew.%) enthalten.
5.4.3 Die Flüssigzubereitungen enthalten als Hauptbestandteil 30 bis 70 Gew.% Wasser und unterscheiden sich von den Pulverzubereitungen aus Beispiel 2 aus D1a dadurch, dass
- a) sie Polyglycerinester von Speisefettsäuren in einer Menge von 0,1 bis 5 Gew.-%;
- b) eine deutlich niedrigere Menge an der Ölphase (5 bis 15 Gew.% statt 35 Gew.%); und
- c) 30 bis 70 Gew.-% Wasser enthalten.
5.4.4 Es ist unbestritten, dass die beanspruchten Zubereitungen diese Aufgabe lösen.
5.5 Naheliegen
Zu beantworten bleibt die Frage, ob der Fachmann ausgehend von den Zubereitungen gemäß Beispiel 2 aus D1a und mit der vorstehenden Aufgabe konfrontiert, in naheliegender Weise zu den anspruchgemäßen Pulverzubereitungen und/oder Flüssigzubereitungen gekommen wäre.
5.6 Naheliegen: Pulverzubereitungen
5.6.1 Die allgemeine Lehre der D1a bietet zur Herstellung der dort beschriebenen Pulverzubereitungen bereits eine Anregung zu der modifizierten Stärke zusätzlich Emulgatoren hinzuzufügen. Im Absatz [0013] werden geeignete Emulgatoren, einschließlich Polyglycerinester von Speisefettsäuren, erwähnt, welche, wenn gewünscht, hinzugefügt werden können. Daher ist es für den Fachmann naheliegend, Emulgatoren, z.B. die jetzt beanspruchten Polyglycerinester von Speisefettsäuren, zu verwenden. Die Auswahl dieser Emulgatoren innerhalb der in D1a vorgeschlagenen Liste umfassend sieben Emulgatoren, stellt lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im handwerklichen Können des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.
5.6.2 Auch die verwendete Menge an Emulgator bzw. die Abänderung der Menge an Ölphase sind nicht mit einem unerwarteten Effekt verbunden. Darüber hinaus liegen sie in den üblichen Bereichen in diesem Gebiet, wie die Berechnungen der Beschwerdeführerin zeigten. Diese Unterschiede können daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
5.6.3 Zusammenfassend, lässt sich feststellen, dass die Verwendung eines Emulgators im Rahmen der allgemeinen Lehre von D1a und dessen willkürlich ausgewählte Menge in Abwesenheit eines unerwarteten Effekts, keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Kammer kann auch dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass der beanspruchte Gegenstand eine gezielte Auswahl darstelle, da ein erfinderischer Auswahleffekt nicht vorliegt.
5.6.4 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 bezüglich der Pulverzubereitungen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.7 Naheliegen: Flüssigzubereitung
5.7.1 Im Gegensatz zu den oben diskutierten Pulver-zubereitungen enthalten die Flüssigzubereitungen als Hauptbestandteil 30 bis 70 Gew.% Wasser. Sie unterscheiden sich durch dieses zusätzliche Merkmal von den Zubereitungen gemäß D1a.
5.7.2 D1a beschäftigt sich ausschließlich mit Pulverzubereitungen (siehe Abstract und Anspruch 1) und kann daher keinen Hinweis auf Flüssigzubereitungen liefern. Wie die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung überzeugend dargestellt hat, tritt durch die Anwesenheit von Wasser die Stabilität der Zubereitungen als zusätzlicher zu berücksichtigender Aspekt in den Vordergrund. Die Menge an Farbstoff, die in einer wässrigen Phase emulgiert und stabilisiert werden kann, hängt im wesentlichen von der geeigneten Auswahl an Emulgatoren und Stabilisatoren ab (siehe auch Absatz [0005] der Patentschrift).
5.7.3 Beispiel 2 aus D1a kann keinen Hinweis auf Flüssigzubereitungen geben, im Gegenteil, die wässrigen Zubereitungen sind nur ein Zwischenprodukt und werden getrocknet, um die gewünschte Pulverzubereitung herzustellen. Eine erneute Zugabe von Wasser wäre eigentlich gegen die Lehre von D1a. Die Kammer kann daher auch das Argument der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehen, dass der Fachmann die in Beispiel 2 als 'Intermediate' hergestellte Zubereitungen als Ausgangspunkt für die beanspruchten Flüssigzubereitungen verwendet hätte. Dieser Einwand entspricht nicht der Lehre von D1a und ist ausschließlich in Kenntnis der Erfindung erhoben (Ex-post-facto-Analyse).
5.7.4 Daher enthält D1a keine Anregungen bezüglich Flüssigzubereitungen, weder in allgemeiner Form noch im Hinblick auf die spezifisch beanspruchte Zubereitung. Da auch keines der anderen zitierten Dokumente einen Hinweis auf die beanspruchten Flüssigzubereitungen enthält, sind diese für den Fachmann ausgehend von D1a, nicht naheliegend.
5.8 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Pulverzubereitungen gemäß Anspruch 1 eine naheliegende Alternative zu der gemäß Beispiel 2 aus D1a darstellen, die Flüssigzubereitungen jedoch nicht nahegelegt werden.
6. Da der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags, aber beide Alternativen umfasst, beruht er nicht auf einer erfinderische Tätigkeit. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
HILFSANTRAG I
7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I, welcher auf die Flüssigzubereitungen abgestellt ist, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (siehe Punkt 5.7.4 oben). Er erfüllt auch alle anderen Anforderung des EPÜ (für ausreichende Offenbarung und Neuheit gelten die Ausführungen zum Hauptantrag, siehe Punkte 3.6 und 4.2 oben). Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 betreffen besondere Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1. Sie werden daher von dessen Patentfähigkeit getragen ebenso wie die Ansprüche 13 bis 18, die ein Verfahren zur Herstellung bzw. die Verwendung der Flüssigzubereitungen des Anspruchs 1 betreffen.
8. Die Beschwerdegegnerin hat während der mündlichen Verhandlung die Beschreibung an die Ansprüche des Hilfsantrags I angepasst. Die Beschwerdeführerin erhob keinen Einwand gegen die vorgenommenen Änderungen.
HILFSANTRÄGE II BIS VII
9. Da der Hilfsantrag I die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, braucht die Kammer die Hilfsanträge II bis VII nicht mehr zu diskutieren.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf Basis der Ansprüche 1 bis 18 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schreiben vom 12. Juli 2013, und Seiten 2 bis 4 der Beschreibung, eingereicht am 28. Oktober 2014 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer aufrecht zu erhalten.