European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T034512.20170829 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 August 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0345/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02747374.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61J 3/07 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR REINIGUNG VON HARTGELATINEKAPSELN | ||||||||
Name des Anmelders: | Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | NORTON HEALTHCARE LIMITED | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag: Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus (ja) Hilfsantrag I: Änderungen - Erweitwerung über den Inhalt in der eingereichten Fassung hinaus (nein) Erfinderische Tätigkeit - nächstliegender Stand der Technik Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 399 105 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.
II. Das Streitpatent in der erteilten Fassung umfasst vierzehn Ansprüche. Der einzige unabhängige Anspruch lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Reinigung der Innenwand von Hartgelatinekapseln zur Verwendung in der Inhalationstherapie, dadurch gekennzeichnet, daß die Kapseln durch Schütteln mit einer Pulverformulierung gereinigt werden."
III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
(2) US 4,889,114
(7) US 3,653,500
(12) US 5,641,510
(13) US 3,676,958
IV. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und unzulässiger Erweiterung des Gegenstands über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus angegriffen worden (Artikel 100 a), b) und c) EPÜ).
V. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Begriff des Schüttelns im erteilten Anspruch 1 eine Basis in den ursprünglich eingereichten Anmeldunterlagen finde. Der Gegenstand der erteilten Ansprüche sei ausführbar und neu gegenüber den Druckschriften (2) und (12) und beruhe ausgehend von der Druckschrift (12) als nächstem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Mit der Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin die mit dem Einspruchsschriftsatz erhobenen Einwände aufrecht und setzte sich mit der Begründung seitens der Einspruchsabteilung auseinander.
VII. Mit der Beschwerdeerwiderung verteidigte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung. Darüber hinaus reichte sie Ansprüche der Hilfsanträge I bis VIII ein.
Der jeweilige Anspruch 1 der für die Entscheidung relevanten Hilfsanträge I und II lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Reinigung der Innenwand von Hartgelatinekapseln zur Verwendung in der Inhalationstherapie, dadurch gekennzeichnet, daß die Kapseln durch Schütteln mit einer Pulverformulierung gereinigt werden und daß die Reinigung in einem Freifallmischer oder auf einem Rütteltisch erfolgt."
"1. Verfahren zur Reinigung der Innenwand von Hartgelatinekapseln zur Verwendung in der Inhalationstherapie durch Schütteln der gefüllten Kapseln enthaltend eine Tiotropiumpulverformulierung in einem Freifallmischer oder auf einem Rütteltisch."
VIII. Mit den Schriftsätzen vom 14. Juli 2017 und 28. Juli 2017 reichten beide Parteien weitere Stellungnahmen in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ein.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie entscheidungserheblich sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents habe keine Basis in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Die von der Einspruchsabteilung angezogenen Passagen, offenbarten den Begriff des "Schüttelns" nicht. Dieser finde sich lediglich an zwei Stellen in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen, jeweils in Kombination mit anderen Merkmalen (siehe Seite 4, Zeilen 23 bis 24; Beispiel). Auf Seite 4, Zeilen 23 bis 24 werde auf Gelatinekapseln verwiesen, die mit einer spezifischen Formulierung gefüllt seien, wobei das Schütteln in einem Freifallmischer oder auf einem Rütteltisch erfolge. Es bestehe ein funktioneller Zusammenhang zwischen dem "Schütteln" und der spezifischen Methode, die zum Schütteln verwendet werde. Gleiches gelte auch für die den Reinigungseffekt beeinflussende Pulverformulierung. Der Begriff des Schüttelns könne daher nicht aus dem Zusammenhang mit der Vorrichtung oder Pulverformulierung gelöst werden. Das Gleiche gelte auch im Hinblick auf die Offenbarung des Begriffs "Schütteln" im Beispiel, dessen Offenbarungsgehalt noch enger sei als in der allgemeinen Beschreibung.
Die Hilfsanträge I und II wurden nach dem gemäß Regel 116 EPÜ bestimmten Zeitpunkt kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht, ohne dass dafür rechtfertigende Gründe ersichtlich gewesen wären. Die Einwände unter Artikel 100 c) EPÜ, auf deren Überwindung die Hilfsanträge I und II augenscheinlich abzielten, seien bereits in der Einspruchsschrift erhoben worden. Wenn der Einspruch nicht zurückgewiesen worden wäre, hätte die Einspruchsabteilung diese zu spät eingereichten Anträge nicht zugelassen oder nicht zulassen dürfen. Im Rückblick darauf solle die Kammer das ihr zustehende Ermessen unter Artikel 12 (4) VOBK dahingehend ausüben, diese Hilfsanträge nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Es begünstige verfahrensmissbräuchliches Verhalten, wenn Fristen, die ein für alle Beteiligten faires und effizientes Verfahren gewährleisten sollen, nicht eingehalten werden, ohne dass dies Konsequenzen habe.
Der Hilfsantrag I verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da auch der Anspruch 7 der Anmeldung wie eingereicht den Begriff des "Schüttelns" nicht offenbare. Auf Seite 4, Zeilen 23 bis 25 finde sich dieser Begriff, wie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag erläutert, in Kombination mit anderen Merkmalen.
Die Druckschrift (12) könne als nächster Stand der Technik angesehen werden. Sie offenbare, dass die Innenseiten von Hartgelatinekapseln zur Verwendung in der Inhalationstherapie als Folge ihrer Herstellungsweise mit Schmiermitteln beschichtet seien. Die dadurch bewirkte Anhaftung des Wirkstoffes reduziere den Anteil an Wirkstoff, der dem Patienten zur Verfügung stehe (Spalte 2, Zeilen 18 bis 45). Die Druckschrift (12) schlage zwei Wege zur Lösung dieses Problems vor, die Reinigung mit Lösungsmitteln (Spalte 2, Zeilen 57 bis 59; Spalte 7, Zeilen 19 ff.) und die Belegung der Oberfläche mit einer Pulverschicht ("dusting agent"; siehe Spalte 7, Zeile 63 bis Seite 8, Zeile 5). Letztere werde durch das Beispiel 3 illustriert. Dieses sei der nächste Stand der Technik, da der Zweck der gleiche sei wie im Streitpatent, nämlich die Wirkstoffabgabe zu erhöhen. (siehe Streitpatent, Absatz [0002]) und Tabelle 1). Zudem teile Beispiel 3 die meisten Merkmale mit der Erfindung, da in diesem Beispiel die Kapseln bereits kurz geschüttelt werden. Die Erhöhung des Anteils an Wirkstoff, der den Patienten zur Verfügung stehe, werde dadurch sichtbar erhöht (siehe Druckschrift (12), Spalte 12, Tabelle 5 und Zeilen 20 bis 24). Beispiel 3 offenbare somit bereits das Prinzip, dass durch Schütteln die Wirkstoffabgabe erhöht werden kann. Der anspruchsgemäße Begriff der Reinigung sei rein funktional aufzufassen, als ein Weg die Wirkstofffreigabe zu ermöglichen beziehungsweise die Anlagerung des Wirkstoffs an die Kapselwand zu verhindern. Das anspruchsgemäße Verfahren unterscheide sich von Beispiel 3 somit lediglich durch eine andere Art und Weise, die Kapseln zu schütteln. Die Verwendung der anspruchsgemäßen Vorrichtungen zeige keinerlei Vorteile. Die im Streitpatent beschriebenen Ergebnisse hinsichtlich einer verbesserten Wirkstoffabgabe seien nicht aussagekräftig, vor allem im Hinblick auf die bestehenden Unterschiede zwischen den ungeschüttelten Kapseln A und B (5%) und den geringen Unterschieden zwischen den geschüttelten und ungeschüttelten Kapseln A und B (8 bzw. 4%). Die technische Aufgabe sei daher die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Erhöhung der Wirkstoffabgabe. Der Einsatz der anspruchsgemäßen Vorrichtungen (d.h. Freifallmischer oder Rütteltisch) zum Schütteln der Kapseln sei für den Fachmann eine Routinemaßnahme, vor allem im Hinblick auf ein industriell brauchbares Verfahren, und werde zudem durch die Druckschrift (7) nahegelegt.
Das anspruchsgemäße Verfahren beruhe auch ausgehend vom Beispiel 2 der Druckschrift (12), das die Reinigung der Kapselinnenwände mit Lösungsmitteln offenbare, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das zu lösende Problem könne im Hinblick darauf in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Reinigung der Kapselinnenwände von Hartgelatinekapseln angesehen werden. Die seitens der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Vorteile seien nicht ersichtlich, insbesondere gebe es keine Verbesserungen bezüglich des Reinigungseffekts im Vergleich mit dem Beispiel 2 der Druckschrift (12). Darüber hinaus bestünden Zweifel daran, dass die Beispiele einen Reinigungseffekt belegen. Die Reinigung von Oberflächen pharmazeutischer Kapseln mit Hilfe von Pulverformulierungen sei dem Fachmann bekannt. So weise bereits die Druckschrift (12) im Beispiel 3 daraufhin, dass Schmiermittel durch Pulverformulierungen absorbiert werden können. Der Ersatz der in Beispiel 2 offenbarten Lösungsmittel durch Pulverformulierungen werde daher bereits durch die Kombination der beiden Ausführungsbeispiele nahegelegt. Weiterhin gehörten feste Reinigungsmittel zum Fachwissen des Fachmann (siehe Druckschrift (13), Spalte 1, Zeilen 70 bis 73). Sie seien darüber hinaus die einzige Alternative zu den in der Druckschrift (12) offenbarten flüssigen Reinigungsmitteln. Schütteln sei ein offensichtlicher Weg, feste Reinigungsmittel mit der zu reinigenden Oberfläche in Kontakt zu bringen. Die Reinigung von Kapseloberflächen durch Schütteln werden zudem in der Druckschrift (13) (siehe Spalte 1, Zeile 5 bis 10) offenbart. Zwar werde darin die Außenseite der Kapseln gereinigt. Da pharmazeutische Kapseln aber aus nur einem Material bestünden, wäre es für den Fachmann naheliegend die in der Druckschrift (13) offenbarten festen Reinigungsmittel auch für die Reinigung der Kapselinnenwände, wie sie die Druckschrift (12) offenbart, einzusetzen.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie entscheidungserheblich sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Begriff des Schüttelns werde in den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig offenbart. So werde auf Seite 3, Zeilen 5 bis 11 ein Verfahren von besonderer Bedeutung offenbart, in dem die Reinigung mit Hilfe eines Freifallmischers oder eines Rütteltisches erfolge (siehe auch Anspruch 7). Aufgrund der Funktionsweise von Freifallmischern und Rütteltischen bedeute dies nichts anderes, als dass die zu reinigenden Kapseln geschüttelt werden. Dies werde auch durch die Offenbarung auf Seite 4, Zeilen 21 bis 25, Seite 8, Zeilen 4 bis 5 und Tabelle 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen bestätigt. Eine Beschränkung der Offenbarung des Merkmals "durch Schütteln" auf die Kombination mit anderen Merkmalen, wie zum Beispiel die Füllung mit Tiotropiumpulverformulierung, lasse sich der Anmeldung nicht entnehmen. Zudem sei es für den Fachmann offensichtlich, dass anspruchsgemäß eine Bewegung/Schütteln erfolgen müsse, da sonst keine Reinigung stattfinden könne. Es bestehe kein funktioneller oder struktureller Zusammenhang mit den genannten Vorrichtungen, die lediglich beispielhaft genannt seien.
Die Hilfsanträge I und II seien mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht worden und damit nach Artikel 12 (2) VOBK zuzulassen. Der Einspruch sei zurückgewiesen worden. Es müsse der Beschwerdeführerin gestattet sein, im Beschwerdeverfahren ihre Position bestmöglich zu verteidigen. Die Frage, was wäre gewesen, wenn der Einspruch nicht zurückgewiesen worden wäre, stelle sich nicht. Im Übrigen sei auch aus der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung nicht ersichtlich gewesen, dass konkrete Bedenken unter Artikel 100 c) EPÜ bestünden. Die Hilfsanträge seien noch vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden. Die Beschwerdeführerin habe sogar im Einspruchsverfahren noch mit weiterem Stand der Technik darauf reagiert. Ein missbräuchliches Verhalten liege nicht vor.
Der Gegenstand des Hilfsantrags I finde eine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 7. Seite 4, Zeilen 23 und 25 offenbarten darüber hinaus die Verbindung zwischen der Vorrichtung und dem Vorgang.
Das Beispiel 2 der Druckschrift (12) könne als nächster Stand der Technik angesehen werden. Ziel der Erfindung sei es gewesen, die Kapselinnenwände von Trenn- und Schmiermitteln zu befreien und damit die Belegung der Oberfläche mit Wirkstoffformulierung zu verhindern (siehe Streitpatent, Absatz [0003]). Der Begriff der Reinigung lasse sich nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, auf die Erhöhung der ausgebrachten Wirkstoffmenge reduzieren oder mit dieser gleichsetzen. Diese sei lediglich die Folge der Reinigung, d.h. der Entfernung der Trenn- und Schmiermittel von der Kapselinnenwand. Da das Beispiel 3 der Druckschrift (12), im Gegensatz zum Beispiel 2, keine Reinigung, sondern eine Belegung der Kapselinnenwand mit einem Pulver offenbare, sei es nicht der geeignete Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von Beispiel 2 sei die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines einfachen und ökonomischen Verfahrens zur Reinigung der Kapselinnenwand zu sehen, welches eine erhöhte und gleichmäßige Wirkstofffreisetzung ermögliche, ohne das eine zusätzliche Kontrolle des Gehalts an Reinigungsmittel erfolgen müsse und ohne die Nachteile des in der Druckschrift (12) bevorzugt verwendeten Alkohols als Lösungsmittel. Zudem könne für den Fall von pharmazeutisch verträglichen Verunreinigungen auf eine Öffnung und Entleerung der Kapseln verzichtet werden. Dass das erfindungsgemäße Verfahren eine erhöhte Wirkstofffreisetzung ermögliche, folge aus den Angaben im Streitpatent (siehe Tabelle 1, Vergleich zwischen geschüttelt und ungeschüttelten Kapseln). Ein Quervergleich zwischen Kapseln unterschiedlicher Qualität (d.h. Kapseln A und B) sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Die vorgeschlagene Lösung, das Schütteln mit einer Pulverformulierung, werde weder durch die Druckschrift (12) allein noch durch die Kombination mit den Druckschriften (7) oder (13) nahegelegt. Beispiel 3 in der Druckschrift (12) offenbare die Belegung der Kapselinnenwände mit einem Pulver. Einen Hinweis, das in der Druckschrift (12) zur Reinigung eingesetzte Lösungsmittel durch eine Pulverformulierung zu ersetzen, lasse sich weder diesem Beispiel noch einer anderen Stelle der Druckschrift (12) entnehmen. Die Druckschrift (13) offenbare einen Vibrationswendelförderer zur Reinigung von pharmazeutischen Hartkapseln, der mit den Kapseln und einem geeigneten festen Reinigungsmittel befüllt werde. Ziel sei die Befreiung der äußeren Hülle der Kapseln von Pulverrückständen und die Verbesserung des Erscheinungsbildes der Kapseloberfläche (siehe Spalte 2, Zeile 75 bis Spalte 3, Zeile 2). Einen Hinweis auf die Reinigung der Kapselinnenwand von zur Inhalationstherapie verwendeten Kapseln gebe es ebenso wenig wie einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer solchen Reinigung im Hinblick auf die verbesserte Ausbringung des Wirkstoffes. Insofern fehle es dem Fachmann an der erforderlichen Veranlassung, die Druckschriften (12) und (13) zu kombinieren. Gleiches gelte auch für die Druckschrift (7). Diese betreffe ein Verfahren zur Herstellung von Hartgelatinekapseln, wobei die Pulverformulierung in die oben offene Kapsel eingefüllt, anschließend mittels Rütteltisch oder Stopfer kompaktiert und dann mit einem Pfropf aus geschmolzener Gelatine verschlossen werde. Ein Zusammenhang mit dem Ziel des Streitpatents fehle völlig und könne dem Fachmann den anspruchsgemäßen Gegenstand nicht nahelegen.
Der beanspruchte Gegenstand sei auch ausgehend vom Beispiel 3 der Druckschrift (12) nicht naheliegend. Von diesem unterscheide er sich durch den Schüttelvorgang, der eine Reinigung der Kapselinnenwand bewirke. Die technische Aufgabe bleibe gleich. Einen Hinweis für den Fachmann, die Kapselinnenwände durch Schütteln, insbesondere mittels Freifallmischer oder Rütteltisch, zu reinigen, finde sich in der Druckschrift (12) nicht. Die Möglichkeit beziehungsweise Notwendigkeit einer solchen Reinigung für Kapseln, die in der Inhalationstherapie Verwendung finden, werden auch in den Druckschriften (13) und (7) nicht angesprochen und können dem Fachmann daher keine Veranlassung bieten, die Lehre der Druckschrift (12) mit derjenigen der Druckschriften (13) und (7) zu kombinieren.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Sie beantragte ferner die Hilfsanträge I bis VIII nicht zum Verfahren zuzulassen.
XII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder, hilfsweise, das Streitpatent auf Grundlage der Ansprüche einer der mit der Beschwerdeerwiderung vom 28. August 2012 eingereichten Hilfsanträge I bis VIII aufrechtzuerhalten.
XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag (Ansprüche in der erteilten Fassung)
2. Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ)
2.1 Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) unterscheidet sich vom Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen dadurch, dass der Begriff "durch Schütteln" aufgenommen wurde.
Die Einspruchsabteilung befand, dass die Einführung dieses Begriffs eine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Anmeldunterlagen habe und verwies in diesem Zusammenhang auf die Seite 3, Zeilen 5 bis 11, Seite 4, Zeile 17, Seite 7, Zeile 7 und Abbildung 1. Dem hat die Beschwerdeführerin widersprochen.
2.2 Dazu ist zunächst festzustellen, dass keine der Passagen, auf die sich die Einspruchsabteilung stützt, den Begriff "durch Schütteln" offenbart. Auf Seite 3, Zeilen 5 bis 11 wird als bevorzugte Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens die Reinigung in einem Freifallmischer oder auf einem Rütteltisch offenbart und dafür geeignete spezifische Vorrichtungen genannt. Auf Seite 4, Zeile 17 findet sich der Ausdruck "in einem Mischbehälter bewegt". Der Begriff "bewegt" findet sich auch auf Seite 7, Zeile 7, in Verbindung mit den auf Seite 3 spezifisch genannten Freifallmischern und Rütteltischen. Abbildung 1 zeigt ein Fließschema mit den Schritten B 1 bis B 4 und verweist auf das "Bewegen" der Kapseln zur Reinigung der Innenwand.
2.3 Nach Auffassung der Einspruchsabteilung werden die beschriebenen Freifallmischer und Rütteltische unzweifelhaft dazu benutzt, die Kapseln zu schütteln. Da für die auf Seite 4 und in Abbildung 1 beschriebene Bewegung als einzige Vorrichtung die genannten Fallmischer und Rütteltische in Frage kämen, sei der Begriff "bewegt" mit dem Begriff "schütteln" gleichzusetzen. Die Einspruchsabteilung hat somit bereits auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vorgang und den einzig dazu als geeignet beschriebenen Vorrichtungen abgestellt. Ungeachtet dieses Zusammenhangs sind die Vorrichtungen im erteilten Anspruch 1 nicht genannt. Dies wurde von der Einspruchsabteilung damit begründet, dass der Begriff des Schüttelns in keinem funktionellen oder strukturellen Zusammenhang mit den benutzten Vorrichtungen stehe und somit isoliert betrachtet werden könne.
2.4 Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Der Begriff des Schüttelns ergibt sich einzig in Verbindung mit den genannten Vorrichtungen (d.h. Freifallmischern und Rütteltischen). Dies bestätigen der Absatz auf Seite 4, Zeilen 23 bis 25 der ursprünglich eingereichten Beschreibung und das erfindungsgemäße Beispiel (siehe Seite 7, Zeile 31, Seite 8, Zeilen 4 bis 5, Tabelle 1). Beide Stellen offenbaren den Vorgang des Schüttelns in Verbindung mit besagten Freifallmischern oder Rütteltischen. Die Auffassung, dass zwischen der Vorrichtung und dem dadurch ausgeführten Vorgang, der auf der Funktionsweise der Vorrichtung beruht, kein funktioneller Zusammenhang bestehe, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Eine von der Vorrichtung unabhängige Offenbarung der Reinigung der Kapselinnenwände durch Schütteln findet sich in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht.
2.5 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Damit steht der Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen.
3. Zulassung der Hilfsanträge I und II
3.1 Die Hilfsanträge I und II wurden von der Beschwerdegegnerin mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht. Die Anträge entsprechen den bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsanträgen, über deren Zulassung im Hinblick auf den positiven Ausgang in Bezug auf den Hauptantrag jedoch nicht zu entscheiden war und auch nicht entschieden wurde.
3.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sollten die Hilfsanträge I und II nicht zum Verfahren zugelassen werden, da sie von der Beschwerdegegnerin nicht vor dem von der Einspruchsabteilung unter Regel 116 EPÜ für die Einreichung von Schriftsätzen und/oder Unterlagen bestimmten Zeitpunkt vorgelegt worden seien. Die Beschwerdegegnerin habe diesen Zeitpunkt grundlos verstreichen lassen und die Anträge in Form der geänderten Patentansprüche erst kurz vor der mündlichen Verhandlung vor den Einspruchsabteilung eingereicht. Diese wären im Einspruchsverfahren nicht zuzulassen gewesen und sollten rückblickend auch von der Kammer nicht zum Verfahren zugelassen werden. Die erneute Vorlage und Zulassung dieser Hilfsanträge zum Beschwerdeverfahren begünstige missbräuchliches Verhalten.
3.3 Regel 116 (1) EPÜ räumt der Einspruchsabteilung ein Ermessen ein, neue Tatsachen und Beweismittel, die nach dem von der Abteilung gemäß dieser Vorschrift bestimmten Zeitpunkt vorgebracht wurden, nicht zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt nach Regel 116 (2) EPÜ für die Einreichung von geänderten Unterlagen, wenn dem Patentinhaber Gründe mitgeteilt worden sind, die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht feststellt, soll dadurch allen Verfahrensbeteiligten eine umfassende und sorgfältige Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ermöglicht werden. Das Vorlegen neuer Anträge in Form von geänderten Patentunterlagen nach diesem Zeitpunkt ist damit jedoch weder von vornherein ausgeschlossen noch regelmäßig unzulässig. Es liegt im Ermessen der Einspruchsabteilung, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände über die Zulassung von derartigen Anträgen, die nach dem gemäß Regel 116 EPÜ bestimmten Zeitpunkt eingereicht wurden, zu entscheiden.
Wird eine solche Ermessensentscheidung angefochten, kann sie von der Kammer beispielsweise im Rahmen von Artikel 12 (4) VOBK, gemäß den für eine Beurteilung von Ermessensentscheidung geltenden Grundsätzen, überprüft werden. Im vorliegenden Fall wurde jedoch bezüglich der Zulassung der Hilfsanträge I und II keine Entscheidung gefällt, die von der Kammer überprüft werden könnte. Weiterhin bestand für die Einspruchsabteilung vor dem Hintergrund der Gewährbarkeit des Hauptantrags auch im weiteren Verlauf des Verfahrens keine prozessuale Notwendigkeit, eine Entscheidung über die Zulassung der nachrangigen, nicht relevant gewordenen Anträge zu treffen. Die Kammer sieht es, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, daher vorliegend weder als ihre Aufgabe an, Mutmaßungen darüber anzustellen, wie die Einspruchsabteilung über die Zulassung entschieden hätte oder hätte entscheiden sollen, noch darüber zu befinden, wie die Kammer an Stelle der Einspruchsabteilung im vorliegenden Fall entschieden hätte.
3.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Nichtbeachtung des unter Regel 116 EPÜ bestimmten Zeitpunkts damit letztlich nicht sanktioniert werde und auf diese Weise missbräuchliches Verhalten gefördert werde, dahingehend dass aus taktischen Gründen geänderte Patentunterlagen erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, um eine angemessene Stellungnahme der anderen Partei zu verhindern, überzeugt die Kammer nicht.
Regel 116 (2) EPÜ erlaubt es ausdrücklich, verspätet eingereichte Unterlagen nicht zu berücksichtigen. Eine Patentinhaberin, die geänderte Unterlagen erst kurz vor der mündlichen Verhandlung einreicht, geht das Risiko ein, dass diese nicht zugelassen werden. Dies kann unter Umständen zum Verlust des Patents führen, insbesondere da die Möglichkeit besteht, dass die von der Einspruchsabteilung nicht zugelassenen Anträge auch im Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 12 (4) VOBK nicht berücksichtigt werden. Missbräuchliches Verhalten wird nach Auffassung der Kammer dadurch nicht begünstigt.
3.5 Die Hilfsanträge I und II wurden mit der Beschwerdeerwiderung in Reaktion auf die in der Beschwerdeschrift weiterhin aufrechterhaltenen Einwände eingereicht. Sie sind Teil des vollständigen Sachvortrags der Beschwerdegegnerin (Artikel 12 (2) VOBK) und beziehen sich auf die Beschwerdesache. Daher sieht die Kammer keinen Grund diese Anträge im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt zu lassen.
3.6 Die Kammer entschied daher, die Hilfsanträge I und II zum Verfahren zuzulassen, Artikel 12 (4) VOBK.
3.7 Die Kammer stellt darüber hinaus fest, dass sich durch die Hilfsanträge I und II keine grundsätzlich neue Sachlage ergibt, die erstmals kritische Fragen aufwirft. Eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur inhaltlichen Prüfung der Hilfsanträge war daher nicht angezeigt. Dies wurde von den Parteien auch nicht geltend gemacht.
Hilfsantrag I
4. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
4.1 Im Hilfsantrag I wurde das Merkmal, dass die Reinigung in einem Freifallmischer oder Rütteltisch erfolgt, in den Anspruch 1 aufgenommen. Dieses Merkmal findet wie bereits erläutert eine Grundlage auf Seite 3, Zeilen 5 bis 11 und im Anspruch 7 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Dass es sich bei der mit diesen Vorrichtungen erzeugten Bewegung (siehe Seite 7, Zeilen 3 bis 7, Abbildung 1) um eine Schüttelbewegung handelt, durch die sich die gewünschte Reinigung erzielen lässt, ist, wie ebenfalls bereits erläutert, für den Fachmann aus dem Absatz auf Seite 4, Zeilen 23 bis 25 und dem Beispiel (siehe Seite 8, Zeilen 4 bis 5, Tabelle 1) eindeutig erkennbar. Zwar ist es richtig, dass in diesem Zusammenhang die Kapsel mit einer bestimmten Pulverformulierung (Tiotropium enthaltende Pulverformulierung) gefüllt ist, die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass es für den Fachmann eindeutig ersichtlich ist, dass die Reinigungswirkung durch das Schütteln einer Pulvermischung mittels Freifallmischer oder Rütteltisch erzielt wird und nicht auf eine bestimmte, Tiotropiumbromid enthaltende Pulvermischung beschränkt ist. So werden in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen weitere zur Reinigung geeignete, völlig unterschiedliche Pulverformulierungen beziehungsweise Bestandteile solcher Formulierungen beschrieben (siehe Seite 2, Zeilen 6 bis 28).
4.2 Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, dass gemäß Seite 4, Zeilen 23 bis 25 als weitere Merkmale die Füllung von Gelatinekapseln, nicht Hartgelatinekapseln, offenbart werden.
Die Kammer kann jedoch in diesem Zusammenhang nicht erkennen, dass diese Merkmale so untrennbar mit dem Merkmal des Schütteln mit Hilfe eines Freifallmischers oder eines Rütteltischs verknüpft sind, dass das Herausgreifen des letzteren zu einer neuen technischen Lehre führt. Diesbezüglich wurden von der Beschwerdeführerin auch keine Argumente vorgebracht. Im Übrigen ist die Kammer auch der Auffassung, dass es bereits aus den ersten Zeilen der ursprünglich eingereichten Beschreibung ersichtlich ist, dass die Erfindung ein Verfahren zur Reinigung von Hartgelatinekapseln betrifft, da bei diesen bedingt durch die Herstellung die Innenwand mit Schmier- oder Trennmitteln belegt ist (siehe Seite 1, Zeilen 3 bis 9). Für den Fachmann steht es daher außer Zweifel, dass es sich auch bei den auf Seite 4, Zeilen 23 bis 25 genannten Gelatinekapseln um Hartgelatinekapseln handelt, unabhängig davon, ob dies nun explizit angegeben wird oder nicht. Hinsichtlich des vorgeblich fehlenden Begriffs "füllen" im Anspruch 1, ist die Kammer der Auffassung, dass damit keine neue technische relevante Information verbunden ist. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich wie die Reinigung der Kapselinnenwände mittels einer Pulverformulierung auf einem Rütteltisch oder in einem Freifallmischer erfolgen kann, ohne dass die Kapseln mit Pulverformulierung "gefüllt" sind.
5. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Hilfsantrags I für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen ableitbar ist. Das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ ist damit erfüllt.
6. Unzureichende Offenbarung
6.1 In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Fachmann in der Lage ist, die Erfindung auszuführen. Die Kammer sieht keinen Grund, von dieser Entscheidung abzuweichen. Die Beschwerdeführerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer diesen Einspruchsgrund nicht länger geltend gemacht.
7. Neuheit
7.1 Ein Verfahren zur Reinigung der Kapselinnenwand von Hartgelatinekapseln durch Schütteln mit einer Pulverformulierungen in einem Freifallmischer oder einem Rütteltisch wird in keinem der vorliegenden Druckschriften offenbart. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
7.2 Der Gegenstand des Hilfsantrags I erfüllt daher das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 EPÜ).
8. Erfinderische Tätigkeit
8.1 In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und beiden Parteien, sieht die Kammer die Druckschrift (12) als den nächsten Stand der Technik an.
Diese Druckschrift spricht das gleiche Problem hinsichtlich der Verwendung von Hartgelatinekapseln in der Inhalationstherapie an wie das Streitpatent. Bedingt durch die Herstellung der Kapseln ist deren Innenwand mit Schmier- und/oder Trennmitteln belegt (siehe Druckschrift (12), Spalte 2, Zeilen 18 bis 27; Streitpatent, Seite 1, Zeilen 7 bis 8). Durch Anhaftung der Wirkstoffformulierung an diesen Belag wird der die Atemwege erreichende effektive Wirkstoffanteil reduziert (siehe Druckschrift (12), Spalte 2, Zeilen 28 bis 34; Streitpatent Seite 1, Zeilen 8 bis 9). In der Druckschrift (12) werden zwei Verfahren zur Verringerung der Anhaftung der Wirkstoffformulierung an die Kapselinnenwand vorgeschlagen. Zum einen wird die Schmier- und Trennmittelschicht mit Hilfe eines Lösungsmittels entfernt, d.h. die Kapselinnenwand wird mit Hilfe eines Lösungsmittels gereinigt (siehe Spalte 2, Zeilen 55 bis 61, Spalte 7, Zeile 19 bis 59, Beispiel 2). Das zweite Verfahren besteht darin, die Oberfläche der Kapselinnenwand mit einer Pulverschicht zu belegen (Spalte 2, Zeile 66 bis Spalte 3, Zeile 4, Spalte 7, Zeile 63 bis Spalte 8, Zeile 5, Beispiel 3). Dies wird dadurch erzielt, dass eine etwa 8 Sekunden dauernde Scheinentleerung mit Hilfe eines Pulverinhalators durchgeführt wird, wobei die Kapsel geschüttelt wird, auch wenn dies nicht explizit erwähnt wird (Spalte 11, Zeilen 40 bis 45 und 50 bis 53). Überschüssiges Pulver wird entfernt und die Kapsel anschließend mit der Wirkstoffformulierung befüllt. Beide Verfahren führen dazu, dass die ausgebrachte Wirkstoffmenge erhöht wird.
8.2 Die Einspruchsabteilung ist bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit vom Beispiel 3 der Druckschrift (12) ausgegangen, d.h. demjenigen Beispiel, das die Belegung der Oberfläche mit einer Pulverschicht beschreibt. Auch die Beschwerdeführerin sieht das Beispiel 3 als den geeigneteren Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Das erfindungsgemäße Verfahren betrifft die Reinigung der mit Schmier- und Trennmitteln belegten Innenwände von Hartgelatinekapseln. Der Begriff der Reinigung bedeutet im üblichen technischen Sprachgebrauch, dass man etwas (e.g. eine Verunreinigung) von oder aus etwas entfernt (e.g. einer Oberfläche). Die gleiche Bedeutung hat dieser Begriff im Streitpatent, das unter Reinigung die Entfernung der Schmier- und Trennmittel von der Oberfläche der Kapselinnenwand versteht (siehe den Absatz [0003] des Streitpatents). Der Interpretation des Begriffs "Reinigung" als dem "Ermöglichen des Ausbringens der Dosis" oder der "Verhinderung des Anhaftens des Wirkstoffes an die Schmier- und Trennmittel", wie dies seitens der Beschwerdeführerin vorgebracht wurde, stimmt die Kammer daher nicht zu. Daran ändert auch der Verweis auf die Absätze [0018] und [0020] des Streitpatents nichts. Ersterer bezieht sich auf die Verhinderung der Anhaftung der Wirkstoffformulierung durch den Reinigungsvorgang. Dieser Reinigungsvorgang besteht jedoch erfindungsgemäß im Entfernen der Schmier- und Trennmittel. Im Absatz [0020] auf Seite 4, Zeilen 5 bis 8 wird darauf verwiesen, dass sich der Reinigungsvorgang visuell kontrollieren lässt, dass er beendet ist, wenn keine Pulverbelegung mehr zu beobachten ist, und dass auch eine lediglich geringfügige Pulverbelegung ausreichend ist, um den Reinigungsvorgang zu beenden. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass unter dem Begriff der Reinigung, entgegen der erfindungsgemäßen Lehre, etwas anderes zu verstehen ist als die Entfernung der Schmier- und Trennmittel von der Kapselinnenwand. Im Beispiel 3 der Druckschrift (12) wird jedoch eindeutig keine Reinigung erzielt - eine solche ist auch gar nicht beabsichtigt -, sondern die Kapselinnenwand wird in einer wenigen Sekunden dauernde Scheinentleerung mit einer Pulverschicht belegt. Auch wenn die Kapseln dabei kurzzeitig geschüttelt werden, so findet durch diesen Vorgang nach Angaben der Druckschrift (12) explizit keine Befreiung der Kapselinnenwände von Schmier- und Trennmitteln statt. Das Ziel des erfindungsgemäßen Verfahrens ist demnach ein anderes als in Beispiel 3 der Druckschrift (12), auch wenn die Folge, d.h. die Verhinderung der Anhaftung der Wirkstoffkombination und somit die Erhöhung der ausgebrachten Dosis, die gleiche ist. Nach Auffassung der Kammer ist das Beispiel 3 als nächster Stand der Technik daher ungeeignet.
8.3 Die Kammer, in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin, sieht das in der Druckschrift (12) offenbarte Reinigungsverfahren, illustriert am Beispiel 2, als geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an. Der Zweck ist der gleiche, nämlich die Entfernung der Schmier- und Trennmittel von der Oberfläche der Kapselinnenwand, als deren Folge die Anhaftung der Wirkstoffformulierung reduziert und die ausgebrachte Dosis erhöht wird.
8.4 Ausgehend von Beispiel 2 besteht nach Auffassung der Beschwerdegegnerin die zu lösende Aufgabe darin, ein einfaches und ökonomisches Verfahren zur Reinigung der Kapselinnenwand bereitzustellen, welches eine erhöhte und gleichmäßige Wirkstofffreisetzung ermöglicht, ohne die Notwendigkeit einer zusätzlichen Kontrolle des Gehalts an Reinigungsmittel und ohne die Nachteile des in der Druckschrift (12) verwendeten Alkohols als Lösungsmittels.
Die vorgeschlagene Lösung besteht darin, die Kapseln mit einer Pulvermischung in einem Freifallmischer oder Rütteltisch durch Schütteln zu reinigen.
8.5 Die von der Beschwerdegegnerin genannten Vorteile einer Vereinfachung des Reinigungsvorgangs, einer ökonomischen oder ökologischen Verbesserung oder einer vorgeblich erzielten verbesserten Anlagensicherheit sind für die Kammer nicht ersichtlich und durch keinerlei konkrete Angaben oder Daten belegt. In Bezug auf die Kontrolle des Gehaltes an Reinigungsmittel, ist die Kammer der Auffassung, dass diese nur dann entfallen kann, wenn die eingesetzte Pulverformulierung im Wesentlichen unbedenklich ist. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist diesbezüglich jedoch nicht beschränkt. Der in der Druckschrift (12) genannte Nachteil beim Einsatz absoluten Alkohols als Reinigungsmittel (d.h. Wasser- und damit Stabilitätsverlust der Kapsel, siehe Spalte 7, Zeile 27 bis 35) wird bereits in der Druckschrift (12) durch den Einsatz eines Wasser enthaltenden Lösungsmittels verhindert (siehe Spalte 7, Zeilen 35 bis 42). Im Übrigen ist das Lösungsmittel zur Reinigung der Kapselinnenwände in der Druckschrift (12) nicht auf Alkohol beschränkt (siehe Spalte 4, Zeilen 24 bis 64). Demgegenüber wird durch den Einsatz einer Pulverformulierung kein Vorteil gezeigt. Der Vorteil, dass im anspruchsgemäßen Verfahren die Kapsel nicht mehr geöffnet werden muss, besteht nur für den Fall von pharmakologisch verträglichen Verunreinigungen. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags ist diesbezüglich jedoch nicht beschränkt.
8.6 Nach gängiger Rechtsprechung sind Vorteile, die nicht hinreichend belegt sind, bei der Formulierung der technischen Aufgabe nicht zu berücksichtigen. Die Kammer sieht die zu lösende Aufgabe daher als die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Reinigung der Innenwände von Hartgelatinekapseln zur Verwendung in der Inhalationstherapie an.
Im Hinblick auf die Angaben im Streitpatent (siehe Tabelle 1), sieht die Kammer diese Aufgabe durch das anspruchsgemäße Verfahren als gelöst an.
8.7 Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang die Aussagekraft der Ergebnisse in Tabelle 1 des Streitpatents angezweifelt. Der geringe Unterschied zwischen gereinigten und ungereinigten Kapseln, die in der Größenordnung liegen, in denen sich die beiden Kapseltypen A und B unterscheiden, lasse Zweifel an der statistischen Aussagekraft aufkommen, insbesondere wenn dies mit den Ergebnissen der Druckschrift (12) verglichen werde.
8.8 Nach Auffassung der Kammer ist jedoch nicht der Vergleich zwischen den Kapseln A und B entscheidend, sondern der Vergleich zwischen den jeweils geschüttelten und ungeschüttelten Kapseln A und B. Die Ergebnisse zeigen eine Erhöhung der ausgebrachten Dosis um 4 bzw. 8%, die als Folge der Reinigung angesehen werden kann. Gegenteilige Beweise liegen der Kammer nicht vor. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der Druckschrift (12) ist nach Auffassung der Kammer nicht möglich, da sich die Wirkstoffformulierung, für die die ausgebrachte Dosis ermittelt wurde, und ebenso die eingesetzten Kapseln in der Druckschrift (12) und dem erfindungsgemäßen Beispiel unterscheiden.
8.9 Es bleibt zu überprüfen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregung bot, die unter Punkt 8.6 definierte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen.
8.9.1 Die Druckschrift (12) beschreibt, wie bereits mehrfach festgestellt (siehe Punkte 8.1 und 8.2 supra), ein Reinigungsverfahren, d.h. ein Verfahren zur Entfernung von Schmier- und Trennmitteln von der Kapselinnenwand mit einem Lösungsmittel. Einen Hinweis darauf, diese Reinigung mit Hilfe einer Pulverformulierung durch Schütteln in einem Freifallmischer oder Rütteltisch vorzunehmen, ist dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird ein solches Verfahren auch nicht durch das Beispiel 3 der Druckschrift (12) nahegelegt, das die Belegung der Oberfläche der Kapselinnenwände mit einem Pulver beschreibt.
8.9.2 Die in der angefochtenen Entscheidung angezogene Druckschrift (13) beschreibt eine spezifische Vorrichtung, um die Außenwände pharmazeutischer Kapseln von Pulverrückständen zu befreien und das äußere Erscheinungsbild der Kapseln durch Polieren der Oberfläche zu verbessern (siehe Spalte 1, Zeilen 4 bis 10, Spalte 2, Zeile 75 bis Spalte 3, Zeile 2). Dazu werden die Kapseln in dieser Vorrichtung mit einem festen Reinigungsmittel gemischt und geschüttelt. Mit der erfindungsgemäßen Aufgabenstellung, nämlich der Befreiung der Innenwände von Belägen, die die Ausbringung des Wirkstoffes beeinträchtigen, ist die Druckschrift (13) nicht befasst. Es lässt sich ihr auch kein direkter oder indirekter Hinweis darauf entnehmen, dass die Entfernung solcher aus Schmier- und Trennmittel bestehenden Beläge auf diese Weise möglich ist. Die Druckschrift (13) bietet dem Fachmann angesichts der zu lösenden Aufgabe (siehe Punkt 8.6. oben) daher keinen Anhaltspunkt, das zur Reinigung verwendete Lösungsmittel durch Schütteln mit einer Pulverformulierung zu ersetzen und so zu der beanspruchten Lösung zu gelangen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus einer Kombination der Druckschriften (12) und (13).
In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin auch argumentiert, dass es sich bei der Verwendung der erfindungsgemäßen Reinigungsmittel lediglich um eine offensichtliche Alternative handle - Reinigungsmittel lägen im Allgemeinen entweder fest oder flüssig vor -, dass die Verwendung fester Reinigungsmittel, wie aus der Druckschrift (13) ersichtlich sei, zum Fachwissen des Fachmann gehöre und dass der Vorgang des Schütteln naheliegend sei, da das feste Reinigungsmittel mit der Oberfläche in Kontakt gebracht werden müsse.
Die Kammer überzeugen diese Argumente nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass die Druckschrift (13) nicht das Fachwissen widerspiegelt, hat die Beschwerdeführerin lediglich aufgezeigt, dass der Fachmann theoretisch feste Reinigungsmittel hätte verwenden können. In Abwesenheit eines klaren Anhaltspunktes im Stand der Technik, solche Mittel im Hinblick auf das angestrebte Ziel, d.h. die Entfernung von Schmier- und Trennmitteln, auch einzusetzen, genügt diese theoretisch vorhandene Möglichkeit nicht, um zu belegen, dass es für den Fachmann, ohne Kenntnis der Erfindung, naheliegend war, die flüssigen Reinigungsmittel aus der Druckschrift (12) durch feste Reinigungsmittel zu ersetzen.
8.9.3 Die ebenfalls angezogene Druckschrift (7) beschreibt ein Verfahren zum Befüllen und Verschließen von Hartgelatinekapseln. Ziel des Verfahrens ist es, das Austreten oder das unbefugte Austauschen des Kapselinhalts zu verhindern. Dazu wird die an einem Ende geöffnete Kapsel vollständig befüllt und die Öffnung anschließend mit geschmolzener Gelatine verschlossen. Vor dem Verschließen ist es zweckmäßig die Füllhöhe geringfügig abzusenken. Dies geschieht mit Hilfe eines Rütteltisches oder eines Stopfpolsters. Eine Anregung, zur Reinigung der Kapselinnenwand von Schmier- und Trennmitteln das Lösungsmittel des Beispiels 2 durch Pulverformulierungen zu ersetzen, kann der Fachmann auch dieser Druckschrift nicht entnehmen. Die Kombination der Druckschriften (12) und (7) führt damit ebenfalls nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand der Anspruchs 1 des Hilfsantrags I.
8.10 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I, und aus den gleichen Gründen auch der abhängigen Ansprüche 2 bis 13, auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
Die Beschwerdegegnerin passte die Beschreibung an die für gewährbar erachteten Ansprüche des Hilfsantrags an. Seitens der Beschwerdeführerin und der Kammer bestanden keine Einwände im Hinblick auf die Änderungen.
8.11 Da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass der Hilfsantrag I die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, ist eine Entscheidung über die Hilfsanträge II bis VIII nicht erforderlich.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der
Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden
Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche:
Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags I, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 28. August 2012
- Beschreibung:
- Seite 2 der Patentschrift wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht
- Seite 3 und 4 der Patentschrift
- Zeichnungen:
Figur 1 der Patentschrift