European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T062012.20140605 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Juni 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0620/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99125490.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61C 13/00 A61C 1/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz und dentalen Hilfsteilen | ||||||||
Name des Anmelders: | BEGO Bremer Goldschlägerei Wilh.-Herbst GmbH & Co KG |
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Name des Einsprechenden: | Metalor Dental AG SLM Solutions GmbH Concept Laser GmbH |
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Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 27. Januar 2012 zur Post gegebene Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents Nr. EP 1 021 997 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 19. März 2012 Beschwerde eingereicht. Die Beschwerdebegründung wurde am 6. Juni 2012 eingereicht.
II. Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
III. Am 5. Juni 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang oder hilfsweise im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 6 und 8 vom 28. Februar 2011 sowie Hilfsantrag 7 vom 2. November 2011.
Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens mit der Anordnung, dass die Einspruchsabteilung in einer geänderten Besetzung zu entscheiden hat.
Weiter hilfsweise beantragte sie die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens in derselben Besetzung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 3) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der erteilte Anspruch 1 lautet:
"Anwendung des Laser-Sinterverfahrens, bei dem aus einem sinterfähigen Pulver schichtweise Formkörper aufgebaut werden, indem sukzessive jede Schicht des Pulvers einer zum lokalen Sintern führenden Energie eines Laserstrahls ausgesetzt wird, wobei die Führung des Laserstrahls über die jeweilige Pulverschicht der Steuerung durch Daten unterliegt, welche die Konfiguration des Formkörpers in dieser Schicht repräsentieren, zur Herstellung von Zahnersatz (Kronen, Brücken, Inlays u. dgl.) und/oder dentaler Hilfsteile, mit der Maßgabe, daß das Pulver aus einem biokompatiblen Werkstoff von unterschiedlicher Korngröße zwischen 0 und 50 µm besteht."
Der erteilte Anspruch 3 lautet:
"Formkörper zur Verwendung als Zahnersatz (Kronen, Brücken, Inlays u. dgl.) und/oder dentaler Hilfsteile, dadurch gekennzeichnet, daß er aus lasergesintertem Pulver aus einem biokompatiblen Werkstoff von unterschiedlicher Korngröße zwischen 0 und 50 µm besteht."
V. Folgende Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
BF1: Andreas Gebhardt "Rapid Prototyping", Carl Hanser Verlag München Wien, 1996
BF3: Dokumentation von Versuchen der Beschwerdeführerin zur Herstellung von Zahnersatz mit verschiedenen Pulvermischungen, BEGO, 24. Mai 2012
VI. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Das Patent beschreibe die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Insbesondere genügten die im Patent vorhandenen Informationen nicht, um im gesamten beanspruchten Bereich die Korngrößenverteilung festzulegen, die es ermögliche zum gewünschten Zahnersatz zu gelangen.
Auch die in BF3 beschriebenen Versuche stellten keinen Nachweis dafür dar, dass die Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei. Wie in Spalte 2, Zeilen 7 und 8 der Patentschrift beschrieben, werden die Pulverbestandteile beim beanspruchten Laser-Sinter Verfahren nur oberflächig angeschmolzen. Bei einem solchen Verfahren sei es nur möglich, Gegenstände mit Dichten im Bereich der Schüttdichte herzustellen. Da bei den Versuchen gemäß BF3 jedoch Zahnersatz mit Dichten von ca. 99% erzielt werden, müsse dabei zwingend ein selektives Laser-Remelting genutzt worden sein, bei dem die verschiedenen Körner praktisch komplett geschmolzen werden. Da es sich also bei den in BF3 beschriebenen Versuchen unmöglich um ein Laser-Sinter Verfahren im Sinne des Patents handeln könne, könnten sie auch nicht als Nachweis zur Ausführbarkeit der Erfindung dienen.
VII. Die Beschwerdeführerin hat diesen Ausführungen widersprochen und im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Ausführbarkeit der Erfindung
Bei der Anwendung der Lehre des Patents würde der Fachmann grundsätzlich in den Bereichen arbeiten, die technisch plausibel sind und von vornherein die Bereiche ausschließen, die offensichtlich ungeeignet sind. Bei der Beurteilung der Ausführbarkeit käme es im vorliegende Fall zudem nicht darauf an, ob der hergestellte Zahnersatz optimal ist, sondern lediglich darauf, dass das Resultat des Verfahrens ein Gegenstand ist, der als Zahnersatz eingesetzt werden könne. Wie durch die in der BF3 beschriebenen Versuchen nachgewiesen wurde, könne bei jeder vernünftigen Mischung von Pulvern über den beanspruchten Korngrößen-Bereich ein Zahnersatz hergestellt werden. Entgegen dem Vortrag der Beschwerdegegnerin wurde bei den in BF3 beschriebenen Versuchen sehr wohl ein Sinterverfahren angewendet. Wie es die BF1 auf Seite 250 zeige, sei es nämlich bei Sinterverfahren nicht unüblich, Dichten zu erzielen, die im Bereich von über 90% liegen. Folglich sei durch die BF3 die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens über den gesamten beanspruchten Bereich nachgewiesen.
b) Zurückverweisung an eine Einspruchsabteilung in anderer Besetzung
Die Angelegenheit solle an eine Einspruchsabteilung in andere Besetzung zurückverwiesen werden, da die Einspruchsabteilung, die die angefochtene Entscheidung erlassen hatte, befangen sei. Diese Auffassung beruhe darauf, dass die Einspruchsabteilung in der Entscheidungsbegründung Argumente vorgebrachte habe, die nicht während der mündlichen Verhandlung angesprochen wurden und zu denen die Patentinhaberin keine Gelegenheit gehabt habe, sich zu äußern.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit der Erfindung
2.1 Artikel 83 EPÜ verlangt, dass die Erfindung in einer europäischen Patentanmeldung so deutlich und vollständig offenbart wird, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Falls die beanspruchte Erfindung eine Bereichsangabe enthält, muss sie über den gesamten Bereich ausführbar sein.
2.2 Um die Ausführbarkeit über den gesamten Bereich nachzuweisen, reichte die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung die BF3 ein. Diese stellt die Ergebnisse einer Versuchsreihe mit Pulvermischungen einer CoCr-Legierung aus dem gesamten beanspruchten Korngrößen-Bereich dar, die in einer Lasersinteranlage (siehe Seite 5) bei einer Laserleistung von 140 W, einer Scangeschwindigkeit von 100 mm/s zur Herstellung von Zahnersatz oder dentalen Hilfsteilen und einer Schichtstärke von 0.1 mm durchgeführt wurden.
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass diese Versuche kein Sinterverfahren im Sinne des angefochtenen Patents darstellten und somit nicht die Ausführbarkeit der Erfindung belegen könnten. Letztere betreffe nämlich ein Sinterverfahren bei dem nur die Oberfläche der Pulverbestandteile angeschmolzen wird (siehe Spalte 2, Zeilen 7 und 8 des Streitpatents). Somit sei es unmöglich, Dichten in der Größenordnung von 99% zu erzielen, wie sie in der BF3 vorliegen. Diese erstmals während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Behauptung, wurde nicht durch Nachweise aus dem allgemeinen Fachwissen oder durch Vergleichsversuche gestützt.
BF1 (ein Auszug aus einem Fachbuch aus dem Gebiet des "Rapid prototyping") beschreibt auf Seite 250 den Einfluss von Verfahrensparametern auf die Bauteilqualität bei Lasersintern (siehe erster Absatz, Zeile 2). In der Figur 7-4 ist der Verlauf der Dichte eines Bauteils in Abhängigkeit von der Laserleistung dargestellt. Diese Abbildung zeigt, dass bei Laserleistungen von über 100 W (wie sie auch in BF3 beschrieben wurden) Dichten erzielt werden, die weit jenseits der 90% Marke liegen. Somit ist erwiesen, dass es entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin sehr wohl möglich ist, durch Lasersintern, bei dem nicht das vollständige Kern sondern nur dessen äußerer Teil angeschmolzen wird, Bauteile mit einer 99-prozentigen Dichte herzustellen.
Somit besteht, unter Berücksichtigung der BF1, kein Grund die Richtigkeit der in BF3 gezeigten Versuchsergebnisse zu bezweifeln.
2.3 Bei den in BF3 beschriebenen zwölf Versuchen wurden Pulver mit vier verschiedenen durchschnittlichen Körnergrößen aus den Bereichen 0 bis 10 µm, 10 bis 20 µm, 30 bis 40 µm und 40 bis 50 µm und somit aus dem gesamten beanspruchten Bereich (0 bis 50 µm) eingesetzt. Sie wurden in verschiedenen prozentualen Anteilen gemischt und gesintert. Die Versuche belegen, dass bei jedem der benutzen Mischungsverhältnissen ein Formkörper mit einer Dichte hergestellt werden konnte, die zwischen 95 und 99.9 % liegt und der weitere physikalischen Eigenschaften aufweist, die ihn als Zahnersatz einsetzbar machen.
Da es nicht Ziel der Erfindung ist, einen verbesserten oder optimalen Zahnersatz herzustellen, sondern lediglich "einen anderen, vorteilhaften Weg zur Herstellung derartiger Formkörper (und namentlich in der Implantologie benötigter dentaler Hilfsteile) aufzuzeigen" (siehe Spalte 1, Zeilen 51 bis 54), ist die Erfindung daher schon dann ausführbar, wenn bei der Anwendung des Verfahrens Zahnersatz oder dentale Hilfsteile hergestellt werden können.
Für die Beurteilung der Ausführbarkeit einer Erfindung ist ferner davon auszugehen, dass der Fachmann nicht in Bereichen arbeiten wird, die grundsätzlich ungeeignet sind. Die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Versuche zeigen, dass bei einer technisch plausiblen Auswahl der Mischungsverhältnissen und der Körnergrößen aus dem beanspruchten Korngrößenbereich, bei der Anwendung des Verfahrens immer Zahnersatz oder dentale Hilfsteile hergestellt werden können. Somit ist nachgewiesen worden, dass die Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist und somit den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ genügt.
3. Zurückverweisung an eine Einspruchsabteilung mit geänderter Besetzung
Die Beschwerdeführerin beantragte die Zurückverweisung an eine Einspruchsabteilung mit geänderter Besetzung, weil die Einspruchsabteilung, die die angefochtene Entscheidung erlassen hatte, befangen sei. Insbesondere habe die Einspruchsabteilung das rechtliche Gehör der Patentinhaberin nicht respektiert indem sie Argumente in der Entscheidung aufgenommen habe, zu denen sich die Patentinhaberin nicht habe äußern können.
Allerdings stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zwar einen Verfahrensfehler dar; jedoch führt dies nicht zwingend zur Befangenheit der Einspruchsabteilung. Außerdem hat die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung auf der Grundlage der in der Verhandlung vorgebrachten Argumente getroffen und sie auch damit begründet. Die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Argumente wurden dagegen nur als zusätzliche Erläuterungen in die Entscheidung aufgenommen. Da sonst auch kein Verfahrensfehler vorliegt, ist kein Grund gegeben, eine geänderte Einspruchsabteilung mit der Fortsetzung des Verfahrens zu betrauen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Zurückverweisung an eine Einspruchsabteilung in geänderter Besetzung wird zurückgewiesen.