European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T012712.20140214 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Februar 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0127/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02790323.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C10L 1/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Additive für schwefelarme Mineralöldestillate, umfassend einen Ester eines alkoxylierten Polyols | ||||||||
Name des Anmelders: | Clariant Produkte (Deutschland) GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Infineum International Limited | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents
Nr. 1 451 271 in geändertem Umfang.
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende unter Bezugnahme auf Artikel 100(a) EPÜ) den Widerruf des Patents beantragt, unter anderem wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Diesbezüglich hatte sie sich unter anderem auf folgende Dokumente gestützt:
D3: JP 61-213292 A;
D3a: Übersetzung von D3 ins Englische; und
D6: US 5 998 530 A.
III. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 laut dem damals vorliegenden Hilfsantrag im Hinblick auf diesen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Besagter Anspruch hat folgenden Wortlaut:
"1. Additive für Mitteldestillate mit maximal 0,05 Gew.-% Schwefelgehalt, enthaltend mindestens einen Fettsäureester alkoxilierter Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen (A) und mindestens einen polaren stickstoffhaltigen Paraffindispergator (D), worin der Fettsäureester eine OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g aufweist und worin als polarer stickstoffhaltiger Paraffindispergator ein Aminsalz und/oder Amid sekundärer Fettamine mit 8 bis 36 C-Atomen enthalten ist."
Die Einspruchsabteilung befand insbesondere, dass der Fachmann die Lehren der Dokumente D3 (nächstliegender Stand der Technik) und D6 zwar hätte kombinieren können, um eine anspruchsgemäße Zusammensetzung bereitzustellen; jedoch hätte er den durch diese Kombination erzielten überraschenden synergistischen Effekt nicht erwarten können.
IV. Die beschwerdeführende Einsprechende reichte mit ihrer Beschwerdebegründung vom 30. März 2012 unter anderem Versuchergebnisse ("Annex") ein und focht die Begründung der Einspruchsabteilung betreffend die erfinderischen Tätigkeit an.
V. Die ebenfalls beschwerdeführende Patentinhaberin reichte im Lauf des schriftlichen Verfahrens mehrfach Anträge in Form geänderter Anspruchssätze ein. Zuletzt, in Reaktion auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung, reichte sie mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 drei geänderte Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2 ein, wobei sie stets die Auffassung vertrat, dass die beanspruchten Additive erfinderisch seien.
VI. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2014 wurde im wesentlichen die Frage der erfinderischen Tätigkeit bezüglich der beanspruchten Additive erörtert. Im Verlauf der Verhandlung zog die Patentinhaberin den zu diesem Zeitpunkt geltenden Hauptantrag und den zu diesem Zeitpunkt geltenden Hilfsantrag 1 zurück und machte ihren bisherigen Hilfsantrag 2 zu ihrem einzigen (Haupt-)Antrag.
Anspruch 1 laut diesem zuletzt einzigen Antrag unterscheidet sich von jenem Anspruch 1, den die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hat, lediglich dadurch, dass der Halbsatz "worin der Fettsäureester ..." umformuliert wurde zu "wobei der Fettsäureester...".
VII. Die Beschwerdeführerin I / Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 eingereichten Hilfsantrags 2 (nunmehr Hauptantrag).
Die Beschwerdeführerin II / Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VIII. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit der Additive gemäß Anspruch 1 des einzigen aufrechterhaltenen Antrags führten die Parteien im Wesentlichen Folgendes aus:
Beschwerdeführende Einsprechende
- Die von der Patentinhaberin geltend gemachte synergistische oder verbesserte Wirkung einer Kombination der Komponenten (A) und (D) nach Anspruch 1 könne nicht über den gesamten Umfang des Anspruchs erzielt werden, wie die mit Schreiben vom 30. März 2012 eingereichten Versuchsergebnisse deutlich zeigten.
- Zudem enthalte das Streitpatent keine Vergleichsversuche, die als Beweis für die angebliche Überlegenheit der Fettsäureester alkoxilierter Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen (A) und mit einer OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g gegenüber ähnlichen Fettsäureestern mit einer höheren OH-Zahl dienen könnten.
- Die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe könne, ausgehend aus der Lehre des Dokuments D3, daher nur in der Bereitstellung eines alternativen Additivs zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften und der Paraffindispergierung von schwefelarmen Mitteldestillaten gesehen werden.
- Dokument D3 offenbare bereits die Verwendung von Fettsäureestern alkoxilierter Polyole mit 3 oder mehreren OH-Gruppen als Additiv zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften und der Paraffindispergierung von Mitteldestillaten. Die im Anspruch 1 für solche Ester spezifizierte OH-Zahl könne nicht als relevantes Unterscheidungsmerkmal geltend gemacht werden, da die OH-Zahl unter anderem vom Ethoxylierungsgrad des Esters abhänge, und eine OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g nicht unbedingt voll veresterte Polyole bezeichne, wie bereits im Schreiben vom 26. August 2011, eingereicht während des Einspruchsverfahrens, erklärt worden sei. Zudem sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, Ester mit einer solchen OH-Zahl durch bekannte Herstellungsmethoden zu erhalten.
- Dokument D3 lehre ferner die Verwendung der dort offenbarten Ester in Kombination mit bekannten stickstoffhaltigen Paraffindispergatoren.
- Daher sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, zur Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegenden technischen Aufgabe die aus dem Dokument D6 bekannten stickstoffhaltigen Paraffindispergatoren, die unten den Umfang des Anspruchs 1 fallen, in Kombination mit den in D3 beschriebenen Fettsäureestern alkoxilierter Polyole einzusetzen.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Beschwerdeführende Patentinhaberin
- Sowohl das Streitpatent (Beispiel 51) wie auch die von der Einsprechenden mit Schreiben vom 30. März 2012 eingereichten Versuchsergebnisse (Beispiele 3 und 18) zeigten die synergistische Wirkung der ausgewählten Kombination der Komponenten (A) und (D).
- Die in den Versuchsergebnissen der Einsprechenden ebenfalls enthaltenen, nicht zufriedenstellenden Versuche beträfen Kombinationen der Komponenten (A) und (D) in extremen Gewichtsverhältnissen, die ein Fachmann angesichts des Anspruchswortlauts und in Kenntnis des Streitpatents nicht als Teil der beanspruchten Erfindung ansehen würde.
- Die Versuchsergebnisse der Einsprechenden seien zudem zweifelhaft, da sie keine Messung des Sedimentvolumens beinhalteten. Die Glaubhaftigkeit der synergistischen Wirkung der Kombination laut Anspruchs 1 sei demnach durch diese Versuche nicht in Frage gestellt.
- Ausgehend von der Lehre des Dokuments D3 gab es für den Fachmann keinen Anlass, Fettsäureester alkoxilierter Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen unter den vielen verschiedenen empfohlenen Verbindungen auszuwählen, und diese Ester ausgerechnet mit den im Dokument D6 offenbarten stickstoffhaltigen Paraffindispergatoren zu kombinieren.
- Zudem offenbare Dokument D3 weder die OH-Zahl noch den Veresterungsgrad der dort beschriebenen Ester. Allerdings bezeichnete eine OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g einen vollständig veresterten Polyol, der aufgrund seiner dreidimensionalen Struktur verantwortlich für besonders gute Kaltfließeigenschaften sei. Dies zeige ein Vergleich der Eigenschaften der Komponente A3 und A13 des Streitpatents.
- Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit des Antrags der Patentinhaberin
1.1 Die Ansprüche gemäß dem einzigen Antrag der Patentinhaberin ("Hilfsantrag 2") entsprechen bis auf geringfügige Änderungen (siehe Punkte III und VI supra) den von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Ansprüchen.
1.2 Die Zulässigkeit dieses Antrags im Hinblick auf Artikel 12 und 13 VOBK steht daher für die Kammer außer Frage und wurde von der beschwerdeführende Einsprechenden auch nicht bestritten.
Erfinderische Tätigkeit
2. Erfindung
2.1 Die Erfindung betrifft Additive für schwefelarme Mitteldestillate, die Verwendung dieser Additive zur Verbesserung der Eigenschaften besagter Destillate, sowie damit additivierte Mitteldestillate (siehe Absätze [0001], [0018] und [0025] des Streitpatents, und die geltenden Ansprüche 1, 13, und 14).
2.2 In der Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0013] und [0014]) wird Folgendes ausgeführt:
"Die ... fließverbessernde und/oder paraffindispergierende Wirkung der bekannten Paraffin-Dispergatoren ist nicht immer ausreichend, so dass sich bei Abkühlung der Öle teilweise große Paraffinkristallen bilden, die zu Filterverstopfungen führen und auf Grund ihrer höheren Dichte im Laufe der Zeit sedimentieren und somit zur Bildung einer paraffinreichen Schicht am Boden von Lagerbehältern führen... Besonders problematisch ist die Situation bei schwefelarmen Winterqualitäten mit Cloud Points unterhalb -5°C; hier lässt sich durch den Zusatz bekannter Additive oftmals keine ausreichende Paraffin-Dispergierung erzielen.
Es bestand daher die Aufgabe, die Fließfähigkeit, und insbesondere die Paraffindispergierung bei Mineralölen bzw. Mineralöldestillaten durch den Zusatz geeigneter Additive zu verbessern."
3. Nächstliegender Stand der Technik
3.1 Für die Kammer stellt Dokument D3 aufgrund der angesprochenen Problematik und der Ähnlichkeit der offenbarten Additive den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diesbezüglich bestand auch Einvernehmen zwischen den Parteien.
3.2 In der Tat betrifft D3 (D3a: Seite 1, letzter Absatz; Seite 2, Zeilen 1 bis 6 und 18 bis 23) unstreitig
Additive für Mineralöldestillate wie Mitteldestillate ("intermediate distillates"), die sowohl die Fließfähigkeit der Destillate wie auch die Paraffindispergierung, insbesondere bei kälteren Temperaturen, verbessern können, um die Verstopfung der Filter durch Paraffinkristalle und die Sedimentation einer Paraffinschicht am Boden von Lagerbehältern zu verhindern.
3.3 Dokument D3 nennt als Beispiele geeigneter Additive zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften und Paraffindispergierung unter anderem Fettsäureester von alkoxilierten Polyolen mit drei oder mehreren OH-Gruppen wie, zum Beispiel, Glycerol, Pentaerythritol und Sorbitol (siehe D3a: Seite 4, Zeilen 1 bis 3 und 21 bis 22 in Verbindung mit Seite 6, Zeilen 16 bis 22). Solche Ester bewirken laut D3 (siehe D3a: Seite 6, Zeilen 23 bis 25) eine "exzellente" Verbesserung der Kaltfließeigenschaften und Paraffindispergierung. Auch die Möglichkeit der Kombination der offenbarten Additive mit weiteren Additiven wird in D3 ausdrücklich erwähnt (siehe D3a: Seite 7, Zeilen 2 bis 3).
4. Angeblich gelöste technische Aufgabe
Die beschwerdeführende Patentinhaberin machte geltend, dass auch ausgehend von D3 die der Erfindung zugrundeliegende technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Additivs zu sehen sei, das die Kaltfließfähigkeit, und, insbesondere, die Paraffin-Dispergierung bei Mitteldestillaten weiter verbessert.
5. Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die Additive laut vorliegendem Anspruch 1 vor, die insbesondere dadurch gekennzeichnet sind, dass sie "mindestens einen Fettsäureester alkoxilierter Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen (A)" und
"mindestens einen polaren stickstoffhaltigen Paraffindispergator (D)" enthalten, "wobei der Fettsäureester eine OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g aufweist und worin als polarer stickstoffhaltiger Paraffindispergator ein Aminsalz und/oder Amid sekundärer Fettamine mit 8 bis 36 C-Atomen enthalten ist".
6. Geltend gemachter Erfolg der Lösung
6.1 Laut der Patentinhaberin bringe die Kombination der Komponenten (A) und (D) gemäß Anspruch 1 insbesondere eine synergistische Wirkung mit sich.
Eine derartige Synergie ist jedoch kein ausdrückliches Merkmal von Anspruch 1. Zudem ist unbestritten, dass die Beschreibung des Streitpatents auch keinerlei ausdrücklichen Hinweis auf eine synergistische Wirkung der Kombination (A)+(D) enthält.
6.2 Eine nähere Betrachtung der Beispiele des Streitpatents bzw. der Vergleichsbeispiele der Einsprechenden ergibt diesbezüglich folgendes Bild:
6.2.1 Tabelle 7 des Streitpatents enthält einen direkten Vergleich der Dispergierwirkung der Additivkombination nach Beispiel 51 (erfindungsgemäß) mit denen der Additivkombinationen nach Vergleichsbeispielen 57 und 59.
Besagtes Beispiel 51 betrifft eine Additivkombination, welche folgende Komponenten enthält:
- 75 ppm der Komponente B3 (im Absatz [0051] des Streitpatents beschriebene Ethylen-Copolymeren-Mischung),
- 50 ppm der Komponente C1 (Nonylphenol-Formaldehydharz, siehe Absatz [0053]),
- 50 ppm der Komponente A1 (Ester eines alkoxilierten Glycerols mit einer OH-Zahl von 13 mg KOH/g; siehe Absatz [0050]) als Komponente (A) gemäß der Definition in Anspruch 1, und
- 50 ppm der Komponente D2 (Umsetzungsprodukt eines Terpolymers aus C14/C16-alpha-Olefin, Maleinsäureanhydrid und Allylpolyglycol mit 2 Äquivalenten Ditalgfettamin; siehe Absatz [0054]), d.h. ein Amid sekundärer
C8-36 Fettamine, als Komponente (D) gemäß der Definition in Anspruch 1.
Beispiel 51 offenbart also eine Additivkombination, die die beiden wesentlichen Komponenten (A) und (D) gemäß Anspruch 1 in einem Gewichtsverhältnis von 1:1 enthält.
Beispiele 57 und 59 betreffen Additivkombinationen, die sich von der des Beispiels 51 nur insofern unterscheiden, als sie 100 ppm der Komponente A1 und keine Komponente D2, beziehungsweise 100 ppm der Komponente D2 und keine Komponente A1 enthalten.
Mit der Additivkombination des Beispiels 51 wird ein klar besserer CFPP Wert (cold filter plugging point: -29 ºC), eine geringeres Sedimentvolumen (0%) sowie eine geringere Abweichung des Cloud Point (CP: -7,2 ºC) von dem des Testöls (-9,0ºC) erreicht als mit den Additiv-Kombinationen gemäß Vergleichsbeispiel 57 (CFPP: -24 ºC; Sedimentvolumen: 0,3%; CP: -6,7ºC) und gemäß Vergleichsbeispiel 59 (CFPP: -25 ºC; Sedimentvolumen: 2%; CP: -4,5ºC), die nur jeweils eine der wesentlichen Komponenten (A) oder (D) enthalten.
Daher könnte dieser Vergleich im Prinzip auf eine synergistische Wirkung der Kombination von (A) und (D) hindeuten.
6.2.2 In den Tabellen 1 bzw. 2 des mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereichten Versuchsberichts sind Ergebnisse zusammengefasst, die mit zwei verschiedenen Testbrennstoffen (siehe deren Spezifikationen auf Seite 2 des Berichts) erhalten wurden. Beispiele 1 bis 10 betreffen einen "Test Fuel 1", Beispiel 10 bis 18 einen "Test Fuel 2". Die Beispiele illustrieren, wie sich unterschiedliche Mengen bzw. Mengenverhältnisse an Komponenten (A) und (D) gemäß vorliegendem Anspruch 1 auf die Eigenschaften der additivierten Brennstoffe auswirken.
Die Beispiele betreffen im Speziellen Additivkombinationen aus folgenden Komponenten:
- Ethylen-Vinylacetatcopolymere (EVA1) und (EVA2) (Additiv des Typs B gemäß Streitpatent; siehe [0027]);
- Nonylphenol-Formaldehydharz (APFC)
(Additiv des Typs C gemäß Streitpatent; siehe [0027]);
- einem Reaktionsprodukt (WASA) von 2 mol hydriertem Ditalgfettamin mit 1 mol Phthalsäureanhydrid
(Additiv des Typs D gemäß Anspruch 1); und
- einem Fettsäureester eines alkoxilierten Glycerols
(Additiv des Typs A gemäß Anspruch 1; vergleichbar mit Additiv A11 in Tabelle 1 des Streitpatent).
Die Additivkombination des Beispiels 3 enthält, bei gleichen Mengen an EVA1, EVA2 und APFC wie die Additivkombinationen der Beispiele 1 und 2, 500 ppm WASA und 500 ppm Ester, d.h. Komponenten (A) und (D) im Gewichtsverhältnis von 1:1. anstatt 1000 ppm WASA und keinen Ester (Beispiel 1) bzw. 1000 ppm Ester und kein WASA (Beispiel 2). Die Kombination von Beispiel 3 ergibt einen deutlich niedrigeren CFPP-Wert (-22ºC) und eine geringere CP-Abweichung vom CP des Testöls (DeltaCP: -0.3ºC) als die Kombinationen der Beispiele 1 (CFPP: -13ºC; DeltaCP: -4,2ºC) und 2 (CFPP: -18ºC; DeltaCP: hazy, d.h. keine DeltaCP Messung möglich).
Daher könnten im Prinzip auch die Ergebnisse dieses Vergleichs auf die Anwesenheit eines synergistischen Zusammenwirken der Komponenten (A) und (D) hindeuten.
6.2.3 Eine unterschiedliche Wirksamkeit der beanspruchten Kombination ist jedoch in der Serie von Beispielen 6 bis 9 festzustellen. Die Kombinationen laut diesen Beispielen unterscheiden sich von den oben beschriebenen Kombinationen gemäß Beispielen 1 bis 3 insofern, als sie nur 50 ppm WASA und keinen Ester (Vergleichs-Beispiel 6), nur 50 ppm Ester und keine WASA (Vergleichs-Beispiel 7), nur 5 ppm WASA und 45 ppm Ester (Beispiel 8), oder aber nur 45 ppm WASA und 5 ppm Ester (Beispiel 9) enthalten.
Die Additivkombinationen gemäß den Beispielen 8 und 9 enthalten die Komponente A und D in einem Gewichtsverhältnis von 9:1 oder 1:9 und sie fallen demnach unter den vorliegenden Anspruch 1.
Beispiele 6 bis 9 zeigen CFPP-Werte von -20ºC; -19ºC; -18ºC bzw. -19ºC) und DeltaCP-Werte von +0,6ºC; +6,4ºC; +5,1ºC bzw.: +2,3ºC. Diese vier Beispiele zeigen alle vergleichbare CFPP Werte. Die besten CFPP- und DeltaCP-Werte wurden in Vergleichsbeispiel 6 (ohne Komponente A) erreicht, und die erfindungsgemäßen Beispiele 8 und 9 zeigen DeltaCP-Werte, die zwischen den Werten der Vergleichsbeispiele 6 und 7 liegen.
Diese Versuchsergebnisse zeigen also, dass ein Additiv, welches die Komponenten A und D laut Anspruch 1 enthält, im Vergleich zu Additivkombinationen, die lediglich A oder D enthalten, nicht notwendigerweise eine Verbesserung der Kaltfließfähigkeit und der Paraffindispergierwirkung bewirken.
6.2.4 Auch die Ergebnisse der Beispielen 10 bis 12 in
Tabelle 2 führen zu einer solchen Schlussfolgerung. Diese getesteten Kombinationen enthielten jeweils gleiche Mengen an EVA1 (90 ppm), EVA2 (40 ppm) und APFC (25 ppm). Die anspruchsgemäße Kombination laut Beispiel 12, enthaltend 500 ppm WASA (D) und 500 ppm Ester (A) (d.h. ein Gewichtsverhältnis von A zu D von 1:1), zeigt wiederum keine eindeutige Verbesserung der Kaltfließfähigkeit und der Paraffindispergierwirkung gegenüber den Vergleichskombinationen laut Beispielen 10 und 11. Letztere enthalten 1000 ppm WASA (D) und keinen Ester (A) (Beispiel 10) bzw. 1000 ppm Ester (A) und keine WASA (D) (Beispiel 11). Beispiele 10 bis 12 zeigen CFPP-Werte von -14ºC; -16ºC bzw. -15ºC und DeltaCP-Werte von -2,3ºC; +5,1ºC bzw. +1,4ºC.
6.2.5 Bereits diese oben näher betrachteten Versuchsergebnisse der Einsprechenden zeigen eindeutig, dass die beanspruchte Additiv-Kombination von (A) und (D), im Vergleich zu Additiven, die jeweils kein (A) oder (D) enthalten, nicht zwingend zu einer Verbesserung der Kaltfließfähigkeit und der Paraffindispergierung führt, nicht einmal in dem von der Patentinhaberin als bevorzugt angesehenen Bereich für das Gewichtsverhältnis (A):(D) von 10:1 bis 1:10.
Es erübrigt sich daher, auf die weiteren, in den Tabellen 1 und 2 des Streitpatents präsentierten Versuchsergebnisse einzugehen.
6.2.6 Die von der Patentinhaberin erhobenen Kritik an den Versuchen der Einsprechenden (siehe Punkt VIII oben) vermag aus folgenden Gründen nicht, diesen Befund der Kammer in Frage zu stellen:
- Der Wortlaut des Anspruchs 1 enthält keinerlei Beschränkung im Bezug auf die Einsatzmengen der Komponenten (A) und (D), auf die Notwendigkeit weiterer, spezieller Komponenten (z.B. (B) und/oder (C)), oder auf das Gewichtsverhältnis der Komponenten (A) und (D).
- Daher betreffen die Versuche der Einsprechenden vom 30. März 2012 zweifellos Additivkombinationen, die unter den Wortlaut von Anspruch 1 fallen. Zudem stehen die laut diesen Versuchen verwendeten Mengen der Additivkombinationen völlig im Einklang mit den diesbezüglichen, sehr breiten Angaben im Streitpatent (siehe Abschnitte [0045] und [0047]).
- Auch das von der Patentinhaberin monierte Fehlen einer Messung des Sedimentvolumens ist im vorliegendem Fall von untergeordneter Relevanz. Dass eine solche Messung lediglich eine weitere, gleichwertige Charakterisierung der erreichten Paraffindispergierung darstellt, geht z.B. aus der Erklärung der Bedeutung des Sedimentvolumens auf Seite 20, Zeilen 6 bis 10 des Streitpatents hervor. In den Versuchsergebnissen der Einsprechenden ist die Paraffin-Dispergierung bereits anhand der Kombination von CFPP und DeltaCP hinreichend charakterisiert.
6.2.7 Für die Kammer belegen die Versuchsergebnisse der Einsprechenden in hinreichend überzeugender Weise, dass bei der Verwendung einer Kombination von (A) und (D) gemäß Anspruch 1 keineswegs stets, also unabhängig von den Einsatzmengen, dem Mengenverhältnis (A):(D) und der Mitverwendung weiterer Additivkomponenten, eine synergistische Verbesserung der Kaltfließfahigkeit und Paraffindispergierung bewirkt wird.
6.2.8 Da diese von der Patentinhaberin geltend gemachte technische Verbesserung demnach nicht über die gesamte Breite von Anspruch glaubhaft gemacht wurde, ist sie bei der Formulierung der zugrundeliegenden technischen Aufgabe nicht zu berücksichtigen (siehe etwa T 653/07, Punkte 5.1.7 und 5.1.8 der Entscheidungsgründe).
6.3 Die Patentinhaberin hat ferner geltend gemacht, dass die Auswahl eines Esters alkoxilierter Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen und mit einer OH-Zahl niedriger als 15 mg KOH/g eine besonders ausgeprägte Verbesserung der Kaltfließeigenschaften mit sich bringe. Verantwortlich dafür sei laut Patentinhaberin die dreidimensionale Struktur solcher vollveresterter Polyole.
6.3.1 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der nächstliegende Stand der Technik bereits die Verwendung von Estern von alkoxiliertern Polyolen mit mindestens 3 OH-Gruppen zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften von Mineralöldestillaten offenbart (siehe Punkt 3.3 supra), und dass die Einsprechende bereits in ihrem Schreiben vom 26. August 2011, eingereicht während des Einspruchsverfahrens, gezeigt hatte, dass eine OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g nicht unbedingt voll veresterte alkoxilierte Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen bezeichnet, und dass diese Zahl zum Beispiel vom Alkoxilierungsgrad abhängt. Dies wurde von der Patentinhaberin nicht bestritten. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung (Punkt 7.1.2 der Entscheidungsgründe) diesbezüglich Folgendes ausgeführt:
"Wie die Einsprechende gezeigt hat, ist eine Vollveresterung zwar nicht notwendige Voraussetzung für niedrige OH-Zahlen. Allerdings führt umgekehrt eine weitgehende vollständige Veresterung zu einer geringen Restkonzentration unreagierter Hydroxylgruppen und damit zu niedrigen OH-Zahlen. Auch die Patentinhaberin hat bestätigt, dass mit der Definition der OH-Zahl unzureichend veresterte Polyolalkoxylate von Anspruchsumfang ausgeschlossen werden sollen. Die Abteilung teilt daher die Ansicht der Einsprechenden, dass die OH-Zahl kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der D3 darstellt."
Die Kammer hat keinerlei Veranlassung, das Zutreffen dieser Ausführungen in Frage zu stellen.
6.3.2 Ferner enthält die Beschreibung des Streitpatents keinerlei Hinweis auf diesen angeblichen Vorteil. Das Streitpatent enthält auch keine Vergleichsversuche, aus denen die Bedeutung der Obergrenze von 15 mg KOH/g hervorgeht.
6.3.3 Der von der Patentinhaberin angesprochene Vergleich zwischen den Beispielen 8 und 13 (Tabelle 3 des Streitpatents) betrifft Formulierungen, die entweder einen Glycerolester nach Anspruch 1 (Additiv A3 laut Tabelle 1) oder einen Ethylenglykolester (Vergleichs-Additiv A13: Ester eines Polyols mit nur 2 OH-Gruppen) enthalten.
Dieser Vergleich kann jedoch den von der Patentinhaberin geltend gemachten Vorteil nicht überzeugend stützen, da beide Ester eine OH-Zahl niedriger als 15 mg KOH/g haben (siehe Tabelle 1, A3: 2 mg KOH/g und A13: 4 mg KOH/g). Zudem unterscheidet sich der Ester A13 vom Ester A3 zusätzlich dadurch, dass er mit 13 mol EO statt mit 22 mol EO alkoxiliert ist.
6.3.4 Daher muss auch diese von der beschwerdeführenden Patentinhaberin geltend gemachte technische Verbesserung in der Formulierung der zugrundeliegenden technischen Aufgabe unberücksichtigt bleiben.
6.4 Umformulierung der technischen Aufgabe
6.4.1 Da gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik keine über die gesamte Breite von Anspruch 1 erzielbare Verbesserung nachgewiesen ist, muss die technische Aufgabe in weniger ambitionierter Weise formuliert werden.
6.4.2 Die technische Aufgabe kann aber in der Bereitstellung eines weiteren, die Kaltfließfähigkeit und die Paraffindispergierung eines Mitteldestillats verbessernden Additivs gesehen werden.
6.5 Erfolg der Lösung gemäß Anspruch 1
6.5.1 Die Kammer hat, insbesondere im Hinblick auf auf die in der Patentschrift enthaltenen Beispiele, keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass diese weniger ehrgeizige Aufgabe durch die Wirkstoff-Kombination gemäß Anspruch 1 gelöst wird, was von der beschwerdeführenden Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiter bestritten wurde.
6.6 Naheliegen der Lösung
6.6.1 Es bleibt demnach zu entscheiden, ob ausgehend von den in Dokument D3 beschriebenen Additiven (enthaltend Fettsäureester von alkoxilierten Polyolen; siehe Punkt 3.3 supra), als Alternative hierzu, die Bereitstellung eines Additivs nach Anspruch 1 unter Berücksichtigung des Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens naheliegend war.
6.6.2 Dokument D3
Bezüglich der Herstellung derartiger Ester empfiehlt Dokument D3 ausdrücklich bekannte Veresterungsmethoden (siehe D3a: Seite 4, Zeilen 1 bis 3). Die Herstellungsbeispiele von D3 (D3a: Seiten 8 bis 10) beschreiben zwar die Herstellung von anderen veresterten Produkten als den unter Punkt 3.3 supra erwähnten, jedoch wird die Veresterungsreaktion immer unter Umsetzung äquivalenter Mengen der Ausgangsprodukte durchgeführt. Daraus ergibt sich für die Kammer, dass der Fachmann auch bei der Bereitstellung besagter Ester ein analoges Vorgehen mit Sicherheit ins Auge fassen würde, d.h. insbesondere solche Ester in Betracht ziehen würde, die durch eine weitgehende bzw. vollständige Veresterung besagter alkoxilierten Polyole mit mindestens 3 OH-Gruppen erhältlich sind und demnach auch sehr geringe OH-Zahlen im Bereich < 15 mg KOH/g aufweisen.
Die Verwendung von unter Anspruch 1 fallenden Fettsäureestern alkoxilierter Polyole mit einer OH-Zahl von weniger als 15 mg KOH/g stellt demnach für den Fachmann eine von mehreren, durch das Dokument D3 angeregten Varianten dar.
6.6.3 Kombination der Dokumente D3 und D6
a) Dokument D3 lehrt ferner, dass die alkoxilierten Fettsäure-Ester zusammen mit weiteren, bekannten Additiven zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften verwendet werden können, so etwa mit Stickstoffderivaten wie, zum Beispiel, aliphatischen Amiden von Dicarbonsäuren (D3a: Seite 7, Zeilen 2 bis 3 und 6 bis 7).
b) Die Verwendung derartiger Amide von Dicarbonsäuren als Paraffin-Dispergatoren für Mitteldestillate, und zwar zusammen mit weiteren Paraffin-Dispergatoren, war am Prioritätsdatum des Streitpatents bereits bekannt und wird etwa im Dokument D6 beschrieben. Verwiesen sei diesbezüglich insbesondere auf Spalte 6, Zeile 50 bis Spalten 7, Zeile 33, Spalte 7, Zeile 61, und insbesondere Spalte 8, Zeilen 54 bis 58, wo als Paraffindispergator C1 beispielsweise das Umsetzungsprodukt eines Terpolymers aus C14/C16-alpha-Olefin, Maleinsäureanhydrid und Allylpolyglycol mit 2 Äquivalenten Ditalgfettamin beschrieben wird. Ein derartiges Produkt fällt unstreitig unter die in Anspruch 1 angegebene Definition und kommt auch laut Streitpatent (siehe Abschnitt [0054] und Tabelle 7 des Streitpatents) als polare, stickstoffhaltige Paraffindispergator-Komponente zum Einsatz.
c) Ausgehend von D3 war das Kombinieren der dort beschriebenen bzw. angeregten Fettsäureester von alkoxilierten Polyolen mit den in D6 beschriebenen Fettsäureamiden zu einem Mehrkomponenten-Additiv zur Verbesserung der Kaltfließeigenschaften und Paraffindispergierwirkung von schwefelarmen Mitteldestillaten demnach eine von mehreren möglichen, durch den Stand der Technik angeregten Lösungen der technischen Aufgabe.
d) Da für die spezielle Komponenten-Kombination gemäß Anspruch 1 keine unerwartete Wirkung, geschweige denn eine Verbesserung, nachgewiesen wurde, stellt die Auswahl dieser Kombination lediglich eine von zahlreichen, aber gleichermaßen naheliegenden, Lösungen der gestellten Aufgabe dar (siehe etwa Entscheidung
T 0892/08 vom 15. September 2010; Punkt 1.7 der Gründe).
6.6.4 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Bereitstellung eines Additivs gemäß Anspruch 1 angesichts der Lehren der Dokumente D3 und D6 und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ 1973) beruht.
6.7 Folglich ist der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.