T 1344/12 (Destillationskolonne/BAHR) of 19.8.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T134412.20140819
Datum der Entscheidung: 19 August 2014
Aktenzeichen: T 1344/12
Anmeldenummer: 08784744.8
IPC-Klasse: B01D 3/00
B01D 53/18
B01D 3/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 320 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM REGELN UND KÜHLEN EINER DESTILLATIONSKOLONNE
Name des Anmelders: Bahr, Frank
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 08 784 744.8 zurückzuweisen.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem beanstandet, dass der im Prüfungsverfahren neu eingereichte unabhängige Anspruch 14, der sich auf eine Destillationskolonne bezog, kein Merkmal betreffend einen Destillationsregelkreis enthielt. Die Prüfungsabteilung schloss daraus, dass der Gegenstand dieses Anspruchs Sachverhalte einbringe, die über den Offenbarungsgehalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen, was gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße.

III. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte der Beschwerdeführer zwei geänderte Anspruchssätze als Haupt- und Hilfsantrag ein. Bei Einlegung der Beschwerde hatte er zuvor bereits einen Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

IV. Die identischen unabhängigen Ansprüche 14 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag lauten wie folgt (Bezeichnung der Merkmalgruppen mit [a], [b] und [c] durch die Kammer):

"14. Destillationskolonne, umfassend

[a] einen über dem Sumpf der Kolonne (1) angeordneten Wärmetauscher (2), der im Gegenstrom zu dem vom Sumpf aufsteigenden Dampf von Kühlmedium durchströmt ist, wobei sich der Kühlmediumaustritt (6) im Sumpfbereich befindet oder durch das Sumpfmedium geführt ist,

[b] einen im Kopf der Kolonne (1) angeordneten Kopfkondensator bzw. Wärmetauscher (17,18), und

[c] eine Destillationsregeleinrichtung (13), die die Kondensations- bzw. Siedetemperatur auf der Grundlage der Dampfdruckkurve der Komponenten errechnet und das Kühlmedium auf die Kondensations- bzw. Siedetemperatur bei den vorgegebenen Druckverhältnissen einstellt."

V. In einem in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergangenen Bescheid stellte die Kammer unter anderem die Zulässigkeit des Anspruchs 14 im Hinblick auf die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ in Frage. Sie thematisierte auch die Klarheit der Ansprüche und die Frage, ob die Ansprüche alle wesentlichen Erfindungsmerkmale enthielten. In diesem Zusammenhang wies sie auch darauf hin, dass die Darstellung der Erfindung in der Beschreibung nicht in den Ansprüchen widergespiegelt zu sein scheine.

VI. Mit Schreiben vom 7. August 2014 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er den Termin für die anberaumte Verhandlung nicht wahrnehmen werde, ohne auf den Inhalt des Bescheids der Kammer weiter einzugehen.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 19. August 2014 in Abwesenheit des Beschwerdeführers statt.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und (sinngemäß) die Erteilung eines Patents auf Basis der Ansprüche gemäß Hauptantrag, hilfsweise gemäß Hilfsantrag, beide eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 11. Mai 2012.

IX. Die vom Beschwerdeführer im Hinblick auf die ursprüngliche Offenbarung des Gegenstands von

Anspruch 14 (Haupt- und Hilfsantrag) vorgebrachte Argumentation lautet wie folgt (Beschwerdebegründung vom 11. Mai 2012, Seiten 1 und 2):

"1. Anträge

1.1 Hauptantrag

Der Hauptantrag umfasst den Anspruch 1 in der zuletzt geltenden Fassung und einen neuen Vorrichtungsanspruch 14, der als zusätzliches Merkmal eine Destillationsregelein-richtung enthält. Im Zurückweisungsbeschluss wurde beanstandet, dass dieses Merkmal im zuletzt geltenden Anspruch 14 fehlt.

Weiterhin wird zur Offenbarung des letzten Merkmals des Anspruchs 14, wonach im Kopf der Kolonne ein Wärmetauscher angeordnet ist, auf die Kopfkondensatoren 17, 18 auf S. 11 in der letzten Zeile und auf S. 12 in der Zeile 5 hingewiesen sowie auf Fig. 1, auf die sich diese Beschreibungsstellen beziehen.

Damit ist ursprünglich eindeutig offenbart, dass im Kopf der Kolonne Wärmetauscher angeordnet sind.

1.2 Hilfsantrag

Die Ansprüche 2 bis 16 des Hilfsantrags entsprechen den Ansprüchen 2 bis 16 des Hauptantrags."

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Anspruch 14

1. Der Wortlaut von Anspruch 1

1.1 Die Merkmalgruppe [c] bezieht sich auf "vorgegebene Druckverhältnisse". Dieser Ausdruck kann nach dem Dafürhalten der Kammer auch so verstanden werden, dass ein bestimmter Druck zu Beginn der Destillation ausgewählt - also vorgegeben - wird und zum Ausgangspunkt für die Berechnung der korrespondierenden, einzustellenden Kondensations- bzw. Siedetemperatur gemacht wird.

Eine wiederholte Bestimmung der "Druckverhältnisse", bzw. dafür erforderliche Mittel sind gemäß Anspruch 14 nicht zwingend vorgesehen.

1.2 Laut Anspruch 14, Merkmalgruppe [c], errechnet die "Destillationsregeleinrichtung" "die Kondensations- bzw. Siedetemperatur auf der Grundlage der Dampfdruckkurve der Komponenten" [sic] (Hervorhebungen durch die Kammer).

Da das durch Destillation zu trennende Gemisch aus einer Mehrzahl von (Einzel-)Komponenten mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften und Dampfdruckkurven besteht, geht aus dem Anspruchswortlaut selbst nicht eindeutig hervor, was als Grundlage der Berechnungen herangezogen werden soll.

Ferner ist in Anspruch 1 weder näher definiert, an welchem Ort innerhalb der Kolonne "die Kondensations- bzw. Siedetemperatur" eingestellt werden soll, noch wo die "vorgegebenen Druckverhältnisse" herrschen sollen.

1.3 Der in der Merkmalgruppe [a] beschriebene Wärmetauscher wird von einem Kühlmedium durchströmt. Anspruch 1 lässt jedoch offen, ob der Kopfkondensator bzw. Wärmetauscher gemäß Merkmalgruppe [b] ebenfalls von besagtem Kühlmedium durchflossen wird oder nicht.

Anspruch 14 ist daher ausdrücklich auch auf eine Destillationskolonne gerichtet, die so ausgestaltet ist, dass bei deren Betrieb lediglich im Wärmetauscher laut Merkmalgruppe [a] zwingend "das Kühlmedium auf die Kondensations- bzw. Siedetemperatur bei den vorgegebenen Druckverhältnissen eingestellt wird".

2. Unzulässigkeit der Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Mit Ausnahme der im Abschnitt IX zitierten Angaben wurden vom Beschwerdeführer keine Hinweise gegeben, wo seiner Auffassung nach die ursprüngliche Offenbarung einer Destillationskolonne mit allen Merkmalen des Anspruchs 14 gemäß Hauptantrag zu finden sein soll.

2.2 Die Kammer stellt diesbezüglich zunächst fest, dass in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (veröffentlicht als WO 2009/010250 A2) kein auf eine Vorrichtung gerichteter Anspruch enthalten ist. Der einzige darin enthaltene unabhängige Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet, bei dem (Hervorhebungen durch die Kammer)

i) "bei einer Änderung des Drucks in der Kolonne (1) im Bereich der Produktentnahme die neue Siedetemperatur des Produktes bei diesem Druck aus der Dampfdruckkurve des Produktes bestimmt" wird, und

ii) "die Temperatur der Destillatentnahme mittels geändertem Kühlmitteldurchfluss durch die Wärmetauscher (2, 17, 18) ... auf diese neue Siedetemperatur einstellt".

2.2.1 Das Feststellen einer Änderung des Drucks in der Kolonne im Bereich der Produktentnahme (Merkmal i)) erfordert implizit geeignete, entsprechend ausgestaltete Mittel.

Laut Anspruch 14 sind jedoch derartige Mittel nicht als zwingender Bestandteil der beanspruchten Destillationskolonne vorgesehen, und dementsprechend enthält Anspruch 14 auch keine Angaben zum Ort der Anbringung derartiger Mittel innerhalb der Kolonne.

Da nach besagtem Anspruch 1 Druckänderungen an einem bestimmten Ort in der Kolonne (ständig) erfasst werden, gibt es zudem bei dem beanspruchten Verfahren keine "vorgegebenen Druckverhältnisse" in dem im Abschnitt 1.1 supra angesprochenen Sinn.

2.2.2 Ferner bezieht sich Anspruch 14 ganz allgemein auf die "Einstellung des Kühlmediums auf die Kondensations- bzw. Siedetemperatur bei den vorgegebenen Druckverhältnissen", nicht aber auf die Einstellung der Temperatur der Destillatentnahme in Funktion des Drucks im Bereich dieser Entnahme wie von besagtem Anspruch 1 verlangt.

2.2.3 Nicht zuletzt erfolgt im ursprünglichen Anspruch 1 die Steuerung der Temperatur zwingend "mittels geändertem Kühlmitteldurchfluss" (Merkmal ii)).

Die Destillationskolonne gemäß Anspruch 14 enthält jedoch nicht zwingend Mittel zur Änderung des Kühlmitteldurchflusses.

2.2.4 Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass der auf eine Destillationskolonne gerichtete Anspruch 14 in den (Verfahrens-)Ansprüchen der ursprünglich eingereichten Anmeldung keine hinreichende Stütze findet.

2.3 Auch die Offenbarung im allgemeinen Teil der Beschreibung der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung stellt aus folgenden Gründen keine hinreichende Stütze für den vollen Umfang von Anspruch 14 dar:

2.3.1 Der letzte Absatz auf Seite 4 der ursprünglichen Beschreibung impliziert von seinem Wortlaut her die Verwendung einer Destillationskolonne, welche eine gewisse Übereinstimmung mit dem Gegenstand von Anspruch 14 aufweist. Er lautet wie folgt (Hervorhebungen durch die Kammer):

"Erfindungsgemäß sind in der Destillationskolonne Dampf-/Flüssigwärmetauscher installiert, in welchen die Destillationsbrüden in der Auftriebsphase und/oder nur im Kondensationsbereich und vor dem Brüdenrohr mittels eines Kühlmediums gekühlt werden. Die Kondensations- bzw. Siedetemperaturen werden von einer Destillationsregeleinrichtung auf der Grundlage der Dampfdruckkurve der Komponenten errechnet und das Kühlmedium wird auf die Kondensations-/Siedetemperatur bei den vorgegebenen Druckverhältnissen eingestellt".

Die sich aus dem Wortlaut des Anspruchs 14 ergebende Ausführungsform, wonach das Einstellen des Kühlmediums durch die "Destillationsregeleinrichtung" nur bezüglich des über dem Sumpf angeordneten Wärmetauschers laut Merkmalgruppe [a] zwingend vorgeschrieben ist, ist in besagtem Absatz nicht offenbart (siehe diesbezüglich Abschnitt 1.3 supra).

2.3.2 Zudem muss, nach dem Dafürhalten der Kammer, die auf Seite 4, letzter Absatz, beschriebene Ausführungsform im Zusammenhang mit der auf der selben Seite (zweiter vollständiger Absatz) als "erfindungsgemäße Lösung" bezeichnete Offenbarung eines Verfahrens gelesen werden, wonach zuerst eine "Änderung des Drucks der Kolonne im Bereich der Produktentnahme" registriert wird, und erst anschließend in Abhängigkeit von besagter Druckänderung die Temperatur des Kühlmediums (Seite 4, Zeilen 17 und 18) auf die entsprechende neue Siedetemperatur des Produkts eingestellt wird.

Zwingend erforderlich sind aber laut Anspruch 14 weder Mittel zur Erfassung einer Druckänderung an entsprechender Stelle (siehe auch Abschnitt 2.2.1 supra) noch Mittel zur Veränderung der Temperatur des durch den Wärmetauscher strömenden Kühlmittels.

2.3.3 Im letzten Absatz auf Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung wird zudem ein Verfahren als "erfindungsgemäß" bezeichnet, bei welchem die Einstellung der "neuen Siedetemperatur des Produktes", anders als im "erfindungsgemäßen" Verfahren laut

Seite 4, zweiter vollständiger Absatz, durch Änderung des Kühlmedium-Durchflusses erfolgt.

Auf Seite 6, Zeilen 15 bis 23, wird schließlich noch die weitere Möglichkeit beschrieben, die Temperatur im Bereich der Produktentnahme - bei einer Druckänderung - durch eine Änderung des Rücklaufs und/oder der Destillatabnahme zu erreichen.

Zur Durchführung dieser Verfahrensvarianten jeweils erforderliche apparative Mittel sind jedoch keine Merkmale der Destillationskolonne gemäß Anspruch 14.

2.4 Schließlich hat sich die Kammer noch davon überzeugt, dass auch die in der Beschreibung enthaltenen Ausführungsbeispiele keine ausreichende Stütze für Anspruch 14 in seiner gesamten Breite darstellen.

2.4.1 Generell weisen die in den Ausführungsbeispielen beschriebenen Anlagen zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens eine Reihe weiterer notwendiger Merkmale auf, die aber nicht in den Anspruch 14 aufgenommen wurden:

2.4.2 Im ersten Ausführungsbeispiel (Figur 1) wird die Siedetemperatur des Destillates im Kopfbereich der Kolonne errechnet (Seite 11, Zeilen 32 bis 35). Daraus folgt, dass der entsprechende Druck (bzw. die Druckänderung) im Kopf der Kolonne zuvor mit geeigneten Mitteln (siehe Figur 1: Drucksensor PI im Kopfbereich) erfasst werden muss. In der eingesetzten Anlage wird die errechnete Siedetemperatur des Destillats über die Regelung des Kühlmittedurchflusses durch die im Kopfbereich und über dem Sumpf angeordneten Wärmetauscher eingestellt (Seite, 11, Zeilen 31 bis 35).

Auch die im zweiten Ausführungsbeispiel beschriebene Anlage umfasst eine Druckmessstelle (115; 119) am Kopf der Kolonne (Figuren 2 und 3; Seite 13, letzte Zeile bis Seite 14, Zeile 1; Seite 14, Zeilen 20/21). Die Einstellung der neuen Temperatur erfolgt hier jedoch durch Änderung des Rücklaufs bzw. der Destillatabnahme. Ein wie auch immer geartetes Einstellen des Kühlmediums ist in diesem Zusammenhang nicht beschrieben.

Auch in der Anlage gemäß dem dritten Ausführungs-beispiel sind Druckmessmittel vorgesehen (siehe Figur 4 und Seite 19, Zeile 6), Mittel zum Einstellen eines Kühlmediums finden keine Erwähnung.

2.5 Auf Basis der obigen Analyse gelangt die Kammer zu dem Schluss, dass der neu formulierte, nunmehr vorliegende Vorrichtungsanspruch Anspruch 14 unter Weglassung von in der Beschreibung als wesentlich dargestellten Merkmalen bestimmter Ausführungsformen so verallgemeinernd und breit formuliert ist, dass er auf einen Gegenstand gerichtet ist, der aus der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung nicht unmittelbar und eindeutig herleitbar ist und demnach über deren Inhalt hinausgeht.

Daher ist das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ bezüglich Anspruch 14 gemäß Hauptantrag nicht erfüllt.

2.6 Folglich ist der Hauptantrag des Beschwerdeführers ist nicht gewährbar.

Hilfsantrag - Anspruch 14

3. Der Wortlaut des Anspruchs 14 gemäß Hilfsantrag ist identisch mit jenem des Anspruchs 14 gemäß Hauptantrag.

3.1 Demnach gelten die zuvor angestellten Überlegungen in identischer Weise auch für Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag. Dieser Anspruch verstößt ebenfalls gegen die Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.

3.2 Daher ist auch der Hilfsantrag des Beschwerdeführers nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation