T 0793/12 () of 29.6.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T079312.20160629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2016
Aktenzeichen: T 0793/12
Anmeldenummer: 03793698.6
IPC-Klasse: H01H 71/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektrisches Schaltgerät
Name des Anmelders: Eaton Industries GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat gegen die am 31. Januar 2012 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Patent Nr. 1 529 302 B1 in geändertem Umfang hätte aufrechterhalten werden können, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 22. Mai 2012 eingegangen.

II. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung ist das Schaltgerät nach Anspruch 1 des ihr vorliegenden Hilfsantrags 2 neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es sich vom dem aus Dokument JP 47 013658U (E8) bekannten Schaltgerät dadurch unterscheidet, dass die Anschlusskontakte des Schaltgerätes mit Lochaufnahmen versehen sind, welche die Kontaktierung eines zusätzlichen Leiters ermöglichen, ohne die schon vorhandene Verdrahtung entfernen zu müssen.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Antrag gegen Artikel 123(2) und (3) EPÜ verstößt, und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags im Hinblick auf die Dokumente

E9A: Siemens, Katalog Sirius 3R, Oktober 1996, Seiten 1 bis 24,

E9B: Abbildung des Schützes S00 der Firma Siemens,

E9C: Schaltplan des Schützes S00, sowie

E9D: Photographien des Sirius Schützes 3RT1017

nicht neu ist oder zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Beschwerdeführerin beantragte außerdem die folgenden Dokumenten ins Verfahren zuzulassen

E9E: WO 97/17711 A,

E13: DE 199 34 550 A1, und

E15: WO 98/20580 A.

IV. In einem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beiliegenden Bescheid teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung über mögliche Verstöße gegen Artikel 84 EPÜ und Artikel 123(2) und (3) EPÜ sowie über die Patentierbarkeit im Hinblick auf die Dokumente E9A bis E9D und über die Zulässigkeit der Dokumente E9E und E13 bis E15 mit.

V. Mit ihrem Schreiben vom 27. Mai 2016 erwiderte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) und reichte einen neuen Hauptantrag sowie drei weitere Hilfsanträge ein.

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 29. Juni 2016 vor der Kammer statt. Dabei zog die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 3 zurück und reichte einen neuen Hauptantrag ein, der die Patentansprüche des bisherigen Hilfsantrags 3, geänderte Beschreibungsseiten 2 bis 4 sowie die Figuren 1 bis 5 der Patentschrift umfasst.

VII. Die Beschwerdeführerin bestätigte ihren eingangs gestellten Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des neuen Hauptantrags aufrecht zu erhalten.

IX. Anspruch 1 des nunmehr gültigen Hauptantrags lautet wie folgt:

"Elektrisches mindestens einpolig ausgebildetes Schaltgerät mit einem Gehäuse (2) aus Isolierstoffmaterial

- wobei jeder Pol zumindest einen ankommenden und einen abgehenden Anschlusskontakt (4; 5) aufweist und jeder der Anschlusskontakte (4; 5) erste Anschlussmittel (41) für den Anschluss mindestens eines ersten externen elektrischen Leiters aufweist und

- zumindest einer der Anschlusskontakte (4; 5) zweite Anschlussmittel (42; 52) zur steckbaren Verbindung mit einem zweiten elektrischen Leiter aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- jeder Anschlusskontakt (4) als eine zungenartige Anschlussfahne ausgebildet ist, die als ein Kontaktträger einen Festkontakt trägt, die den an einem Ende angeordneten Festkontakt zur geräteinternen Kontaktierung, zur Geräteaußenseite hin die ersten Anschlussmittel (41) sowie die zweiten Anschlussmittel (42; 52) aufweist, wobei die zweiten Anschlussmittel (42; 52) zwischen den jeweiligen Festkontakten und anderendig angeordneten ersten Anschlussmitteln (41) angeordnet sind,

und wobei die zweiten Anschlussmittel (42; 52) ausgebildet sind

- als Lochaufnahme oder seitliche Ausnehmungen der Anschlusskontakte (4) für die Aufnahme von mit den zweiten elektrischen Leitern verbundenen und durch Öffnungen in einem Deckelteil des Schaltgeräts durchführbaren Steckkontakten (6)."

Die Ansprüche 2 und 3 sind vom Anspruch 1 abhängig.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Der neue Antrag solle nicht ins Verfahren zugelassen werden, weil der im Anspruch 1 des erteilten Patents befindliche Begriff "zungenförmig" durch den breiteren Begriff "zungenartig" ersetzt wurde. Der Begriff "zungenartig" schließe nicht nur die Form sondern auch z.B. die Elastizität der Zunge mit ein. Der Schutzumfang sei deshalb erweitert worden und es liege somit ein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vor. Durch diese Änderung sei die Beschwerdeführerin zudem schlechter gestellt worden als mit dem Wort "zungenförmig". Dies stelle eine unerlaubte "reformatio in peius" dar. Durch den Begriff "zungenartig" seien auch keine klaren Merkmale definiert. Der Antrag verstoße daher auch gegen Artikel 84 EPÜ. Die Bedeutung von "zungenartig" sei auch nicht im schriftlichen Verfahren erklärt worden. Die Abbildungen 2a/2b und 7 scheinen zudem widersprüchlich zu sein.

Der Absatz 10 definiere was der Anschlusskontakt erfindungsgemäß trage. Die Streichung dieses Absatzes stelle deshalb auch einen Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ dar, weil der Anspruch anders ausgelegt werden könne.

Der Satz "und mittig zu den ersten Anschlussmitteln (41) angeordnet sind, wobei die ersten elektrischen Leiter beidseitig der Steckkontakte in die ersten Anschlussmittel (41) einführbar sind" sei zudem in Anspruch 1 gestrichen worden, obwohl er sich auch auf die aktuell beanspruchte Variante der Erfindung beziehe. Diese Streichung stelle daher einen weiteren Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ dar.

Die E9E offenbare ein Schütz mit ersten Anschlussmitteln, die sowohl Schraubenklemmen als auch Käfigklemmen sein können. E9E sei daher relevanter als die Schriften E9A bis E9D, die nur eine Alternative der Klemmen zeigen. Die E9E solle daher ins Verfahren zugelassen werden.

Die E9B und E9D beschreiben das Schütz der Serie Sirius S00. Mit Verweis auf die E9E offenbaren die E9B und E9D alle Merkmale des Anspruchs 1. In der E9B sei der Spulenkontakt unbeweglich und deshalb auch ein Festkontakt. Gleichermaßen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch hinsichtlich der E9D mit Verweis auf E9E neuheitsschädlich vorweggenommen.

Mit dem Begriff "zungenförmig" sei der Anspruch 1 anders auszulegen als mit dem Begriff "zugenartig". Die E15 weise ein Schütz auf, bei dem erste und zweite Anschussmittel vorhanden seien. E15 sei daher prima facie relevant und solle ins Verfahren zugelassen werden.

Die Abbildung 1 von E15 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 10 bis 15 stelle ein Schütz mit zwei Käfig-Zugfedern 4 und einen Festkontakt 12 dar. In den Käfig-Zugfedern 4 seien Lochaufnahmen vorhanden, die Langlochaufnahmen seien. Statt eines Schraubenziehers könne durch die Öffnung 5 auch ein Leiter eingeschoben und ins Langloch der Käfig-Zugfeder eingesteckt werden. Die eine Käfig-Zugfeder stelle das erste Anschlussmittel dar, während die zweite Käfig-Zugfeder als zweite, zwischen dem Festkontakt und den ersten Anschlussmitteln angeordnetes Anschlussmittel angesehen werde solle. E15 nehme daher die Neuheit des Anspruchs 1 vorweg. E15 sei deshalb relevant und solle ins Verfahren zugelassen werden.

Aus den gleichen Gründen solle auch die E13 ins Verfahren zugelassen werden. Die darin gezeigte Anschlussklemme weise Blattfedern 12 als erste Anschlussmittel, sowie Klemmschrauben 9 als zweite Anschlussmittel und einen in Abbildung 4 sichtbaren Festkontakt 3a auf.

Im Hinblick auf E9 in Verbindung mit E9C beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die E9C offenbare ein vierpoliges Schütz mit Schraubanschlüssen 506 0501 und Steckmodulen (Abbildung unten rechts). Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich davon nur dadurch, dass zweite Anschlussmittel vorhanden seien. Der technische Effekt liege in der Möglichkeit eine zweite Leitung per Pol anzuschließen. Die Lösung finde der Fachmann in dem Schütz selbst, da, wie in Abbildung 2 der E9E ersichtlich, bei dem Spulenkontakt ein Loch zum Einstecken eines weiteren Leiters vorhanden sei. Es sei somit sofort erkennbar, dass ein ähnliches Loch in den Pol-Festkontakten angeordnet werden könne. Der Fachmann müsse sich dann nur fragen, wie und wo dieses Loch anzuordnen sei, wobei er es nach dem Muster des Spulenkontakts neben dem Schraubenanschluss gebildet hätte. Dafür hätte er vielleicht nur das Schütz etwas breiter bauen müssen.

XI. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen folgendes vor:

Der jetzige alleinige Antrag sei auf ein Schaltgerät mit Lochaufnahmen oder seitliche Ausnehmungen aufweisende Anschlusskontakte beschränkt. Es bestehe somit kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Der gestrichene Satz "und mittig zu den ersten Anschlussmitteln (41) angeordnet sind, wobei die ersten elektrischen Leiter beidseitig der Steckkontakte in die ersten Anschlussmittel (41) einführbar sind" beziehe sich nur auf die Alternative mit den zur Frontseite gerichteten Steckkontakten. Der in Frage gestellte Begriff "zungenförmig" sei durch den Satz "zungenartige Anschlussfahne ausgebildet ist, die als ein Kontaktträger eine Festkontakt trägt, die den an einem Ende angeordneten Festkontakt zur geräteinternen Kontaktierung" ersetzt worden. Dieser Satz sei wortwörtlich aus der Beschreibung Absatz [0018] entnommen worden. Es bestehe somit kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

Der Absatz [0010] sei mit den Ansprüchen 5 und 6 des erteilten Patents gestrichen worden, und könne daher in die Beschreibung wieder aufgenommen werden.

Die Schrift E9E, solle nicht ins Verfahren zugelassen werden, weil sie nicht über den Inhalt der Schriften E8, oder E9A bis E9D hinausgehe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch neu hinsichtlich der E9B, weil das darin offenbarte Schütz keine Lochaufnahme aufweise, die zwischen dem ersten Anschlussmittel und dem Festkontakt angeordnet sei. Die Lochaufnahme sei an einem Ende des Anschlusskontakts. Der Anschlusskontakt der E9B weise auch weder einen Pol im Sinne der Erfindung noch einen Festkontakt auf, das heißt, einen mit einem beweglichen Kontakt kooperierenden Kontakt. Dazu könne auf Seite 1, zweiter Absatz sowie Seite 3, vorletzter Absatz der WO-Veröffentlichung verwiesen werden. Der Anschlusskontakt sei eine feste Verbindung zu einer Spule.

Die E15 sei auch prima facie nicht relevant, weil die grundsätzlichen Merkmale der Erfindung nicht eindeutig erkennbar seien, und es könne nur spekuliert werden über die Funktion und Anordnung der ersten und zweiten Anschlussmittel. Die Beschwerdeführerin behaupte, dass ein Leiter durch die Öffnung 5 eingeschoben und in ein Langloch der Zugfeder 4 eingesteckt werden könne. Dass ein Langloch möglicherweise in der Zugfeder 4 vorhanden sei, sage jedoch nicht, ob dieses Loch lang genug wäre, um einen Leiter, der durch die Ausnehmung 5 einzuschieben wäre, in dieses eingesteckt werden könnte.

Auch die E13 sei prima facie nicht relevant, da sie nicht die geräteinneren Kontakte zeige.

Schließlich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination der Schriften E9E und E9C. Es gebe in diesen Schriften keinen Anreiz für den Fachmann zweite Anschlussmittel bei den Polkontakten anzuordnen. Die Kombination resultiere aus einer Ex-post-facto-Analyse. Aus der Abbildung oben links in E9C sei ersichtlich, dass Platz fehle, um eine Lochaufnahme in der Art der Lochaufnahme 20 des Spulenkontakts, die in Abbildung 2 von E9E zu sehen ist, zu bilden. Die Abbildung unten rechts in E9C zeige auch deutlich, dass eine Lochaufnahme mit der dazu gehörigen Öffnung nicht ohne weiteres auf dem Sirius S00 zu bilden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Antrags

2.1 Der Anspruch 1 des einzigen Antrags basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 7 sowie dem die Seiten 4 und 5 der Beschreibung überbrückenden Satz. Es besteht somit kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

2.2 Der Begriff "zungenförmig" wurde durch "zungenartig" ersetzt und bezeichnet nur noch die Anschlussfahne. Die Kammer sieht keinen Klarheitsmangel (Artikel 84 EPÜ) in dem Ausdruck "eine zungenartige Anschlussfahne", der ursprünglich auf Seite 4, Zeilen 35 und 36 der Beschreibung offenbart ist.

2.3 Durch die Streichung des letzten Absatzes des von der Einspruchsabteilung vorgeschlagenen Anspruchs 1 wurde auch die Kennzeichnung der zweiten Anschlussmittel, nämlich "und mittig zu den ersten Anschlussmitteln (41) angeordnet sind, wobei die ersten elektrischen Leiter beidseitig der Steckkontakte in die ersten Anschlussmittel (41) einführbar sind" gestrichen. Die Kammer ist der Meinung, dass dieses Merkmal nur die als zur Frontseite gerichtete Steckkontakte ausgebildeten zweiten Anschlussmittel und nicht die als Lochaufnahme oder seitliche Ausnehmungen ausgebildeten zweiten Anschlussmittel kennzeichnete. Die Streichung stellt deshalb keinen Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ dar, und verschlechtert auch nicht die Stellung der Beschwerdeführerin (reformatio in peius).

2.4 Der wesentliche Teil des Absatzes 10 (Seite 2, Zeilen 15 bis 20 der ursprünglich veröffentlichen Beschreibung) wurde zudem in die Beschreibung wiedereingeführt. Somit kann die Änderung der Beschreibung auch zu keinem Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ führen.

2.5 Folglich erfüllt der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Antrag den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 EPÜ und wird deshalb ins Verfahren zugelassen.

3. Zulässigkeit der Schriften E9E und E13 bis E15.

3.1 Die E9E wurde spät eingereicht und von der Einspruchsabteilung als nicht relevanter als die E8 eingestuft und ins Verfahren nicht zugelassen.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die E9E relevanter als die E9A bis E9D sei, weil darin ein Schütz mit ersten Anschlussmitteln, die sowohl Schraubklemmen als auch Käfigklemmen sein können, offenbart ist. Die Kammer merkt hierzu an, dass die Patentanmeldung gemäß E9E jener Firma gehört, die die Schriften E9A bis E9D verfasst hat. Das in E9E gezeigte gehäuselose Schaltgerät ist dem Inneren der in E9A bis E9D gezeigten Schaltgeräte sehr ähnlich. E9E könnte deshalb für die Bewertung der Schriften E9A bis E9D hilfreich sein. Die Beschwerdekammer ließ die Schrift E9E daher ins Verfahren zu.

3.2 Die zweiten Anschlussmittel des Schaltgeräts nach E13 sind nicht für Steckkontakte, sondern nur zum Anschließen von Leitern geeignet (siehe E13, Spalte 3, Zeilen 23 bis 26). E13 ist folglich prima facie nicht relevanter als alle E9-Dokumente und wurde deshalb nicht ins Verfahren zugelassen.

3.3 Nach der Beschwerdeführerin weist das Schaltgerät nach E15 zwei Käfig-Zugfedern auf, die als erste und zweite Anschlussmittel dienen können, wobei die zweiten Anschlussmittel zwischen dem Festkontakt und den ersten Anschlussmitteln angeordnet seien. Dies erschien der Kammer prima facie relevant und im Detail erörterungsbedürftig, sodass das Dokument E15 ins Verfahren zugelassen wurde.

4. Neuheit - Artikel 54 EPÜ

4.1 Die E15 offenbart ein Schütz, dessen Anschlussstück zwei Käfig-Zugfedern aufweist (siehe Seite 2, Zeilen 7 bis 15 und 22 bis 23 und Abbildung 1). Diese Käfig-Zugfedern sind parallel und bilden daher keine zweiten zwischen dem Festkontakt und einer als erste Anschlussmittel dienenden Käfig-Zugfeder angeordneten Anschlussmittel.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass durch die Öffnung 5 des Schaltgeräts ein Leiter statt ein Schraubenzieher eingeschoben und ins vorhandene Langloch einer der beiden Käfig-Zugfedern eingesteckt werden könnte. Somit würden die Käfig-Zugfedern auch zweite zwischen dem Festkontakt und einer als erste Anschlussmittel dienenden Käfig-Zugfeder angeordnete Anschlussmittel bilden.

4.2 Dies setzt aber voraus, dass das Langloch der Käfigzugfedern 4 lang genug wäre, damit ein durch die Öffnung 5 eingeschobener Leiter sie erreichen kann. Die Kammer stellt jedoch fest, dass E15 keine Information über das angebliche Langloch enthält, und dass die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verwendung einer Käfig-Zugfeder unüblich wäre. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin auf einer Ex-post-facto-Analyse beruht, und dass die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 durch die E15 nicht vorweggenommen wird.

4.3 Es ist unbestritten, dass alle Schriften E9A bis E9D ein Schaltgerät der Baureihe Sirius in der Größe S00 der Firma Siemens darstellen.

E9C offenbart insbesondere ein elektrisches mehrpolig ausgebildetes Schaltgerät mit einem Gehäuse aus Isolierstoffmaterial (implizit).

Jeder Pol dieses Schaltgeräts weist einen ankommenden und einen abgehenden Anschlusskontakt auf, und jeder der Anschlusskontakte weist erste Anschlussmittel für den Anschluss mindestens eines ersten externen elektrischen Leiters auf (siehe Abbildung oben links in E9C).

Jeder Anschlusskontakt ist als eine zungenartige Anschlussfahne ausgebildet, die als ein Kontaktträger einen Festkontakt trägt, die den an einem Ende angeordneten Festkontakt zur geräteinternen Kontaktierung aufweist (auch sichtbar am Bauteil 506 0501 in der oberen Explosionszeichung von E9C).

Zur Geräteaußenseite hin trägt jeder Anschlusskontakt auch die ersten Anschlussmittel (wahlweise Schraubklemmen oder Käfig-Klemmen, wie in E9E klarer dargestellt).

Das Schaltgerät weist zusätzlich eine Spule auf, deren Drähte fest mit Anschlusskontakten verbunden sind. Diese Anschlusskontakte weisen an einem Ende erste Anschlussmittel als Schraubanschlüsse auf. An einem anderen Ende weisen die Anschlusskontakte der Spule auch Lochaufnahmen zum Einstecken eines Überspannungsbegrenzers auf (siehe insbesondere die Abbildungen auf Seite 3 der E9D). Diese Lochaufnahmen sind jedoch keine zweiten Anschlussmittel, die zwischen den jeweiligen Festkontakten und anderendig angeordneten ersten Anschlussmitteln angeordnet sind.

Folglich unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von den Sirius Schaltgeräten dadurch, dass zweite Anschlussmittel zwischen den jeweiligen Festkontakten und anderendig angeordneten ersten Anschlussmitteln angeordnet sind, die als Lochaufnahme oder seitliche Ausnehmungen der Anschlusskontakte für die Aufnahme von mit zweiten elektrischen Leitern verbundenen und durch Öffnungen in einem Deckelteil des Schaltgeräts durchführbaren Steckkontakten ausgebildet sind. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu (Artikel 54 EPÜ).

5. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

5.1 Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die mit den vorhin genannten Merkmalen zu lösende Aufgabe darin bestehe, die Möglichkeit zu bieten, eine zweite Leitung per Pol anzuschließen. Nach der Beschwerdeführerin finde der Fachmann die Lösung in dem Schütz selbst, da , wie in Abbildung 2 der E9E ersichtlich sei, bei dem Spulenkontakt ein Loch zum Einstecken eines weiteren Leiters vorhanden sei. Es sei somit sofort erkennbar, dass ein ähnliches Loch in den Pol-Festkontakten der anderen Anschlusskontakte angeordnet werden könne, wobei der Fachmann dieses Loch nach dem Muster der Spulenkontakte neben dem Schraubanschluss ausgebildet hätte, auch wenn er dafür das Schütz etwas breiter hätte bauen müssen.

5.2 Wenn die Aufgabe lauten sollte, die Möglichkeit zu bieten, einen zweiten Leiter per Pol anzuschließen, hätte der Fachmann nach Auffassung der Kammer auch andere Lösungen finden können, wie zum Beispiel einen zusätzlichen Anschlussklemmenblock samt Anschlusskontakt gemäß E8 (siehe Abbildungen 2 bis 4, Anschlussklemmenblock s mit Kontakt Z). Der Fachmann wäre jedoch nicht ohne weiteres auf die Idee gekommen, eine Lochaufnahme nach dem Muster des Anschlusskontakts der Spule in den Anschlusskontakten der Pole zu bilden, weil einerseits diese Lochaufnahme nicht zum Zweck der Verbindung eines weiteren Leiters sondern eines Überspannungsbgrenzers ausgebildet ist, und andererseits der Deckel des Schützes nach E9A bis E9D keinen Platz dafür bietet. Die Überlegung das Schütz nach E9A bis E9D größer und breiter zu bilden damit Platz geschaffen wird, um den Zugang zu einer Lochaufnahme nach dem Muster des Anschlusskontakts der Spule zu gewähren, beruht auf einer Ex-post-facto-Analyse. Da die E9E kein Gehäuse offenbart, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich einer Zusammenschau der Schriften E9C und E9E.

5.3 Folglich, kam die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die E8 und im Hinblick auf die Sirius Schaltgeräte nach den Dokumenten E9A bis E9D sowie E9E auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in folgender geänderter Fassung aufrecht zu erhalten:

Beschreibung Seiten 2 bis 4, Patentansprüche 1 bis 3, sowie Figuren 1 bis 5 des während der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2016 eingereichten Hauptantrags.

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