T 0449/12 () of 3.2.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T044912.20170203
Datum der Entscheidung: 03 Februar 2017
Aktenzeichen: T 0449/12
Anmeldenummer: 06112163.8
IPC-Klasse: B29C 59/04
B32B 17/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von geprägten Folien auf Basis von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol
Name des Anmelders: Kuraray Europe GmbH
Name des Einsprechenden: Solutia Inc.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde eingelegt gegen die am 23. Dezember 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent 1 842 653 zurückzuweisen.

II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit einem Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973) begründet worden.

III. Am 3. Februar 2017 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. In dieser Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: US 6 093 471;

D10: "Comparative Resistance of Rubber Materials to Chemical/Environmental Exposures", Stockwell Elastomerics, Inc.;

D12: Jablonowski, Thomas L.: "Compounding requirements and techniques for rubber covered rolls", Rubber World, July 1989;

D13: Erklärung von Vincent J. Yacovone vom 1. Mai 2012 hinsichtlich am 14. Februar 2012 durchgeführter Vergleichsversuche;

D14: Erklärung von Vincent J. Yacovone vom 1. Mai 2012 hinsichtlich der Simulation des Wärmeübergangs zwischen den Walzen;

D15 und D16: Erklärungen von Vincent J. Yacovone vom 25. Februar 2014 hinsichtlich weiterer durchgeführter Vergleichsversuche;

D17, D18 und D19: Grundlagen für die Berechnungen des Wärmeübergangs;

D20: Präsentation von Eastman "Heat transfer ("HT") Summary of COMSOL Results" betreffend die Ergebnisse weiterer Berechnungen des Wärmeübergangs.

VII. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 lautet folgendermaßen:

"Verfahren zum Prägen einer Folie auf Basis von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol mit Rauhigkeiten der Oberflächen von jeweils unabhängig Rz = 20 bis 100 mym, durch die Verfahrensschritte

a. Bereitstellen einer Folie auf Basis von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol mit einer Rauhigkeit der Oberflächen von Rz = 1 bis 70 mym

b. Prägen einer ersten Oberfläche der Folie aus a) zwischen einer entsprechend aufgerauten Prägewalze einer Temperatur von 80 bis 170 °C und einer Anpresswalze einer Temperatur von 0 bis 60 °C unter Erhalt einer Folie mit einer Rauhigkeit der geprägten Oberfläche von Rz = 20 bis 100 mym und

c. Prägen der zweiten Oberfläche der Folie aus b) zwischen einer entsprechend aufgerauten Prägewalze einer Temperatur von 80 bis 170 °C und einer Anpresswalze einer Temperatur von 0 bis 60 °C unter Erhalt einer Folie mit einer Rauhigkeit der geprägten Oberfläche von Rz = 20 bis 100 mym, wobei die Anpresswalzen beider Prägestufen eine gleiche oder unterschiedliche Shore-A Härte von 50 - 80 aufweisen."

VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Erfinderische Tätigkeit, Unterscheidungsmerkmale im Anspruch 1

Das Dokument D1, insbesondere das Vergleichsbeispiel C1, komme dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 am nächsten. Dort fehle es an einer Offenbarung nicht nur der Shore-A Härte der Anpresswalzen beider Prägestufen, sondern auch des Merkmals, dass die Anpresswalzen eine Temperatur von 0 bis 60 °C aufwiesen. Bezüglich des letztgenannten Unterscheidungsmerkmals würden nun Vergleichsversuche (vgl. Dokumente D13, D15 und D16) und theoretische Berechnungen (vgl. Dokumente D14 und D17 bis D20) vorgelegt, die belegten, dass die Temperatur der Anpresswalze im Vergleichs­beispiel C1 von Dokument D1 unweigerlich unter 60 °C liege. Auch wenn sich die Versuchsbedingungen des Vergleichsversuchs nach Dokument D16 bezüglich des Liniendrucks von jenen des Beispiels C1 nach dem Dokument D1 unterschieden (90 psi im Vergleichsversuch, 120 psi im Dokument D1), müsse die Anpresswalze auch bei dem im Dokument D1 genannten Liniendruck von 120 psi eine Temperatur unterhalb der beanspruchten 60 °C aufweisen. Dass der Liniendruck einen geringen Einfluss auf die Anpresswalzentemperatur habe, ergebe ein Vergleich der Dokumente D15 und D16: Im Dokument D15 betrage die Anpresswalzen­temperatur bei einem Liniendruck von 60 psi 28,3 °C bis 30,6 °C; im Dokument D16 führe ein deutlich höherer Liniendruck von 90 psi zu einer nur unwesentlichen Steigerung der Anpresswalzen­temperatur auf 32,2 °C bis 33,9 °C. Auch die theoretischen Berechnungen bestätigten, dass die zwischen Präge- und Anpresswalze befindliche Kunststofffolie wärmeisolierend wirke und sogar bei einer unrealistisch langen Kontaktzeit von 3 oder 5 Sekunden (realistisch wären vielmehr 0,57 bis 1,21 Sekunden) kein nennenswerter Wärmeübergang zwischen den beiden Walzen erfolge (vgl. Dokumente D14 und D20). Zudem sei zu beachten, dass die Folie nach dem Dokument D1 vor dem Prägen auf 13 °C abgekühlt werde, um sie überhaupt handhaben zu können. Insofern könne man ausschließen, dass die Folie während des Prägevorgangs eine Temperatur von deutlich über 60 °C aufweise, was einen Wärmeübergang erst möglich machen würde, zumal keine anderen Wärmequellen vorhanden seien. Auch eine nennenswerte Übertragung im Randbereich des Walzenspalts außerhalb der Folienbreite sei auszuschließen, da dieser in dem praxisnahen Vergleichsbeispiel des Dokuments D1 relativ klein sei, um stabile Temperaturverhältnisse zu gewährleisten. Damit sei zwangsläufig davon auszugehen, dass die Temperatur der Anpresswalzen im Vergleichsbeispiel C1 des Dokuments D1 auch ohne aktive Kühlung der Anpresswalze unter den im Streitpatent beanspruchten 60 °C liege, weshalb dieses streitige Merkmal für einen fachkundigen Leser bei objektiver Betrachtung implizit im Dokument D1 offenbart sei.

Erfinderische Tätigkeit, Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1

Jedoch beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auch für den Fall, dass die beiden Merkmalen der Shore-A Härte der Anpresswalzen von 50 bis 80 und der Anpresswalzentemperatur von 0 bis 60 °C als nicht in der Druckschrift D1 offenbart angesehen würden, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es fehle ihm an einem technischen Effekt. Da sich der Anspruchsgegenstand im Schließen einer Informationslücke hinsichtlich der Härte und Temperatur der Anpresswalzen erschöpfe, sei die Aufgabe darin zu sehen, geeignete Wertebereiche für diese bekannten Parameter zu wählen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Temperatur der Polyvinylalkoholfolie beim Prägen ohnehin nicht über ca. 60 °C hinausgehen dürfe, da sie sonst an der Walze kleben bleibe und das Verfahren nicht störungsfrei durchgeführt werden könne. Insofern sei es sehr wahrscheinlich, dass auch die Anpresswalzentemperatur beim Nacharbeiten des Vergleichsbeispiels C1 im Dokument D1 in dieser Größenordnung läge. Für die Auswahl einer geeigneten Anpresswalzenhärte müsse sich ein Fachmann zwischen den beiden problematischen Extremen einer zu weichen Walze, die nicht genügend Prägedruck aufbringe, und der zu harten Walze, die eine zu geringe Auflagefläche zur Folge habe, bewegen. Dies sei dem Fachmann jedoch geläufig. Für keinen der beiden streitigen Parameterbereiche sei ein technischer Effekt ersichtlich, der über das von einem Fachmann Erwartbare hinausgehe. Eine alternative oder verbesserte Verfahrensgestaltung liege nicht vor. Folglich beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Erfinderische Tätigkeit, Unterscheidungsmerkmale im Anspruch 1

Das Merkmal, dass die Anpresswalzen eine Temperatur von 0 bis 60 °C aufwiesen, könne im Dokument D1 schon deshalb nicht verwirklicht sein, weil die Temperatur der Anpresswalzen bei ausgeschalteter Kühlung nicht im beanspruchten Temperaturbereich bleibe und die Kunststofffolie an der Anpresswalze klebe, wie eigene (nicht vorgelegte) Versuche gezeigt hätten. Dementsprechend wäre das beanspruchte Verfahren ohne aktive Kühlung gar nicht funktionsfähig. Dies sei durch das Dokument D13 (vgl. Seite 2) belegt, wo im Randbereich der Walzen außerhalb der Folie eine direkte Temperaturübertragung zwischen den Walzen erfolge, was ohne aktive Walzenkühlung eine Erwärmung der Anpresswalzen auf 136 °C bis 152 °C zur Folge habe. Da es im Dokument D1 im Unterschied zum Streitpatent (vgl. Absatz [0026]) aber an einer solchen Kühlung fehle, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Temperatur der dortigen Anpresswalze in dem vorliegend beanspruchten Temperaturbereich liege. Auch seien die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin kaum aussagekräftig, da sie im Vergleich mit dem Vergleichsbeispiel C1 des Dokuments D1 unter verschiedenen Versuchsbedingungen hinsichtlich des Walzendurchmessers und des Anpressdrucks durchgeführt worden seien. Die theoretischen Berechnungen des Wärmeübergangs erforderten komplizierte Überlegungen, die gegen eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Anpresswalzentemperatur im Dokument D1 sprächen. Folglich fehle es im Dokument D1 an einer klaren Offenbarung nicht nur der Shore-A Härte der Anpresswalzen beider Prägestufen, sondern auch der Anpresswalzentemperatur von 0 bis 60 °C.

Erfinderische Tätigkeit, Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1

Schon die Tatsache, dass das Verfahren nach dem Streitpatent stabil laufe sei als technischer Effekt zu werten. Alternativ könne der technische Effekt in einer Optimierung des Verfahrens oder im Bereitstellen einer Verfahrensalternative gesehen werden. Da keiner der beiden streitigen Parameter im Stand der Technik offenbart sei, sei nicht ersichtlich, warum diese für einen Fachmann nahegelegt sein sollten. Insgesamt beruhe der Vortrag der Beschwerdeführerin auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit, Unterscheidungsmerkmale im Anspruch 1

1.1 Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass das Dokument D1, insbesondere das dortige Vergleichsbeispiel C1, dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 am nächsten kommt.

Streitig ist jedoch unter anderem, ob das

Merkmal M1, wonach die Anpresswalzen eine Temperatur von 0 bis 60 °C aufweisen,

im Vergleichsbeispiel von Dokument D1 implizit offenbart ist.

1.2 In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass im Vergleichsbeispiel C1 von Dokument D1 zwar für die Prägewalze eine Temperatur von 163 °C genannt ist, die Temperatur der Anpresswalze aber nicht explizit thematisiert wird. Die im Beschwerdeverfahren von der die Beschwerdeführerin vorlegten Vergleichsversuche (vgl. Dokumente D13, D15 und D16) und theoretischen Berechnungen (vgl. Dokumente D14 und D17 bis D20) sollen belegen, dass die Temperatur der Anpresswalze im Vergleichs­beispiel von Dokument D1 zwingend unter 60 °C liegen muss und das Anspruchsmerkmal M1 damit als implizit offenbart anzusehen ist.

1.3 Zu den Vergleichsversuchen sei zunächst angemerkt, dass kein Versuch unter exakt den gleichen Bedingungen (Prägewalzentemperatur, Liniengeschwindigkeit, Anpressdruck, Walzendurchmesser) durchgeführt wurde wie das Vergleichsbeispiel C1 nach dem Dokument D1. Im Experiment nach Dokument D16, das dem Vergleichsbeispiel C1 aus dem Dokument D1 insofern an nächsten kommt, als sich die Versuchsbedingungen bezüglich des Anpressdrucks am wenigsten unterscheiden (90 psi im Vergleichsversuch, 120 psi im Dokument D1), zeigt die Anpresswalze bei einer Liniengeschwindigkeit von 10 fpm eine Temperatur von 32,2 °C bis 33,9 °C.

Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. Rechtsprechung der Beschwerkammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, 2016, I.C.4.3.) verlangt, dass eine angebliche Offenbarung nur dann als "implizit" angesehen werden kann, wenn für den Fachmann sofort erkennbar ist, dass nichts anderes als das angebliche implizite Merkmal Teil des offenbarten Gegenstands war. Dieses Kriterium ist vorliegend nicht erfüllt, beruhen die Schlussfolgerungen der Beschwerdeführerin doch auf den Annahmen, dass man von der Temperaturerhöhung aufgrund einer Erhöhung des Liniendrucks von 60 auf 90 psi ohne weiteres auf die Temperatur­verhältnisse bei 120 psi schließen kann, dass die (statischen) Modellrechnungen den realen Prägeprozess mit rotierenden Walzen nach dem Vergleichsbeispiel C1 des Dokuments D1 wirklichkeitsgetreu abbilden und dass die Temperaturverhältnisse über die gesamte Länge des Walzenspalts bis in den Randbereich hinein im Wesentlichen konstant sind. Auch wenn es auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin wahrscheinlich ist, dass die Anpresswalzentemperatur in dem (ausführbaren) Vergleichsbeispiel C1 zumindest im Bereich der Folie tatsächlich unter 60 °C ist, liegt unter den gegebenen Umständen keine im Sinne der Rechtsprechung eindeutige, wenn auch implizite Offenbarung des Merkmals M1 im Dokument D1 vor.

1.4 Unstreitig zwischen Parteien ist, dass das

Merkmal M2, wonach die Anpresswalzen beider Prägestufen eine gleiche oder unterschiedliche Shore-A Härte von 50 bis 80 aufweisen,

nicht im Dokument D1 offenbart ist. Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 vom Vergleichsbeispiel C1 im Dokument D1 in den oben genannten Merkmale M1 und M2.

2. Erfinderische Tätigkeit, Naheliegen des Gegenstands von Anspruch 1

2.1 Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin sieht den auf den Unterscheidungsmerkmalen beruhenden technischen Effekt wahlweise darin, dass das Verfahren nach dem Streitpatent stabil laufe, dass das Verfahren optimiert werde oder dass eine Verfahrensalternative bereitgestellt werde.

Dazu bemerkt die Kammer, dass das Streitpatent selbst für keines der Merkmale M1 oder M2 eine technische Wirkung nennt. Auch werden dort im Beispiel und Vergleichsbeispiel Anpresswalzen aus Gummi und Stahl verglichen, was keine Aussage über die mit den anspruchsgemäßen Unterscheidungsmerkmale M1 und M2 erreichbaren Vorteile im Hinblick auf das nächstkommende Dokument D1, das Anpresswalzen aus Gummi ungenannter Härte zeigt, zulässt. Ebenso wenig lässt sich aus dem Streitpatent oder dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin vor der Beschwerdekammer ableiten, inwiefern das nun beanspruchte Verfahren im Hinblick auf das aus dem nächstkommenden Stand der Technik bekannte Verfahren verändert oder verbessert ist, insbesondere hinsichtlich der behaupteten Verfahrensstabilität. Somit kann die Kammer dem Anspruchsgegenstand keine technische Wirkung zusprechen. Die objektive technische Aufgabe kann folglich in Anlehnung an den Vortrag der Beschwerdeführerin darin gesehen werden, geeignete Werte für die bekannten Parameter der Härte und der Temperatur der Anpresswalzen zu wählen.

2.2 Zur beanspruchten Lösung ist zunächst festzustellen, dass es für einen Fachmann keiner erfinderischen Leistung bedarf, um aus dem bei den üblicherweise für Walzenbeschichtungen verwendeten Materialien (Kautschuk, NBR, EPDM; vgl. Einführung im Dokument D12) auftretenden Shore-A Härten zwischen 30 und 90 (vgl. Dokument D10) den beanspruchten Härtebereich von 50 bis 80 auszuwählen, zumal dieser immer noch relativ breit ist und nicht mit einer unerwarteten Wirkung verbunden ist. Vielmehr stellt der beanspruchte Härtebereich der Anpresswalze einen naheliegenden Kompromiss zwischen einer zu weichen Walze, die nicht genügend Prägedruck aufbringt, und einer zu harten Walze, die eine zu geringe Auflagefläche zur Folge hat, dar. Insofern liegt dem mit dem Merkmal M2 beanspruchten Härtebereich für sich genommen keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

2.3 Bezüglich des weiteren, die Anpresswalzentemperatur betreffenden Merkmals M1 ist zu berücksichtigen, dass die Klebrigkeit der zu verarbeitenden Polyvinylalkoholfolie bekanntermaßen temperaturabhängig ist (vgl. auch Dokument D1, Spalte 1, Zeilen 23 bis 27), die zu prägende Folie wird den Walzen in dem Verfahren nach Dokument D1 daher in gekühltem Zustand zugeführt. Aus diesem Grund erachtet die Beschwerdegegnerin darüber hinaus eine aktive Kühlung der Anpresswalzen für unerlässlich, um ein Kleben der Kunststofffolie an der Anpresswalze zu verhindern, und das Prägeverfahren nach Dokument D1 überhaupt durchführen zu können. Die vorliegende Lösung stellt also keine Abkehr von einer früheren Lehre dar, sondern bewegt sich, was die Anpresswalzentemperatur angeht, im üblichen, materialbedingten Rahmen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der oben erörterten Modellrechnungen und Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin musste der Fachmann ausgehend vom Vergleichsbeispiel C1 im Dokument D1 nicht erfinderisch tätig werden, um eine Anpresswalzentemperatur zwischen 0 und 60 °C nach dem Merkmal M1 ins Auge zu fassen.

2.4 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Unterscheidungsmerkmale M1 und M2 jeweils die Spezifikation von Werten für bekannte Parameter betreffen, die im Rahmen des Üblichen liegen. Zudem sind für die beiden streitigen Wertebereiche, weder jeweils für sich genommen noch in Kombination, überraschende Effekte, die über das von einem Fachmann Erwartbare hinausgehen, aus dem Streitpatent ersichtlich oder im Beschwerdeverfahren geltend gemacht worden. Folglich stellt der Gegenstand von Anspruch 1 im Vergleich zur Lehre des Dokuments D1 eine Routinemaßnahme dar, die in den Kompetenzbereich des Fachmannes auf dem Gebiet des Prägens von Polyvinylalkoholfolien fällt.

Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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