T 0193/12 () of 28.11.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T019312.20141128
Datum der Entscheidung: 28 November 2014
Aktenzeichen: T 0193/12
Anmeldenummer: 02791585.9
IPC-Klasse: B32B 3/30
B32B 7/12
B32B 29/06
D21H 27/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 364 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: PAPIERTUCH
Name des Anmelders: Pap Star Vertriebsgesellschaft mit Beschränkter
Haftung & Co Produktions-KG;
Name des Einsprechenden: SCA Hygiene Products AB
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin PAP STAR Vertriebsgesellschaft mit Beschränkter Haftung & Co. Produktions-KG und der Einsprechenden SCA Hygiene Products AB richten sich gegen die am 25. Oktober 2011 mündlich verkündete und am 17. November 2011 schrift­lich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 1 451 006 in beschränktem Umfang auf Basis des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 19. April 2010 aufrechtzuerhalten.

II. Der Einspruch war auf die Gründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 c) EPÜ gestützt.

III. Die Ansprüche 1 und 2 des mit 19 Ansprüchen erteilten Patents lauten wie folgt:

"1. Papiertuch mit wenigstens zwei Lagen (2, 3, 4), von denen wenigstens eine Lage (3, 4) mit einer Prägung (6) und wenigstens eine Lage (2) wenigstens bereichsweise mit einem Druck (5) versehen ist, wobei wenigstens eine Lage (2, 3, 4) wenigstens teilweise transparent ist, wobei die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels (9) miteinander verklebt sind, und wobei der Druck (5, 5') auf wenigstens einer im Inneren des Papiertuchs angeordneten Seite aufgebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Bindemittel (9) gefärbt ist und dass die mit dem Bindemittel (9) versehenen, erhabenen Bereiche (7) das Druckbild (5, 5') überlagern."

"2. Papiertuch nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) miteinander verklebt sind."

Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Aufnahme des Merkmals, dass das Bindemittel (9) "nur auf die erhabenen Bereiche (7) der Prägung aufgebracht ist, wogegen sich in den vertieften Bereichen (8) kein Bindemittel (9) befindet".

IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung

a) Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)

In Punkt 3 der Entscheidung folgte die Einspruchsabteilung der Auffassung der Einsprechenden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 entgegen den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Das Merkmal des gefärbten Bindemittels und der Überlagerung des Druckbildes mit den mit Bindemittel versehenen erhabenen Bereichen sei nur in Kombination mit dem Merkmal offenbart, dass das Bindemittel ausschließlich auf die erhabenen Bereiche aufgebracht ist und sich in den vertieften Bereichen kein Bindemittel befindet. Der Hauptantrag wurde aus diesem Grund nicht für gewährbar erachtet.

Des weiteren hatte die Einsprechende argumentiert, dass das Merkmal des färbigen Bindemittels (gestützt auf den ursprünglichen Anspruchs 12) durch den Rückbezug des Anspruchs 12 auf den Anspruch 2 nur in Kombination mit dessen Merkmal offenbart sei ("... dass die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) miteinander verklebt sind"). Diesen Einwand der unzulässigen Erweiterung sah die Einspruchsabteilung aber als nicht stichhaltig an. Nach ihrer Meinung unterscheide sich das Merkmal des Anspruchs 1, dass die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels verklebt sind, nicht von dem im ursprünglichen Anspruch 2 definierten Merkmal, dass die Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels miteinander verklebt sind.

Die Einspruchsabteilung bezog sich auch auf die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachten Einwände der Einsprechenden bezüglich der unzulässigen Erweiterung der Unteransprüche 8, 9 und 16 und den Antrag der Patentinhaberin, diese als verspätet nicht zuzulassen. Sie kam zu dem Schluss, dass diese Einwände zulässig sind. Eine Begründung, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, wurde aber nicht gegeben.

b) Hilfsantrag 1

In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 war das Merkmal, dass das Bindemittel ausschließlich auf die erhabenen Bereiche aufgebracht ist und sich in den vertieften Bereichen kein Bindemittel befindet, aufgenommen worden.

Bezüglich der von der Einsprechenden beanstandeten (auf Anspruch 1 rückbezogenen) Ansprüche 17 und 18 des Hilfsantrags 1, sah die Einspruchsabteilung keine unzulässige Erweiterung in der Kombination der Dicke des aufgebrachten Bindemittels (Anspruch 17) bzw. des in Teilbereichen aufgebrachten Bindemittels (Anspruch 18) mit einem färbigen Bindemittel (Anspruch 1). Die Einspruchabteilung kam daraufhin zu dem Schluss, dass die Änderung der Ansprüche des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) erfüllt (Punkt 4.1 der angefochtenen Entscheidung).

Auf die auch für den Hilfsantrag 1 zutreffenden Einwände der Einsprechenden bezüglich der unzulässigen Erweiterung der Unteransprüche 8, 9, 16 wurde nicht eingegangen.

Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Hilfsantrags 1 wurden von der Einspruchsabteilung anerkannt.

V. Die Beschwerde der Patentinhaberin wurde am 17. Januar 2012 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr eingereicht. Die Beschwerdebegründung ging am 19. März 2012 ein. Die Patentinhaberin beantragte, das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten.

VI. Die Beschwerde der Einsprechenden wurde am 18. Januar 2012 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr eingereicht. Die Beschwerdebegründung ging am 26. März 2012 ein. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

In ihrer Beschwerdebegründung hielt die Einsprechende ihre Einwände unter Artikel 100 a) und 100 c) EPÜ aufrecht und machte ferner einen Begründungsmangel hinsichtlich von ihr im Einspruchsverfahren erhobener und in der Entscheidung nicht berücksichtigter Einwände unter Artikel 100 c)/123(2) EPÜ geltend. Sie beantragte die Überprüfung durch die Kammer, ob dieser Begründungsmangel einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

VII. Im Bescheid vom 27. Juli 2012 bat die Kammer um Klarstellung der Einwände, die sich auf den angeblichen Begründungsmangel beziehen. Die Einsprechende antwortete mit Schreiben vom 16. August 2012. Da dieser Punkt aufgrund der späteren Zurückziehung des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht mehr entscheidungserheblich ist, wird darauf nicht näher eingegangen.

VIII. Eine Stellungnahme der Patentinhaberin auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden erfolgte mit Schreiben vom 17. August 2012. Es wurde der Antrag gestellt, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 3 eingereicht mit Schreiben vom 19. April 2010.

IX. Zur Vorbreitung der für den 28. November 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung nahm die Kammer im Bescheid vom 10. Oktober 2014 zu dem geltend gemachten Begründungsmangel, sowie zu den unter den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) und 100 c) EPÜ vorgebrachten Einwänden vorläufig Stellung.

Folgende entscheidungsrelevante Punkte, die sich nur auf die Einwände unter Artikel 100 c) beziehen, wurden angesprochen:

a) Im Hinblick auf das Merkmal im erteilten Anspruch 1, dass die Lagen (2, 3, 4) "mit Hilfe eines Bindemittels (9)" verklebt sind, müsse geklärt werden, ob dieses Merkmal das beanspruchte Papiertuch gegenüber einem Papiertuch unterscheidbar macht, dessen Lagen (2, 3, 4), gemäß ursprünglichem Anspruch 2, mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) verklebt sind.

b) Im Hinblick auf das Merkmal im erteilten Anspruch 1, dass die mit dem Bindemittel (9) versehenen erhabenen Bereiche (7) das Druckbild (5, 5') überlagern, müsse geklärt werden, wie die ursprüngliche Offenbarung auf Seite 4, Absatz 4 der Beschreibung, dass "das Bindemittel in der Regel nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht wird, wogegen sich in den vertieften Bereichen kein gefärbtes Bindemittel befindet" zu verstehen ist.

X. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 reichte die Patentinhaberin neue Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 4 bis 6 ein und beantragte, das Patent wie erteilt, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 3 vom 19. April 2010 oder eines der Hilfsanträge 4 bis 6 aufrechtzuerhalten.

XI. In der mündlichen Verhandlung am 28. November 2014 wurden vorrangig die Änderungen in Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 6 im Rahmen von Artikel 123(2) EPÜ diskutiert. Die Patentinhaberin reichte daraufhin einen weiteren Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 7 ein.

Die Einsprechende zog ihren Antrag auf Überprüfung durch die Kammer, ob seitens der Einspruchsabteilung ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt, zurück.

Nachfolgend werden die Argumente der Parteien, soweit sie entscheidungsrelevant sind, zusammengefasst.

XII. Argumente der Einsprechenden

a) Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, dass die mit dem Bindemittel (9) versehenen, erhabenen Bereiche (7) das Druckbild (5, 5') überlagern

Dieses Merkmal schließt die Aufbringung des Bindemittels auch auf die Vertiefungen der geprägten Lage nicht aus. Für eine solche Ausführungsform gibt es keine direkte und eindeutige Offenbarung in den Ursprungsunterlagen. Gemäß den den Figuren 1 und 2 und den Erläuterungen auf der Seite 5 ist das Bindemittel ausschließlich auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht. Auch die Passage auf Seite 4, Zeilen 21 bis 26 offenbart, dass das Bindemittel in der Regel nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht wird, wogegen sich in den vertieften Bereichen kein Bindemittel befindet. Es gibt keine Offenbarung über eine Aufbringung des Bindemittels bei Abweichung von dieser Regel.

Die Figuren 3 und 4 in Verbindung mit den Erläuterungen auf Seite 6 stützen ebenfalls die Aufbringung nur auf die erhabenen Bereiche. Hier werden verschiedene visuelle Effekte in verschiedenen Bereichen des Papiertuchs gezeigt, die nicht möglich wären, wenn sich das gefärbte Bindemittel auf der gesamten Oberfläche und damit auch in den vertieften Bereichen der äußeren Lage befände.

Das Merkmal stellt daher eine unzulässige Verallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung dar.

b) Merkmal des Anspruchs 1, dass die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels (9) miteinander verklebt sind - betrifft den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 6

Dieses Merkmal ist eine unzulässige Verallgemeinerung des im ursprünglichen Anspruch 2 offenbarten Merkmals, dass die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels verklebt sind. Das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2 ist als product-by-process-Merkmal aufzufassen und impliziert, dass die Auftragung des Bindemittels unmittelbar vor dem Zusammenfügen der Lagen erfolgt. Eine solche Maßnahme kann nur mit bestimmten für eine solche unmittelbare Auftragung geeigneten Klebstoffen erfolgen.

Demgegenüber kann die Verklebung gemäß dem geänderten Anspruch 1 mit jedem für die Verbindung von Papierlagen geeigneten Bindemittel (z.B. Zweikomponentenkleber, Heißschmelzkleber oder andere für die Adhäsion geeignete Bindemittel) erfolgt sein. Das Papiertuch gemäß dem erteilten Anspruch 1 ist somit bezüglich der Verklebung der Lagen (2, 3, 4) breiter definiert als das Produkt gemäß dem ursprünglichen Anspruch 2 und auch von diesem unterscheidbar. Dies ergibt sich implizit schon daraus, dass der ursprüngliche Anspruch 2 weiterhin als ein auf den geänderten Anspruch 1 rückbezogener Unteranspruch in den Anträgen vorhanden ist.

Somit liegt eine unzulässige Erweiterung, entgegen Artikel 123(2) EPÜ, vor (Artikel 100 c) EPÜ).

XIII. Argumente der Patentinhaberin

a) Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags gemäß Punkt XII a)

Die Offenbarung auf Seite 4, Zeilen 20 ff der Ursprungsunterlagen, dass das Bindemittel in der Regel nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht wird, wogegen sich in den vertieften Bereichen kein gefärbtes Bindemittel befindet, gibt an, dass es sich dabei um eine bevorzugte Maßnahme handelt. Dies impliziert, dass auch eine Aufbringung des Bindemittels unabhängig von den Erhebungen auf einer Lage erfolgen kann. Dies wird bestätigt durch die Offenbarung auf der Seite 2, Absatz 4, dass das Bindemittel kurz vor dem Zusammenfügen der Lagen in den Druck- bzw. Prägewalzen auf die Lagen aufgebracht wird. Das Bindemittel kann somit überall aufgebracht sein. Gemäß der Offenbarung auf der Seite 8, Zeilen 21 folgende wird die Serviette gemäß Figur 6 durch Übereinanderlegen von drei Lagen (2, 3, 4) hergestellt, wobei die beiden äußeren linienförmig geprägten Lagen (3, 4) mit Leim versehen sind, d.h. das Bindemittel wird unabhängig von irgendwelchen Erhebungen aufgebracht.

b) Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 6 gemäß Punkt XII b)

Das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2, "dass die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) miteinander verklebt sind" war bereits in den Ursprungsunterlagen durch die Rückbeziehung Bestandteil des Papiertuchs gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1, wonach die Lagen (2, 3, 4) "miteinander verklebt sind". Daher ist die Rückbeziehung des Anspruchs 2 auf den geänderten Anspruch 1 im Rahmen von Artikel 123(2) EPÜ ebenfalls zulässig. Da ein Produktanspruch, der ein product-by-process Merkmal enthält, ebenfalls nur das Erzeugnis schützt, besteht Identität zwischen dem Produkt des Anspruchs 1 und dem des Anspruchs 2.

XIV. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

XV. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, oder hilfsweise, auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 7, Hilfsanträge 1 bis 3 wie eingereicht mit Schreiben vom 19. April 2010, Hilfsanträge 4 bis 6 wie eingereicht mit Schreiben vom 28. Oktober 2014, Hilfsantrag 7 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Änderungen - Artikel 100 c) EPÜ

2.1 Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)

2.1.1 Das Papiertuch gemäß Anspruch 1 des Hauptantrag ist dadurch gekennzeichnet, dass "das Bindemittel (9) gefärbt ist und dass die mit dem Bindemittel (9) versehenen, erhabenen Bereiche (7) das Druckbild (5, 5') überlagern". Demgemäß müssen erhabene Bereiche wenigstens einer mit einer Prägung versehenen Lage (3, 4) mit einem Bindemittel versehen sein. Dieses Merkmal beschränkt jedoch die Aufbringung des Bindemittels nicht ausschließlich auf die erhabenen Bereiche der Lage, sondern lässt offen, ob das Bindemittel auch auf andere Bereiche der Lage aufgebracht sein kann, zum Beispiel in Vertiefungen.

2.1.2 Mit der Überlagerung des Druckbildes (5, 5') durch ein gefärbtes Bindemittel befasst sich die Offenbarung auf der Seite 4, Absatz 4 der ursprünglichen Beschreibung. In der Passage in Zeilen 20 bis 26 wird folgendes ausgesagt:

"Durch das färbige Bindemittel ergibt sich die Möglichkeit, dem Druckbild ein weiteres, färbiges Bild zu überlagern. Dieses zusätzliche, durch das färbige Bindemittel erzeugte, überlagerte Bild wird, sofern es auf eine geprägte Lage aufgebracht wurde, dem Prägemuster entsprechen, da das Bindemittel in der Regel nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht wird, wogegen sich in den vertieften Bereichen kein gefärbtes Bindemittel befindet." (Hervorhebung durch die Kammer).

Im Folgenden befasst sich dieser Absatz mit den optischen Effekten, die durch diese Art der Aufbringung des Bindemittels erzielt werden können. Diese sind:

- optische Überlagerung bzw. Verstärkung der Färbung des Druckbildes in den Bereichen, in denen die (benachbarten) Lagen über das Bindemittel verklebt sind;

- zweifache optische Dämpfung des Druckbilds in den vertieften Bereichen, die nicht an der benachbarten Lage anliegen, einerseits verursacht durch die Abwesenheit von gefärbtem Bindemittel in den Vertiefungen und andererseits verursacht durch den Abstand der geprägten Lage in diesen Bereichen vom Druckbild.

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten, die durch das Bindemittel (mit)verursacht werden, sind in dem die Seiten 4 und 5 verbrückenden Absatz beschrieben. Diese betreffen die Variation der Farbe und Intensität des gefärbten Bindemittels in Relation zum Druckbild, die Aufbringung des Bindemittels in willkürlich und unterschiedlich verteilten Schichtstärken oder die Aufbringung des Bindemittels nur bereichsweise, zum Beispiel in Streifenform. Eine explizite Offenbarung, dass das Bindemittel auch in den Vertiefungen der Prägung vorhanden sein kann, findet sich in der gesamten Beschreibung nicht.

2.1.3 Die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des Papiertuchs unter Einbeziehung des Bindemittels werden durch die Figuren illustriert, wobei die Figuren 1 und 2 die schematische Darstellung einer Anordnung und Verklebung der Lagen in einem dreilagigen (Figur 1) und zweilagigen (Figur 2) Papiertuch zeigen. Aus diesen Figuren und den Erläuterungen hierzu (Seite 5 bis Seite 8) ist klar erkennbar, dass das Bindmittel (9) nur auf die nach innen gewandten erhabenen Bereiche aufgebracht ist, während sich in den Vertiefungen kein Bindemittel befindet.

2.1.4 Die Figuren 3 und 4 (und die Erläuterungen hierzu) zeigen verschiedene Erscheinungsbilder, die erzielt werden können: einerseits durch das Aufbringen des Bindemittels nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung und dessen Färbung in Relation zur Färbung des Drucks, andererseits die Anordnung des Drucks auf den Lagen sowie die Abstimmung der Farben und der Transparenz der Lagen.

2.1.5 Auch bei der Ausführungsform gemäß Figur 5 (Erläuterung auf Seite 8, Absatz 2) wird ein gefärbtes Bindemittel auf einer streifenförmig geprägten äußeren Lage aufgebracht. Aus der Figur 5 selbst lässt sich erkennen, dass die darin dargestellte Überlagerung der mit dem gefärbten Bindemittel versehenen streifenförmigen Prägung auf der einen Lage mit dem gitterförmigen Druck der anderen Lage und das resultierende Überlagerungsbild mit den sichtbaren - in der Figur weiß dargestellten - Aussparungen nur dadurch entstanden sein kann, dass nur die erhabenen Bereiche der Prägung mit Bindemittel versehen sind.

2.1.6 Auch hinsichtlich der Erläuterungen der Figuren 6 bis 8 muss davon ausgegangen werden, dass das Bindemittel nur auf die erhabenen Bereiche aufgebracht wird. Bezüglich Figur 6 wird auf das Übereinanderlegen von drei Lagen (2, 3, 4) gemäß Figur 1 verwiesen, wobei eine in Figur 7 gezeigte gedruckte Lage (2) von zwei äußeren Lagen (3, 4) mit einer linienförmigen Prägung und einem darauf aufgebrachten gefärbten Bindemittel gemäß Figur 8 überdeckt wird. Auch in Figur 8 lässt die schematische Darstellung mit den weißen und schwarzen Linien erkennen, dass ausschließlich die erhabenen Bereiche der linienförmigen Prägung mit gefärbtem Bindemittel versehen sind.

2.1.7 An keiner Stelle der ursprünglichen Offenbarung ist erkennbar, dass eine Variante, bei der das gefärbte Bindemittel sich auch in den Vertiefungen der geprägten Lage befindet, als mögliche Ausführungsform der dargestellten Erfindung in Betracht gezogen wird. Eine vollflächige Auftragung des Bindemittels auf eine geprägte Lage (Erhebungen und Vertiefungen) würde zudem unter Umständen, z.B. bei sehr dunkler Färbung des Bindemittels, dazu führen, dass keine nach außen sichtbare Überlagerung mit einem innenliegenden Druckbild stattfände.

2.1.8 Aus den vorstehend genannten Gründen muss daher die Offenbarung auf der Seite 4, dass das Bindemittel "in der Regel nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht wird, wogegen sich in den vertieften Bereichen kein gefärbtes Bindemittel befindet", dahingehend interpretiert werden, dass die Aufbringung des Bindemittels nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung als die einzig praktikable Methode zur Erzielung der erfindungsgemäß angestrebten optischen Effekte für das beanspruchte Papiertuch (Seite 1, Absatz 3 der Beschreibung) offenbart ist.

Daher geht das Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags, dass die mit dem Bindemittel (9) versehenen erhabenen Bereiche (7) das Druckbild (5, 5') überlagern, welches auch die Aufbringung des Bindemittels in die Vertiefungen der geprägten Lage(n) (3, 4) einschließt, über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (Artikel 100(c) EPÜ). Allein aus diesem Grund ist Anspruch 1, und damit der gesamte Hauptantrag, nicht gewährbar.

2.2 Hilfsanträge 1 bis 6

2.2.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 enthält, wie auch der erteilte Anspruch 1, das Merkmal, dass "die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels (9) miteinander verklebt sind".

2.2.2 Der ursprüngliche Anspruch 1 besagt lediglich, dass "die Lagen (2, 3, 4) miteinander verklebt sind". Dies bedeutet, dass die Verklebung der Lagen nicht auf die Anwendung eines Bindemittels beschränkt ist.

Gemäß der Offenbarung in der ursprünglichen Beschreibung werden lediglich zwei Varianten des Verklebens beschrieben:

a) Die Verklebung der Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels (ursprünglicher Anspruch 2; Seite 2, Absatz 4).

b) Die Verklebung der Lagen mittels eines Stoffs, zum Beispiel Polyvinylacetat, der in wenigstens einer Lage enthalten ist, und der ein Aneinanderhaften der Lagen beim Verbinden unter Druck zwischen Druck- oder Prägewalzen bewirkt (Seite 2, Absatz 5). Diese Variante benötigt keine Aufbringung eines Bindemittels, da der genannte Stoff (Polyvinylacetat) bereits Bestandteil einer der Lagen ist.

2.2.3 Im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 (wie auch im erteilten Anspruch 1) wird die vorstehend genannte Variante b) ausgeschlossen. Allerdings gibt das geänderte Merkmal der Ansprüche 1 nicht an, dass - wie im ursprünglichen Anspruch 2 offenbart (Merkmal a) oben) - die Verklebung der Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels erfolgt ist. Daher ist im Rahmen des Einwands unter Artikel 100 c) EPÜ zu untersuchen, ob hier eine unzulässige Erweiterung vorliegt. Insbesondere muss geklärt werden, ob das Merkmal des Anspruchs 1, dass die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels (9) miteinander verklebt sind, das beanspruchte Papiertuch breiter definiert als ein Papiertuch, bei dem die Verklebung der Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels erfolgt ist.

2.2.4 Die ursprüngliche Offenbarung (Anspruch 2, Seite 2, Absatz 4), wonach die Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels miteinander verklebt werden, impliziert, dass die Auftragung des Bindemittels auf eine oder mehrere der Lagen ein integraler Bestandteil des Prozesses der Verbindung der Lagen ist. Dies bedeutet, dass die Auftragung des Bindemittels und das nachfolgende Zusammenkleben der Lagen unmittelbar nacheinander mit einer sehr kurzen zeitlichen Differenz erfolgen.

Wie die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, muss das Bindemittel für eine solche Verfahrensweise bestimmte strukturelle und rheologische Eigenschaften besitzen. Dies umso mehr als das Bindemittel - wie in Punkt 2.1 dargelegt - nur auf die erhabenen Bereiche der Prägung aufgebracht werden soll. So ist es aus technischer Sicht als unrealistisch anzusehen, dass Heißschmelzkleber oder Mehrkomponenten-Klebstoffe für obige Verfahrensweise geeignet sind.

2.2.5 Das Merkmal, dass die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) miteinander verklebt sind, ist daher als product-by-process Merkmal anzusehen, das die erzeugte Verbindungsschicht zwischen den Lagen des beanspruchten Papiertuchs

- einerseits über die Art der Aufbringung des Bindemittels, und

- andererseits über die dafür erforderlichen chemischen und rheologischen Eigenschaften des Bindemittels

strukturell definiert.

Damit wird das Papiertuch unterscheidbar gegenüber Papiertüchern, bei denen die Verbindung der Lagen über strukturell unterschiedliche Bindemittel mit anderen Eigenschaften, zum Beispiel Heißschmelz-Klebefolien oder Mehrkomponenten-Klebstoffe mit längerer Härtezeit, erfolgt ist.

2.2.6 Das Merkmal im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 fordert aber lediglich, dass die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels verklebt sind und schließt daher sowohl die Anwendung von Bindemitteln ein, die unmittelbar vor dem Zusammenfügen "im Zuge der Verbindung der Lagen" aufgebracht werden können, als auch Bindemittel, die aufgrund ihrer Struktur und/oder Rheologie dafür nicht geeignet sind. Daher umfasst Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 auch Produkte, die sich von Produkten, bei denen die Lagen mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels verklebt sind, unterscheiden lassen.

2.2.7 Daraus folgt, dass das Merkmal im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6, dass die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels miteinander verklebt sind, über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 100 c) EPÜ).

2.3 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 6 entgegen.

3. Zulassung des Hilfsantrags 7 zum Verfahren

3.1 Der Hilfsantrag 7 wurde erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, wobei das Merkmal des Anspruchs 1, dass "die Lagen (2, 3, 4) mit Hilfe eines Bindemittels (9) miteinander verklebt sind", durch das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2, dass "die Lagen (2, 3, 4) mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels (9) miteinander verklebt sind" ersetzt wurde.

3.2 Bereits im Einspruchsschriftsatz vom 6. Mai 2009 wurde ein Einwand der unzulässigen Änderung unter Artikel 123(2) EPÜ darauf gestützt, dass der ursprüngliche Anspruchs 2 in Verbindung mit dem gefärbten Bindemittel gemäß dem auf Anspruch 2 rückbezogenen Anspruch 12 nicht in den Anspruch 1 aufgenommen wurde. Dieser Einwand wurde auch in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung diskutiert (Seite 5, Absatz 2). Zwar vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass sich das Merkmal der Verklebung der Lagen (2, 3, 4) "mit Hilfe eines Bindemittels (9)" gemäß Anspruch 1 nicht vom Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2, dass die Lagen (2, 3, 4) mittels "eines im Zuge der Verbindung der Lagen (2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels" miteinander verklebt sind, unterscheidet, jedoch wurde dieses Problem in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden erneut aufgegriffen. Insbesondere wurde konkret darauf hingewiesen (Seite 3, Absatz 3), dass das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 2 der Verklebung mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen aufgebrachten Bindemittels eine Einschränkung gegenüber dem Merkmal des Anspruchs 1 der Verklebung der Lagen mit Hilfe eines Bindemittels sei.

3.3 Im Antwortschreiben der Patentinhaberin vom 17. August 2012 auf die Beschwerdebegründung wurde auf diesen Einwand nicht konkret eingegangen. Im Bescheid der Kammer vom 10. Oktober 2014 wurde in Punkt 4.1 nochmals darauf hingewiesen, das diese Frage in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sei. Zwar wurde erwähnt, dass das Merkmal des Anspruchs 2 "mittels eines im Zuge der Verbindung der Lagen 2, 3, 4) aufgebrachten Bindemittels" ein product-by-process Merkmal ist, das sich möglicherweise am fertigen Produkt nicht mehr feststellen lässt, jedoch wurde im Bescheid betont, dass die Stellungnahmen der Kammer nur vorläufig und nichtbindend sind, so dass die Patentinhaberin diesen Punkt weiterhin als kritisch ansehen musste und nicht sicher damit rechnen konnte, dass sich die Meinung der Kammer im Zuge der Diskussion über diese Änderung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr ändern würde. Somit hätte sie spätestens mit ihrem Antwortschreiben vom 28. Oktober 2014 entsprechend reagieren können. Die mit diesem Schreiben neu eingereichten Hilfsanträge 4 bis 6 tragen jedoch diesem kritischen Punkt nicht Rechnung.

3.4 Die Einreichung des Hilfsantrags 7 in der mündlichen Verhandlung, der erstmals diesem Punkt Rechnung trägt, wird daher als zu spät angesehen. In Ausübung ihres Ermessens im Rahmen von Artikel 13(1) der VOBK hat die Kammer den Hilfsantrag 7 daher nicht zum Verfahren zugelassen.

4. Aus den Punkten 2 und 3 folgt, dass kein Antrag vorliegt, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation