European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T095412.20170224 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 24 Februar 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0954/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01102981.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 70/44 B29C 35/00 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung eines Werkstücks aus einem faserverstärkten Werkstoff | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Airbus Defence and Space GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (nein) Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hilfsantrag II (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag IV (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die am 5. März 2012 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent 1 136 238 zu widerrufen
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit einem Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973) begründet worden.
III. Am 24. Februar 2017 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
IV. Die abschließenden Anträge des Beschwerdeführers (Patentinhabers) waren, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des mit Schreiben vom 2. Juli 2012 als Hauptantrag eingereichten Anspruchsatzes oder hilfsweise auf der Grundlage der während der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag II oder Hilfsantrag IV eingereichten Anspruchssätze aufrechtzuerhalten.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Auf die folgenden Dokumente ist unter anderem Bezug genommen worden:
D3: US 4 942 013
D13: Dyckhoff, H. "Resin Transfer Moulding: Beitrag zur Verbesserung der Formteiloberflächenqualität", Aachener Beiträge zur Kunststoffverarbeitung, Herausgeber: Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen, Verlag der Augustinus Buchhandlung, Aachen, 1995, Seiten 36-38
D15: US 5 576 030
VII. Der unabhängige Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet folgendermaßen:
"Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus einem faserverstärkten Werkstoff, bei welchem einem Faserhalbzeug mittels Unterdruckbeaufschlagung flüssiges Harz zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Harz ein heißhärtendes Harz verwendet wird und dass während der Harz-Infiltration Unterdruckbeaufschlagung und Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werden, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten wird."
VIII. Im Vergleich zum Hauptantrag weist der Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II folgende Ergänzungen auf:
"... dadurch gekennzeichnet, dass als Harz Hexcel RTM6 verwendet wird, welches ein heißhärtendes Harz ist und dass während der Harz-Infiltration ..."
"... und dass sich eine Härtungsphase des Harzes an die Infiltrationsphase anschließt."
IX. Der Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV ist wie folgt:
"Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens zur Herstellung eines Bauteils aus einem faserverstärkten Werkstoff, bei welchem einem Faserhalbzeug mittels Unterdruckbeaufschlagung flüssiges Harz zugeführt wird, als Harz ein heißhärtendes Harz verwendet wird und während der Harz-Infiltration Unterdruckbeaufschlagung und Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werden, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten wird, wobei die Vorrichtung mindestens einen Vakuumport (30; 46a, 46b, 48a, 48b) zur Unterdruckbeaufschlagung eines Werkstücks umfasst, wobei der Vakuumport als Harzfalle ausgebildet ist, welche eine bestimmte Menge an Harz aufnehmen kann, um das Eindringen von Harz in ein Vakuumsystem (24, 28), welches mit dem Vakuumport verbunden ist, zu verhindern, und wobei der Vakuumport (30) mit einer Vakuumpumpe (24) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Vakuumport (30) einen Aufnahmeraum (36) für Harz umfasst, welcher in einem becherförmigen Aufnahmeelement (34) gebildet ist, dass der Vakuumport (30) einen Auflageflansch (32) zur Positionierung auf einem Verteilergewebe (84), mittels welchem dem Faserhalbzeug (12) Harz zuführbar ist, aufweist, welcher an dem Aufnahmeelement (34) gebildet ist, dass der Aufnahmeraum (36) auf einer Seite mit der Vakuumpumpe (24) in Verbindung steht und auf der anderen Seite hin offen ist, so dass über ihn eine Wirkverbindung zur Unterdruckbeaufschlagung des Werkstücks herstellbar ist, wobei eine Wirkverbindung des Vakuumports (30) mit der Vakuumpumpe (24) steuerbar unterbrechbar ist, und dass das Verteilergewebe (84), auf welchem der Vakuumport (30) positioniert ist, bezogen auf eine Zuführungsrichtung des Harzes unterhalb des Faserhalbzeugs (12) angeordnet ist."
X. Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Anspruch 1 nach dem Hauptantrag, Neuheit
Die Druckschrift D3 zeige nicht die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1. So sei dort nicht offenbart, dass als Harz ein heißhärtendes Harz verwendet werde.
Bezüglich des weiteren Unterscheidungsmerkmals, dass während der Harz-Infiltration die Unterdruckbeaufschlagung und die Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werde, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten werde, sei zu berücksichtigen, dass im Dokument D3 (vgl. Spalte 8, Zeilen 21 bis 26: "The resin is usually "degassed" (under vacuum) after mixing of the hardener/catalyst in the resin, to eliminate or remove all entrapped air from the liquid resin. The resin should be capable of proceeding through a vacuum pressure cure cycle environment of heat and time without formation of gas bubbles or voids.") zwar das Problem der Blasenbildung erkannt werde, als Lösung aber die Wahl eines geeigneten Harzes angesehen werde. Zudem ziele das Dokument D3 konkret ab auf das Vermeiden der Entstehung von Blasen aufgrund der chemischen Reaktion während des Gelierens bzw. Aushärtens des aus mehreren Komponenten bestehenden Harzes (vgl. auch D3, Spalte 8, Zeilen 11 bis 15 und Spalte 16, Zeilen 60 bis 63), während die streitpatentgemäße Lösung die Entstehung von Blasen aufgrund thermodynamischer Vorgänge während der Infiltrationsphase betreffe. Auch sei eine Steuerung der Unterdruckbeaufschlagung bezüglich der Siedepunktkurve im Dokument D3 nicht erwähnt. Folglich offenbare die Druckschrift D3 zwar allgemein eine Regelung der Unterdruckbeaufschlagung und der Temperatur während der Harz-Infiltration, die jedoch nicht derart ausgestaltet sei, dass die Siedepunktkurve nicht überschritten werde.
Damit sei die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag anzuerkennen.
Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II, Klarheit
Der Verweis auf das Harz Hexcel RTM6 in Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II stelle keinen Klarheitsmangel dar, da die Eigenschaften dieses Harzes nicht nur in dem von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Produktdatenblatt definiert seien, sondern auch aus den Figuren 9 bis 12 der Patentschrift hervorgingen.
Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV, erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV unterscheide sich vom Dokument D3 in den Merkmalen, dass
a) das Verteilergewebe, auf welchem der Vakuumport positioniert sei, bezogen auf eine Zuführungsrichtung des Harzes, unterhalb des Faserhalbzeugs angeordnet sei, dass
b) das Aufnahmeelement becherförmig ausgebildet sei, dass
c) der Vakuumport einen Auflageflansch zur Positionierung auf einem Verteilergewebe habe, und dass
d) der Vakuumport als Harzfalle ausgebildet sei.
Die zu lösende Aufgabe sei darin zu sehen, eine alternative Lösung zur Vermeidung einer Kontamination der Vakuumpumpe mit Infusionsharz bereitzustellen.
Diese Aufgabe werde erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass der Vakuumport als Harzfalle mit einem becherförmigen Aufnahmeelement ausgebildet sei.
Keine der im Einspruchsbeschwerdeverfahren zitierten Druckschriften zeige einen solchen Vakuumport mit einem becherförmigen Aufnahmeelement, der als Harzfalle ausgebildet sei, weshalb der Anspruchsgegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
XI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Anspruch 1 nach dem Hauptantrag, Neuheit
Die Bedeutung eines "heißhärtendes Harz" sei im Absatz [0094] des Streitpatents definiert. Darunter falle auch das im Dokument E3 verwendete und bei ca. 177 °C (350 °F) härtende Epoxidharz (vgl. Spalte 8, Zeilen 1 bis 20 und Spalte 15, Zeilen 8 bis 12).
Nach der Druckschrift D3 werde während der Injektionsphase mit einer konstanten Temperatur von 121 °C und bei konstantem Vakuumdruck gearbeitet (vgl. D3, Spalte 14, Zeile 49 zur Temperatur sowie Spalte 14, Zeile 50 zum Druck). Diese Verfahrensführung sei praktisch vollständig identisch zu dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 12 der Streitpatentschrift, wo in der Injektionsphase 162 eine konstante Temperatur von ca. 121 °C sowie ein konstanter Vakuumdruck herrsche. Schon weil im Dokument D3, das wie das Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung von Luftfahrtbauteilen betreffe, die gleiche Verfahrensführung beschrieben werde wie bei dem Ausführungsbeispiel gemäß der Patentschrift, könne das Merkmal, wonach während der Harz-Infiltration die Unterdruckbeaufschlagung und die Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werde, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten werde, die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht herstellen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei außerdem entgegenzuhalten, dass das Dokument D3 explizit darauf hinweise, dass Blasen in faserverstärkten Duroplastbauteilen generell zu vermeiden seien und dass dem bei einer Erhöhung der Verarbeitungstemperatur des Harzes besondere Beachtung zu schenken sei (vgl. D3, Spalte 16, Zeilen 59 bis 65). Einem Fachmann auf dem Gebiet der Herstellung derartiger Bauteile sei in diesem Zusammenhang bekannt, dass bei der Wahl der Verfahrensparameter des Unterdrucks und der Temperatur die Siedekurve des Harzes zu berücksichtigen sei. Dies sei durch das den Fachbuchauszug D13, Abschnitt 3.2.1. belegt. Insofern lese ein Fachmann im Dokument D3 das streitige Merkmal, dass während der Harz-Infiltration die Unterdruckbeaufschlagung und die Temperatur so gesteuert und/oder geregelt würden, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten werde, aufgrund seines Fachwissens mit. Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag sei also auch unter diesem Gesichtspunkt nicht neu.
Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II, Klarheit
Die Zulässigkeit von Hilfsantrag II werde nicht in Frage gestellt. Der Verweis auf das Harz mittels seines Handelsnamen Hexcel RTM6 in dem Anspruch 1 sei allerdings unklar, da sich seine Bedeutung über die Patentlaufzeit ändern könne. So gebe das vorgelegte Produktdatenblatt nur die Spezifikation zum Zeitpunkt Juli 2009 wieder. Dies lasse aber keine unveränderliche Definition des Schutzgegenstands zu, weshalb die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt seien.
Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV, erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV unterscheide sich vom Dokument D3 zwar in den genannten Merkmalen a) bis c), die jedoch für einen Fachmann auf der Hand liegende Variationen der bekannten Vorrichtung darstellten.
So sei im Dokument D3 die Harzfalle, die zur Aufnahme überschüssigen Harzes diene und so das Eindringen von Harz in das Vakuumsystem verhindere, als wannenförmiger und nicht als becherförmiger Aufnahmeraum ausgebildet. Dieser Unterschied b) liege jedoch nur in der Form und habe keine spezifische technische Wirkung.
Das Merkmal a) bedeute nach Absatz [0076] des Streitpatents lediglich, dass die Harzabsaugung mittels Verteilergewebe an einem Punkt ansetze, der sich bezüglich der Harzzufuhr an dem diametral gegenüberliegenden Ende des Gesamtaufbaus befinde, wodurch ein optimales Ansaugen des Harzes bis zur vollständigen Befüllung des Faserhalbzeugs möglich sei. Ein solches Absaugen über ein Verteilergewebe, das sich diametral gegenüber der Harzzufuhr befinde, könne aber der Figur 10A der Druckschrift D3 entnommen werden, wobei dort das Verteilergewebe mit 181 und der Vakuumport mit 175 bezeichnet sei.
In Zusammenhang mit dem weiteren Unterscheidungsmerkmal c) werde auf das Dokument D15 verwiesen. Dieses zeige in Figur 1 einen Vakuumport 44 mit Flansch 46 auf einem Verteilergewebe 34 (letzteres zur Verteilung von Luft und Gasen, jedoch "similar in construction to the sheet 24" - vgl. Spalte 5, Zeile 13 - zur Verteilung von Harz (vgl. Spalte 5, Zeilen 46 und 47). Wenn der Fachmann also vor die Aufgabe gestellt werde, einen Vakuumport auf ein gewebeartiges Element zu positionieren, werde er auf eine Flanschlösung nach dem Dokument D15 zurückgreifen, damit der Vakuumflansch bei Unterdruckbeaufschlagung nicht zu sehr in das gewebeartige Element hineingetrieben werde, was negative Auswirkungen auf den Strömungswiderstand des gewebeartigen Elements haben könne. Das Unterschiedsmerkmal c) ergebe sich somit unmittelbar aus der Druckschrift D15.
Insgesamt sei der Anspruchsgegenstand daher als nicht erfinderisch anzusehen.
Entscheidungsgründe
1. Anspruch 1 nach dem Hauptantrag, Neuheit
1.1 Zwischen den Parteien ist in Bezug auf den Anspruch 1 in erster Linie streitig, ob die Druckschrift D3 die kennzeichnenden Merkmale zeigt, nämlich dass
i) als Harz ein heißhärtendes Harz verwendet wird und dass
ii) während der Harz-Infiltration die Unterdruckbeaufschlagung und die Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werden, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten wird.
1.2 Hinsichtlich des Merkmals i) stellt die Kammer fest, dass der relative Begriff "heißhärtendes Harz" nicht zur Abgrenzung gegenüber dem im Dokument D3 beschriebenen Harz dienen kann, da das dortige Harz ein Epoxidharz ist und bei einer Temperatur aushärtet, die deutlich höher ist als Raumtemperatur. Damit erfüllt das Harz aus dem Dokument D3 die Definition eines "heißhärtendes Harzes" nach dem Streitpatent (vgl. Absatz [0094]).
1.3 Bezüglich des Merkmals ii) wird auf das Verfahren von Dokument D3 verwiesen, in dem am Werkzeug sowohl während der Zufuhr als auch bei der Aushärtung des Harzes Unterdruck anliegt (vgl. D3, Spalte 14, Zeile 40 bis Spalte 15, Zeile 12). Zudem wird das Werkzeug vor dem Zuführen des Harzes zunächst auf 121 °C erwärmt, um eine geeignete Viskosität und Gelierzeit des dann eingeführten Harzes zu erreichen. Nach der Werkzeugfüllung wird die Temperatur der Vorrichtung zum Gelieren bzw. Aushärten des Harzes auf 177 °C erhöht, vorausgesetzt die zusätzliche Wärme führt nicht zu einer Blasenbildung im Harz und damit zu einem porösen Laminat (vgl. D3, Spalte 16, Zeilen 59 bis 65). Folglich muss im Verfahren nach Dokument D3 die Temperatur und der Unterdruck so eingestellt sein, dass es während des Aushärtens, aber auch schon während der Infiltration des flüssigen Harzes nicht zu einer Blasenbildung im Harz kommt. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass bei der Einstellung der beiden Verfahrensparameter Unterdruck und Temperatur ein Überschreiten die Siedepunktkurve des Harzes zu vermeiden ist, um die Entstehung und Ausbreitung von Blasen zu hindern, als unverzichtbarer Teil des allgemeinen Fachwissens eines Fachmanns auf dem Gebiet der Herstellung faserverstärkten Duroplastbauteilen anzusehen, was vorliegend durch das den Fachbuchauszug D13, Abschnitt 3.2.1. belegt ist. Da nach der Rechtsprechung für den Offenbarungsgehalt einer Veröffentlichung zu berücksichtigen ist, was von einem Durchschnittsfachmann auf dem entsprechenden Fachgebiet an Kenntnissen und Verständnis erwartet werden kann und darf (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, I.C.4.), wird ein einschlägig vorgebildeter Fachmann im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des oben dargestellten allgemeinen Fachwissens der Gesamtoffenbarung des Dokuments D3 das streitige Merkmal ii), dass während der Harz-Infiltration die Unterdruckbeaufschlagung und die Temperatur so gesteuert und/oder geregelt werden, dass bezogen auf das flüssige Harz die Siedepunktkurve des Harzes nicht überschritten wird, implizit aber eindeutig entnehmen können.
Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag ist folglich nicht neu, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
2. Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II, Klarheit
2.1 In den Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II wurde zur Abgrenzung gegenüber dem Dokument D3 das zusätzliche Merkmal aufgenommen, dass ein Harz mit dem Handelsnamen Hexcel RTM6 in dem beanspruchten Verfahren Verwendung finden soll.
2.2 Eine derartige, auf einen Handelsnamen gestützte Abgrenzung hat jedoch insofern keine klare technische Relevanz, als sich ihre Bedeutung über die Patentlaufzeit ändern kann. Insofern gibt das vorgelegte Produktdatenblatt nur die Spezifikation zum Zeitpunkt Juli 2009, also über acht Jahre nach dem Anmeldetag, wieder. Auch die Figuren 9 bis 12 der Patentschrift lassen keine unmittelbaren und eindeutigen Rückschlüsse auf die genaue Harzspezifikation zu. Da der in den Anspruch eingefügte Verweis auf einen Handelsnamen also auch unter Berücksichtigung der übrigen Teile der Patentschrift keine feststehende Definition des Schutzgegenstands zulässt, erfüllt das in den Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag II aufgenommene Merkmal nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ 1973.
3. Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV, erfinderische Tätigkeit
3.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag IV ist unbestritten neu gegenüber dem Dokument D3. Insbesondere besteht zwischen den Parteien Einigkeit darin, dass dort kein als becherförmiges Aufnahmeelement ausgebildeter und mit einem Auflageflansch versehener Vakuumport offenbart ist.
3.2 Die mit diesen Merkmalen zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden, eine alternative Möglichkeit zur Vermeidung einer Kontamination der Vakuumpumpe mit Infusionsharz bereitzustellen.
3.3 Hinsichtlich der nun beanspruchten Lösung ist festzustellen, dass keine der im Beschwerdeverfahren zitierten Druckschriften einen so ausgestalteten Vakuumport zeigt. Im Dokument D3 wird das Eindringen von Harz in die Vakuumpumpe dadurch verhindert, dass ein mikroporöser Keramikfilter im oder unter dem Vakuumport vorgesehen ist (vgl. D3, Spalte 11, Zeilen 58 bis 68, Figur 8) oder dass eine Zunge des Verteilergewebes bis unter den peripher positionierten Vakuumport reicht (vgl. D3, Spalte 12, Zeilen 1 bis 17, Figur 9). Es ist ausgehend davon kein Grund ersichtlich oder geltend gemacht worden, warum der Fachmann den Vakuumport, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, (zusätzlich) mit einem becherförmigen Aufnahmeelement ausstatten und dieses mit einem Auflageflansch versehen sollte, zumal der aus dem Dokument D15 (vgl. Figur 1) bekannte Flansch nicht an einem becherförmigen Aufnahmeelement angebracht ist. Da eine Kombination der Dokumente D3 und D15 eher von der beanspruchten Erfindung wegführen würde, beruht der darauf gestützte Vortrag der Beschwerdegegnerin nach Auffassung der Kammer auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung.
Weil der vorgelegte Stand der Technik die beanspruchte Vorrichtung nicht nahelegen kann, ist dem Gegenstand von Anspruch 1 nach Hilfsantrag IV eine erfinderische Tätigkeit zuzusprechen, Artikel 56 EPÜ 1973.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 und 2 vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer als Hilfsantrag IV;
- Beschreibung Seiten 2 bis 6 und 8 bis 11 vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer;
- Beschreibung Seite 7 der Patenschrift;
- Figuren 1 bis 12 der Patentschrift.