European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T056812.20131126 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 November 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0568/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03023101.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04B 1/76 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wärmedämm-Verbundsystem sowie hiermit ausgestattetes Gebäude | ||||||||
Name des Anmelders: | Saint Gobain Isover G+H Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ROCKWOOL INTERNATIONAL A/S | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. Januar 2012, mit der der Einspruch gegen das Patent Nr. EP-B- 1 408 168 zurückgewiesen wurde.
Die Einspruchsabteilung stellte dabei im Wesentlichen fest, dass die Vorrichtungen der unabhängigen Ansprüche 1, 2, 5 und 6 u.a. gegenüber den Dokumenten D24 und D1 neu und, ausgehend von D24 bei Heranziehen des allgemeinen Fachwissens oder unter Berücksichtigung u.a. von D1 nicht in naheliegender Weise herleitbar gewesen seien.
II. Die Beschwerde wurde von der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 7. März 2012 eingelegt. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet.
Die Beschwerdebegründung ist am 11. Mai 2012 eingegangen.
III. Anträge
Die in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2013 festgestellte Antragslage ist folgende:
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragt die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2013 als Hilfsantrag eingereichten Anspruchsatzes.
IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des einzigen Antrags haben folgenden Wortlaut (Fettdruck und Merkmalsgliederung von der Kammer hinzugefügt):
a) Anspruch 1:
A) "Gebäude mit einem Wärmedämm-Verbundsystem an einem bis zu 12 m, insbesondere bis zu 8 m hohen Abschnitt der Gebäudefassade, oder Gebäude mit einer Putzhöhe von bis zu 12 m,
B) mit einem Untergrund (1a),
B1) der eine Abreißfestigkeit von mindestens 30 kPa,
insbesondere mindestens 80 kPa aufweist und
B2) eine Dübellast von wenigstens 0,20 kN/Dübel, d.h.
Lastklasse der Dübeltragfähigkeit >= 0,20 kN
zulässt;
C) welches Dämmplatten (4)
C1) aus gebundener laminarer Mineralwolle,
C2) mit einer Dicke von 40 mm oder mehr und
C3) mit einer Zugfestigkeit senkrecht zur Plattenebene
(Querzugfestigkeit) von wenigstens 2 kPa,
insbesondere von wenigstens 3,5 kPa aufweist,
D) die als Putzträgerplatten für gewebearmierten
Außenputz (5) auf den Untergrund (1a) der
Gebäudefassade mit wenigstens 40 % ihrer Fläche
geklebt und
E1) am Untergrund (1a) mit Dübeln (11a) mit einem
wirksamen Tellerdurchmesser von wenigstens 90 mm
mit unter dem Außenputz (5) und dem
Armierungsgewebe (9) angeordnetem Dübelteller
(11,15) befestigt sind, und
F) bei dem im Fassadenflächenbereich (17) höchstens 3,
insbesondere höchstens 2 Dübel pro m**(2) Dämmfläche
vorgesehen sind."
b) Anspruch 2:
Der Anspruch 2 entspricht dem Anspruch 1 mit dem Unterschied, dass die Merkmale C1) und E1) durch folgende Merkmale C4) und E2) ersetzt sind:
C4) aus gebundener gestauchter Mineralwolle
E2) am Untergrund (1a) mit Dübeln (11a) mit einem
wirksamen Tellerdurchmesser von wenigstens 60 mm mit unter dem Außenputz (5) und dem Armierungsgewebe (9) angeordnetem Dübelteller (11,15) befestigt sind, und
V. Berücksichtigter Stand der Technik:
D1 EP-A- 1 203 846
D24 Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des
Deutschen Instituts für Bautechnik, Zulassungsnummer: Z-33.40-92, Berlin, 29. Mai 2000
D26 Erläuterungen "Zum Nachweis der Standsicherheit
von Wärmedämmverbundsystemen mit Mineralfaserdämmstoffen und mineralischem Putz", Dipl.-Ing. Klaus Laternser, Mitteilungen IfBt 4/1990, Seiten 127-131
VI. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente:
Das auf ein Gebäude aufgebrachte Wärmedämmverbundsystem laut Anspruch 1 sei neuheitsschädlich aus der D24 bekannt.
Die in der angefochtenen Entscheidung als neu angesehenen Merkmale B1 und F ergäben sich zumindest in impliziter Weise aus D24. Wärmedämmverbundsysteme, wie auch das in D24 dargestellte Wärmedämmverbundsystem mit Dämmplatten aus "Coverrock 035", würden stets für Gebäude verwendet und darauf angebracht. Wie bereits in den Absätzen [0030] und [0031] des Streitpatents dargelegt, müsse der Untergrund, auf welchem die Dämmplatten teilverklebt werden, bestimmte Grundvoraussetzungen aufweisen; dazu gehöre eine Mindestabreißfestigkeit, damit der Kleber haften könne. Der Untergrund insbesondere beim Neubau bestünde meistens aus Beton oder Ziegelwerk, die eine Abreißfestigkeit um ein Vielfaches höher als 30 kPa aufwiesen. Gleichermaßen liege die Abreißfestigkeit bei Klebemörtel anfangs auch um die 30 kPa oder höher. Somit sei das Merkmal B1 implizit in D24 beinhaltet. Der Text im Absatz 3.6.1 der D24 gebe klar zu erkennen, dass die Dämmplatten entweder ausschließlich verklebt oder nur teilweise verklebt und dafür aber zusätzlich verdübelt würden. Bei einem zusätzlichen Verdübeln solle die Dübelanzahl den Wert von 5 pro m**(2)jedoch nicht überschreiten, so dass jede Dübelzahl kleiner als 5, damit 3, offenbart sei.
Wären die Merkmale B1) und F) gegenüber der D24 neu, so würden sie keine erfinderische Tätigkeit begründen. Das Merkmal B1) sei schon dann erfüllt, wenn das aus D24 bekannte Wärmedämmverbundsystem angewendet und an einer Betonfassade montiert werde. Der Fachmann enthalte zudem die Lehre aus D1 (Tabelle 1 auf Seite 3) oder D26, bei einem Wärmedämmverbundsystem mit auf einem Untergrund teilverklebten Dämmplatten aus Mineralwolle die Dübelzahl von 4 pro m**(2) unterschreiten zu können.
Der Mangel an Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit treffe aus ähnlichen Gründen auch für die Variante des Anspruchs 2 zu.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:
Die Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem zitierten Stand der Technik (D24, D1) sei zumindest durch die Merkmale B1) und F) gegeben.
Eine Abreißfestigkeit von mehr als 30 kPa treffe nur für etwa 80% der herkömmlichen Untergrundsbauwerkstoffe zu, es verblieben aber 20% Fälle mit einem deutlich niedrigeren Wert, z.B. Gebäudefassaden mit einem gealterten Außenputz; das Merkmal B1) sei also nicht zwingend und somit auch nicht implizit.
Zum Merkmal F) sei allgemein zu vermerken, dass der Fachmann zuerst die Standfestigkeit bzw. -sicherheit des montierten Wärmedämmverbundsystems, insbesondere von dessen Dämmplatten, gewährleisten müsse, bevor er sich überhaupt mit dem Schalldämmverhalten desselben beschäftigen würde. Bezüglich der erforderlichen Dübelanzahl für die Befestigung von Dämmplatten aus "Coverrock 035" mit relativ geringer Querzugsfestigkeit (5kPa) werde im Absatz 3.5 "Standsicherheitsnachweis" (Seite 8, zweiter Absatz der D24) auf die Anlage 4.1 verwiesen, die bei Gebäudehöhen bis 8m eine Mindestzahl von 4 Dübeln pro m2 lehre. Der Absatz 3.6.1 betreffe dagegen lediglich die Schallschutzeigenschaften des Wärmedämmverbundsystems mit teilverklebtem Dämmmaterial "Coverrock 035". Die dortige Angabe "Bei einer zusätzlichen Verdübelung ... vorhandene Dübelanzahl <= 5 Dübel/m**(2): -2dB" betreffe nicht die für die Standsicherheit nötige Dübelanzahl, sondern die dadurch erforderliche Abminderung der Korrekturwerte der Tabelle 3 für die Luftschalldämmung um -2dB.
Die Unterscheidungsmerkmale B1) und F) seien auch nicht in naheliegender Weise herleitbar.
Die in der Tabelle 1, Seite 3 der D1, angegebenen Werte von Dämmstoffhaltern pro m**(2) betreffen keine konkrete Mindestanzahl für die effektive Montage des Verbundsystems, sondern seien durch Abrundung des errechneten spezifischen Bedarfs erhalten (Seite 3, Zeilen 11 und 12). In der Praxis seien, wie in Figur 1a dargestellt und in Zeile 29 der Seite 3 beschrieben, wenigstens vier Dämmstoffhalter pro m**(2)nötig, denn, auch wenn zwei zum Auffangen der Windsoglasten ausreichen könnten, so seien andere Belastungen, wie das Aufbeugen bzw. Aufschiefern des Dämmmaterials zwischen den Dübelstellen, nicht zu verhindern. Um sämtlichen Lasten ausgleichen zu können, schlage das Streitpatent dagegen vor, nebst der Verdübelung mit reduzierter Dübelanzahl die Dämmplatten teilflächig noch zu verkleben.
Der Fachmann erhalte auch von D26 keine Anregung zum Handeln. Die Veröffentlichung D26 umfasse lediglich einen Kommentar bzw. die persönliche Meinung des Autors über ein im Jahre 1990 gültiges Regelwerk, nach welchem die Standfestigkeit insbesondere gegen Windsoglasten allein mit einer Dübelbefestigung zu testen sei.
Die durch das Verkleben möglicherweise zu erreichende Haftung sei aber außer Acht zu lassen, zumal die Qualität u.a. die Abreißfestigkeit des Untergrunds nicht beeinflusst werden könne.
Die Aussage des zweiten Absatzes der D26 sei an sich auch nicht schlüssig, da es für den Fachmann klar sei, dass die Haftung mittels Kleber um ein Vielfach stärker sei als die Querzugfestigkeit von Dämmplatten aus laminarer Mineralwolle. Hinsichtlich der Windsoglasten liege also die Schwachstelle des Verbundsystems in den Dämmstoffplatten selbst, für dessen Standsicherheit zwingend Dämmstoffhalter in stets üblicher Dichte benötigt werden.
So erhalte der Fachmann von der D26 weder eine Aufforderung noch einen eindeutigen Hinweis, weniger als vier Dübel pro m**(2) in der Praxis einzusetzen. Es sei hierzu festzustellen, dass die Fachwelt aus D26 keine Lehre entnommen habe, da bis zum Anmeldungsjahr des Streitpatents (2000) keine Montage mit weniger als 4 Dübeln pro m**(2) bekannt geworden sei.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
VIII. Am Ende der am 26. November 2013 stattgefundenen mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer ihre Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anspruchsatz - Änderungen
Im vorliegenden einzigen Antrag wurde der Anspruchsatz auf die erteilten Ansprüche 5 bis 8 beschränkt, wobei die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Antrags den erteilten Ansprüchen 5 und 6 entsprechen.
3. Anspruch 1
3.1 Nächstliegender Stand der Technik: D24
Es ist unstrittig, dass das in D24 beschriebene Wärmedämm-Verbundsystem (im Weiteren WDVS), welches zur Befestigung an einer Gebäudefassade bestimmt ist, sämtliche Merkmale A), B), B2) bis E1) offenbart.
So ist das WDVS "Coverrock 035" (siehe Tabelle 1, Seite 3) auch in D24 für einen bis zu 8 m hohen Abschnitt der Gebäudefassade gedacht, wobei der Untergrund eine Dübellast von wenigstens 0,20 kN/Dübel, d.h. eine Lastklasse der Dübeltragfähigkeit >= 0,20 kN zulässt (siehe Tabelle 2 der Anlage 4.1). Der Kern der Dämmplatten des "Coverrock 035" Systems besteht aus gebundener laminarer Mineralwolle mit einer Schichtdicke von 60 bis 200 mm (siehe Tabelle 2 der Anlage 4.1) und mit einer Zugfestigkeit senkrecht zur Plattenebene (Querzugfestigkeit) von wenigstens 5 kPa (siehe Tabelle 2 der Anlage 1).
Die Dämmplatten werden als Putzträgerplatten für einen gewebearmierten Außenputz auf den Untergrund der Gebäudefassade mit 40% bis 60% ihrer Fläche geklebt (siehe Seite 8, Tabelle 3) und am Untergrund mit Dübeln mit einem wirksamen Tellerdurchmesser von wenigstens 90 mm mit unter dem Außenputz und dem Armierungsgewebe angeordnetem Dübelteller befestigt (siehe Seite 7, letzter Absatz des Paragraphs 3.4 und Tabelle 2 der Anlage 4.1).
In D24 wird kein Mindestwert für die Abreißfestigkeit
des Untergrunds angegeben, so dass das Merkmal B1) des Anspruchs gegenüber D24 neu ist. Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass das Merkmal B1 implizit sei, weil die Fassaden insbesondere von Neubauten meistens aus Beton oder Ziegelmauerwerk bestehen, welche eine Abreißfestigkeit von deutlich mehr als 30kPa aufweisen, trifft nicht zu, weil es durchaus auch andere Untergründe gibt, wie ältere Gebäudefassaden mit Außenputz, wo der Abreißfestigkeitswert durchaus unter der 30kPa-Grenze liegen kann.
Zudem unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand noch durch den Höchstwert der Dübelanzahl pro m**(2).
Die Kammer stimmt der Auslegung des Absatzes 3.6.1 auf Seite 8 der D24 durch die Beschwerdeführerin derart, dass bei Teilverklebung die Dämmplatten mit einer Dübelzahl zwischen 0 und 5 pro m**(2) zusätzlich zu befestigen seien, deshalb nicht zu, weil diese Angabe lediglich die Lehre vermittelt, dass der in der Tabelle angegebene Korrekturwert hinsichtlich des Schallschutzes bei einer Verdübelung entsprechend abzumindern sei.
Was dagegen die für die Befestigung der Platten nötige Dübelmindestanzahl betrifft, so lehrt die D24 in den Absätzen 3.4 und 3.5 zusammen mit den Tabellen der Anlagen 4.1 und 4.2 in unmissverständlicher Weise, dass die Coverrock 035 Dämmplatten mit mindestens 4 Dübeln pro m**(2) am Gebäude zu befestigen sind, um die Standfestigkeit des Verbundsystems gewährleisten zu können.
Ein Unterschreiten des Mindestwertes von 4 Dübeln pro m**(2) ist der D24 daher nicht entnehmbar.
Die Merkmale B1) und F) stellen somit einen neuheitsbegründenden Unterschied dar.
3.2 Technische Effekte - Aufgabe
3.2.1 Es stellt sich nun die Frage, ob die Unterscheidungsmerkmalen B1) und F) auf irgendeiner Art synergetisch zusammenwirken, bzw. welche technische Effekte durch beide Maßnahmen erreicht werden.
Es ist unbestritten, dass ein herkömmlicher Kleber, mittels welchem die Dämmplatten auf den Untergrund der Gebäudefassade geklebt werden, eine hohe Abreißfestigkeit aufweist, so dass das Anbringen der Dämmplatten an die Gebäudefassade auch durch eine Teilverklebung vollkommen gesichert wird, indem im wesentlichen und hauptsächlich die Eigenlastkräfte aufgefangen werden. Was andere Lasten und insbesondere die Windsoglasten betrifft, liegt die Schwachstelle also nicht an der Verbindungsstelle zwischen WDVS und Gebäudefassade, sondern bei der niedrigen Querzugfestigkeit bzw. Reißfestigkeit der aus laminarer bzw. gestauchter Mineralwolle erzeugten Dämmplatten.
Das Verdübeln der Dämmplatten aus derartigem Mineralwollematerial mittels angepasster Dübeltellergröße ist daher absolut unentbehrlich, um dem Windsog entgegenzuhalten und damit die Standfestigkeit der Dämmplatten als auch des gesamten Verbundsystems zu gewährleisten.
Die Lage wäre bei Lamellendämmplatten anders, da diese eine ausreichende eigene Standfestigkeit aufweisen, so dass derartige WDVS allein durch die Verklebung, zumindest in den unteren Gebäudebereichen, eine zufriedenstellende Standfestigkeit auch gegenüber Windsoglasten aufweisen.
Der Fachmann erkennt daher, dass die Verdübelung eine wesentliche Rolle für die Standfestigkeit des insbesondere den Windsoglasten ausgesetzten WDVS mit Dämmplatten aus laminarer bzw. gestauchter Mineralwolle spielt.
3.2.2 Darüber hinaus ergibt sich in eindeutiger Weise für den Fachmann, dass die in den Unterscheidungsmerkmalen B1) und F) definierten Maßnahmen unterschiedlichen Zwecken dienen und keinesfalls synergetisch zusammenwirken.
3.2.3 Die Eigenschaft des Untergrunds hinsichtlich des Abreißverhaltens (Merkmal B1) ist bereits schon durch die reine Anwendung des WDVS erfüllt, nämlich dann, wenn das WDVS gemäß D24 auf eine übliche Neubaufassade, z.B. aus Beton mit einem Abreißfestigkeitswert von deutlich mehr als 80Kpa, aufgebracht wird.
3.2.4 Bleibt also lediglich die technische Wirkung des Merkmals F) zu definieren.
Durch die gegenüber der D24 reduzierte Dübelanzahl wird, wie bereits von beiden Parteien vorgetragen, die objektive Aufgabe gelöst, den Montageaufwand und somit auch die Montagekosten zu reduzieren.
3.3 Dübelanzahl - Naheliegende Lösung
Der Montage- bzw. Befestigungsaufwand liegt zum großen Teil im Anbringen der Dübel durch mehrere Arbeitsgänge, nämlich durch Bohren, Eindrehen und Festziehen der Dübel. Es stellt sich hier also die Frage, ob der Stand der Technik eine eindeutige Anregung zur Reduzierung der insbesondere für die Verdübelungsarbeit einzusetzenden Montagezeit beinhaltet.
Das Dokument D1 betrifft in ähnlicher Weise ein WDVS mit Dämmplatten aus Mineralwolle, die mit Baukleber (Klebefläche von etwa 40%) und Dämmstoffhaltern (Dübeln) auf Gebäudeflächen befestigbar sind (siehe Absätze [0003] bis [0006]). Die D1 befasst sich auch mit der Problematik der entgegenzuwirkenden Lasten.
So heißt es ab Zeile 46 der Seite 1 (Absatz [0006]):
"Um eine größere Sicherheit der Befestigung zu erzielen werden Dämmstoffelemente anschließend (Anmerkung der Kammer: nach dem Verkleben) durch sogenannte Dämmstoffhalter gesichert".
Weiter wird im letzten Satz des Absatzes [0008] erklärt, dass die Zahl der Dämmstoffhalter in Abhängigkeit von den mechanischen Eigenschaften des Dämmstoffs, - darunter die Querzugfestigkeit -, von der von der Höhe des Gebäudes abhängigen Windsogbelastung und des Durchmessers der Dämmstoffhalter bzw. der Dübelteller festzulegen ist.
Im Absatz [0009] schildert die D1 ein Beispiel für die Bestimmung der benötigten Dübelanzahl für Dämmplatten aus Mineralwolle geringer Festigkeit (also z.B. aus laminarer Mineralwolle) unter anderem in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe und dem Durchmesser der Dübelteller. Der dortigen Tabelle 1 entnimmt der Fachmann, dass bei Höhen bis zu 8m und bei Windsoglasten um die 0,35kN/m**(2) die erforderliche Dübelzahl im Flächenbereich des WDVS bei 2 liegt, unabhängig von der Tellergröße (6 bis 14 cm) und von Befestigungsart (durch oder unter Bewehrung).
Für zwischen 8m und 20m liegende Gebäudeabschnitte und bei entsprechenden Windsoglasten von 0,56kN/m**(2) werden 4 Dübel mit Tellergröße 9cm benötigt.
Die Beschwerdegegnerin hat darauf hingewiesen, dass die in Tabelle 1 angegebene Dübelzahl dem durch Abrundung errechneten spezifischen Bedarfswert entspreche. Dieser Feststellung kann die Kammer zustimmen.
Es kann daraus jedoch nicht als Folge entnommen werden, dass die Mindestanzahl der Dämmstoffhalter in der Praxis dagegen deutlich größer ausfallen müsse.
Die Beschwerdegegnerin hat diesbezüglich argumentiert, dass die Textstelle im Absatz [0010] im Zusammenhang mit der Darstellung in Figur 1a unmissverständlich eine Mindestzahl von 4 Dübeln pro m**(2) für die Praxis vorgebe, welche vom Fachmann im Vergleich zu der in der Tabelle 1 theoretischen errechneten Zahl von 2 Dübeln dann letztendlich als Mindestwert wahrzunehmen sei.
Die Kammer kann dieser von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Würdigung des in D1 offenbarten Gesamtinhalts nicht zustimmen.
Das in Figur 1a dargestellte Befestigungsschema mit 4 Dämmstoffhaltern pro m**(2) wird nicht näher definiert; es könnte durchaus für einen anderen Fall in Tabelle 1 gelten, nämlich für einen zwischen 8m und 20m liegenden Gebäudeabschnitt und für Halteelemente mit einem Tellerdurchmesser gleich 9cm.
Es kommt aber auch nicht darauf an, ob die D1 für die Praxis eine gegenüber dem errechneten Mindestwert höhere Dübelzahl überhaupt empfiehlt. Der Tabelle 1 entnimmt der Fachmann die klare Lehre, das WDVS an einen unteren Gebäudeabschnitt bis 8m Höhe mittels 2 Dübeln (mit Tellergröße 9cm) pro m**(2) zu befestigen, auch wenn es ihm dabei bewusst sein könnte, dass diese Mindestzahl von Dübeln fast keine Sicherheitsmarge zulässt. Um auf der sicheren Seite stehen zu können, würde der Fachmann dann möglicherweise den gegenüber der Mindestzahl von 2 nächst höheren Wert von 3 Dübeln pro m**(2)wählen.
Der Hinweis in D1, die Dübelanzahl reduzieren zu können, wird zum Teil auch von D26 (Seite 1, linke Spalte, drittletzter Absatz) unterstützt bzw. bekräftigt. In D26 wird eine anzustrebende Entwicklung der Bauregelungen dargelegt, indem auf Dauer die Mindestanzahl von Dübeln zur Befestigung von teilverklebten WDVS reduziert werden müsste, aufgrund der Kenntnis, dass die Standfestigkeit von teilverklebten Dämmplatten gegenüber den unterschiedlichen auftretenden Beanspruchungen (inkl. Windsoglasten) auch bei einer geringeren Dübelzahl stets gewährleistet wäre.
Dass die Befestigung der Dämmplatte, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, zusätzlich dafür sorgen müsse, dass diese zwischen zwei Dübelstellen sich nicht aufbeugen bzw. nicht aufschiefern, könnte zwar eine bedeutende technische Zusatzwirkung darstellen. Allerdings stellt die Kammer diesbezüglich fest, dass der unabhängige Anspruch 1 keine entsprechende Maßnahmen definierendes Merkmal aufweist, durch welche ein derartiger Effekt zu erreichen wäre. Der Wortlaut des Anspruchs lässt z.B. offen, wie die Teilverklebung flächig aufgetragen wird, bzw. wie die Dübelstellen relativ zu den verklebten Bereichen geordnet sind.
Auch die Beschreibung des Streitpatents enthält keinerlei Information bezüglich der Problematik des Aufschieferns oder dafür geeigneter einzusetzender Mittel.
Das weitere Argument der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann allein schon aufgrund der im Zeitraum der Patentanmeldung in Deutschland gültigen und verpflichtenden Bauregelungen die Mindestzahl von
4 Dübeln pro m**(2) nicht reduziert hätte, kann im Rahmen der Prüfung des naheliegenden Charakters einer bekannten Lösung keinen Nachweis dafür darstellen, dass der Fachmann die in D1 vorgeschlagene technische Lösung gerade nicht herangezogen hätte.
Die Frage der Zulassung eines neuen technischen Gegenstands ist ohne Belang bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ eines in einem Europäischen Patent definierten Gegenstands, zumal die Zulassungsregelungen im Bauwesen je nach Vertragsstaat des EPÜ ganz unterschiedlich gesetzt sein können. Der Zweck einer amtlichen nationalen/europäischen Regelung liegt hauptsächlich in der Bestimmung bzw. Kontrolle der Nutzung/Anwendung eines Zulassungsgegenstands.
Das Fehlen einer amtlichen Produktzulassung für einen neu entwickelten technischen Gegenstand hat keinerlei Auswirkung auf die Kriterien der Patentierfähigkeit, wie in den Artikeln und Regeln des EPÜ bestimmt.
Der Fachmann hätte daher die D1 herangezogen und ihre Lehre in naheliegender Weise angewendet und für die Befestigung des in D24 offenbarten WDVS nunmehr nur noch 3 anstatt 4 Dübeln pro m**(2) eingesetzt.
Dieser naheliegende Schritt löst die gestellte Aufgabe, da der Arbeitsaufwand und folglich die Montagekosten gegenüber der in D24 verfolgten Befestigungspraxis deutlich reduziert werden können.
Der in Anspruch 1 definierte Gegenstand kann somit die Erfordernisse der Artikel 52(1) und 56 EPÜ nicht erfüllen.
4. Anspruch 2
Da der Antrag allein schon wegen fehlender erfinderischen Tätigkeit des im Anspruch 1 definierten Gegenstands nicht gewährbar ist, erübrigt sich eine Entscheidung über den Gegenstand des zweiten unabhängigen Anspruchs 2 des selben Antrags.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.