European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T026612.20160908 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 September 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0266/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04000425.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01N 1/34 B01D 15/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sammler für die Festphasenmikroextraktion und Analyse zu untersuchender Substanzen | ||||||||
Name des Anmelders: | Gerstel Systemtechnik GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | IMT Innovative Messtechnik GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Änderungen - Unzulässige Erweiterung bzw. Zwischenverallgemeinerung (nein) Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja Neuheit - geänderte Ansprüche) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtete ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1406077 (Anmeldenummer 04000425.1) widerrufen worden ist.
Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54(1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.
II. Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurden u.a. folgende Druckschriften genannt:
D2: "Trace analysis of semi-volatile organic air pollutants using thick film silicone rubber traps with capillary gas chromatography", E. K. Ortner et al.; J. High Resol. Chromatogr., Vol. 19 (1996); Seiten 339 bis 344
D5 : WO-A-9841855.
In der Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. die Auffassung, dass
- der von der Beschwerdegegnerin nach Artikel 100 c) EPÜ erhobene Einwand nicht gerechtfertigt sei und
- die Entgegenhaltung D5 dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich entgegenstünde (Artikel 52(1) EPÜ).
III. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin einen geänderten Anspruch 1 mit der Überschrift "Hilfsantrag II" eingereicht.
IV. Am 8. September 2016 wurde mündlich verhandelt.
Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin eine geänderte Seite 3 der Beschreibung der Patentschrift eingereicht, und die Beschwerdegegnerin hat folgendes Dokument eingereicht:
O1: "Römpp Lexikon - Chemie", Georg Thieme Verlag (DE), 10. Auflage (1998); Seiten mit bibliographischen Angaben, und Seiten 2495 und 2496.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage von
- Anspruch 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 13. April 2012 mit der Überschrift "Hilfsantrag II", sowie den erteilten Ansprüche 2 bis 5,
- Beschreibungsseiten 2 und 4 wie erteilt, und Beschreibungsseite 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und
- Zeichnungen auf Seiten 6 bis 9 wie erteilt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
V. Anspruch 1 gemäß dem geltenden Antrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
"Sammler bestehend aus einem stabförmigen Träger, der mit einer Beschichtung aus schlauchartigem, bezüglich der zu untersuchenden Substanzen sorbierenden und/oder adsorbierenden Material versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass für eine Festphasenmikroextraktion und Analyse zu untersuchender Substanzen, insbesondere zum Einsetzen in eine Thermodesorptionsvorrichtung eines Gaschromatographen, der Sammler selbständig ausgebildet ist und der stabförmige Träger (15) einen Durchmesser von 3 bis 6 mm besitzt."
Der Anspruchssatz gemäß dem geltenden Antrag beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 5, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Sammlers nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 100 c) EPÜ 1973 und Artikel 123 (2) EPÜ
Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 durch die Hinzufügung des Merkmals "und der stabförmiger Träger (15) einen Durchmesser von 3 bis 6 mm besitzt". Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass das im Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung führt (Artikel 123 (2) EPÜ). Außerdem wurde der Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ 1973, der von der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf das Merkmal "der Sammler selbständig ausgebildet ist" des erteilten Anspruchs 1 erhoben wurde und von der Einspruchsabteilung als nicht stichhaltig zurückgewiesen wurde (vgl. Nr. II oben), von der Beschwerdegegnerin während des Beschwerdeverfahrens aufrechterhalten.
2.1.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung im Wesentlichen ausgeführt, dass das Merkmal "der Sammler selbständig ausgebildet ist" im Anspruch 1 im Sinne von "unabhängig" oder "getrennt" auszulegen sei, und dass, auch wenn der Ausdruck "selbständig" nicht in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart sei, das Merkmal aus der gesamten Offenbarung der Anmeldung entnehmbar sei. So seien in den Abbildungen der Anmeldung Sammler dargestellt, die nicht an anderen Elementen der Analysevorrichtung befestigt seien, und die Anmeldung offenbare, dass der Sammler sich sowohl als Passivsammler als auch als Rührelement einsetzen lasse (Anmeldeschrift, Absatz [0005]) und dass er von einer Person getragen werden könne (Anmeldeschrift, Absatz [0025]).
Hierauf hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen erwidert, dass sich im erteilten Patent kein Hinweis finde, was das Wort "selbständig" bedeuten solle, und dass die Auslegung durch die Einspruchsabteilung unmittelbar die Frage aufwerfe, wovon der Sammler unabhängig oder getrennt sein solle; außerdem bezögen sich die Begriffe "Passivsammler" und "Rührelement" in der Anmeldung auf die beabsichtigte Verwendung des Sammlers, und diese Begriffe stellten keine strukturelle Ausgestaltung des Sammlers dar und hätten keinerlei inhaltliche Bedeutung bezüglich der Ausgestaltung des Sammlers als "selbständig".
Die Kammer kann den Argumenten der Beschwerdegegnerin nicht folgen. Die Passage in Absatz [0005] der veröffentlichten Anmeldung offenbart, dass sich der Sammler der Erfindung "sowohl als Passivsammler als auch als Rührelement eines Magnetrührers bzw. in einer relativ zum Sammler durch Ultraschall bewegten Trägerflüssigkeit einsetzen" lässt. Diese Passage bezieht sich zwar, wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, auf die beabsichtigte Verwendung des Sammlers; nach Auffassung der Kammer wird der fachkundige Leser bzw. der Fachmann aus den in dieser Passage offenbarten Verwendungsarten des Sammlers allerdings schließen, dass es sich bei dem Sammler um einen Gegenstand handelt, der "selbständig ausgebildet" ist, und zwar in dem Sinne, dass er - wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt - "unabhängig" ist bzw. "getrennt" einsetzbar ist oder - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - "eigenständig" oder "handhabbar" ist. Dass es sich bei dem Sammler um einen selbständig ausgebildeten Gegenstand handelt, lässt sich auch eindeutig aus der Darstellung des Sammlers in den Figuren der Anmeldung als ein selbständiger bzw. eigenständiger Gegenstand herleiten, sowie aus der weiteren Passage in Absatz [0025] der veröffentlichten Anmeldung, wonach "ein derartiges Rührelement als Passivsammler [...] von einer in [einer belastenden] Umgebung arbeitenden Person getragen werden [kann]". Außerdem hat die Beschwerdegegnerin keine besondere Auslegung des Ausdrucks "selbständig ausgebildet" geltend gemacht, die den Schluss rechtfertigen würde, dass der beanspruchte Gegenstand bei einer solchen Auslegung über den Inhalt der Anmeldung hinausgehen würde.
Die Beschwerdegegnerin hat auch vorgetragen, dass die oben zitierten Passagen in den Absätzen [0005] und [0025] der veröffentlichten Anmeldung ausschließlich ein Rührelement beträfen, und dass sich im Anspruch 1 kein Hinweis darauf finde, der Sammler als Rührelement oder mit einem aus magnetischem Material bestehenden Träger auszubilden, sodass es sich bei dem beanspruchten "selbständig ausgebildeten" Sammler um eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung handele. Die Kammer kann sich auch dieser Argumentation nicht anschließen. Die Anmeldung ist primär auf den Sammler gerichtet (siehe u.a. Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht), und die Ausgestaltung des Sammlers mit einem aus magnetischem Material bestehenden Träger bzw. die Verwendung der Sammler als Rührelement sind nur als bevorzugte Ausführungsformen in den abhängigen Ansprüchen 5 bzw. 2 wie ursprünglich eingereicht definiert und in den Absätzen [0005] und [0025] der Anmeldung als beispielhaft offenbart (vgl. Absatz [0005]: "Ein derartiger Sammler läßt sich [...] als Rührelement [...] einsetzen"). Dabei wird der Sammler nicht erst durch dessen Verwendung als Rührelement selbständig in dem oben genannten Sinne gemacht; vielmehr macht es der Aspekt der Selbständigkeit des Sammlers möglich, dass der Sammler als Rührelement einsetzbar ist. Der fachkundige Leser bzw. der Fachmann wird daher verstehen, dass der Aspekt der Selbständigkeit des Sammlers nicht der Verwendung bzw. der Ausgestaltung des Sammlers als Rührelement untergeordnet ist. Somit stellt die Tatsache, dass Anspruch 1 nicht auf Sammler beschränkt ist, die als Rührelement ausgebildet sind, keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
Das Merkmal "selbständig ausgebildet" im Anspruch 1 stellt somit keinen Verstoß gegen Artikel 100 (c) EPÜ 1973 dar.
2.1.2 Auch dem weiteren Einwand der Beschwerdegegnerin, wonach das Hinzufügen des Merkmals "der stabförmige Träger einen Durchmesser von 3 bis 6 mm besitzt" in Anspruch 1 auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung beruhe (Artikel 123 (2) EPÜ), kann sich die Kammer nicht anschließen. Der letzte Satz in Absatz [0018] der veröffentlichten Anmeldung ("Der stabförmige Träger 15 kann beispielweise einen Durchmesser von ca. 3 bis 6 mm besitzen."), der die Basis für das Merkmal bildet, bezieht sich zwar auf einen stabförmigen Träger "15", der in dem zitierten Absatz [0018] als ein "an den Enden abgerundete[r] [...] stabförmige[r] Träger 15 (Fig. 3) oder" als ein stabförmiger Träger "aus einem Metalldrahtabschnitt [...], der von einem zylindrischen Mantel [...] umgeben ist (Fig. 4)", bezeichnet wird. Bei Absatz [0018] handelt es sich allerdings um eine Auflistung von mehreren beispielhaften Ausführungsformen eines stabförmigen Trägers "15" (vgl. "Dieser kann einen beschichteten stabförmigen Träger 15 [...]. So kann es sich um einen an den Enden abgerundeten [...] Träger 15 [...] oder auch um einen solchen aus einem Metalldrahtabschnitt [...]"), und der Satz am Ende dieses Absatzes "Der stabförmige Träger 15 kann beispielweise einen Durchmesser von ca. 3 bis 6 mm besitzen." ist in dem Kontext des Absatzes [0018] nicht ausschließlich auf die aufgelisteten Ausführungsformen beschränkt. Außerdem ist im Absatz [0018] kein konkreter technischer Zusammenhang zwischen den Werten des Durchmessers des Trägers und den aufgelisteten Ausführungsformen erkennbar - und die Beschwerdegegnerin hat auch keinen geltend gemacht -, der den Schluss rechtfertigen würde, dass solche Werte des Durchmessers für die aufgelisteten Ausführungsformen, nicht aber im Allgemeinen für andere Ausführungsformen des Trägers, gelten sollte.
2.1.3 Damit erfüllen die Änderungen des Anspruchs 1 gemäß dem vorliegenden Antrag die Erfordernisse der Artikel 123 (2) EPÜ und 100 c) EPÜ 1973. Seitens der Kammer bestehen auch keine Bedenken, dass der geltende Anspruch 1 gegenüber der früheren Stammanmeldung (Anmeldenummer 00106217.3) die Erfordernisse des Artikels 76 (1) EPÜ 1973 erfüllt.
2.2 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 gemäß dem geltenden Antrag entsprechen den abhängigen Ansprüchen 2 bis 5 des Patents in der erteilten Fassung.
Die übrigen während des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Änderungen betreffen die Anpassung der Beschreibung an die beanspruchte Erfindung (Artikel 84 und Regel 27 (1) c) EPÜ 1973), und auch diese Änderungen erfüllen nach Auffassung der Kammer die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
3. Neuheit
3.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Sammler gemäß dem erteilten Anspruch 1 durch die Offenbarung des Dokuments D5 neuheitsschädlich vorweggenommen sei (vgl. Nr. II oben).
Die Beschwerdeführerin ist während des Verfahrens der Auffassung der Einspruchsabteilung entgegengetreten, wonach der Sammler der Druckschrift D5 folgende Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aufweise:
a) der Sammler ist "selbständig ausgebildet",
b) der Sammler besteht aus einem "stabförmigen" Träger und
c) der Träger ist mit einer "Beschichtung aus schlauchartigem Material" versehen.
Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits geltend gemacht, dass das in dem geltenden Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal:
d) der Träger "einen Durchmesser von 3 bis 6 mm" besitzt
durch die Druckschrift D5 ebenfalls neuheitsschädlich vorweggenommen sei.
3.2 Die Druckschrift D5 offenbart eine beschichtete Faser (Seite 6, Zeilen 25 bis 33, Seite 25, Zeile 31 bis Seite 26, Zeile 5, und Seite 26, Zeile 28 bis Seite 27, Zeile 9) und deren Verwendung als Sammler für die Festphasenmikroextraktion und Analyse von zu untersuchenden Substanzen (Titel, Seite 17, Zeilen 24 bis 26, und Seite 26, Zeilen 19 bis 28). Die Beschichtung der Faser besteht aus einem Material, das bezüglich der zu untersuchenden Substanzen sorbierend ist (Seite 26, Zeile 35 bis Seite 27, Zeile 9).| |
3.2.1 In der Druckschrift D5 wird auch angegeben, dass der Durchmesser der Faser variieren kann und vorzugsweise zwischen 0.05 und 1 mm liegt (Seite 8, Zeilen 16 bis 18: "The diameter of the fibers will vary but will preferably be between 0.05 millimeters and 1 millimeter.").
Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass der in der Druckschrift D5 angegebene Maßbereich 0.05 bis 1 mm nur bevorzugt sei, und dass die entsprechende Offenbarung für den Fachmann nicht auf diesen bevorzugten Bereich beschränkt sei und darüber hinausgehe, insbesondere im Hinblick auf Fig. 3 der Druckschrift D5, sodass die beanspruchten Werte des Durchmessers des Trägers nicht neu seien.
Die Fig. 3 der Druckschrift D5 bezieht sich allerdings nicht auf eine beschichtete Faser, sondern auf eine Hohlfaser, und bei den Figuren der Druckschrift D5, die sich auf feste Fasern beziehen (siehe z.B. Fig. 1), handelt es sich um schematische Darstellungen, aus denen sich keine Abmessungen der Fasern herauslesen lassen.
Außerdem macht die Druckschrift D5 keinerlei Aussage, inwieweit der Durchmesser der Faser über dem bevorzugten Bereich von 0.05 bis 1 mm hinaus variieren kann, und sie lässt völlig offen, ob dabei auch Werte des Durchmessers zu berücksichtigen sind, die in den Bereich von 3 bis 6 mm hineinreichen. Aus diesen Gründen kann die Kammer in der Druckschrift D5 keine Offenbarung erkennen, aus der der Fachmann eine eindeutige und unmittelbare Anweisung entnehmen würde, bei der Implementierung der Offenbarung der Druckschrift D5 Fasern mit einem Durchmesser im Bereich von 3 bis 6 mm auszuwählen. Die weitere Frage, ob und unter welchen Umständen dabei der Fachmann andere, in der Druckschrift D5 nicht eindeutig und unmittelbar offenbarte Fasern, insbesondere Fasern mit einem Durchmesser von 3 bis 6 mm, in Betracht ziehen würde, gehört ihrer Natur nach zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (siehe Nr. 4 unten).
Daher ist die Kammer der Auffassung, dass das Merkmal d) des Anspruchs 1 der Offenbarung der Druckschrift D5 nicht zu entnehmen ist.
3.2.2 Während des Verfahrens war es zwischen den Beteiligten strittig, ob bzw. inwieweit die beschichtete Faser der Druckschrift D5 die unter Nr. 3.1 oben aufgeführten Merkmale a), b) und c) aufweist.
Nach Meinung der Kammer ermöglichen die Ausdrücke "stabförmiger Träger", "Beschichtung aus schlauchartigem Material" und "selbständig ausgebildet" - wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung festgestellt - keine klare und unmittelbare Abgrenzung des beanspruchten Sammlers gegenüber der beschichteten Faser der Druckschrift D5. So kann ein Segment der Faser, wie es in der Druckschrift D5 offenbart ist, als "stabförmig" betrachtet werden. Die Argumente der Beschwerdeführerin, wonach das Faser-Segment der Druckschrift D5 nicht knicksteif sei und nicht die Dimensionen eines Stabes hat, sind nicht überzeugend, weil der Ausdruck "stabförmig" sich auf die Form eines Gegenstandes bezieht und nicht auf dessen Größe oder auf dessen Knicksteifigkeit. Außerdem kann die Beschichtung der Faser der Druckschrift D5 als eine "Beschichtung aus schlauchartigem Material" betrachtet werden, zumal ein Teil der in der Druckschrift D5 offenbarten Beschichtungsmaterialien (Seite 26, Zeile 31 bis Seite 27, Zeile 5) auch im Streitpatent als Beschichtungsmaterialien aufgeführt sind (vgl. abhängiger Anspruch 4). Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, wonach die beanspruchte "Beschichtung aus schlauchartigem Material" einen geformten Stoff bzw. einen Schlauch im eigentlichen Sinne darstellen soll, kann die Kammer ebensowenig überzeugen, da eine derartig enge Auslegung dieses Merkmals im Kontext der beanspruchten Erfindung nicht berechtigt ist.
Auch das beanspruchte Merkmal, wonach der Sammler "selbständig" ausgebildet ist, kann keinen Unterschied zum Faser-Sammler nach der Druckschrift D5 herstellen. Die Faser der Druckschrift D5 ist zwar fragil (Seite 9, Zeilen 8 und 9), und bei der in der Druckschrift D5 beabsichtigten Anwendung der Faser sind konkrete Schutz- bzw. Handhabungs-Maßnahmen erforderlich, wie z.B. die Verwendung einer Spritzennadelanordnung mit einer Schutzhülse für die Faser sowie die Fixierung der Faser an der Anordnung (Fig. 1 und die Seiten 6 und 7 überbrückender Absatz). Die Faser der Druckschrift D5 besitzt jedoch eine bestimmte Eigensteifigkeit, u.a. weil sie aus Metall besteht (Seite 25, Zeile 35), und der Faser kann daher ein bestimmter Grad an "Selbständigkeit" im Sinne der oben, unter Nr. 2.1.1 erläuterten Bedeutung zugeschrieben werden.
Einer weiteren, ausführlicheren Begründung bedarf es in dieser Hinsicht nicht, da der Bereich des Durchmessers des Trägers bereits die Neuheit begründet (vgl. Nr. 3.2.1 oben), und dieses Merkmal - wie unten unter Nr. 4 ausgeführt - ebenfalls die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Sammlers begründet.
3.3 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift D5 ist (Artikel 54 (1) EPÜ 1973). Das Gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 5.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Das Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit der beanspruchten Erfindung wurde von der Beschwerdegegnerin ausgehend von der Druckschrift D5 in Frage gestellt. Zur Stützung ihrer Argumentation hat die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung das Dokument O1 als Beleg des allgemeinen Fachwissens eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat sich gegen die Zulassung des Dokuments O1 ins Verfahren mit dem Argument gewandt, das Dokument sei verspätet vorgelegt und prima facie nicht relevant.
Das Dokument O1 ist ein Auszug aus einem Lexikon, wobei die Beschwerdegegnerin sich auf die Definition des Begriffs "Magnetrührstäbchen" in dem die Seiten 2495 und 2496 überbrückenden Absatz bezogen hat. Die Erfindung betrifft einen Sammler, der u.a. als Rührelement ausgebildet werden kann (siehe u.a. abhängiger Anspruch 5). Bei der von der Beschwerdegegnerin zitierten Passage des Dokuments O1 handelt es sich daher lediglich um allgemeines Fachwissen, das der Fachmann in dem technischen Gebiet der Erfindung besitzt. Zudem warf das Dokument keine neuen, komplexen Fragen auf. Unter diesen Umständen sah die Kammer keinen Grund, das Dokument O1 nicht zum Verfahren zuzulassen und zu berücksichtigen (Artikel 13 VerfOBK).
4.2 Der Träger des Sammlers gemäß Anspruch 1 besitzt einen Durchmesser von 3 bis 6 mm, d.h. einen größeren Durchmesser als die Faser der Druckschrift D5, und dieses Merkmal stellt ein unterscheidendes Merkmal des beanspruchten Sammlers gegenüber dem Faser-Sammler der Druckschrift D5 als nächstkommendem Stand der Technik (vgl. Nr. 3.2.1 oben).
4.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass Anspruch 1 nicht auf Rührelemente beschränkt sei, sodass die durch dieses unterscheidende Merkmal gelöste Aufgabe lediglich darin liege, eine Alternative zum Sammler der Druckschrift D5 bereitzustellen.
Der Träger des beanspruchten Sammlers hat aber einen wesentlich größeren Durchmesser im Vergleich zu den Fasern der Druckschrift D5, und die technischen Wirkungen, die die beanspruchten Werte des Durchmessers mit sich bringen, können nicht ohne Weiteres ignoriert werden. Die Patentschrift nennt als Aufgabe der Erfindung, einen Sammler zu schaffen, "der vielseitig verwendbar ist und zu einer wesentlich verbesserten Empfindlichkeit führt" (Absatz [0005]). Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung wird diese Aufgabe durch die beanspruchte Erfindung zumindest insoweit gelöst, als der beanspruchte größere Durchmesser des Trägers - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - zu einer größeren Dimensionierung der Beschichtung aus dem schlauchartigen Material und somit zu einer größeren volumetrischen Sorbtions- bzw. Adsorbtions-Kapazität des Sammlers führt (vgl. Patentschrift, Spalte 5, Zeilen 27 bis 37). Er führt auch zu einer größeren Robustheit bzw. Eigensteifigkeit des Sammlers und damit zu einem größeren Grad an Selbständigkeit bzw. Handhabbarkeit im Vergleich zu der Faser der Druckschrift D5, die aufgrund ihres geringeren Grades an Selbständigkeit besondere Maßnahmen bei ihrer Handhabung erfordert (vgl. Nr. 3.2.2 oben, dritter Absatz).
Nach Ansicht der Kammer ist daher die objektive Aufgabe darin zu sehen, sowohl die Sorbtions- bzw. Absorbtions-Kapazität als auch die Selbständigkeit bzw. Handhabbarkeit des Faser-Sammlers der Druckschrift D5 zu verbessern.
4.2.2 Die Beschwerdegegnerin hat sich auf die Fig. 1 auf Seite 340 der Druckschrift D2 bezogen und geltend gemacht, dass die Druckschrift D2 Sammler mit einem größeren Durchmesser als der Durchmesser der Faser der Druckschrift D5 offenbare, und dass diese Lehre dem Fachmann den beanspruchten Sammler nahelege.
Die Druckschrift D2 betrifft allerdings mehrkanalige Fallen zum Einsatz in der Kapillargaschromatographie (Titel und Zusammenfassung), und die in der Fig. 1 dargestellte mehrkanalige Falle besteht aus einem Quarzglasrohr mit einem Außendurchmesser von 4 mm, der mit mehreren Gummirohren mit einem Außendurchmesser von 0.65 mm gefüllt ist. Falls der Fachmann diese Entgegenhaltung bei der Lösung der oben genannten Aufgabe berücksichtigt hätte, hätte er daraus allenfalls die Anregung entnommen, mehrere Segmente der Faser gemäß der Druckschrift D5 zu einem Bündel zusammenzufassen - gegebenenfalls unter Unterbringung des Bündels innerhalb eines Quarzglasrohrs -, und nicht die Dimensionierung eines Segments der Faser so zu ändern, dass daraus ein stabförmiger Träger mit einem Durchmesser von 3 bis 6 mm entstehen würde.
4.2.3 Die Beschwerdegegnerin hat darüber hinaus geltend gemacht, dass Anspruch 1 auch Sammler umfasse, die als magnetische Rührelemente ausgebildet seien; das Dokument O1 (Lexikon mit der Definition von "Magnetrührstäbchen" in dem die Seiten 2495 und 2496 überbrückenden Absatz) zeige aber, dass magnetische Rührelemente - d.h. so genannte "Rührfische" - mit der beanspruchten Dimensionierung und sogar mit einem Mantel aus einem der Materialien, die in der Patentschrift offenbart sind (d.h. PTFE, vgl. Patentschrift, Spalte 2, Zeile 55 bis 57), im Stand der Technik üblich seien.
Die Kammer stimmt den Ausführungen der Beschwerdegegnerin insoweit zu, als Anspruch 1 Sammler mitumfasst, die Rührelemente bilden (vgl. abhängiger Anspruch 5), und magnetische Rührelemente mit einer größeren Dimensionierung als die Faser der Druckschrift D5 - wie aus Dokument O1 hervorgeht - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erfindung bereits bekannt waren. Der Faser-Sammler gemäß der Druckschrift D5 stellt allerdings kein Rührelement dar, und die bekannten magnetischen Rührelemente, die von der Beschwerdegegnerin, insbesondere anhand des Dokuments O1, geltend gemacht wurden, stellen reine Rührelemente dar, d.h. Rührelemente ohne erkennbare weitere Funktion als dem Mischen von Substanzen mit Magnetrührern (siehe Dokument O1, "Magnetrührstäbchen"). Im Dokument O1 wird zwar erwähnt, dass Magnetrührstäbchen aus mit PTFE ummantelten Trägern bestehen, und das Streitpatent offenbart, dass Polytetrafluorethylen als Kunststoffummantelung "7a" (vgl. Fig. 2) des Sammlers verwendet werden kann (Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 55 bis 57); eine solche PTFE-Ummantelung allein stellt aber kein sorbierendes bzw. adsorbierendes Material eines Sammlers dar, da die Sammler-Funktion - wie in der Patentschrift ausgeführt, siehe Spalte 2, Zeile 57 bis Spalte 3, Zeile 7 - eine weitere Beschichtung mit einer "aktiven Phase 7b zur Sorption/Adsorption von [...] Substanzen" erfordert.
Die Argumentation der Beschwerdegegnerin basiert daher auf der Kombination von Merkmalen eines Faser-Sammlers, der kein Rührelement darstellt, mit Merkmalen eines Rührelements, das keinen Sammler darstellt, und nach Auffassung der Kammer hätte der Fachmann, der mit der genannten Aufgabe befasst war, dem Stand der Technik keinerlei Anregung entnehmen können, eine solche Kombination von Merkmalen vorzunehmen.
Nach Auffassung der Kammer ist daher nicht ersichtlich, wie der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu dem beanspruchten Sammler gelangen könnte. Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973). Das Gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 5.
5. Die Kammer kam damit während der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gemäß dem geltenden Antrag der Beschwerdeführerin das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten war (Artikel 101 (3) a) EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung: Seiten 2 und 4 wie erteilt, und Seite 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2016;
- Ansprüche: Anspruch 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 13. April 2012 mit der Überschrift "Hilfsantrag II", und Ansprüche 2 bis 5 wie erteilt; und
- Zeichnungen: Seiten 6 bis 9 wie erteilt.