T 0364/12 (Verwendung von kältestabilisierten Additiven/CLARIANT) of 13.9.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T036412.20130913
Datum der Entscheidung: 13 September 2013
Aktenzeichen: T 0364/12
Anmeldenummer: 07005870.6
IPC-Klasse: C10L 1/188
C10L 1/224
C10L 1/238
C10L 10/14
C10L 10/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Brennstofföle mit verbesserter Schmierwirkung, enthaltend Mischungen aus Fettsäuren mit Paraffindispergatoren, sowie ein schmierverbesserndes Additiv
Name des Anmelders: Clariant Produkte (Deutschland) GmbH
Name des Einsprechenden: Infineum International Limited
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention R 80
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung - Kein Antrag zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
T 0993/07
T 2006/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrecherhaltung des europäischen Patents Nr. 1 803 791 in geändertem Umfang.

II. Die Patentinhaberin reichte mit ihrer Beschwerdebegründung zwei geänderte Anspruchssätze als Haupt- und Hilfsantrag ein.

III. Die Einsprechende machte bezüglich der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Ansprüche insbesondere Klarheitsmängel und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend.

In einem weiteren Schreiben vertrat sie die Auffassung, dass auch der Gegenstand der Ansprüche gemäß den beiden neuen Anträgen der Patentinhaberin aus den bereits vorgebrachten Gründen zu beanstanden sei

IV. Zusammen mit einer schriftlichen Stellungnahme zu den erhobenen Einwänden reichte die Patentinhaberin zwei erneut geänderte Anspruchssätze als Haupt- bzw. Hilfsantrag ein.

V. In einer zusammen mit der Ladung ergangenen Mitteilung wies die Kammer darauf hin, dass im Hinblick auf das Vorliegen geänderter Ansprüche zusätzlich gegebenenfalls auch deren Zulässigkeit im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ zu erörtern sein werde.

VI. Mit ihrem Schreiben vom 13. August 2013 reichte die Patentinhaberin erneut geänderte Anspruchssätze als Hauptantrag bzw. Hilfsanträge 1 bis 7 ein. Zur Einreichung dieser Anträge sah sie sich durch den Widerruf des Stammpatents EP 1 209 216 veranlasst, sowie durch den "Hinweis" auf Artikel 123 EPÜ im Bescheid der Kammer.

VII. Mit einem weiteren Schreiben vom 10. September 2013 reichte die Patentinhaberin schließlich sechzehn Anspruchssätze als Hauptantrag bzw. Hilfsanträge 1 bis 15 ein.

Die in der Entscheidung abgehandelten Ansprüche der Anträge vom 10. September 2013 lauten wie folgt:

Hauptantrag

"1. Verwendung von kältestabilisierten Additiven

in Mengen von 0,001 bis 0,5 Gew. % für Brennstofföle enthaltend neben einem Mitteldestillat bis zu

0,05 Gew.-% Schwefelgehalt,

wobei die Additive gelöst sind in Lösemitteln, die ausgewählt sind aus aliphatischen und/oder aromatischen Kohlenwasserstoffen oder Kohlenwasserstoffgemischen und die kältestabilisierten Lösungen der Additive 1 bis 80 Gew. % Lösemittel enthalten,

enthaltend Fettsäuregemische A aus

A1) 1 bis unter 20 Gew.-% mindestens einer gesättigten Mono- oder Dicarbonsäure mit 6 bis 22 Kohlenstoffatomen,

A2) über 80 bis 99 Gew.-% mindestens einer ungesättigten Mono- oder Dicarbonsäure mit 6 bis 22 Kohlenstoffatomen,

sowie

B) mindestens einer als Paraffindispergator in Mitteldestillaten wirksamen polaren stickstoffhaltigen Verbindung in einer Menge von 0,01 bis 90 Gew.-% bezogen auf das Gesamtgewicht von A1), A2) und B), welche eine Verbindung der Formel 11

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

ist, worin

R**(6), R**(7) gleich oder verschieden sein können, und wenigstens eine dieser Gruppen für C8-C36-Alkyl, C6-C36-Cycloalkyl oder C8-C36-Alkenyl steht, und die übrige Gruppe entweder Wasserstoff, C1-C36-Alkyl, C2-C36-Alkenyl, Cyclohexyl, oder eine Gruppe der Formeln —(A—O)x—E oder (CH2)n-NYZ bedeutet, worin A für eine Ethylen- oder Propylengruppe steht, x eine Zahl von 1 bis 50, E = H, C1-C30-Alkyl, C5-C12-Cycloalkyl oder C6-C30-Aryl, und n 2, 3 oder 4 bedeuten, und Y und Z unabhängig voneinander H, C1-C30- Alkyl oder —(A—O)x-H bedeuten,

R**(14) für CONR**(6)R**(7) oder CO2**(-+)H2NR**(6)R**(7) steht,

R**(15) und R**(16) für H, CONR**(17)2, CO2R**(17) oder OCOR**(17), -OR**(17), -R**(17) oder -NCOR**(17) stehen und

R**(17) Alkyl, Alkoxyalkyl oder Polyalkoxyalkyl ist und mindestens 10 Kohlenstoffatome aufweist."

"5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die kältestabilisierten Lösungen 25 bis 60 Gew.-% Lösemittel enthalten."

Hilfsantrag 1

Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde im Vergleich zu dem Anspruch 1 des Hauptantrags der Abschnitt A2) wie folgt ergänzt:

"A2) ..., wobei mindestens 50 Gew.-% der Bestandteile eine oder mehrere Doppelbindungen enthalten und die Fettsäuremischungen Jodzahlen von mindestens 40 g I/100 g haben".

Der Wortlaut des Anspruchs 4 ist mit Ausnahme des Rückbezugs auf die Ansprüche 1 bis 3 identisch mit jenem von Anspruch 5 des Hauptantrags.

Hilfsantrag 2

Der Wortlaut von Anspruch 1 ist identisch mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags, mit Ausnahme der Anzahl der Kohlenstoffatome in den Abschnitten A1) und A2), welche hier "12 bis 22" anstatt 6 bis 22 beträgt.

Anspruch 4 ist identisch mit Anspruch 4 des Hilfsantrags 1.

Hilfsantrag 3

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch die folgenden zusätzlichen Merkmale im Absatz A2):

"A2) ..., wobei mindestens 50 Gew.-% der Bestandteile eine oder mehrere Doppelbindungen enthalten und die Fettsäuremischungen Jodzahlen von mindestens 40 g I/100 g haben".

Mit Ausnahme des Rückbezugs auf die Ansprüche 1 und 2 ist der Anspruch 3 des Hilfsantrags 3 identisch mit dem Anspruch 5 des Hauptantrags.

Hilfsantrag 4

"1. Verwendung von 100 bis 50.000 ppm

B) mindestens einer als Paraffindispergator in Mitteldestillaten wirksamen polaren stickstoffhaltigen Verbindung, weiche eine Verbindung der Formel 11

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

ist, worin

R**(6), R**(7) gleich oder verschieden sein können, und wenigstens eine dieser Gruppen für C8-C36-Alkyl, C6-C36-Cycloalkyl oder C8-C36-Alkenyl steht, und die übrige Gruppe entweder Wasserstoff, C1-C36-Alkyl, C2-C36-Alkenyl, Cyclohexyl, oder eine Gruppe der Formeln —(A—O)x—E oder (CH2)n-NYZ bedeutet, worin A für eine Ethylen- oder Propylengruppe steht, x eine Zahl von 1 bis 50, E = H, C1-C30-Alkyl, C5-C12-Cycloalkyl oder C6-C30-Aryl, und n 2, 3 oder 4 bedeuten, und Y und Z unabhängig voneinander H, C1-C30-Alkyl oder —(A—O)x-H bedeuten,

R**(14) für CONR**(6)R**(7) oder CO2**(-+)H2NR**(6)R**(7) steht,

R**(15) und R**(16) für H, CONR**(17)2, C02R**(17) oder OCOR**(17), -OR**(17), -R**(17) oder -NCOR**(17) stehen und

R**(17) Alkyl, Alkoxyalkyl oder Polyalkoxyalkyl ist und mindestens 10 Kohlenstoffatome aufweist,

in Fettsäurelosungen als Kälteadditiv für Fettsäuregemische A zur Unterbindung der Eigenkristallisation der Fettsäure aus

A1) 1 bis unter 20 Gew.-% mindestens einer gesättigten Mono- oder Dicarbonsäure mit 6 bis 22 Kohlenstoffatomen,

A2) über 80 bis 99 Gew.-% mindestens einer ungesättigten Mono- oder Dicarbonsäure mit 6 bis 22 Kohlenstoffatomen,

wobei die kältestabilisierten Additive für Brennstofföle enthaltend neben einem Mitteldestillat bis zu 0,05 Gew. % Schwefelgehalt 1 bis 80 Gew.-% Lösemittel enthalten."

Hilfsantrag 5

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 durch die folgenden zusätzlichen Merkmale im Wortlaut des Absatzes A2):

"A2) ..., wobei mindestens 50 Gew.-% der Bestandteile eine oder mehrere Doppelbindungen enthalten und die Fettsäuremischungen Jodzahlen von mindestens 40 g I/100 g haben".

Hilfsantrag 6

Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 4.

Hilfsantrag 7

Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 5.

Hilfsantrag 8

Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 4, nur lauten in den Abschnitten A1) und A2) die Bereiche für die Anzahl an Kohlenstoffatomen "12 bis 22", anstatt 6 bis 22.

Hilfsantrag 9

Mit Ausnahme der folgenden Ergänzung in A2) ist der Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 8:

"A2) ..., wobei mindestens 50 Gew.-% der Bestandteile eine oder mehrere Doppelbindungen enthalten und die Fettsäuremischungen Jodzahlen von mindestens 40 g I/100 g haben".

Hilfsantrag 10

Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 8.

Hilfsantrag 11

Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 9.

Hilfsantrag 12

Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 4.

Hilfsantrag 13

Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 5.

Hilfsantrag 14

Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 8.

Fünfzehnter Hilfsantrag 15

Anspruch 1 des Hilfsantrags 15 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 9.

VIII. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 13. September 2013 wurden das späte Einreichen der vorliegenden Anträge in Verbindung mit formalen Beanstandungen unter Regel 80 sowie Artikel 123 und 84 EPÜ erörtert. Als Reaktion darauf reichte die Patentinhaberin zuletzt einen weiteren Satz geänderter Ansprüche als Hilfsantrag 16 ein.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 16 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 dadurch, dass die Merkmalgruppe "wobei die kältestabilisierten Additive für Brennstofföle für Brennstofföle enthaltend neben einem Mitteldestillat bis zu 0,05 Gew. % Schwefelgehalt 1 bis 80 Gew.-% Lösemittel enthalten" am Ende des Anspruchs derart geändert wurde, dass daraus "wobei die kältestabilisierten Additive 1 bis 80 Gew.-% Lösemittel enthalten" wurde.

IX. Die Patentinhaberin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche gemäß Hauptantrag, hilfsweise auf der Basis der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 15, alle eingereicht mit dem Schreiben vom 10. September 2013, hilfsweise auf der Basis des Hilfsantrags 16, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 803 791.

X. Die Argumente der Einsprechenden, insofern sie für die Entscheidung von Belang sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

Alle Anträge der Patentinhaberin seien verspätet eingereicht worden und daher insbesondere auch im Hinblick auf deren formale Mängel nicht zuzulassen. Ein Ladungsbescheid der Kammer mit Hinweis auf Artikel 123 EPÜ stelle keine Aufforderung zur Einreichung weiterer, geänderter Anspruchsätze dar. Auch der Ausgang eines parallelen Verfahrens könne nicht zur Rechtfertigung weiterer Anspruchsänderungen dienen.

Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3

Die Einfügung der abhängigen Ansprüche 5 (Hauptantrag), 4 (Hilfsanträge 1 und 2) und 3 (Hilfsantrag 3) sei nicht durch einen Einspruchsgrund verursacht. Sie widerspreche deshalb den Erfordernissen der Regel 80 EPÜ.

Hilfsanträge 4 bis 15

Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags beziehe sich auf die Verwendung der Komponente B in Fettsäurelösungen als Kälteadditiv für Fettsäuregemische A. Dabei sei einerseits nicht klar, ob die in den Gemischen A und den Lösungen enthaltenen Fettsäuren identisch seien.

Andererseits sei die Mengenangabe "ppm" ("parts per million") der Komponente B nicht eindeutig definiert, und demnach unklar, ob sich die Angabe auf die Fettsäurelösung, die Fettsäuregemische, das Additiv oder das Mitteldestillat beziehe.

Hilfsantrag 16

Sinngemäße Überlegungen hinsichtlich der Mengenangabe seien auch für Anspruch 1 des Hilfsantrags 16 gültig.

Die Argumente der Patentinhaberin, insofern sie für die Entscheidung von Belang sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Einreichung der geltenden Anträge bis Hilfsantrag 15 sei in Reaktion auf den Bescheid der Kammer erfolgt, der keine nähren Hinweise zu möglichen Problemen unter Artikel 123 EPÜ enthielt, sowie im Hinblick auf die in der Zwischenzeit ergangene schriftliche Begründung einer in einem parallelen Fall getroffenen Beschwerdekammerentscheidung. Hilfsantrag 16 stelle eine Reaktion auf in der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen Fragen dar. Alle Anträge seien daher zulässig.

Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3

Bei dem Gegenstand des abhängigen Anspruchs 5 des Hauptantrags und bei den korrespondierenden, abhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge 1 bis 3 handle es sich um eine eindeutig offenbarte, bevorzugte Ausführungsform der Erfindung.

Hilfsanträge 4 bis 16

Das im Anspruch 1 aller dieser Anträge beschriebene Additiv bestehe aus den Komponenten A1, A2, B und dem Lösungsmittel. Insofern seien die Begriffe "Fettsäurelösung", "Fettsäuregemische" und "Fettsäure" im Anspruch 1 klar.

Die Mengenangabe "ppm" im Anspruch 1 beziehe sich auf die Fettsäurelösung. Dies sei auch aus Tabelle 2 des Streitpatents ersichtlich.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Späte Einreichung der Anträge der Patentinhaberin

2. Die Anspruchssätze gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 15 wurden am 10. September 2013, d.h. drei Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereicht.

Hilfsantrag 16 wurde erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

Die Anspruchssätze gemäß dem vorliegenden Hauptantrag und den vorliegenden Hilfsanträgen 2, 4, 6, 8, 10, 12 und 14 sind zwar bereits zuvor einmal als Haupt- bzw. Hilfsanträge 1 bis 7 eingereicht worden, aber auch diese frühere Einreichung erfolgte erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung, und zwar am 13. August 2013 also nur einen Monat vor der mündlichen Verhandlung.

3. Die Entscheidung über die Zulassung und Berücksichtigung von Anträgen, die erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, liegt im Ermessen der Kammer (Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13(1)(3) VOBK).

3.1 Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer u.a. die Komplexität des geänderten Vorbringens und die Verfahrensökonomie. Bei spät eingereichten Anträgen in Form geänderter Ansprüche kann auch die Frage, ob die Ansprüche eindeutig gewährbar scheinen bzw. ob damit die zuvor erhobenen Einwände ausgeräumt werden, von Bedeutung sein.

3.2 Der Zweck des Beschwerdeverfahrens besteht in der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Grundlage des Beschwerdeverfahrens sind die Beschwerdebegründung(en) und die Erwiderung(en) darauf, die jeweils den kompletten Sachvortrag der Beteiligten enthalten müssen (Artikel 12(2) VOBK).

Weder die Tatsache, dass die Kammer in ihrem Bescheid generell auf die Notwendigkeit der Überprüfung der Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 EPÜ hingewiesen hat, noch, dass in einem Parallelfall eine begründete Beschwerdekammerentscheidung ergangen ist, rechtfertigt daher für sich genommen ein beliebiges

Einreichen von neuen Anträgen in Form geänderter Anspruchssätze.

4. Hauptantrag - Zulässigkeit

4.1 Die Einsprechende erhob eine Reihe formaler Beanstandungen im Hinblick auf die geänderten Ansprüche gemäß Hauptantrag. Inter alia brachte sie vor, dass die Hinzufügung des abhängigen Anspruchs 5 eine im Hinblick auf die Bestimmungen der Regel 80 EPÜ nicht zulässige Änderung darstelle, da sie nicht durch einen Einspruchsgrund bedingt sei.

4.2 Laut Anspruch 5 wird die erfindungsgemäße Verwendung gemäß dem Hauptanspruch 1 dahingehend weiter eingeschränkt, dass die kältestabilisierten Lösungen "25 bis 60 Gew.-%" Lösemittel enthalten (Anspruch 1:

"1 bis 80 Gew. %").

4.3 Der im erteilten Anspruch 7 genannte Lösungsmittelgehalt von 1 bis 80 Gew.-% wurde im Laufe des Beschwerdeverfahrens in den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgenommen. In der erteilten Fassung des Streitpatents ist der Bereich von 25 bis 60 Gew.-% nur in der Beschreibung offenbart.

4.4 Daher stellt die zusätzliche Einführung des Bereichs von "25 bis 60 Gew.-% Lösemittel" in Form des neu eingefügten, abhängigen Anspruchs 5 die Aufnahme einer weiteren, bevorzugten Ausführungsform aus der Beschreibung in die Ansprüche dar. Die Aufnahme dieses lediglich abhängigen Anspruchs 5 hat aber prima facie keinerlei Auswirkung auf die Beurteilung des unabhängigen Hauptanspruchs 1 im Hinblick auf die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe und ist demnach nicht - wie von Regel 80 EPÜ gefordert - durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst. Siehe hierzu beispielsweise T 0993/07 vom 20. Mai 2010 (Punkte 1 bis 1.4 der Gründe).

4.5 Die Zulässigkeit des Hauptantrags ist schon alleine aus diesem Grund nicht gegeben. Daher entschied die Kammer, diesen verspätet eingereichten Antrag nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1)(3) VOBK).

5. Hilfsanträge 1 bis 3 - Zulässigkeit

5.1 Die jeweiligen Ansprüche 4 der Hilfsanträge 1 und 2, sowie Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 3, sind ebenfalls neu aufgenommene, abhängige Ansprüche und beinhalten unstreitig die selben Merkmale wie Anspruch 5 gemäß Hauptantrag.

5.2 Daher gelten die zuvor angestellten Überlegungen mutatis mutandis auch für die Hilfsanträge 1 bis 3.

5.3 Die Kammer entschied daher, auch die verspätet eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 schon alleine im Hinblick auf die prima facie nicht erfüllten Erfordernisse der Regel 80 EPÜ nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1)(3) VOBK).

6. Hilfsantrag 4 - Zulässigkeit

6.1 Änderungen der Ansprüche, die im Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, sind in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen (G 0009/91, OJ 93, 408; Punkt 19 der Gründe). Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen Patentansprüche deutlich gefasst sein. Dies bedeutet nach der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass sie für den Fachmann auch ohne ein Heranziehen der Beschreibung verständlich sein müssen. Diesbezüglich sei beispielsweise auf die Entscheidung T 2006/09 vom 8. Juli 2011 (Punkt 4 der Gründe) verwiesen.

6.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 betrifft die "Verwendung von 100 bis 50 000 ppm B [...] einer Verbindung der Formel (11) [...] in Fettsäurelösungen als Kälteadditiv für Fettsäuregemische A zur Unterbindung der Eigenkristallisation der Fettsäure aus A1 [...], A2 [...], wobei die kältestabilisierten Additive für Brennstofföle [...] 1 bis 80 Gew.-% Lösemittel enthalten".

6.3 Für die Kammer ist aus diesem Wortlaut prima facie nicht ersichtlich, woraus die besagten "Fettsäurelösungen" bestehen. Insbesondere ist nicht klar,

(a) ob sich dieser Begriff auf eine Mischung aus einem Lösungsmittel, Fettsäuren und einer Verbindung der Formel (11) bezieht, wobei diese Mischung als Kälteadditiv zur Unterbindung der Eigenkristallisation von zusätzlichen Fettsäuren A1, A2 eingesetzt wird (gemäß einer von der Einsprechenden geltend gemachten, denkbaren Lesart des Anspruchs),

oder

(b) ob die besagten Fettsäurelösungen nur die Bestandteile A1 und A2, sowie Lösungsmittel und eine Verbindung der Formel (11) enthalten (wie von der Patentinhaberin behauptet).

6.4 Ferner ist aus dem Anspruchswortlaut nicht erkennbar, worauf sich die relative Angabe der Menge (in "ppm") an Komponente B bezieht. Als Bezugsbasis für diese Konzentrationsangabe kommen nach dem Wortlaut von Anspruch 1 in Frage:

(a) die "Fettsäuregemische A"

(b) die "Fettsäurelösungen"

(c) das "Additiv" (Komponenten A + B + Lösung bzw. Lösungsmittel), und/oder

(d) die "Brennstofföle".

6.4.1 Da unterschiedliche Mengen der Bestandteile (a) bis (d) vorliegen, ist nicht deutlich zum Ausdruck gebracht, wie viele ppm des Bestandteils B tatsächlich verwendet werden müssen. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit ist der Anspruch unklar, ähnlich wie in dem der Entscheidung T 2006/09 zugrunde liegenden Fall.

6.4.2 Für die Kammer sind alle unter Punkt 6.4.1 angesprochenen Möglichkeiten technisch sinnvoll. Der Fachmann kann im Wortlaut des Anspruchs - ohne Heranziehung der Beschreibung - keinen Anhaltspunkt dafür finden, welche der Alternativen zu wählen ist. Insbesondere ist nicht unmittelbar ersichtlich, wieso ausgerechnet die "Fettsäurelösung" zwingend die Bezugsbasis für diese Angabe darstellen soll. Somit ist die Deutlichkeit von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 84 EPÜ prima facie in Frage gestellt. Schon alleine deshalb ist Hilfsantrag 4 nicht eindeutig gewährbar.

6.5 Daher entschied die Kammer, auch den verspäteten Hilfsantrag 4 nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1)(3) VOBK).

7. Hilfsantrage 5 bis 15 - Zulässigkeit

7.1 Die beanstandeten Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 finden sich auch in den jeweiligen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 5 bis 15. Daher gelten die zuvor im Abschnitt 6 angestellten Überlegungen mutatis mutandis auch für diese Anträge.

7.2 Daher entschied die Kammer, auch die Hilfsanträge 5 bis 15 nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1)(3) VOBK).

8. Hilfsantrag 16

8.1 Im Anspruch 1 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 16 wurde die Bezugnahme auf Brennstofföle gestrichen. Damit entfallen die Brennstofföle als denkbare Bezugsbasis

(Variante (d) unter Punkt 6.4 supra) für die Konzentrationsangabe in "ppm".

8.2 Allerdings ist auch unter Berücksichtigung dieser Änderung des Wortlauts von Anspruch 1 nach wie vor nicht klar, auf welche der Möglichkeiten (a), (b) und/oder (c) sich die Mengenangabe "ppm" der Komponente B beziehen soll (siehe Abschnitte 6.4ff supra). Vielmehr ist daher auch der Wortlaut dieses Anspruchs 1 mehrdeutig und somit prima facie nicht deutlich im Sinn von Artikel 84 EPÜ.

8.3 Hilfsantrag 16 behebt demnach prima facie nicht in eindeutiger Weise alle in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit den vorrangigen Anträgen thematisierten Einwände.

8.4 Aus diesen Gründen entschied die Kammer, auch den besonders spät eingereichte Hilfsantrag 16 nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1)(3) VOBK).

9. Da der Kammer kein zulässiger Antrag der Patentinhaberin vorliegt, kann das Patent nicht aufrechterhalten werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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