European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T068712.20141006 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 October 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0687/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05743148.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60J 7/00 B60J 7/043 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | FAHRZEUGDACH | ||||||||
Name des Anmelders: | Webasto SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Roof Systems Germany GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Hauptantrag) Neuheit - JA Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 3) - NEIN Zulassung in das Verfahren (Hilfsantrag 2, Hilfsantrag 2a) -NEIN |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1750960 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 24. Januar 2012.
II. Die Einspruchsabteilung hat u. a. entschieden, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 6 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
III. Folgende Dokumente haben im Beschwerdeverfahren eine Rolle gespielt:
DE 298 14 743 U (D4)
DE 198 00 240 C (D5)
DE 101 24 807 A (D8)
IV. Am 6. Oktober 2014 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise in der Fassung des Hilfsantrags 1 vom 24. Mai 2012, des Hilfsantrags 2 vom 29. August 2014, des Hilfsantrags 2a vom 6. Oktober 2014 oder des Hilfsantrags 3 vom 29. August 2014 (vorgelegt als Hilfsantrag 2 mit der Beschwerdebegründung vom 24. Mai 2012). Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 5 gemäß dem erteilten Patent lautet wie folgt:
Fahrzeugdach, vorzugsweise nach einem der vorgehenden Ansprüche, mit einer in einer festen Dachfläche (10) angeordneten Dachöffnung (12) und einem Deckel (13) zum Verschließen der Dachöffnung, wobei der Deckel eine mindestens teilweise transparente Scheibe (14) und einen mit der Scheibe verbundenen Rahmen umfasst, der sich über mindestens einen Teil des Randes der Scheibe erstreckt, wobei die Scheibe (14) eine Kunststoffscheibe ist und der Rahmen von einer Umschäumung (20) der Scheibe gebildet wird, und wobei ferner die Formgebung der Scheibe in mindestens einem Teilbereich des Verbindungsbereichs zwischen der Scheibe und der Umschäumung so gewählt ist, dass für eine dauerhafte mechanische Verbindung zwischen der Scheibe und der Umschäumung mittels Formschluss gesorgt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Scheibe (14) entlang mindestens einem Teil ihres Seitenrandes einen Hinterschnitt (24, 26, 50) aufweist, der von der Umschäumung hintergriffen wird.
VI. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
Fahrzeugdach mit einer in einer festen Dachfläche (10) angeordneten Dachöffnung (12) und einem Deckel (13) zum Verschließen der Dachöffnung, wobei der Deckel eine mindestens teilweise transparente Scheibe (14) und einen mit der Scheibe verbundenen Rahmen umfasst, der sich über mindestens einen Teil des Randes der Scheibe erstreckt, wobei die Scheibe (14) eine Kunststoffscheibe ist und der Rahmen von einer Umschäumung (20) der Scheibe gebildet wird, wobei die Umschäumung (20) aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist und wobei ferner die Formgebung der Scheibe in mindestens einem Teilbereich des Verbindungsbereichs zwischen der Scheibe und der Umschäumung so gewählt ist, dass für eine dauerhafte mechanische Verbindung zwischen der Scheibe und der Umschäumung mittels Formschluss gesorgt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Scheibe (14) mindestens eine Ausnehmung (24,26,32,50) aufweist, in welche die Umschäumung (20) eingreift.
VII. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 (eingereicht als Hilfsantrag 2 am 24. Mai 2012) lautet wie folgt:
Fahrzeugdach mit einer in einer festen Dachfläche (10) angeordneten Dachöffnung (12) und einem Deckel (13) zum Verschließen der Dachöffnung, wobei der Deckel eine mindestens teilweise transparente Scheibe (14) und einen mit der Scheibe verbundenen Rahmen umfasst, der sich über mindestens einen Teil des Randes der Scheibe erstreckt, wobei die Scheibe (14) eine Kunststoffscheibe ist und der Rahmen von einer Umschäumung (20) der Scheibe gebildet wird, wobei die Umschäumung (20) aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist und wobei ferner die Formgebung der Scheibe in mindestens einem Teilbereich des Verbindungsbereichs zwischen der Scheibe und der Umschäumung so gewählt ist, dass für eine dauerhafte mechanische Verbindung zwischen der Scheibe und der Umschäumung mittels Formschluss gesorgt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Scheibe (14) entlang mindestens eine Ausnehmung (24,26,32,50) aufweist, in welche die Umschäumung eingreift, wobei die Scheibe (14) einen im Wesentlichen transparenten inneren Bereich sowie einen im Wesentlichen undurchsichtigen Randbereich (18) aufweist, die Scheibe (14) aus einem im Wesentlichen transparenten Polycarbonatwerkstoff gefertigt ist, an die in ihrem Randbereich eine Schicht aus einem im Wesentlichen undurchsichtigen Polycarbonatwerkstoff einstückig angeformt ist und die Schicht aus dem im Wesentlichen undurchsichtigen Polycarbonatwerkstoff an der Unterseite der Kunststoffscheibe (16) angeformt ist.
VIII. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Hauptantrag
Der Hauptantrag, das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten, müsse in das Verfahren zugelassen werden. Der Antrag, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten wurde irrtümlich während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung - unter dem spontan gewonnenen Eindruck des erst in dieser mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden vorgelegten Dokuments D8 ? zurückgenommen.
Des Weiteren sei der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 5 wie erteilt neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
So offenbare D8 keinen Hinterschnitt entlang mindestens einem Teil des Seitenrandes der Scheibe, der von der Umschäumung umgriffen werde, gemäß dem Merkmal des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 5. Die in D8 gezeigte Rundung, die von dem Rahmen eingefasst werde, stelle keinen solchen Hinterschnitt dar, da dies keine dauerhafte mechanische Verbindung mittels Formschluss zwischen der Kunststoffscheibe und der Umschäumung gewährleiste. So definierten beispielsweise Paragraph [0016] oder [0032] des Streitpatents, was unter einem Hinterschnitt zu verstehen sei, nämlich ein T- oder L-förmiger Vorsprung, der von der Umschäumung hintergriffen werde, damit ein Voneinander-weg-Bewegen von Scheibe und Umschäumung verhindert werde. Dies bedeute bei der Neigungsverstellung, dass mindestens eine Kante hintergriffen werde; eine derartige Kante sei aber in Dokument D8 nicht gezeigt.
Weiterhin offenbare D8 nicht die Kombination einer Kunststoffscheibe in Zusammenhang mit einer Umschäumung. So sei in Paragraph [0012] in einer Oder-Aufzählung erwähnt, dass die ,,Deckelplatte ? aus Glas, einem geeigneten Kunststoff oder auch aus Stahlblech bestehen" kann. Zur Herstellung eines Kunststoffrahmens werde die Deckelplatte "mit dem Kunststoffmaterial umspritzt bzw. umschäumt". Da hierbei Merkmale aus zwei verschiedenen Aufzählungen miteinander kombiniert würden, könne man nicht davon ausgehen, dass die Deckelplatte aus Kunststoff (erste Aufzählung) auch umschäumt (zweite Aufzählung) werde, sie könne auch umspritzt werden. Somit gehe dieses Merkmal aus D8 nicht eindeutig und unmittelbar hervor.
Letztlich sei auch das Merkmal "teilweise transparente Scheibe" nicht in D8 offenbart. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass dieses Merkmal der einzige Unterschied der vorliegenden Erfindung zu Dokument D8 sei, läge dies nicht für den Fachmann nahe. Dieser würde, vor die Aufgabe gestellt eine durchsichtige Dachscheibe in die Vorrichtung gemäß D8 zu integrieren, den dort in Paragraph [0012] erwähnten Glasdeckel verwenden und eben keine Kunststoffscheibe.
Ferner sei D8 kein geeigneter Ausgangspunkt, um das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit beim Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 zu prüfen. Dokument D8 befasse sich mit dem Problem einer Randspaltabdichtung, während die vorliegende Erfindung eine dauerhafte Verbindung zwischen einer Kunststoffscheibe und der Umschäumung zum Ziel habe. Daher könne dieses Dokument nicht die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen.
Hilfsantrag 1
Der Hilfsantrag 1 definiere zusätzlich zu den Merkmalen der Ansprüche des Hauptantrags, dass die Umschäumung aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist.
D8 sei auch hier der falsche Ausgangspunkt, da es sich mit dem Problem der Randspaltabdeckung auseinandersetze.
Außerdem kenne der Fachmann PU-Schaum nur in Verbindung mit Glasdächern. Der gesamte Stand der Technik offenbart keine Verbindung zwischen PU-Schaum und Kunststoffscheiben, insbesondere Polycarbonat-Scheiben.
D4 sei ebenfalls nicht geeignet, dem Fachmann einen Hinweis zu geben, dass PU-Schaum in Zusammenhang mit Kunststoffscheiben verwendet werden könne. Die betreffende Passage befinde sich in der Einleitung, so dass die Kombination nicht explizit offenbart sei.
Weiterhin beschreibe die Beschreibungseinleitung eine Verwendung von PU als Schaum in Kombination mit üblichen Kunststoffscheiben ? nämlich Polycarbonat - als nachteilig beschrieben.
Hilfsantrag 2
Der mit Schreiben vom 29. August 2014 vorgelegte Hilfsantrag 2 müsse in das Verfahren zugelassen werden. Der diesem Antrag zugrundeliegende Anspruchssatz habe bereits im Einspruchsverfahren vorgelegen und sei in der Entscheidung verbeschieden worden und somit auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die Einsprechende kenne daher auch den damit verbundenen Gegenstand, so dass die Vorlage dieses Antrags sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung nicht überraschend gewesen sein konnte. Die Gründe, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 6 fehlerhaft sei, seien im Wesentlichen bereits im Einspruchsverfahren erörtert worden.
Hilfsantrag 2a
Im Hilfsantrag 2a, vorgelegt während der mündlichen Verhandlung, sei nun der Anspruch 6 gestrichen. Die Beschwerdeführerin reagiere damit auf die Einschätzung der Kammer, dass der Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen sei, da sich die Kammer nun erstmals im Beschwerdeverfahren mit dem von der Einspruchsabteilung festgestellten Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 6 habe auseinandersetzen müssen. Da die Einspruchsabteilung den Anspruch 5 explizit als gewährbar erachtete, sei der Hilfsantrag 2a prima facie gewährbar und damit in das Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag 3
Der Hilfsantrag 3, eingereicht als Hilfsantrag 2 mit Schreiben vom 24. Mai 2012, sei in das Verfahren zuzulassen. Es handele sich dabei nicht um einen Wechsel auf einen völlig anderen Gegenstand, der im Beschwerdeverfahren noch keine Rolle gespielt habe. Die in die Ansprüche aufgenommenen Merkmale seien vielmehr allesamt aus abhängigen Ansprüchen des erteilten Patents übernommen.
Somit liege keine unzulässige Erweiterung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ vor. Eine Prüfung, ob eine unzulässige Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ vorliege, setze die Einführung eines neuen Einspruchsgrundes voraus; diesem werde aber nicht zugestimmt.
Aus den oben genannten Gründen könne auch hier D8 nicht als Ausgangspunkt betrachtet werden, insbesondere würde aber der Fachmann D8 nicht mit dem Dokument D5 kombinieren.
Sollte aber der Fachmann ausgehend von D8 das Dokument D5 zu Rate ziehen, würde er nicht nur die Sichtblende gemäß Figur 5 übernehmen, sondern - der Lehre der D5 folgend - auch den Rahmen direkt anschäumen. Des Weiteren sei der D5 nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass auch eine Schicht aus undurchsichtigem Polycarbonatwerkstoff gefertigt und einstückig sei - das bedeute untrennbar mit dem transparenten Teil der Scheibe verbunden. Dies sei insofern von Bedeutung, als dass der nicht-transparente Teil gemeinsam mit dem transparenten Teil die dauerhafte mechanische Verbindung mittels Formschluss zwischen der Scheibe und der PU-Umschäumung gemäß dem letzten Merkmal des Oberbegriffs von Anspruch 5 herstelle.
IX. Die Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:
Hauptantrag
Der Hauptantrag, das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten, dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden, da die Patentinhaberin diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aus freien Stücken zurückgenommen habe. Die Wiedervorlage sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren sei überraschend. Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin im Hinblick auf diesen Antrag nicht beschwert, da sie dessen Gegenstand durch die Rücknahme des Antrags einer Entscheidung entzogen habe.
Der Gegenstand des Anspruchs 5 werde durch das Dokument D8 neuheitsschädlich vorweggenommen. Insbesondere offenbare auch D8 einen teilweise transparenten Dachdeckel. In Paragraph [0012] seien Deckel aus Glas und Kunststoff erwähnt. Der Fachmann wisse, dass Glas transparent sei und würde damit diese Eigenschaft auch der danebenstehenden Kunststoffscheibe zuweisen.
Des Weiteren sei in D8 ein Hinterschnitt offenbart. Die Rundung der Scheibe, wie dort in Figur 2 gezeigt, werde formschlüssig von der Umschäumung umfasst, so dass sich eine dauerhaft feste Verbindung zwischen der Scheibe und dem Kunststoffrahmen ergebe. Es bestehe für den Fachmann auch kein technischer Unterschied zwischen Umschäumen und Umspritzen. Beide Begriffe würden synonym gebraucht. Keinesfalls seien mit den Begriffen weitere technische Merkmale verknüpft, wie zum Beispiel ein bestimmter "Druck", mit dem das Schaummaterial zugeführt werde. Somit offenbare D8 die Kombination zwischen Kunststoffscheibe und Umschäumen.
Selbst wenn davon auszugehen sei, dass D8 das Merkmal "teilweise transparent" in Bezug auf die Kunststoffscheibe nicht offenbare, so sei es durch die Kombination des Dokuments D8 mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Schließlich könne der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden, eine nicht transparente Kunststoffscheibe gegen eine transparente austauschen. Durchsichtige Kunststoffe seien bekannt; es sei nicht zu erkennen, warum diese nicht als Dachdeckel eingesetzt werden könnten.
Hilfsantrag 1
Der Gegenstand des Anspruchs 5 (gemäß Hilfsantrag 1) werde auch mit dem zusätzlichen Merkmal, dass die Umschäumung aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt. Polyurethanschaum zur Verwendung als Einfassung für Dachscheiben sei im Stand der Technik bekannt. Der gesamte im Verfahren genannte Stand der Technik nenne, wenn ein Kunststoff spezifiziert sei, Polyurethanschaum für diesen Einsatzzweck. Andere Kunststoffe zur Einfassung von Dachscheiben kenne der Fachmann nicht. D4 offenbare in der Beschreibungseinleitung, dass Kunststoffdächer mit einem angespritzten Rahmen aus Polyurethan bekannt seien. Im Übrigen definiere der strittige Anspruch nicht, aus welchem Material die Kunststoffscheibe sei, so dass insbesondere eine Kombination aus einer Scheibe aus Polyurethan und einer Polyurethanausschäumung vorteilhaft sei (vgl. D4).
Hilfsantrag 2
Der Hilfsantrag 2 sei nicht in das Verfahren zuzulassen. Dieser Antrag habe der Einspruchsabteilung seinerzeit als Hauptantrag vorgelegen und sei in der Entscheidung der Einspruchsabteilung verbeschieden worden. Dabei sei insbesondere festgestellt worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Nun werde dieser Antrag sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung vorgelegt, ohne dass inhaltlich dazu ausgeführt werde. Somit würden nun erstmals im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer Argumente vorgetragen, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung dazu falsch sein soll. Die Beschwerdegegnerin habe sich nicht auf diesen Vortrag vorbereiten können und eine Diskussion dazu sei unzumutbar. Ggfs. müsse die mündliche Verhandlung verschoben werden.
Hilfsantrag 2a
Die Streichung des strittigen Anspruchs 6 führe nun dazu, dass der vor der Einspruchsabteilung vorgebrachte Mangel an unzulässiger Erweiterung des Gegenstands von Anspruch 5 wieder diskutiert werden müsse. Auch dies geschehe nun erstmalig im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdegegnerin habe sich auf diesen Vortrag nicht vorbereiten können, so dass der Hilfsantrag 2a ebenfalls nicht in das Verfahren zuzulassen sei.
Hilfsantrag 3
Anspruch 5 des Hilfsantrags 3 setze sich zwar formal aus erteilten abhängigen Ansprüchen zusammen, der Gegenstand könne aber nicht den eingereichten Anmeldungsunterlagen entnommen werden. Jede der in der Anmeldung beschriebenen Ausführungsformen verwendet die undurchsichtige Randschicht aus Polycarbonat dafür, die Scheibe formschlüssig mit dem angeschäumten Rahmen zu verbinden; keine der Ausführungsformen zeige auf der Unterseite der Kunststoffscheibe einen Polycarbonatstreifen, der lediglich eine Randabdeckung darstellt. Stattdessen stelle der undurchsichtige Randstreifen einen integralen Bestandteil des Deckels dar, ohne den die erfindungsgemäße formschlüssige Verbindung dauerhaft nicht möglich sei. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 5 gemäß Hilfsantrag 3 unzulässig erweitert, da dieser lediglich auf einen bloßen Sichtschutz abstelle.
Anspruchs 5 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sein Gegenstand durch die Kombination von D8, dem allgemeinen Fachwissen und D5 nahegelegt werde.
D5 offenbare in der Ausführungsform gemäß Figur 5 eine Sichtblende 16B aus Polycarbonat, dem Werkstoff, aus dem ebenfalls die Scheibe besteht. So werde auch in Dokument D5 ausgeführt, dass hohe Anforderungen an die Verbindungssicherheit zwischen dem Funktionsteil 16a und der Scheibe 16B (Plattengrundkörper) gestellt würden. Für den Fall, dass der Fachmann unterschiedliche Materialen für Scheibe und Funktionsteil verwenden wolle, seien in D5 weitere Verfahren angegeben, die diese hohe Verbindungssicherheit erreichen, wie eine formschlüssige Verbindung zwischen diesen Bauteilen (z.B. Schwalbenschwanz 17, T-Nut 18). Dass Polycarbonat zu den üblichen Materialien gehöre, aus denen Kunststoffdeckel für Fahrzeugdächer hergestellt würden, habe die Beschwerdeführerin in der Beschreibungseinleitung des Patents ausgeführt.
Insbesondere seien keine Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Merkmalen, die nicht aus D8 bekannt seien, vorhanden. Es gebe keine Synergieeffekte zwischen Polycarbonat als Werkstoff für die Scheibe und Polyurethan für die Umschäumung. Beide Materialien seien bekannt und auch die gemeinsame Verwendung werde bereits in der Patentschrift, siehe dort Spalte 5, Zeilen 10 und 11 erwähnt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Die im erteilten Anspruch 5 des Streitpatents definierte Erfindung gehört nicht zum Stand der Technik (Artikel 54(1) EPÜ), ergibt sich aber daraus für den Fachmann in naheliegender Weise (Artikel 56 EPÜ).
So legt die Kombination des Dokuments D8 mit dem allgemeinen Fachwissen den Gegenstand des Anspruchs 5 wie erteilt nahe.
Da der Hauptantrag aus diesem Grund nicht gewährbar ist, kann dahingestellt bleiben, ob dieser, vorgelegt mit Schreiben vom 29. August 2014, überhaupt in das Verfahren zuzulassen war.
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 5 wie erteilt unterscheidet sich vom Fahrzeugdach gemäß Dokument D8 dadurch, dass der erfindungsgemäße Gegenstand eine transparente Kunststoffscheibe aufweist.
Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 5 neu.
2.1.1 D8 offenbart in Paragraph [0012] eine Deckelplatte und einen Rahmen. Dabei kann die "Deckelplatte ? aus Glas, einem geeigneten Kunststoffmaterial mit ausreichender Härte oder auch aus Stahlblech bestehen". Zur Herstellung des Rahmens wird "die Deckelplatte ? üblicherweise mit dem Kunststoffmaterial umspritzt bzw. umschäumt".
2.1.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, der Fachmann entnehme dieser Passage, dass ? da die Deckelplatte aus Glas sein könne - diese Deckelplatte transparent sei; dieses Merkmal lese der Fachmann mit.
Dem stimmt die Kammer nicht zu. Ein Zusammenhang zwischen dem Material Glas und einem bestimmten Transluzenzgrad existiert nicht: auch Glas kann undurchsichtig ? nicht transparent ? ausgeführt sein. Der Grad der Transluzenz der Deckelplatte ist in D8 überhaupt nicht diskutiert; so ist eine transparente Deckelplatte für keine der genannten Ausführungsformen offenbart - auch nicht für Glas.
2.1.3 Mit Bezug auf den geltend gemachten Mangel an erfinderischer Tätigkeit wendet die Beschwerdeführerin ein, dass dieser Passage auch die Merkmalskombination des strittigen Anspruchs 5 "Kunststoffscheibe" und "Umschäumung" nicht zu entnehmen sei, da beide Merkmale in jeweils getrennten Aufzählungen stünden. Es sei nicht offenbart, dass die Kunststoffscheibe der ersten Aufzählung (Glas, Kunststoff, Stahl) in Verbindung mit der Umschäumung der zweiten Aufzählung (umspritzt, umschäumt) zu kombinieren sei.
Die Kammer folgt hier der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Auffassung, dass die Begriffe umspritzt und umschäumt synonym verwendet werden. Für den Fachmann sind diese Begriffe in diesem Zusammenhang gleichbedeutend und es gibt weiter keinen Anhaltspunkt im betrachteten Stand der Technik, dass im vorliegenden Fachgebiet zwischen diesen Begriffen zu unterscheiden wäre.
2.1.4 Auch kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht folgen, die angibt, dass die Umfassung der in Figur 2 der D8 gezeigten Rundung keine Hinterschneidung im Sinne des strittigen Anspruchs 5 darstelle, da sie keine Kante hinterfasse und somit eine dauerhafte mechanische Verbindung zwischen der Scheibe und der Umschäumung mittels Formschluss nicht gewährleistet sei.
Tatsächlich fasst in D8 jedoch die Umschäumung 14 die Deckelplatte 12 derart an der Rundung ein, dass eine formschlüssige Verbindung zwischen dem Kunststoffrahmen und der Scheibe entsteht. Diese Konstruktion ist ? so wie die streitgegenständliche Erfindung ? zur Einfassung einer Deckelplatte in einem Dach eines PKW gedacht (vgl. Figur 1), so dass ? in Ermangelung weiterer Merkmale im Anspruch 5 - von einer dauerhaften mechanischen Verbindung im Sinne der Definition im Anspruch 5 des Streitpatents ausgegangen werden muss.
Insbesondere fehlt im Anspruch 5 die Definition einer Kante oder eines Vorsprungs. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Passagen in Paragraph [0016] bzw. [0031] die Bedeutung der anspruchsgemäßen Hinterschneidung durch die Beschreibung der Ausgestaltung eines Vorsprungs definierten, der von einer Umschäumung hintergriffen werde.
Zunächst stellt die Kammer fest, dass die von der Beschwerdeführerin genannten Passagen die dort beschriebenen Kanten lediglich als eine bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung bezeichnen.
Da weiterhin das Merkmal "Hinterschnitt" des Anspruchs 5 dem Fachmann klar verständlich ist, sind diese Textstellen nicht in der Lage, den Gegenstand des Anspruchs 5 in im Sinne der Beschwerdeführerin einzuschränken.
2.2 Die Beschwerdeführerin behauptet weiterhin, dass D8 ein ungeeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der strittigen Erfindung sei. Dokument D8 setze sich mit dem Problem einer Randspaltabdichtung auseinander während die vorliegende Erfindung es zum Ziel habe, eine dauerhafte Verbindung zwischen den üblicherweise verwendeten Polycarbonat-Kunststoffscheiben und einer Polyurethan-Ausschäumung herzustellen. Dieses Problem indes sei in D8 nicht adressiert.
2.2.1 Dokument D8 ist aus demselben Fachgebiet und setzt sich mit einer PKW-Dachkonstruktion auseinander, bei der ? wie in der strittigen Erfindung ? eine Deckelplatte über einen Verstellmechanismus zum Verstellen des Deckels verbunden ist (vgl. Beschreibung des Streitpatents Paragraph [0002], sowie D8, Paragraph [0001]).Der Gegenstand des Anspruchs 5 unterscheidet sich von dem aus D8 bekannte Fahrzeugdach nur - wie oben ausgeführt - durch das Merkmal der transparenten Scheibe. Die mit dem unterscheidenden Merkmal zu lösende Aufgabe besteht darin, die Belichtung des Fahrzeuginnenraums und die Aussichtsmöglichkeiten der Fahrzeuginsassen zu verbessern. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Fachmann in Kenntnis des einen Ausschnitt im Blech aufweisenden Fahrzeugdachs nach D8 sich eine solche Aufgabe nicht stellen würde, zumal D8 dort bereits eine (nicht notwendig durchsichtige) Kunststoffscheibe vorsieht. Die Beschwerdeführerin hat auch kein Vorurteil gegen transparente Kunststoffscheiben geltend gemacht. Daher stellt das Dokument D8 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
2.2.2 Dem Argument der Beschwerdeführerin, das Dokument D8 beschreibe eine Lösung eines anderen Problems und sei von daher kein geeigneter Ausgangspunkt für einen Aufgabe-Lösungsansatz wird nicht gefolgt.
Die Lösung eines vergleichbaren Problems kann einen Hinweis auf einen nächstliegenden Stand der Technik geben, stellt aber schon deshalb kein notwendiges Kriterium dar, da sich die objektive Aufgabenstellung erst aus dem Unterschied zum ermittelten Stand der Technik ergibt.
Wie oben unter Punkt 2.2.2 ausgeführt, stammt D8 aus demselben Fachgebiet wie die strittige Erfindung; weiterhin weist D8 alle strukturellen Merkmale der Erfindung auf (siehe oben, Punkt 2.2.3), so dass davon auszugehen ist, dass D8 ebenfalls dem Aspekt Rechnung trägt, der in der strittigen Erfindung als Problem genannt ist (Verklebung von Kunststoffscheiben wegen unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten, vgl. Patentschrift, Paragraph [0006]), auch wenn der Aspekt nicht explizit diskutiert wurde.
2.3 Die obengenannte Aufgabe der Verbesserung von Belichtung und Ausblick, eine durchsichtige Dachscheibe vorzusehen, kann vom Fachmann durch die Auswahl eines geeigneten durchsichtigen Kunststoffmaterials für die Scheibe im Dachausschnitt ohne eigene erfinderische Tätigkeit gelöst werden.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass der Fachmann, ausgehend von D8 vor die genannte Aufgabe gestellt, zur Lösung für den Dachausschnitt eine Scheibe aus durchsichtigem Glas wählen würde. Derartige Glasscheiben seien bekannt und würden sich gut mit der dafür üblichen Polyurethanausschäumung vertragen.
Die Kammer hält die Auswahl eines geeigneten ? transparenten ? Kunststoffmaterials, ebenso wie die Wahl einer durchsichtigen Glasscheibe für eine fachübliche Konstruktions- bzw. Dimensionierungsaufgabe, die der Fachmann unter Berücksichtigung der weiteren Umstände zu lösen in der Lage ist, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
Hilfsantrag 1
3. Die in Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 definierte Erfindung ergibt sich aus dem Stand der Technik für den Fachmann in naheliegender Weise (Artikel 56 EPÜ).
Der Gegenstand dieses Anspruchs unterscheidet sich von dem Anspruch 5 des Hauptantrags im Wesentlichen dadurch, dass die Umschäumung aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 5 wird durch die Kombination des Dokuments D8 mit dem allgemeinen Fachwissen, nachgewiesen durch das Dokument D4, nahegelegt.
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 5 unterscheidet sich von dem in D8 gezeigten Fahrzeugdach dadurch, dass
a) die Kunststoffscheibe eine transparente Scheibe ist, und dass
b) die Umschäumung aus einem Polyurethanwerkstoff gefertigt ist.
Zusätzlich zur oben geführten Diskussion zum Hauptantrag betreffend Merkmal a), wird mit Merkmal b) die Aufgabe gelöst, einen geeigneten Kunststoff zur Ausschäumung auszuwählen, siehe auch D8, Paragraph [0012].
Die mit den Merkmalen a) und b) gelösten Aufgaben sind technisch voneinander unabhängig.
3.2 Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass der gesamte Stand der Technik keine Kombination einer Kunststoffscheibe mit einer PU-Einschäumung zeige. Das Dokument D4 stelle die Kombination aus einem PU-Schaumrahmen und einer Kunststoffscheibe als nachteilig dar, daher würde der Fachmann diese Kombination gerade nicht in Erwägung ziehen.
Die Kammer stellt fest, dass in D4, Seite 1, letzter Absatz offenbart ist, dass "bereits Fahrzeugdächer mit Deckeln aus Glas oder Kunststoff mit angeschäumten oder angespritzten Rahmen aus Kunststoff, beispielsweise aus Polyurethan, bekannt" sind. Damit weist D4 nach, dass es dem Fachmann seinerzeit schon allgemein bekannt war, Kunststoffscheiben mit einem PU-Rahmen ? gemäß dem Merkmal b) - zu versehen. Für den Nachweis des allgemeinen Fachwissens ist es dabei unerheblich, ob diese Fahrzeugdächer möglicherweise Nachteile aufweisen, die mit der in D4 offenbarten Entwicklung hatten behoben werden sollen.
Auch hier ist das Dokument D8 aus den oben unter 2.2 genannten Gründen ein geeigneter Ausgangspunkt für den Aufgabe-Lösungsansatz zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.
Daher sieht die Kammer neben der Gestaltung der Dachscheibe als transparente Kunststoffscheibe auch die Auswahl eines Polyurethanwerkstoffs für die Umschäumung der Kunststoffscheibe als eine naheliegende, fachübliche Maßnahme an.
Hilfsantrag 2
4. Der Hilfsantrag 2 wird nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
4.1 Der Hilfsantrag 2 wurde mit dem Schriftsatz vom 29. August 2014, sechs Wochen vor der mündlichen Verhandlung, vorgelegt. Die Beschwerdeführerin führt in diesem Schriftsatz dazu aus, worin sich der Hilfsantrag 2 vom Hilfsantrag 1 unterscheidet und weiter, warum der Hilfsantrag 2 in das Verfahren zuzulassen sei. Zur Sache, insbesondere zur erfinderischen Tätigkeit oder zur Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf diesen Hilfsantrag 2 - welcher dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag entspricht - wurde dagegen nicht Stellung genommen.
4.2 Gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
4.3 Auch wenn der Gegenstand des Hilfsantrags 2 als Hauptantrag in der Sache von der Einspruchsabteilung entschieden worden ist, hätte sich die Kammer und die Beschwerdegegnerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer mit den Argumenten der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung falsch sein soll.
Insbesondere würden erstmals Argumente ausgetauscht, warum der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 6 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen soll.
Dies ist in diesem Verfahrensstadium weder der Beschwerdegegnerin noch der Kammer zuzumuten: weder die Beschwerdegegnerin noch die Kammer hatten sich auf die Argumente vorbereiten können. Des Weiteren ist nicht erkennbar, warum dieser Antrag nicht bereits mit der Beschwerdebegründung hatte vorgelegt werden können, zumal die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung primäres Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, während die Vorlage geänderter Anträge sich als zweitrangige Alternative nur aus dem Bemühen rechtfertigt, den in der Entscheidung dargelegten Einwänden durch Anpassung der Anspruchssätze Rechnung zu tragen.
Hilfsantrag 2a
5. Der Hilfsantrag 2a wird nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).
5.1 Der Hilfsantrag 2a wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegt und entspricht dem Hilfsantrag 2 (siehe oben, Punkt 4 ff.), wobei der Anspruch 6 gestrichen wurde.
5.2 Mit dem Streichen des Anspruchs 6 habe die Beschwerdeführerin auf den Einwand der Kammer reagieren wollen, dass sie sich im Beschwerdeverfahren bislang nicht zur erfinderischen Tätigkeit des strittigen Anspruchs 6 geäußert habe (siehe oben 4.1 und 4.3). Was den ebenfalls strittigen Anspruch 5 dieses Antrags betreffe, sei dieser ausweislich der Entscheidung der Einspruchsabteilung prima facie gewährbar.
Der geänderte Anspruch behebt jedoch nicht nur Einwände, sondern wirft neue Diskussionspunkte auf, etwa im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ:
Auch wenn die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt hat, dass Anspruch 5 des seinerzeitigen Hauptantrags die Anforderungen des EPÜ erfüllt, sähe sich die Kammer bei einer Zulassung dieses Antrags erstmals in der mündlichen Verhandlung mit einer Diskussion zur unzulässigen Erweiterung gemäß Artikel 123(2) EPÜ konfrontiert. Die Einsprechende hatte vor der Einspruchsabteilung einen derartigen Einwand vorgebracht (vgl. Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 6, Punkt 1.1) und diesen in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wiederholt.
Angesichts des Verfahrensstands hält es die Kammer für nicht vertretbar, in eine Diskussion einzusteigen, auf die sich weder die Beschwerdegegnerin noch die Kammer vorbereitet haben.
Hilfsantrag 3
6. Der Gegenstand des Anspruchs 5 gemäß dem Hilfsantrag 3, eingereicht als Hilfsantrag 2 mit der Beschwerdebegründung, ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).
Da der Hilfsantrag 3 aus diesem Grund nicht gewährbar ist, können die Frage der Zulassung in das Verfahren (dazu hatte die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK Bedenken geäußert) sowie die Frage der Zulässigkeit der Änderungen nach (Artikel 123 (2) bzw. Artikel 100(c) EPÜ) dahingestellt bleiben.
6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom dem des Hilfsantrags 1 dadurch, dass
c) die Scheibe (14) einen im Wesentlichen transparenten inneren Bereich sowie einen im Wesentlichen undurchsichtigen Randbereich (18) aufweist,
d) die Scheibe (14) aus einem im Wesentlichen transparenten Polycarbonatwerkstoff gefertigt ist,
e) an die Scheibe in ihrem Randbereich eine Schicht aus einem im Wesentlichen undurchsichtigen Polycarbonatwerkstoff einstückig angeformt ist und
f) die Schicht aus dem im Wesentlichen undurchsichtigen Polycarbonatwerkstoff an der Unterseite der Kunststoffscheibe (16) angeformt ist.
6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich damit von dem Fahrzeugdach gemäß D8 durch c) bis f) und zusätzlich durch das Merkmal b) (Umschäumung aus Polyurethan, siehe oben).
Die Merkmale c), e) und f) lösen die Aufgabe einen Sichtschutz zu erreichen, mit Merkmal d) wird die Aufgabe gelöst, einen geeigneten Werkstoff für die Deckelscheibe mit Merkmal b) einen für die Umschäumung auszuwählen.
Alle diese Aufgaben und deren Lösungen sind technisch voneinander unabhängig.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass eine Verbindung zwischen diesen Aufgabe deshalb bestehe, da der nicht-transparente Teil stabil und untrennbar ? einstückig ? mit der Scheibe verbunden sei. Dies ermögliche eine einfache Gestaltung eines Formschlusselements, bestehend z.B. aus einer Nut, die durch den transparenten und den nicht-transparenten Teil gebildet werde. Damit erhöhe sich aber die Verbindungssicherheit.
Der strittige Anspruch indes stellt auf diese Funktion des undurchsichtigen Teils nicht ab. Die Kammer folgt daher der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass es sich hierbei um die Definition eines bloßen Sichtschutzes handelt. Merkmale, die einen Formschluss unter Einbeziehung des undurchsichtigen Teils definieren, sind im Anspruch 5 des Hilfsantrags 3 nicht vorhanden.
6.3 Ausgehend von D8 als nächstem Stand der Technik ergibt sich die strittige Erfindung für den Fachmann durch die Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen und dem Dokument D5.
So sind insbesondere transparente Scheiben aus Polycarbonat (vgl. Patentschrift, Spalte 4, Zeile 48) mit einer Umschäumung mit Polyurethan (vgl. Patentschrift, Spalte 5, Zeilen 10 und 11) im Stand der Technik allgemein bekannt (siehe auch D5, Spalte 2, Zeilen 25 bis 29 und Spalte 3, Zeilen 27 ff.).
Das Dokument D5 offenbart weiterhin einen Sichtschutz im Zusammenhang mit einer Polycarbonatscheibe, vgl. Spalte 3, Zeilen 42 ff. Diese ist einstückig ausgeführt und an der Unterseite angeformt, siehe Figur 5. Diese Sichtblende ebenfalls aus Polycarbonat auszuführen wird dem Fachmann in D5 nahegelegt, siehe o.g. Passage, Spalte 3, Zeilen 27 ff., da explizit ausgeführt wird, welche weiteren stabilitätsfördernden Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn es sich bei der Scheibe und der Sichtblende nicht um dieselben Kunststoffe handelt, nämlich die Verwendung einer T-Nut oder eines Schwalbenschwanzes. Da Figur 5 keine derartigen Formschlussverbindungen zeigt, kann daraus geschlossen werden, dass dort derselbe Werkstoff, Polycarbonat, verwendet worden ist.
6.4 Die Beschwerdeführerin hält entgegen, dass die Sichtblende gemäß der Figur 5 nicht die hohen Anforderungen an die Festigkeit im Sinne einer dauerhaften Formschlussverbindung erfüllen könne.
Dokument D5 führt dazu aus, dass an "die Verbindungssicherheit zwischen Funktionsteil (16A) und dem Plattengrundkörper (15) hohe Anforderungen gestellt" werden (vgl. Spalte 3, Zeilen 30 bis 35). Des Weiteren lässt auch der Anspruch offen, welche Festigkeiten gefordert sind. Insbesondere aber ist im Anspruch kein Merkmal vorhanden, welches den Schluss erlauben würde, dass die Verbindung zwischen Sichtblende und Deckelscheibe Bestandteil einer Formschlussverbindung zwischen der Deckelscheibe und dem PU-Schaumrahmen ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.