European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T037512.20141124 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 November 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0375/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04014175.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60H 1/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Luftführungselement für ein Kraftfahrzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | REHAU AG + Co | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Behr GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 495 885 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Gegen das vorliegende Patent war Einspruch eingelegt worden aufgrund der in Artikel 100 a) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4a neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die geänderten, den formalen Erfordernissen des EPÜ genügenden Unterlagen wurden im schriftlichen Verfahren nach der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht. Das in Anspruch 1 nicht mehr enthaltene Merkmal, wonach auf Höhe des Zusatzkörpers (mindestens) eine der Luftkanalwände angeströmt sein solle, wurde - auf einen Einwand der Einsprechenden hin - als inhärent und überflüssig angesehen.
III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden, aus dem Einspruchsverfahren bekannten Entgegenhaltungen Bezug genommen:
E8: DE 33 02 363 A1;
E9: Dubbel, 15. Auflage 1986, S. 677/678;
E10: Physik und Technik der Lärmbekämpfung, 2. Auflage 1974, S. 408-413;
E14: Fraunhofer Institut, Bericht ISTWIPP, April 2003.
IV. In der Anlage zur Ladung zur mündliche Verhandlung hat die Kammer als vorläufige Meinung geäußert, dass der Stand der Technik allenfalls auf den Einsatz von PET-Vliesstoffen zur Körperschalldämmung hindeute.
V. Die Beschwerdeführerin legte mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 eine weitere Druckschrift vor, um die Verwendung von Vliesbauteilen zur Dämpfung von Luftschall z. B. bei Dachhimmeln, Motorhauben oder Türverkleidungen zu belegen:
E25: DE 100 22 902 A1.
VI. Am 24. November 2014 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents. Der Einwand mangelnder Klarheit in Bezug auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 4a wird zurückgenommen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung aufgrund der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schreiben vom 4. November 2014.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung gemäß vorliegendem Hauptantrag (Hilfsantrag 4a aus dem erstinstanzlichen Verfahren) lautet wie folgt:
"Luftführungselement (1) für ein Kraftfahrzeug
- mit einem rohrförmigen Grundkörper (2), dessen Innenwand (3) einen Luftkanal vorgibt,
- mit mindestens einem schallabsorbierenden Zusatzkörper (5, 7, 8, 11), der als ebenes Flächenelement ausgebildet ist, dessen Wände (6) dem Luftkanal folgend parallel zu diesem ausgerichtet sind,
- wobei der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) so im Grundkörper (2) angeordnet und an diesem gehaltert ist, dass Luft, welche im Grundkörper (2) entlang des Luftkanals strömt, an den gegenüberliegenden Wänden des Zusatzkörpers (5, 7, 8, 11) entlang strömt,
- wobei der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) eine selbsttragende Struktur aus schallabsorbierendem Material hat,
- wobei das schallabsorbierende Material ein verfestigter, thermisch verpresster PET-Vliesstoff ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"Luftführungselement (1) für ein Kraftfahrzeug
- mit einem rohrförmigen Grundkörper (2), dessen Innenwand (3) einen Luftkanal vorgibt,
- mit mindestens einem schallabsorbierenden Zusatzkörper (5, 7, 8, 11), der so am Grundkörper (2) gehaltert ist, dass Luft, welche im Grundkörper (2) entlang des Luftkanals strömt, an mindestens einer Wand (6) des Zusatzkörpers (5, 7, 8,11) entlang strömt,
- wobei der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) als Flächenelement ausgebildet ist, dessen Wände (6) dem Luftkanal folgend ausgerichtet sind,
- wobei der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) so ausgestaltet ist, dass auf Höhe des Zusatzkörpers (5, 7, 8, 11) die Luft an mindestens einer Wand (6) des Zusatzkörpers (5, 7, 8, 11) und zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand (3) entlang strömt,
- wobei der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) als ebenes Flächenelement ausgestaltet ist, dessen Wände (6) parallel zum Luftkanal ausgerichtet sind, wobei die Anordnung der Wände (6) des im Grundkörper (2) angeordneten Zusatzkörpers (5, 7, 8, 11) derart ist, dass die Luft an den gegenüberliegenden Wänden des Zusatzkörpers (5, 7, 8, 11) entlang des Luftkanals strömt,
dadurch gekennzeichnet, dass
- der Zusatzkörper (5, 7, 8, 11) eine selbsttragende Struktur aus schallabsorbierendem Material hat,
- wobei das schallabsorbierende Material ein verfestigter, thermisch verpresster PET-Vliesstoff ist."
Bemerkung: Das Parteienvorbringen zur erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den Hauptantrag galt auch für den Hilfsantrag 1. Im Folgenden wird deshalb diesbezüglich nicht zwischen beiden Anträgen unterschieden.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Da Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht mehr das Merkmal des erteilten Anspruchs 1 aufweise, dass Luft "zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand (3) entlang strömt", gehe der Schutzumfang des geänderten Patents über den des erteilten Patents hinaus. Dieses Merkmal sei durch die Beschränkung des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung nicht implizit offenbart. Mit dem nunmehr gestrichenen Merkmal sei eine Definition des Zusatzkörpers gegeben worden, und zwar wie er im Luftkanal angeordnet sein solle. Der erteilte Anspruch 1 definiere mindestens einen Zusatzkörper als ein Flächenelement, wobei Luft bzw. ein Luftstrom auch zwischen der Wand des Grundkörpers und der Wand des Zusatzkörpers vorbei ströme, was nun nicht mehr gewährleistet sei. Außerdem sei keine Ausführungsform ursprünglich offenbart, in der diese Bedingung nicht erfüllt sei. Damit verstoße die im Einspruchsverfahren vorgenommene Änderung gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) und (2) EPÜ.
Dokument E25 sei vorgelegt worden, weil die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung das Thema "Körperschall- bzw. Luftschalldämmung" thematisiert habe. In E14 sei ein Dachhimmel aus einem PET-Vliesstoff gezeigt, und aus E25 (siehe Anspruch 1: Vliesabsorber in räumlichem Abstand zu schallharter Wand; Anspruch 2: Dachhimmel) gehe hervor, dass für Dachhimmel verwendete Materialien bzw. Vliesbauteile zum Zwecke der Luftschalldämmung eingesetzt würden. Die gemäß E14 im Automobilbau beispielsweise für Dachhimmel oder Kofferraumverkleidungen verwendeten PET-Pressvliese seien also nicht nur zur Körperschalldämmung, sondern auch zur Luftschalldämmung geeignet und vorgesehen.
In Zusammenschau mit Dokument E9 (oder E8) beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Alle konstruktiven Elemente und ihre Anordnung wie in Anspruch 1 definiert seien in E9 gezeigt, und das fehlende Merkmal eines verfestigten, thermisch verpressten PET-Vliesstoffes als schallabsorbierendes Material ergebe sich aus E14 und dem dort für Dachhimmel verwendeten PET-Vlies, welches sich besonders zur Luftschalldämpfung eigne. Der Fachmann würde PET-Vliesstoffe also nicht nur für Dachhimmel einsetzen. Ein verpresster PET-Vliesstoff sei intrinsisch selbsttragend, ebenso wie die in E9 angesprochenen porösen Materialien, wenn diese als Platten zum Einschieben ausgebildet seien. Der Ersatz der in E9 zur Luftschalldämmung eingesetzten porösen Stoffe durch PET-Vliesbauteile sei eine naheliegende Alternative, insbesondere da dieses Material dem Fachmann als recyclingfähiges Material schon lange zur Verfügung stehe und als Ersatz für Glasfasermaterial bekannt sei. E14 offenbare eine neue Produktidee, bei der das innovative Material für großformatige Elemente ("Dachhimmel ... u.v.m.") zur Luftschalldämmung mit vorteilhaften Eigenschaften hinsichtlich Gewicht und Kosten eingesetzt werde. Es sei naheliegend, dass der Fachmann dieses Material, das die Luftschalldämpfung optimiere, in vielfältiger Weise auch für andere Produkte im Kraftfahrzeug verwende. E25 spreche (siehe Absatz 5) die Absorption von Schallwellen aus dem Raum an. Wenn also gemäß E25 ein Dachhimmel zur Luftschalldämmung aus Vlies hergestellt werde, so setze man auch den PET-Vliesstoff aus E14 zur Luftschalldämmung ein.
Im Übrigen werde auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf Hilfsantrag 4 verwiesen, wonach die Verwendung eines verfestigten, thermisch verpressten PET-Vliesstoffes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
E9 als allgemeines Lehrbuch des Maschinenbaus verbinde allgemeines Fachwissen (Ventilator- und Strömungsgeräusche im Kanalnetz, Schalldämpfer für die Luftschalldämmung) mit speziellem Fachwissen (Raumlufttechnik, Konzertsäle), wobei letzteres keine Einschränkung für den allgemein beschriebenen Schalldämpfer darstelle, wie von der Beschwerdegegnerin unter Bezug auf E10 argumentiert. Es sei also unzulässig zu folgern, dass E9 große Elemente wie in der Raumlufttechnik verlange.
Das aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 3 stammende Merkmal eines ebenen Flächenelements mit "parallel zum Luftkanal" ausgerichteten Wänden führe zu mangelnder Klarheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1. Es sei unklar, wie ein zweidimensionales Element parallel zu einem dreidimensionalen Element sein könne. Das ebene Flächenelement sei beispielsweise durch seinen Normalenvektor zu charakterisieren, Anspruch 1 verlange aber nicht, dass dieser z. B. parallel zu einem Normalenvektor der Wand des Luftkanals sein müsse. Im Übrigen widerspreche dies auch den im Streitpatent in den Figuren 1 oder 3 gezeigten Ausführungsbeispielen. In Figur 1 sei das Flächenelement diagonal in einem rechteckigen Luftkanal angeordnet, und in Figur 3 verlaufe der Zusatzkörper "parallel zur durch die Krümmung des Grundkörpers 2 vorgegebenen Luftführungsebene des Luftführungselements 1" (siehe Spalte 6, Zeilen 15 bis 19). Eine Strömungsrichtung des Luftkanals wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen sei in Anspruch 1 nicht definiert. Solange nicht definiert sei, was hinsichtlich der Parallelität von "Wänden des Flächenelements" und "Luftkanal" verglichen werde, sei Anspruch 1 unklar.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Gegenüber dem erteilten Patent beschränke der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag den Schutz auf eine Anordnung des Zusatzkörpers im Grundkörper, so dass Luft an beiden Seiten des Grundkörpers entlang ströme. Luft, die den Zusatzkörper beidseitig umströme, ströme zwingend zwischen einer Wand des Zusatzkörpers und einer Wand des Luftkanals. Der Zusatzkörper könne dabei auch aus drei Elementen bzw. parallelen Flächen bestehen, die in Einheit den beanspruchten Zusatzkörper bildeten. Anspruch 1 verlange nicht, dass Luft ausschließlich an den Wänden des Zusatzkörpers entlang ströme, d. h. die Luft ströme dort, wo sich kein Zusatzkörper befinde, an der Wand des Luftkanals vorbei, wie in den Ausführungsbeispielen gezeigt.
Dokument E25 sei verspätet eingereicht, da schon die angefochtene Entscheidung die Frage der Eignung von PET-Vliesstoffen zur Luftschalldämmung diskutiert habe. E25 gebe keinen Hinweis, dass die darin beschriebenen Verkleidungs-/Formelemente zur Absorption von Luftschall geeignet seien. E25 sei auch nicht relevanter als die bereits im Verfahren befindlichen Druckschriften, in denen bereits schallabsorbierende Formelemente aus Vliesstoff genannt seien. E25 zeige keine Verwendung von verfestigten, thermisch verpressten PET-Vliesstoffen und sei damit auch nicht prima facie relevant.
Dokument E8 sei nicht der nächstliegende Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1. Dokument E9 zeige einen Kulissendämpfer, wie in der Raumlufttechnik und damit für großbauende Kanäle eingesetzt (siehe dazu E10, Bild 7.12 b: Kulissen mit Dicke von 5 bis 30 cm; gemäß Bild 7.14 mit großem Kulissenabstand). Derartige Kulissendämpfer seien nicht geeignet für Kraftfahrzeuge, so dass auch E9 keinen Anhaltspunkt für einen nächstliegenden Stand der Technik biete. Für den Fachmann sei es nicht naheliegend, die in E9 gezeigten Kulissendämpfer herunterzuskalieren, insbesondere da laut E10 (siehe Seite 409) bei kleineren Dimensionen (bei Durchmessern unterhalb von 0,5 m) außenliegende Absorptionsschichten verwendet würden. Selbst wenn E9 bis auf das Merkmal, dass die selbsttragende Struktur aus schallabsorbierendem Material ein verfestigter, thermisch verpresster PET-Vliesstoff sei, den Anspruch 1 offenbare, wäre der Gegenstand von Anspruch 1 nicht durch eine Kombination von E9 mit E14 nahegelegt. Bei den in E14 oder E25 gezeigten Dachhimmeln finde keine Luftführung zwischen Dachhimmel und Blech statt, d. h. der Dachhimmel sei kein Zusatzkörper im Sinne des Streitpatents. Die in E14 als Innenverkleidung beschriebenen PET-Elemente seien nicht geeignet für das beanspruchte Luftführungselement, mit dem ein Luftschall entlang seines Strömungsflusses in einem Luftkanal gedämpft werde. Im Stand der Technik wie in E14 gezeigte Zusatzkörper wie PET-Vliesstoffe seien immer am Rande eines Bauteils und damit zur Körperschalldämmung eingesetzt, nicht aber frei angeordnet und beidseitig von Luft umströmt. Es sei also ausgehend von E9 nicht nahegelegt, die dort gezeigten Kulissendämpfer aus einem thermisch verpressten PET-Vliesstoff herzustellen. E25 zeige ein mehrschichtiges Element, welches unter Umständen aus einem Vliesabsorber und einer Luftschicht bestehe, allerdings angewendet als Verkleidungselement und nicht als beidseitig umströmtes Element im Luftströmungskanal.
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei in seiner Gesamtheit betrachtet klar, denn es werde ein Luftkanal definiert, der durch die Innenwand eines rohrförmigen Grundkörpers (von beliebigem Querschnitt) gebildet werde. Die Formulierung "parallel zum Luftkanal ausgerichtet" bedeute eine parallele Ausrichtung "in Strömungsrichtung gesehen bezogen auf den Luftkanal". Es werde keine Orientierung bezüglich der Wände des Luftkanals beansprucht. Die im Streitpatent in Zusammenhang mit Figur 3 gemachten Ausführungen in Bezug auf eine "Luftführungsebene" seien nicht als Hinweis auf eine gekrümmte Luftführungsebene zu deuten, da der in räumlicher Darstellung in Figur 3 gezeigte Luftkanal in Draufsicht zwar gekrümmt sei, in der Seitenansicht aber
durchaus ebene horizontale Wände aufweise. Wie Figur 1 des Streitpatents zeige, seien durchaus auch schräg zu Luftführungsebenen verlaufende Wände des Flächenelements denkbar; wesentlich sei eine parallele Ausrichtung zum Luftkanal. Entscheidend sei, was der Fachmann für Luftführungselemente - und kein Mathematiker - verstehe, auch angesichts der Ausführungsbeispiele der Figuren 1 bis 3, wobei gemäß Anspruch 1 eine parallele Ausrichtung zum Luftkanal und nicht zu einer Wand des Luftkanals beansprucht sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag - Erweiterung des Schutzumfangs (Artikel 123 (3) EPÜ)
Gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung war der Zusatzkörper so ausgestaltet, dass "auf Höhe des Zusatzkörpers die Luft an mindestens einer Wand des Zusatzkörpers und zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand entlang strömt". Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält zwar eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstandes dahingehend, dass die Luft nunmehr "an den gegenüberliegenden Wänden des Zusatzkörpers entlang" strömen soll. Allerdings wurde die Bedingung gestrichen, dass auf Höhe des Zusatzkörpers die Luft zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand entlang strömt.
Die Kammer folgt der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die gestrichene Bedingung nicht implizit mit dem eingeschränkten Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt ist. Dies mag zwar gelten, wenn nur ein einzelner Zusatzkörper oder auch zwei Zusatzkörper parallel zueinander im Grundkörper angeordnet sind. Der Gegenstand von Anspruch 1 ("mit mindestens einem schallabsorbierendem Zusatzkörper") ist aber nicht auf diese Ausführungsformen eingeschränkt, sondern kann auch einen zweiten beliebig gestalteten Zusatzkörper oder auch drei oder mehr Zusatzkörper umfassen. Dabei wird in Anspruch 1 wie erteilt nur der "mindestens eine Zusatzkörper" näher definiert, der "als Flächenelement ausgebildet ist, dessen Wände dem Luftkanal folgend ausgerichtet sind" und "so ausgestaltet ist, dass auf Höhe des Zusatzkörpers die Luft ... zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand entlang strömt". Damit wird also die Luftströmung auf Höhe des Zusatzkörpers definiert, was auch eine Einschränkung für die Anordnung weiterer Zusatzkörper vorgibt, die unter den Schutzumfang des erteilten Anspruchs 1 fallen: Diese weiteren Zusatzkörper dürfen nicht derart angeordnet oder ausgebildet sein, dass auf Höhe des "mindestens einen Zusatzkörpers" die Luft nicht mehr an einer Wand des Luftkanals entlang strömt. Diese Bedingung ist nach Auffassung der Kammer bei Vorsehen weiterer Zusatzkörper nicht in jedem Fall erfüllt, beispielsweise bei Vorsehen eines zweiten rohrförmigen Zusatzkörpers auf Höhe des "mindestens einen Zusatzkörpers", wenn dieser mit einem Ende an der Wand des Luftkanals anliegt und in Richtung der Luftströmung trichterförmig verengend ausgebildet ist, d. h. die Luft von der Wand des Luftkanals in Richtung des "mindestens einen Zusatzkörpers" leitet. Wird die Bedingung also gestrichen, dass die Luft auf Höhe des Zusatzkörpers zudem an einer weiteren, den Luftkanal vorgebenden Wand entlang strömt, so fallen unter den Schutzumfang eines derart geänderten Anspruchs Ausführungsformen, die in der erteilten Fassung von Anspruch 1 noch ausgeschlossen waren.
Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin nicht darin folgen, dass mehrere Elemente in Einheit den beanspruchten Zusatzkörper bilden, da gemäß Anspruch 1 der Zusatzkörper "als Flächenelement ausgebildet" und damit auf ein einzelnes Element gerichtet ist. Auch ist es unbeachtlich, dass dort, wo sich kein Zusatzkörper befindet, die Luft an der Wand des Luftkanals entlang strömt, da das diskutierte gestrichene Merkmal die Luftströmung "auf Höhe des Zusatzkörpers" spezifiziert.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Schutzumfang von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem erteilten Patent unzulässig erweitert ist und somit die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ nicht erfüllt sind. Der vorliegende Hauptantrag ist damit nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123 EPÜ)
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 bis 3 sowie aus der Beschreibung stammenden Merkmalen, die auch in Anspruch 1 des Hauptantrags enthalten waren. Das in Bezug auf den Hauptantrag unter Artikel 123 (3) EPÜ beanstandete, aus Anspruch 1 gestrichene Merkmal wurde wieder eingeführt. Die Kammer sieht die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ als erfüllt an, und auch die Beschwerdeführerin hatte diesbezüglich keine Einwände.
3.2 Die Beschwerdeführerin führte allerdings an, dass das aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 3 stammende Merkmal eines ebenen Flächenelements mit parallel zum Luftkanal ausgerichteten Wänden unklar sei. Es sei letztlich in Anspruch 1 nicht definiert, was hinsichtlich des Erfordernisses der Parallelität zwischen einem zweidimensionalen und einem dreidimensionalen Element zu vergleichen sei.
Die Kammer sieht die in Anspruch 1 gegebene Definition zur Ausrichtung des ebenen Flächenelements im Luftkanal jedoch als ausreichend klar an. Der als ebenes Flächenelement ausgestaltete Zusatzkörper kann - wie von der Beschwerdeführerin selbst angeführt - durch seinen Normalenvektor charakterisiert werden. Die Parallelität einer Geraden oder einer zweite Ebene zu diesem ebenen Element und deren Beurteilung gehört zum mathematischen Grundwissen und ist klar definierbar.
Vorliegend beansprucht ist allerdings die Parallelität des ebenen Flächenelements zum Luftkanal, also einem dreidimensionalen Gebilde, wobei der Luftkanal gemäß Anspruch 1 näher definiert ist als durch die Innenwand eines rohrförmigen Grundkörpers vorgegebener Luftkanal. Es ist also kein beliebiges dreidimensionales Gebilde beansprucht, sondern ein Luftkanal in Form eines Rohres. Ein Rohr ist im Verständnis des Fachmanns ein sich in Längsrichtung erstreckendes, hohles Bauteil mit definiertem Querschnitt. Im allgemeinen Fall kann ein rohrförmiges Bauteil gerade oder gekrümmt sein und unter Umständen in Richtung seiner Erstreckung variierende Querschnitte aufweisen.
Die in Anspruch 1 definierte Parallelität des ebenen Flächenelements zum rohrförmigen Luftkanal, wobei gemäß Anspruch 1 außerdem die Wände des Flächenelements "dem Luftkanal folgend ausgerichtet sind", impliziert nach Auffassung der Kammer aufgrund der ebenen Ausbildung des Flächenelements aber, dass der rohrförmig ausgebildete Luftkanal in dem betreffenden Bereich zumindest abschnittsweise gerade verläuft. Dem rohrförmigen Luftkanal kann also in dem Bereich, in dem das ebene Flächenelement angeordnet ist, eine Achse der Längserstreckung bzw. eine Gerade zugeordnet werden, welche zumindest in Bezug auf ihren Richtungsvektor eindeutig definiert ist und mit der - von der Beschwerdegegnerin angeführten - Strömungsrichtung der Luft im Luftkanal übereinstimmt. Eine solche Rohrachse bzw. Strömungsrichtung kann in klarer Weise zu einem ebenen Flächenelement in Relation gesetzt werden, indem man den Normalenvektor der Ebene mit dem Richtungsvektor der Rohrachse vergleicht. Sind diese senkrecht zueinander, so sind Rohrachse und ebenes Flächenelement parallel.
In Übereinstimmung mit dem Vortrag beider Parteien verlangt Anspruch 1 nicht, dass eine Parallelität des ebenen Flächenelements zu einer Wand des Luftkanals vorliegen muss. Anspruch 1 beschreibt nach Auffassung der Kammer nur, dass das ebene Flächenelement parallel zu einer den Verlauf des rohrförmig ausgebildeten Luftkanals kennzeichnenden Achse sein muss. Dies steht auch in Einklang mit dem Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 1 des Streitpatents, die eine gerade verlaufende, untere Ecke bzw. "Achse" eines rechteckförmigen Luftkanals zeigt, die parallel zu einer Kante des ebenen Flächenelements und auch dessen Wänden ausgerichtet ist. In Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 verweist die Beschwerdeführerin auf Spalte 6, Zeilen 15 bis 19 des Streitpatents. Dort wird beschrieben, dass der Zusatzkörper "horizontal orientiert im Grundkörper 2 angeordnet" ist und "parallel zur durch die Krümmung des Grundkörpers 2 vorgegebenen Luftführungsebene des Luftführungselements" verläuft. Der Begriff "Ebene" in "Luftführungsebene" impliziert bereits eine plane Struktur, welche eine Krümmung ausschließt. In Verbindung mit Figur 3, welche einen um eine vertikale Achse gekrümmt verlaufenden Luftkanal zeigt, wird klar, dass "Luftführungsebene" eine ebenfalls horizontal verlaufende, die Luft führende Ebene meint, welche durch die untere und/oder obere horizontal liegende Wand des Luftkanals gebildet wird. Der Zusatzkörper ist gemäß Figur 3 parallel dazu ausgerichtet.
3.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist nach Auffassung der Kammer also für den Fachmann ausreichend klar und erfüllt damit die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973.
Zu diesem Schluss ist die Kammer unter der Annahme gelangt, dass die Klarheit des geänderten unabhängigen Anspruchs zu prüfen ist, weil dieser nicht bloß durch Kombination von unabhängigen und abhängigen Ansprüchen des Patents in der erteilten Fassung entstanden ist, sondern auch durch Hinzufügung von Merkmalen aus der Beschreibung. Deshalb besteht keine Veranlassung, das vorliegende Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer in der Sache G 3/14 auszusetzen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)
4.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 wird nach Auffassung der Kammer durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass Dokument E8 nicht als nächstliegender Stand der Technik bzw. Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzusehen ist. In E8 ist ein schallabsorbierender Körper am Rand des Luftkanals angebracht, so dass die Luft nicht an gegenüberliegenden Wänden des Zusatzkörpers entlang strömt. Damit zeigt das in E8 gezeigte Luftführungselement weniger konstruktive Übereinstimmungen mit dem gemäß Anspruch 1 beanspruchten Gegenstand als der in E9 (Bild 62 b) gezeigte Schalldämpfer.
Die Beschwerdegegnerin sieht zwar (mit Hinweis auch auf E10) den in E9 gezeigten Kulissendämpfer als nicht geeignet für Kraftfahrzeuge an, da er in der Raumlufttechnik und damit für großbauende Kanäle verwendet werde. Dem konnte die Kammer jedoch nicht folgen, da zum einen die technische Lehre in E9 zu dem in Bild 62 b gezeigten Kulissendämpfer allgemein formuliert und nicht explizit auf Anwendungen in der Raumlufttechnik eingeschränkt ist. Außerdem umfasst der Begriff Kraftfahrzeuge auch Nutzfahrzeuge, in denen gegenüber Personenkraftwagen größere Dimensionen vorherrschen, die durchaus mit den Dimensionen in der Raumlufttechnik vergleichbar sind, so dass der Beschwerdegegnerin nicht darin gefolgt wird, dass Bauteile für die Raumlufttechnik generell nicht für Kraftfahrzeuge geeignet seien. Dokument E9 wird deshalb als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
4.2 Unstrittig zwischen den Parteien war, dass E9 ansonsten die konstruktiven Merkmale gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 zeigt, jedoch nicht die kennzeichnenden Merkmale eines Zusatzkörpers mit selbsttragender Struktur aus verfestigtem, thermisch verpressten PET-Vliesstoff als schallabsorbierendes Material.
4.3 Strittig hingegen war, ob ein an sich bekannter, mechanisch und thermisch verfestigter PET-Vliesstoff, der gemäß E14 beispielsweise für Dachhimmel verwendet wird, nicht nur zur Dämmung von Körperschall, sondern auch zur Dämmung von Luftschall geeignet sei, so dass der Ersatz der in E9 zur Luftschalldämmung eingesetzten porösen Stoffe durch PET-Vliesstoffe eine naheliegende Alternative darstelle. Um dies zu belegen, hat die Beschwerdeführerin nachträglich Dokument E25 vorgelegt.
Die Feststellung der Einspruchsabteilung in Bezug auf Hilfsantrag 4, wonach die Verwendung eines verfestigten, thermisch verpressten PET-Vliesstoff nicht erfinderisch sei, bezog sich auf an den Luftkanalwänden eingesetzte Zusatzkörper wie in E8 gezeigt. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht einfach übertragbar auf im Luftkanal angeordnete, beidseitig umströmte Zusatzkörper, wie auch in der angefochtenen Entscheidung festgestellt.
Die Kammer ist zur Auffassung gelangt, dass selbst unter der Annahme, dass der Fachmann in naheliegender Weise thermisch verpresste PET-Vliesstoffe zur Luftschalldämmung einsetzen würde, dies bisher im Stand der Technik (siehe E14) nur für großflächige Bauteile wie z. B. Dachhimmel beschrieben ist, um den von schallerzeugenden Bauteilen (z. B. dem Fahrzeugdach) ausgehenden Körperschall und - bei Übertragung über einen Luftspalt - gegebenenfalls auch Luftschall zu dämpfen, wobei eine Übertragung der Schallwellen aber allenfalls über ein stationäres Luftpolster erfolgt. Es findet sich im vorliegenden Stand der Technik kein Hinweis, dass thermisch verpresste PET-Vliesstoffe mit vorteilhaftem Effekt als schallabsorbierendes Material auch bei der in E9 gezeigten Luftströmung in einem Luftkanal, insbesondere bei einem in einem Luftkanal angeordneten, beidseitig von Luft umströmten Zusatzkörper in Form eines ebenen Flächenelements einzusetzen sind.
E14 benennt explizit nur den Einsatz bei Dachhimmeln und Kofferraumverkleidungen und erwähnt ansonsten nur ganz allgemein die Einsatzmöglichkeit für andere Bauteile ("u.v.m"), ohne diese anderen Bauteile näher zu spezifizieren. Es findet sich insbesondere in E14 kein Hinweis auf beidseitig umströmte Bauteile aus thermisch verpresstem PET-Vliesstoff. Die Kammer war deshalb nicht überzeugt, dass die Lehre von E14 den Fachmann dazu veranlassen würde, die in E9 beidseitig umströmten Kulissenwände im Innern des Schalldämpfers, welche gemäß E9 aus porösen Stoffen bestehen, durch verfestigte, thermisch verpresste PET-Vliesstoffe zu ersetzen, auch wenn dieses Material als solches aus E14 bekannt ist. E14 mag zwar eine innovative Produktidee offenbaren, jedoch wird der Einsatz der in E14 vorgestellten neuen Materialien unter geänderten Randbedingungen ohne weiteren Nachweis nicht als naheliegend angesehen.
Dies gilt in gleicher Weise auch bei Berücksichtigung von E25. E25 mag allenfalls die vorhin getroffene Annahme stützen, dass Vliesbauteile zum Zwecke der Luftschalldämmung eingesetzt werden. In Hinblick auf das konkret verwendete Material ("Vlies") bleibt E25 aber noch allgemeiner als E14 ("thermisch verpresster PET-Vliesstoff") und zeigt insbesondere auch keine Verwendung innerhalb eines Luftkanals, z. B. als beidseitig umströmter Zusatzkörper.
4.4 Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.
5. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Zulassung von Dokument E25 in das Verfahren offen gelassen werden, da die Kammer selbst unter Berücksichtigung von E25 wie oben ausgeführt zu keinem anderen Ergebnis in der Frage der erfinderischen Tätigkeit gelangen würde.
6. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 8 und der im erstinstanzlichen Verfahren bereits angepassten Beschreibung und den vorliegenden Zeichnungen bilden daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche: 1 bis 8 des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 4. November 2014
- Beschreibung: Seite 2 eingereicht am 31. Mai 2011 per Telefax, Seiten 3 bis 5 eingereicht am 4. April 2011 per Telefax
- Zeichnungen: 1 bis 6 der Patentschrift.