T 0511/12 () of 16.6.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T051112.20160616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2016
Aktenzeichen: T 0511/12
Anmeldenummer: 02004720.5
IPC-Klasse: G01D 5/249
G01D 5/14
G01D 5/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Winkelmessvorrichtung zur Erfassung der absoluten Position und der Anzahl der Umdrehungen einer Welle
Name des Anmelders: Baumer Innotec AG
Name des Einsprechenden: SICK AG
Hengstler GmbH
SEW-EURODRIVE GMBH & CO. KG
ASM Automation Sensorik Messtechnik GmbH
Fritz Kübler GmbH Zähl-und Sensortechnik
Posital GmbH / Wachendorff Prozesstechnik GmbH & CO KG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hilfsantrag 3 (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 1243891 Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch der Einsprechenden war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 52(1), 54(1) und 56 EPÜ, Artikel 100(b) EPÜ in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ, sowie Artikel 100(c) EPÜ in Verbindung mit Artikel 123(2) EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der in Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54(1) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Form entgegenstünde, weil der beanspruchte Gegenstand nicht neu sei gegenüber der Offenbarung der als 1D1 im Einspruchsverfahren bezeichneten Druckschrift EP 0836072. Die von der Patentinhaberin gestellten Hilfsanträge wurden von der Einspruchsabteilung entweder nicht zum Verfahren zugelassen, oder deren Gegenstand wurde im Hinblick auf die Artikel 123(2), 84 und/oder 54(1) EPÜ als nicht gewährbar erachtet.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten mit.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 16. Juni 2016 statt.

VI. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt oder, hilfsweise, im Umfang eines geänderten Anspruchs 1 und einer geänderten Beschreibung gemäß einem der Hilfsanträge 1' oder 1 bis 3, in dieser Reihenfolge, weiter hilfsweise - bei Bejahung der Zulässigkeit und Neuheit des Anspruchs 1 in der jeweiligen Fassung - Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.

VII. Die Einsprechenden beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen sowie dem Antrag der Patentinhaberin einer eventuellen Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung nicht stattzugeben.

VIII. Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Winkelmessvorrichtung zur Erfassung der genauen absoluten Position einer Geberwelle während einer vollständigen Umdrehung der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° und zur Erfassung der Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle, mit:

einer Aufnahmeeinheit (1, 2) zur Aufnahme der zu erfassenden Position der Geberwelle mit magnetisch sensitiven Aufnahmeelementen,

worin die Aufnahmeeinheit (1, 2) zur Erzeugung von wenigstens zwei phasenversetzten, periodischen Messgrößen (A bis D) ausgebildet ist, worin die Aufnahmeeinheit (1, 2) ein mit der Geberwelle gekoppeltes, drehbares Betätigungselement (2) umfasst;

einer Auswerteeinheit (3 bis 22) zur Auswertung der zu erfassenden Position und zur Winkelangabe der erfassten Position der Geberwelle; und

mit einer Umdrehungsmessvorrichtung (11 bis 22) zur Erfassung und Ausgabe der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen der Geberwelle,

dadurch gekennzeichnet, dass das Betätigungselement (2) als Permanentmagnet (2) ausgebildet ist und sowohl zur Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen als auch zur Erzeugung der periodischen Messgrößen (A bis D) dient."

Hilfsantrag 1'

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1' unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen des Wortes "ein" in dem folgenden Merkmal des kennzeichnenden Teils:

"... dadurch gekennzeichnet, dass das Betätigungselement (2) als ein Permanentmagnet (2) ausgebildet ist ...".

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des Anspruchs 1:

"... in welcher die Umdrehungsmessvorrichtung (11 bis 22) wenigstens ein Schaltelement (11) umfasst, das in Abhängigkeit des drehbaren Betätigungselements (2) geöffnet bzw. geschlossen ist, wobei der Permanentmagnet (Element 23a, 15) sowohl zur Singleturn- als auch zur Multiturn-Abtastung verwendet wird."

Hilfsantrag 2

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nur durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des Anspruchs 1:

"... und dass die Aufnahmeeinheit (1, 2) so ausgelegt ist, dass die Messgrößen (A bis D) den Verlauf einer trigonometrischen Funktion aufweisen, wobei jede Messgröße eine Periode pro vollständiger Umdrehung der Geberwelle aufweist, und dass der Permanentmagnet einen einzigen Nord- und einen einzigen Südpol aufweist."

Hilfsantrag 3

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nur durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals am Ende des Anspruchs 1:

"... und dass die Aufnahmeelemente als Hall-Elemente eines Kreuz-Hall-Sensors ausgebildet sind, der vier sinusförmige Messgrößen (A bis D) erzeugt."

IX. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf die Druckschrift EP 0836072 A1, bezeichnet als 1D1.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

Die beanspruchte Winkelmessvorrichtung wird durch die Offenbarung der Druckschrift 1D1 (EP 0836072) vorweggenommen (Artikel 54(1) EPÜ).

1.1 Die Druckschrift 1D1 offenbart, in Zusammenhang mit Figur 2:

eine Winkelmessvorrichtung zur Erfassung der genauen absoluten Position einer Geberwelle während einer vollständigen Umdrehung der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° und zur Erfassung der Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle [siehe 1D1, z. B. auf Seite 2, Zeilen 34 bis 41; die Absolutbestimmung des Winkels, die auch das Zählen von Umdrehungen der Welle beinhaltet, wird anhand eines hoch- und eines tiefauflösenden Sensors (10; 20) gewährleistet] mit:

- einer Aufnahmeeinheit [siehe in Figur 2 die Maßverkörperung (3) und die Montageplatte (5) mit den darauf angeordneten Sensoren (10; 20)] zur Aufnahme der zu erfassenden Position der Geberwelle mit magnetisch sensitiven Aufnahmeelementen [siehe z.B. in Figur 2 den magnetoresistiven Wandler (15), der zum hochauflösenden Sensor (10) gehört und auf der Montageplatte (5) montiert ist],

- worin die Aufnahmeeinheit [3; 5] zur Erzeugung von wenigstens zwei phasenversetzten, periodischen Messgrössen ausgebildet ist [siehe z.B. Seite 4, Zeilen 43 bis 48, wo offenbart ist, dass der zur Aufnahmeeinheit gehörende, hochauflösende Sensor (10) zwei phasenversetzte, periodische Sinussignale erzeugt, und zwar anhand des magnetoresistiven Wandlers (15), welcher auf der Montageplatte (5) montiert ist, und des Permanentmagneten (13), welcher auf der Maßverkörperung (3) montiert ist; siehe auch Figur 4],

- worin die Aufnahmeeinheit [3; 5] ein mit der Geberwelle gekoppeltes, drehbares Betätigungselement umfasst [siehe z.B. Seite 3, Zeilen 40 und 41, sowie Seite 4, Zeilen 10 bis 12: "am Ende der Geberwelle ist eine Maßverkörperung (3) angebracht, welche mit der Geberwelle verbunden und drehbar ist", wobei ein Permanentmagnet (13) als sogenanntes "Betätigungselement" auf der Maßverkörperung angeordnet ist],

einer Auswerteeinheit zur Auswertung der zu erfassenden Position und zur Winkelangabe der erfassten Position der Geberwelle [siehe auf Seite 3, Zeilen 55 und 56, und Seite 5, Zeilen 29 bis 43, wo Mittel 6 zur Auswertung der Sensorsignale offenbart sind, um die absolute Winkellage zu berechnen];

- und mit einer Umdrehungsmessvorrichtung [20] zur Erfassung und Ausgabe der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen der Geberwelle [siehe z.B. Seite 2, Zeile 40; Seite 2, Zeilen 55 und 56; Seite 5, Zeilen 50 und 51, wo offenbart ist, dass die Schaltimpulse des niedrigauflösenden Sensors (20) an einen Umdrehungszähler geliefert und aufsummiert werden];

- wobei das Betätigungselement als Permanentmagnet [13] ausgebildet ist

- und sowohl zur Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen als auch zur Erzeugung der periodischen Messgrößen dient [siehe Seite 4, Zeilen 31 bis 33, wo eine "weitere, hier nicht dargestellte Ausführungsform" offenbart ist, in der auf die Permanentmagnete auf der Montageplatte verzichtet wird und in der auf der Maßverkörperung nur ein einziger Permanentmagnet angebracht sein kann, der sowohl zur Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen als auch zur Erzeugung der periodischen Messgrössen dient].

Der Wortlaut in 1D1, Seite 4, Zeilen 31 bis 33, lautet:

"In einer weiteren, hier nicht dargestellten Ausführungsform könnte auf die Permanentmagnete 26.1, 26.2 verzichtet werden, dafür müssten statt der magnetischen Blende 23 ein oder mehrere Permanentmagnete auf der Maßverkörperung 3 angebracht sein."

Im Gegensatz zu der Textpassage in 1D1, Seite 5, Zeilen 7 bis 11, die sich auf eine Ausführungsform des niedrigauflösenden Sensors des Drehgebers bezieht, handelt es sich in dem Absatz auf Seite 4, Zeilen 28 bis 34, um eine Ausführungsform des gesamten Drehgebers von 1D1.

Die Besonderheit dieser auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, beschriebenen Ausführungsform des Drehgebers besteht darin, dass sich durch das Weglassen der Permanentmagnete (26.1, 26.2), die ansonsten auf der Montageplatte (5) angebracht sind, die Anzahl der Bauteile auf der Montageplatte (5) verringert.

Wie auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, beschrieben und durch die Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung erläutert, wird durch den Verzicht auf die Permanentmagnete (26) und ihre Magnetfelder auf der Montageplatte (5) die Anordnung der magnetischen Blende (23) auf der Maßverkörperung (3), die dazu diente, diese Magnetfelder von den Reed-Relais (25) abzuschirmen, gegenstandslos.

Wie weiter auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, beschrieben und durch die Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung erläutert, - um trotz des Weglassens der Permanentmagnete (26) auf der Montageplatte (5) und der magnetischen Blende (23) auf der Maßverkörperung (3) das Funktionieren des Drehgebers zu gewährleisten, d.h. unter Anderem den oder die Reed-Relais (25) während des Rotierens der Maßverkörperung (3) ein- und auszuschalten - müssen ein oder mehrere Permanentmagnete auf der Maßverkörperung (3) angeordnet sein.

Somit offenbart diese Textpassage auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, mehrere Ausführungsformen eines Drehgebers, und zwar:

a) eine Ausführungsform, in der insgesamt ein einziger Permanentmagnet auf der Maßverkörperung (3) angebracht ist,

b) eine weitere Ausführungsform, in der insgesamt zwei Permanentmagnete auf der Maßverkörperung (3) angebracht sind, und zwar der Permanentmagnet (13), der zu dem hochauflösenden Sensor (10) gehört, im Bereich der Rotationsachse (4) auf der Maßverkörperung (3) angeordnet ist und z.B. auf Seite 4, Zeilen 10 bis 12 erwähnt wird, und ein weiterer Permanentmagnet, der die Reed-Relais schaltet und auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33 erwähnt wird,

c) eine weitere Ausführungsform, in der insgesamt mehr als zwei Permanentmagnete auf der Maßverkörperung (3) angebracht sind, und zwar der Permanentmagnet (13), der zu dem hochauflösenden Sensor (10) gehört, im Bereich der Rotationsachse (4) auf der Maßverkörperung (3) angeordnet ist und z.B. auf Seite 4, Zeilen 10 bis 12 erwähnt wird, und mehrere, weitere Permanentmagnete, die die Reed-Relais schalten und auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33 erwähnt werden.

Die verschiedenen Ausführungsformen des Drehgebers von 1D1 erlauben grundsätzlich sowohl die Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen als auch die Erzeugung der periodischen Messgrößen (siehe z. B. Seite 2, Zeilen 34 bis 41).

1.1.1 In der ersten, oben beschriebenen Ausführungsform a) des Drehgebers ist ein einziger Permanentmagnet auf der Maßverkörperung (3) vorhanden und beinhaltet somit alle Merkmale des Anspruchs 1.

1.1.2 In den weiteren, oben beschriebenen Ausführungsformen b) und c) sind mehrere Permanentmagnete auf der Maßverkörperung (3) vorhanden.

Wie jedoch bereits in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung, Punkt 5.2.3.2, ausgeführt, ist die Kammer ebenfalls der Auffassung, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 "dadurch gekennzeichnet, dass das Betätigungselement (2) als Permanentmagnet (2) ausgebildet ist" so breit auszulegen ist, dass das beanspruchte Betätigungselement nicht zwingend aus einem einzigen Bauteil besteht, sondern auch aus mehreren Bauteilen bestehen kann. Damit beinhaltet auch der Drehgeber gemäß den weiteren, oben beschriebenen Ausführungsformen b) und c) alle Merkmale des Anspruchs 1.

1.1.3 Infolgedessen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung von 1D1 (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

1.2 In der Folge wird diese Entscheidung sich auf den aus 1D1 bekannten Drehgeber gemäß der ersten, oben beschriebenen Ausführungsform a) mit einem einzigen, auf der Maßverkörperung (3) vorhandenen Permanentmagneten beschränken.

1.3 Gegenargumente der Patentinhaberin

1.3.1 Die Patentinhaberin argumentiert, dass aus 1D1, Seite 4, Zeilen 31 bis 33, weder explizit noch implizit hervorginge, dass auf der Maßverkörperung des Drehgebers ein einziger Permanentmagnet angebracht sei. Es bedürfe der Auslegungsfähigkeit eines Fachmanns im Sinne eines "could" im Rahmen des "could-would" - Ansatzes, um in dieser Textpassage von 1D1 die Offenbarung eines Ausführungsbeispiels zu erkennen, in dem ein einziger Permanentmagnet auf der Maßverkörperung angeordnet wäre.

Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, weil es die Meinung der Einsprechenden teilt, wonach der Leser der Druckschrift 1D1 keine Anregung braucht oder sonstige Überlegungen anstellen muss, um Lücken in der Offenbarung von 1D1 mittels erfinderischer Tätigkeit zu füllen. Im Kontext des Absatzes von 1D1, Seite 4, Zeilen 28 bis 34, offenbart der reine Wortlaut des Satzes auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, eindeutig eine Ausführungsform eines Drehgebers mit einem einzigen Permanentmagneten.

1.3.2 Die Patentinhaberin erklärt, dass das Merkmal des Anspruchs 1, laut dem das Betätigungselement "sowohl zur Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen als auch zur Erzeugung der periodischen Messgrößen dient", eine klare funktionale Einschränkung der beanspruchten Vorrichtung darstelle. Um die Neuheit dieses Merkmals vorwegzunehmen, reiche es nicht aus, dass ein auf der Maßverkörperung (3) des Drehgebers von 1D1 angeordneter Permanentmagnet lediglich geeignet sei, diese beiden Funktionen auszuüben. In 1D1 gebe es jedoch keinen Hinweis, dass der angeblich einzige, auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, erwähnte Permanentmagnet (13) auch tatsächlich das Reed-Relais (25) schalte. Somit sei für die Patentinhaberin die Neuheit der beanspruchten Vorrichtung eindeutig gegeben.

Die Kammer ist der Ansicht, dass es keinen Hinweis in 1D1 gibt, dass bestimmte, ausdrücklich beschriebene Ausführungsformen des Drehgebers von 1D1 nicht funktionieren würden. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass auch der auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, beschriebene Drehgeber funktioniert, d.h. tatsächlich das Reed-Relais schaltet. Auch das Patent erwähnt keine besonderen technischen Eigenschaften des beanspruchten Permanentmagneten, die eventuell beim Permanentmagneten von 1D1 fehlen würden. Deshalb kann die Kammer diesem Argument der Patentinhaberin nicht folgen.

1.3.3 Die Patentinhaberin verweist auf Seite 2, Zeilen 34 bis 36, und Anspruch 1 von 1D1. Die Druckschrift 1D1 lehre, dass der "erfindungsgemäße Drehgeber [...] einen hochauflösenden Sensor und einen niedrigauflösenden Sensor [enthält], die je mindestens einen Permanentmagneten beinhalten". Dies schließe die Möglichkeit aus, dass der Drehgeber von 1D1 insgesamt nur einen einzigen Permanentmagneten enthielte. Des Weiteren würde dies auf Seite 5, Zeilen 6 und 7, bestätigt werden, wo offenbart sei, dass allein schon der niedrigauflösende Sensor wenigstens einen Permanentmagneten enthielte.

Die Kammer bemerkt, dass es sich beim Ausführungsbeispiel auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, um eine "weitere, hier nicht dargestellte Ausführungsform" handelt. Bezüglich dieser Art von "hier nicht dargestellten Ausführungsformen" teilt die Kammer die Meinung der Einspruchsabteilung (siehe Punkt 5.2.3.1 der angefochtenen Entscheidung), gemäß der "es sich um ein Ausführungsbeispiel handelt, das nicht im Detail in 1D1 diskutiert wird und auch nicht in einer Figur dargestellt ist. Es ist folglich nicht zwingend notwendig, dass jedes Beispiel einer Offenlegungsschrift der Formulierung der Patentansprüche entspricht". Im vorliegenden Fall ist die Kammer der Meinung, dass es keinen Hinweis in 1D1 gibt, gemäß dem das auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, beschriebene Ausführungsbeispiel des Drehgebers, einen hoch- und einen niedrigauflösenden Sensor mit je einem Permanentmagneten aufweisen müsste.

Die Patentinhaberin ist der Ansicht, dass die Textpassage auf Seite 4, Zeilen 31 bis 33, im Kontext der gesamten Offenbarung von 1D1 gelesen werden müsse, d.h. zuerst würde auf Seite 4, Zeilen 2 bis 8, im Zusammenhang mit der Figur 2, der gesamte Drehgeber beschrieben, anschließend auf Seite 4, Zeilen 9 bis 15, der hochauflösende Sensor und schlussendlich auf Seite 4, Zeilen 16 bis 34, der niedrigauflösende Sensor. Daraus wäre ersichtlich, dass der auf Seite 4, Zeilen 32 und 33, offenbarte Wortlaut "ein oder mehrere Permanentmagnete" sich ausschließlich auf den niedrigauflösenden Sensor beziehe. Da der hochauflösende Sensor bereits einen auf der Maßverkörperung zentral angeordneten Permanentmagneten besäße, wären somit wenigstens zwei Permanentmagnete auf der Maßverkörperung des Drehgebers von 1D1 angeordnet.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, weil diese Auslegung von 1D1 durch die Patentinhaberin nur eine unter mehreren möglichen Interpretationen des Offenbarungsgehalts der Seite 4 darstellt, die nicht durch entsprechende, konkrete Hinweise gestützt ist.

Die Patentinhaberin betont, dass die beanspruchte Winkelmessvorrichtung eine "Aufnahmeeinheit", eine "Auswerteeinheit" und eine "Umdrehungsmessvorrichtung" beinhalte und dass dessen beide Messaufgaben, d.h. die Erfassung der genauen absoluten Position einer Geberwelle während einer vollständigen Umdrehung der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° und die Erfassung der Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle, unterschiedlichen, baulich getrennten Funktionsbereichen mit unterschiedlichen Komponenten zugeordnet seien. Die Patentinhaberin ist daher der Auffassung, dass die beanspruchte Winkelmessvorrichtung neu sei gegenüber der Offenbarung von 1D1, weil es der Winkelmessvorrichtung von 1D1 an einer "Aufnahmeeinheit" fehle, die geeignet wäre, die absolute Position in einem Winkelintervall von 0° bis 360° einer Geberwelle aufzunehmen. Auch würde es der Vorrichtung von 1D1 an einer separaten "Umdrehungsmessvorrichtung" fehlen. In ihrer Argumentation geht die Patentinhaberin von separaten Funktionsbereichen "Aufnahmeeinheit" und "Umdrehungsmessvorrichtung" aus, die sich zwar ein "Betätigungselement" teilen würden, aber doch nicht auf den Drehgeber von 1D1 lesen ließen. Insbesondere sei der hochauflösende Sensor (10) von 1D1 nicht als "Aufnahmeeinheit" im Sinne des Anspruchs 1 geeignet, weil die absolute Position der Geberwelle stets durch die Kombination des hoch- und des niedrigauflösenden Sensors (10, 20) generiert werden würde.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, weil Anspruch 1 keine Merkmale der "Aufnahmeeinheit" und der "Umdrehungsmessvorrichtung" beinhaltet, die eine präzise, strukturelle Abgrenzung zwischen der Einheit und der Vorrichtung definieren würde. Die Kammer schließt sich dem Argument der Einsprechenden an, dass auf Grund der im Wesentlichen funktionalen Beschreibung der "Aufnahmeeinheit" und der "Umdrehungsmessvorrichtung" die Körperlichkeit der "Aufnahmeeinheit" und die Körperlichkeit der "Umdrehungsmessvorrichtung" sich überschneiden (z.B. dient das als Permanentmagnet ausgebildete Betätigungselement beiden Funktionsbereichen) und dass eine gewisse Vereinigung der Funktionen der "Aufnahmeeinheit" und der "Umdrehungsmessvorrichtung" nicht durch den Wortlaut des Anspruchs ausgeschlossen ist. Die vermeintliche Neuheit der beanspruchten Winkelmessvorrichtung basiert auf einer engen Auslegung der Begriffe "Aufnahmeeinheit", "Umdrehungsmessvorrichtung" und "absolute Position" durch die Patentinhaberin. Eine solche enge Auslegung ist jedoch nicht durch einen entsprechenden Wortlaut des Anspruchs 1 gestützt. Daher ist die Kammer der Meinung, dass die Vorrichtung von 1D1 unter den Wortlaut von Anspruch 1 fällt (siehe oben Punkt 1.11.1 ).

Schlussfolgernd stellt die Kammer fest, dass die Gegenargumente der Patentinhaberin zugunsten der Neuheit der beanspruchten Winkelmessvorrichtung nicht überzeugend sind (Artikel 54(1) EPÜ 1973)

2. Hilfsantrag 1' - Neuheit

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1' unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags nur durch das Hinzufügen des Wortes "ein" im Merkmal "das Betätigungselement (2) als ein Permanentmagnet (2) ausgebildet ist". Dieses geänderte Merkmal ist nicht neu gegenüber dem aus 1D1 bekannten Drehgeber gemäß der Ausführungsform a), bei der ein einziger Permanentmagnet auf der Maßverkörperung (3) vorhanden ist.

Daher wird die beanspruchte Winkelmessvorrichtung aus den gleichen Gründen wie die Winkelmessvorrichtung des Anspruchs 1 des Hauptantrags durch den aus 1D1 bekannten Drehgeber gemäß der Ausführungsform a) vorweggenommen (siehe oben Punkt 1.1. ).

3. Hilfsantrag 1 - Neuheit

3.1 Die Druckschrift 1D1 (EP 0836072) offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags (siehe oben Punkt 1.1. )

Darüber hinaus offenbart die Druckschrift 1D1 Reed-Relais (25.1, 25.2), die in Abhängigkeit des drehbaren, auf der Maßverkörperung (3) angebrachten Permanentmagneten, geöffnet bzw. geschlossen werden. Siehe z.B. Seite 4, Zeilen 28 bis 34 und Zeilen 52 bis 55.

Wie bereits oben im Punkt 1.11.1 erläutert, stellt die Kammer weiterhin fest, dass der einzige Permanentmagnet, der in der Ausführungsform a) des Drehgebers von 1D1 auf der Maßverkörperung (3) angeordnet ist und zur Einheit des hoch- und niedrigauflösenden Sensors (10, 20) gehört, sowohl der Erfassung der Position der Geberwelle innerhalb einer Umdrehung (Singleturn-Abtastung) als auch der Erfassung der Position der Geberwelle innerhalb mehrerer Umdrehungen (Multiturn-Abtastung) dient. Siehe z.B. Seite 2, Zeilen 34 bis 41, im Zusammenhang mit Seite 4, Zeilen 31 bis 33.

Folglich wird die beanspruchte Winkelmessvorrichtung durch die Offenbarung von 1D1 vorweggenommen (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

3.2 Für die Patentinhaberin bedeutet das Merkmal bezüglich Singleturn- und Multiturn-Abtastung, dass der Permanentmagnet sowohl zur Erfassung der genauen absoluten Position der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° (= Singleturn-Abtastung) als auch zur separaten Erfassung der Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle (= Multiturn-Abtastung) dient. In 1D1 gebe es keine separate Singleturn-Abtastung im Sinne einer eindeutigen Kodierung der Welle zwischen 0° und 360°. Der hochauflösende Sensor (10) in 1D1 liefere zweideutige Signale (Seite 4, Zeilen 54 und 55), anhand welcher sich die Winkellage nicht absolut bestimmen lasse (Seite 2, Zeilen 36 und 37). Insbesondere offenbare das Beispiel in Figur 4 von 1D1, Seite 5, Zeilen 15 und 16, Signale des hochauflösenden Sensors (10) mit denen sich die Winkellage der Geberwelle nur modulo 180° bestimmen lasse und nicht, wie im Anspruch 1 gefordert, im Bereich von 0° bis 360°.

Die Kammer teilt diese Ansicht des Patentinhabers nicht, weil Anspruch 1 keine konkret getrennten, separaten Singleturn- und Multiturn-Abtastungen definiert. Auch schließt der Wortlaut des Anspruchs 1 nicht aus, dass die anhand des Permanentmagneten erzeugten Signale erst im Zusammenspiel eines hoch- und eines niedrigauflösenden Sensors eine Winkellage absolut bestimmen lassen.

4. Hilfsantrag 2 - Neuheit

4.1 Die Druckschrift 1D1 (EP 0836072) offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 (siehe oben Punkt 3.3. )

Darüber hinaus offenbart 1D1 die folgenden Merkmale:

- die Aufnahmeeinheit (3, 5) ist so ausgelegt, dass die Messgrößen den Verlauf einer trigonometrischen Funktion aufweisen [siehe 1D1, Seite 5, Zeilen 15 bis 16 und Figur 4: der hochauflösende Sensor (10) liefert Sinus- und Cosinussignale],

- wobei jede Messgröße eine Periode pro vollständiger Umdrehung der Geberwelle aufweist [Figur 4: der hochauflösende Sensor (10) liefert während einer einzigen, kompletten Umdrehung der Geberwelle ein Signal mit zwei Sinus- bzw. Cosinusperioden; diese doppelten Sinus- bzw. Cosinusperioden stellen jedoch auch eine "Periode" im Sinne des Anspruchs 1 dar],

- der einzige Permanentmagnet, der in der Ausführungsform a) des Drehgebers von 1D1 auf der Maßverkörperung (3) angeordnet ist, weist einen einzigen Nord- und einen einzigen Südpol auf [Fachwissen].

Folglich wird die beanspruchte Winkelmessvorrichtung durch die Offenbarung von 1D1 vorweggenommen (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

4.2 Die Patentinhaberin argumentiert, dass der Fachmann unter dem Begriff "eine Periode" eine einzige, und nicht eine doppelte, Periode verstehe. Sie verweist auf 1D1, Seite 4, Zeilen 47 und 48, im Zusammenhang mit Figur 4, wo offenbart sei, dass der hochauflösende Sensor "ein Sinussignal und ein Cosinussignal mit einer Periode von je 180°" liefere.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, weil der Wortlaut des Anspruchs keine entsprechende Einschränkung des Begriffs "eine Periode" beinhaltet.

5. Hilfsantrag 3

5.1 Zulässigkeit

Eine Einsprechende erhob den Einwand, dass es keinen Grund gebe, ein aus der Beschreibung stammendes neu hinzugefügtes Merkmal erst im Beschwerdeverfahren in den Anspruch 1 aufzunehmen. Auch würde das geänderte Merkmal eines Kreuz-Hall-Sensors den beanspruchten Gegenstand nicht in die gleiche Richtung einschränken wie die höherrangigen Anträge, deren Änderungsschwerpunkt auf einem Betätigungselement liege, das aus einem einzigen Permanentmagneten bestehe, sondern würde der Kreuz-Hall-Sensor einen neuen, divergierenden technischen Effekt definieren. Deshalb wäre der Hilfsantrag 3 aufgrund des Artikels 12(4) VOBK nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Die Kammer teilt jedoch die Meinung der Patentinhaberin, dass das neu hinzugefügte Merkmal teilweise im erteilten Anspruch 4 enthalten war, dass der vorliegende Anspruch 1 eine Einschränkung des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 darstellt, dass es sich um einen verständlichen Versuch handelt, den bestehenden Einwand fehlender Neuheit zu überwinden (die Kammer teilt die Ansicht der Patentinhaberin, dass ein Kreuz-Hall-Sensor, der vier Sinussignale erzeugt, ein wesentlicher Aspekt der vorliegenden Erfindung sei), und der Hilfsantrag 3 wurde gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

Aus diesen Gründen lässt die Kammer den Hilfsantrag 3 in das Verfahren zu (Artikel 12(4) VOBK).

5.2 Änderungen

5.2.1 Der geänderte Anspruch 1 erfüllt die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ.

5.2.2 Die Einsprechenden erhoben Einwände nach Artikel 123(2) EPÜ gegen folgende Merkmale:

a) "dadurch gekennzeichnet, dass das Betätigungselement ... zur Erfassung der Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen ... dient ...":

Dieses Merkmal sei so zu verstehen, dass das Betätigungselement geeignet sei, die Anzahl der vollständig durchlaufenen Umdrehungen selber zu erfassen. Die ursprüngliche Anmeldung offenbare aber nur, dass das Betätigungselement zur Erfassung verwendet werde.

Die Kammer weist diesen Einwand zurück, weil dieses Merkmal nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung, Seite 9, Zeilen 6 bis 11, hinausgeht: Die Begriffe "dient" (im Anspruch 1) und "verwendet wird" (in der ursprünglichen Anmeldung) sind inhaltlich gleichwertig.

b) "... der Permanentmagnet sowohl zur Singleturn- als auch zur Multiturn-Abtastung verwendet wird ..."

Die von der Patentinhaberin als Basis angegebene Textpassage in der ursprünglichen Anmeldung, Seite 14, Zeilen 30 bis 32, offenbare lediglich "ein drehendes Teil [das] sowohl zur Singleturn- als auch zur Multiturn-Abtastung verwendet" werde, jedoch nicht, dass dieses "drehende Teil", wie beansprucht, ein Permanentmagnet sei. Diese zusätzliche Information sei zwar eventuell in der Textpassage auf Seite 14, Zeilen 10 bis 29, offenbart, jedoch bestünde dann eine Zwischenverallgemeinerung, weil Anspruch 1 nicht alle wesentlichen Merkmale beinhalte, die auf Seite 14, Zeilen 10 bis 29 in Kombination mit dem Permanentmagneten offenbart würden. Insbesondere würden im Anspruch 1 die Merkmale fehlen, dass die Winkelmessvorrichtung "innerhalb einer Umdrehung der Geberwelle für jeden Messschritt eine eindeutige kodierte Information ausgibt", dass "die Dateninformation auch nach einem Spannungsausfall erhalten" bleibt und dass "mittels dem Permanentmagnet ein Schaltelement derart geschaltet [wird], dass dies [...] mittels einem Zähler ein Signal zur Erfassung der Anzahl vollständiger Umdrehungen der Geberwelle erzeugt".

Die Kammer teilt diese Ansicht der Einsprechenden nicht, weil einerseits auf Seite 14, Zeilen 30 bis 32, eindeutig offenbart ist, dass "ein drehendes Teil sowohl zur Singleturn- als auch zur Multiturn-Abtastung verwendet" wird und, andererseits, auf Seite 14, Zeilen 10 bis 29, eindeutig offenbart ist, dass dieses "drehende Teil" ein Permanentmagnet ist. Das allgemeine, auf Seite 14, Zeilen 30 bis 32, offenbarte Merkmal wurde also zusätzlich eingeschränkt durch das auf Seite 14 , Zeile 22, erwähnte, spezifische Merkmal eines Permanentmagneten. Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Einschränkung des Anspruchs 1 keine zusätzlichen Informationen vermittelt, die über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinausgehen. Das Weglassen der übrigen, auf Seite 14, Zeilen 10 bis 29, offenbarten Merkmale würde nur dann neue Informationen hinzufügen, wenn diese weggelassenen Merkmale für die beanspruchte Ausführungsform der Erfindung zusätzlich zu den bereits vorhandenen Merkmalen des Anspruchs 1 notwendig wären (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage, 2013, II.E.1.2, Seite 431; T 461/05). Eine solche Notwendigkeit der vermeintlich fehlenden Merkmale im Anspruch 1 sieht die Kammer jedoch nicht. Die Einsprechenden haben auch keine diesbezüglichen Argumente vorgebracht. Daher weist die Kammer den Einwand, dass die Änderung aufgrund einer Zwischenverallgemeinerung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe, zurück.

c) Einwand gegen die Kombination der beiden Merkmale "die Messgrößen den Verlauf einer trigonometrischen Funktion aufweisen" und "wobei jede Messgröße eine Periode pro vollständiger Umdrehung der Geberwelle aufweist"

Die Kammer kann diesen Einwand nicht nachvollziehen. Das erste dieser Merkmale ist allgemein und eindeutig im Anspruch 2, sowie auf Seite 3, Zeilen 1 bis 3, der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart. Das zweite Merkmal ist als eine besondere Ausführung dieses ersten Merkmals eindeutig auf Seite 4, Zeilen 20 bis 22, offenbart.

d) "... dass der Permanentmagnet einen einzigen Nord- und einen einzigen Südpol aufweist."

Die Einsprechenden waren der Auffassung, dass dieses Merkmal nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart sei. Insbesondere offenbare die Textpassage auf Seite 4, Zeilen 22 bis 27, "beispielsweise kann (...) ein Permanentmagnet mit einem Nord- und einem Südpol verwendet werden", nicht ausdrücklich, dass mehrere Permanentmagnete oder ein Permanentmagnet mit mehreren Nord- und Südpolen ausgeschlossen seien. Die Wörter "ein" / "einem" würden als unbestimmte Artikel und nicht als Zahlwörter verwendet.

Die Patentinhaberin verweist auf Seite 4, Zeilen 22 bis 27, wo "ein Permanentmagnet mit einem Nord- und einem Südpol" offenbart sei, und auf Seite 4, Zeilen 28 bis 30, wo es heißt: "Es ist auch denkbar, dass beispielsweise ein Permanentmagnet mit zwei, drei oder mehr Nordpole bzw. Südpole verwendet werden kann". Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin, dass die Aussage in der zweiten Textpassage, Zeilen 28 bis 30, als Alternative zu der Aussage in der ersten Textpassage zu verstehen sei. Daher ist die Kammer davon überzeugt, dass das beanstandete Merkmal aus der zusammenhängenden Betrachtung beider Textpassagen eindeutig hervorgeht.

5.2.3 Die Einwände der Einsprechenden, dass der geänderte Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, überzeugen die Kammer daher nicht. Insbesondere erklärten die Einsprechenden auf ausdrückliche Frage des Vorsitzenden während der mündlichen Verhandlung, dass sie keine Einwände nach Artikel 123(2) EPÜ gegen das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hinzugefügte Merkmal bezüglich des Kreuz-Hall-Sensors erhöben bzw. aufrecht erhielten. Die Kammer erkennt ebenfalls keine Änderungen im Anspruch 1, die über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehen würden.

Infolgedessen steht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 mit Artikel 123(2) EPÜ in Einklang.

5.3 Klarheit

Anspruch 1 ist klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ 1973.

5.3.1 Die Einsprechenden erheben verschiedene Klarheitseinwände. Insbesondere seien die Formulierungen "geöffnet bzw. geschlossen" und "Singleturn- und Multiturn-Abtastung" unklar. Auch sei das Merkmal der "Singleturn- und Multiturn-Abtastung" unklar, weil es die Formulierung, die am Anfang des Anspruchs 1 steht: "... zur Erfassung der genauen absoluten Position einer Geberwelle während einer vollständigen Umdrehung der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° und zur Erfassung der Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle ..." wiederhole. Darüber hinaus sei unklar, welches strukturelle Merkmal der Winkelmessvorrichtung mit der Verwendung des Permanentmagneten zur Singleturn- und Multiturn-Abtastung definiert würde.

5.3.2 Die Patentinhaberin stellt überzeugend dar, dass der Anspruch 1 klar ist. Insbesondere erklärt die Patentinhaberin, dass der Begriff "Singleturn-Abtastung" die Erfassung der Drehwinkelposition innerhalb einer Umdrehung und der Begriff "Multiturn-Abtastung" die Erfassung der Anzahl vollständiger Umdrehungen bedeute. Dies stehe im Einklang mit der Beschreibung, Seite 14, Zeilen 10 bis 15 und Zeilen 19 bis 26. Es liege auch keine Wiederholung von Merkmalen vor: Die Information, dass der Permanentmagnet zur Singleturn- und Multiturn-Abtastung verwendet werde, fehle in der Anfangsformulierung des Anspruchs 1. Weiterhin sei für den Fachmann klar, dass die Verwendung des Permanentmagneten zur Singleturn- und Multiturn-Abtastung impliziere, dass die strukturellen Merkmale des Permanentmagneten so auszuwählen seien, dass der Permanentmagnet, im Zusammenspiel mit der Aufnahmeeinheit und der Umdrehungsmessvorrichtung, die Position der Geberwelle in einem Winkelintervall von 0° bis 360° und die Anzahl der Umdrehungen der Geberwelle erfasse.

5.3.3 Die Kammer weist daher die Klarheitseinwände der Einsprechenden zurück. Die Kammer erkennt auch keine weiteren Unklarheiten im Anspruch 1. Infolgedessen steht Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 in Einklang mit Artikel 84 EPÜ 1973.

5.4 Neuheit

Die Druckschrift 1D1 (EP 0836072) offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 (siehe oben Punkt 4.4. ).

5.4.1 Die Einsprechenden argumentieren, dass das im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hinzugefügte Merkmal auch in 1D1 offenbart sei. Die Druckschrift 1D1 nehme die Neuheit der beanspruchten Winkelmessvorrichtung vorweg, weil Hall-Element-Sensoren in 1D1, Seite 3, Zeile 12, ausdrücklich erwähnt würden und der Fachmann die Offenbarung eines Drehgebers mit mehr als einem magnetoresistiven Wandler (1D1, Seite 4, Zeilen 13 bis 14) als Hinweis auf einen Kreuz-Hall-Sensoren interpretiere.

5.4.2 Die Kammer ist überzeugt, dass der Fachmann den Hinweis in 1D1 von "mehr als einem magnetoresistiven Wandler" nicht als Synonym für einen Kreuz-Hall-Sensor lesen würde. Das Merkmal "Kreuz-Hall-Sensor" definiert Eigenschaften bezüglich Anzahl und Anordnung der Hall-Elemente, die in 1D1 nicht angesprochen werden. Deshalb ist in 1D1 keine explizite oder implizite Offenbarung eines Kreuz-Hall-Sensors, der vier sinusförmige Messgrössen erzeugt, vorhanden.

5.4.3 Auf Frage des Vorsitzenden erklärten die Einsprechenden, dass sie keine Neuheitseinwände anhand weiterer Druckschriften gegenüber des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 vorbringen.

5.4.4 Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber dem vorliegendem Stand der Technik ist (Artikel 54(1) EPÜ 1973).

6. Zurückverweisung an die erste Instanz

6.1 Die von der Patentinhaberin eingereichten Änderungen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 überwinden die Einwände fehlender Neuheit, die zum Widerruf des Patents durch die Einspruchsabteilung geführt hatten. Die angegriffene Entscheidung muss daher aufgehoben werden.

6.2 Die Kammer ist zum Schluss gekommen, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und der Artikel 84 und 54(1) EPÜ 1973 gegenüber dem vorliegendem Stand der Technik erfüllt. Siehe oben, Punkt 5.

6.3 Die Kammer stellt weiterhin folgende Punkte fest:

- Der vorliegende Anspruch 1 enthält wesentliche Änderungen im Vergleich zum Anspruch 1, der den in der ersten Instanz besprochenen Anträgen zu Grunde lag.

- Einerseits fand in dem bisherigen Verfahrensverlauf kein umfassender Austausch der Argumente betreffend Artikel 56 EPÜ 1973 statt. Andererseits haben die Einsprechenden im schriftlichen Verfahren eine hohe Anzahl von unterschiedlichen Argumentationslinien, ausgehend von unterschiedlichen, als "nächstliegend" bezeichneten Druckschriften umrissen.

- Einerseits beantragt die Patentinhaberin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz, andererseits beantragen die Einsprechenden, den Antrag der Patentinhaberin auf Zurückverweisung abzulehnen.

6.4 Nach Aufforderung der Kammer trugen die Einsprechenden knapp und in groben Zügen die wesentlichen Gründe der vermeintlich fehlenden erfinderischen Tätigkeit betreffend die beanspruchte Winkelmessvorrichtung vor. Nach Abwägung der von den Einsprechenden und der Patentinhaberin vorgetragenen Gründe kam die Kammer zum Schluss, dass die Komplexität der neu aufgeworfenen Fragen einer ausreichend sorgfältigen Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit im vorliegenden Beschwerdeverfahren im Weg steht.

6.5 Da der vorliegende Sachverhalt sich demnach im Vergleich zu demjenigen, auf Grundlage dessen die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung traf, grundsätzlich verändert hat, übt die Kammer das ihr von Artikel 111 (1) EPÜ 1973 eingeräumte Ermessen dahingehend aus, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

6.6 Um Zweifel zu vermeiden, möchte die Kammer betonen, dass sie mit der vorliegenden Entscheidung lediglich die ausreichende Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung für die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 vorgenommenen Änderungen, die Klarheit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 und die Neuheit der beanspruchten Winkelmessvorrichtung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 im Lichte des vorliegenden Stands der Technik bejaht hat (Artikel 123(2) EPÜ, sowie Artikel 84 und 54(1) EPÜ 1973).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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