T 0086/12 () of 24.4.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T008612.20140424
Datum der Entscheidung: 24 April 2014
Aktenzeichen: T 0086/12
Anmeldenummer: 02776775.5
IPC-Klasse: F16H 53/02
B21D 26/02
B21D 53/84
B23P 11/00
F01L 1/047
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM VERBINDEN VON BAUTEILEN MIT HOHLWELLEN, VORZUGSWEISE ZUR HERSTELLUNG VON NOCKENWELLEN UND DANACH HERGESTELLTE NOCKENWELLE
Name des Anmelders: Furchheim, Bodo
Name des Einsprechenden: ThyssenKrupp Presta TecCenter AG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention R 117
European Patent Convention Art 117(1)(e)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Hinzuziehung eines Sachverständigen - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0375/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents Nr. EP 1 434 955 wurde am 28. November 2011 zur Post gegeben.

Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gekommen, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

II. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerde­gebühr am 14. Januar 2012 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 2. April 2012 ein­gereicht.

III. Am 24. April 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der an­gefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung oder - hilfsweise - die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfs­antrags, eingereicht mit Schreiben vom 24. März 2014. Außerdem beantragte er die Hinzuziehung eines Sachverständigen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Verbinden von Bauteilen mit Hohlwellen, vorzugsweise zur Her­stellung von Nockenwellen, indem in einem ersten Verfahrensschritt die Bauteile, ins­besondere Nockenringe, mit ihrer funktionsbedingten Kontur hergestellt werden,

dass dazu ein härtbarer Werkstoff verwendet wird, der nach dem Härten neben seiner elastischen Verformbarkeit noch eine geringe zulässige plastische Verform­barkeit besitzt,

dass diese Bauteile gemeinsam mit der zu verformenden Hohlwelle funktions­gerecht in ein IHU-Werkzeug eingelegt werden und dass in einem zweiten Verfahrens­schritt durch ein IHU-Verfahren durch die Wirkung des Innendruckes die Bauteile mit der Hohlwelle kraft und formschlüssig verbunden werden,

dadurch gekennzeichnet, daß der härtbare Werkstoff nach dem Härten eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% besitzt."

Der erteilte unabhängige Anspruch 2 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Verbinden von Bauteilen mit Hohlwellen, vorzugsweise zur Her­stellung von Nockenwellen, indem in einem ersten Verfahrensschritt die Bauteile, ins­besondere Nockenringe, mit ihrer funktionsbedingten Kontur hergestellt werden,

dass danach die Oberfläche der Bauteile, insbesondere die Lauffläche der Nocken, randschichtgehärtet wird, dass diese Bauteile gemeinsam mit der zu verformenden Hohlwelle funktionsgerecht in ein IHU-Werkzeug eingelegt werden, und

dass in einem zweiten Verfahrensschritt durch ein IHU-Verfahren durch die Wirkung des Innendruckes die Bauteile mit der Hohlwelle kraft- und formschlüssig ver­bunden werden,

dadurch gekennzeichnet, daß nach der Randschichthärtung die Oberfläche der Bauteile eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% aufweist."

Der erteilte unabhängige Anspruch 3 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Verbinden von Bauteilen mit Hohlwellen, vorzugsweise zur Her­stellung von Nockenwellen, indem in einem ersten Verfahrensschritt die Bauteile, ins­besondere Nockenringe, aus zwei einzelnen miteinander kraft- und formschlüssig verbundenen Ringen unter­schiedli­chen Materials, wobei das des äußeren Ringes hart und elastisch, und das des inneren Ringes weich und plastisch verformbar ist, und mit ihrer funktions­bedingten Kontur hergestellt werden,

dass diese Bauteile gemeinsam mit der zu verformenden Hohlwelle funktions­gerecht in ein IHU-Werkzeug eingelegt werden, und

dass in einem zweiten Verfahrensschritt durch ein IHU-Verfahren durch die Wirkung des Innendruckes die Bauteile mit der Hohlwelle kraft- und formschlüssig verbunden werden,

dadurch gekennzeichnet, daß das Material des äußeren Ringes eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% aufweist."

Die Vorrichtungsansprüche sind für die vorliegende Ent­schei­dung nicht relevant.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1, dadurch dass der kennzeichnende Teil folgendermaßen lautet:

"der härtbare Werkstoff nach dem Härten eine zulässige Restdehnung von >= 0,5 % besitzt, das heißt, der Werkstoff darf in gehärtetem Zustand auf der Innen- und Außenseite neben seiner elastischen Verformbarkeit noch eine geringe zulässige plastische Verformbarkeit aufweisen, um die Dehnung des Nockenringes und die Fertigungstoleranzen im Nockenring und/oder Werkzeug infolge des Innendruckes zu überbrücken."

Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 2, dadurch dass der kennzeichnende Teil folgendermaßen lautet:

"nach der Randschichthärtung die Oberfläche der Bauteile eine zulässige Restdehnung von >= 0,5 % besitzt, wobei die äußeren verschleißbeanspruchten Zonen hart und elastisch verformbar und die sich infolge des Innen­druckes aufweitende Innenkontur auf der der Welle zu­gewandten Seite des Nockenringes in gewissem Grade weich, das heißt, plastisch verformbar bleibt, um die Dehnung des Nockenringes und die Fertigungstoleranzen im Nocken­ring und/oder Werkzeuge infolge des Innendrucks zu überbrücken"

Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 3, dadurch dass der kennzeichnende Teil folgendermaßen lautet:

"das Material des äußeren Ringes eine zulässige Rest­dehnung von >= 0,5 % besitzt, das heißt, der äußere Ring darf neben seiner elastischen nur eine geringe plasti­sche Verformbarkeit aufweisen, um die Dehnung des Nocken­ringes und die Fertigungstoleranzen im Nockenring und/oder Werkzeug infolge des Innendruckes zu über­brücken".

V. Folgende Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

B7: DE-A-32 23 346

B8: DE-C-32 50 083

B9: "Relaxationsverhalten warmfester Stähle für Schrauben", technische forschung stahl, VDEh - Düsseldorf, Forschungsvertrag Nr. 6210-KF/1/101, Abschlussbericht 1980, Seiten 21 bis 28, Bild 15a bis Bild 26

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Antrag auf Hinzuziehung eines Sachverständigen

Ein Sachverständiger könne zur Erläuterung des Begriffs "Restdehnung" beitragen und somit Zweifel an dessen Verständnis durch den Fachmann ausräumen. Folglich sei seine Zuziehung sinnvoll.

Da der Antrag innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist gestellt wurde und keinen neuen Sachverhalt einführe, sondern nur eine Erläuterung von bereits vorgebrachten Argumenten darstelle, sei dem Antrag stattzugeben.

b) Zulässigkeit des verspätetet vorgebrachten Standes der Technik

Das Dokument D9 wurde innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist eingereicht. Da es sich mit der Thematik der Restdehnung eines Stahls befasse, sei es prima facie für das Verfahren relevant und solle deswegen in das Verfahren zugelassen werden.

c) Zulässigkeit des verspätet eingereichten Hilfsantrags

Der Hilfsantrag wurde innerhalb der von der Kammer gesetzten Frist und als Reaktion auf den Bescheid der Kammer eingereicht. Da die hinzugefügten Merkmale keinen neuen Sachverhalt aufwürfen, sondern lediglich der Erläuterung des Ausdrucks Restdehnung beitragen sollen, sei der Hilfsantrag in das Verfahren zuzulassen.

d) Offenbarung der Erfindung

Der Ausdruck "zulässige Restdehnung" sei als der "zu­gelassene Bereich der Rest­dehnung" zu verstehen. Die Restdehnung sei eine Materialeigenschaft und stelle denjenigen Anteil der plastischen Dehnung dar, die verbleibe, wenn keine Spannung mehr auf ein Bauteil wirke.

Der Begriff der Restdehnung sei dem Fachmann, einem Ingenieur im Bereich der Umform­technik mit umfassenden Kenntnissen der Materialtechnik, aus den Spannungs-Dehnungs­diagrammen bekannt. Dies werde z. Bsp. in Figur 3 der B7 und B8 gezeigt.

Da es sich bei der Restdehnung um eine Material­eigenschaft handle, seien die Dokumente D7, D8 und D9 für das vorliegende Verfahren relevant, obwohl sie, anders als das Streitpatent, Schrauben bzw. Eisenbahn­schienen betreffen. Aus dem gleichen Grund sei die Form eines Gegenstands für die Bestimmung der Restdehnung irrelevant.

Im Absatz [0007] des Streitpatents seien Werkstoffe nämlich niedriglegierte Stähle, insbesondere 58CrMoV4 genannt, die eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% aufweisen. Folglich bräuchte der Fachmann lediglich die der B9 entsprechende Diagramme für niedriglegierte Stähle zu benutzen, um den Härtungsprozess einzustellen, der zur gewünschten Restdehnung führt.

Somit sei es dem Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand möglich die Restdehnung einzustellen. Die Erfindung sei daher so deutlich und ausführlich beschrieben, dass sie der Fachmann ausführen könne.

Die in den Hilfsanträgen aufgenommenen Merkmale spezifizierten zusätzlich die Bedeutung der Rest­dehnung, so dass dadurch die beanspruchte Erfindung noch genauer definiert und eindeutig nachbearbeitbar sei.

VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Antrag auf Hinzuziehung eines Sachverständigen

Es solle kein Sachverständiger hinzugezogen werden, da es bei einer mit technischen Richtern besetzten Kammer zum einen nicht erforderlich sei. Zum anderen sei der Antrag so spät gestellt worden, dass dies zu einer Verfahrens­verzögerung führen würde.

b) Zulässigkeit des verspätetet vorgebrachten Standes der Technik

Das verspätet vorgebrachte Dokument B9 solle nicht in das Verfahren zugelassen werden, da es sich mit einem anderen technischen Gebiet als das Streitpatent befasse und somit prima facie nicht relevant sei.

c) Zulässigkeit des verspätet eingereichten Hilfsantrags

Der Hilfsantrag sei erst mit Schreiben vom 24. März 2014 eingereicht worden, ohne dass dies durch den Verlauf des Verfahrens gerechtfertigt gewesen sei. Folglich sei er nicht in das Verfahren zuzulassen.

d) Offenbarung der Erfindung

Der Ausdruck "zulässi­ge Restdehnung" sei weder allgemein geläufig noch könne sein Bedeutung durch das Streit­patent, das Vor­bringen der Beschwerdeführerin oder die vorgelegten Dokumente geklärt werden. Außerdem gebe es keinen Grund, weswegen dieser Ausdruck, wie vom Beschwerdeführer vorgeschlagen, als der "zugelassene Bereich der Restdehnung" interpretiert werden solle.

Selbst wenn die Auslegung des Beschwerdeführers akzeptiert werde, sei es dem Fachmann zum einen nicht ohne weiteres möglich die Restdehnung an einem Gegen­stand beliebiger Form festzustellen. Zum anderen sei es für den Fachmann auch nicht ohne umfangreiche Versuche möglich, die Härtungs­parameter bei einem gegebenen Material so einzustellen, dass eine vor­gegebene Rest­dehnung erzielt wird. Dabei könne auch B9 nicht hilf­reich sein, weil sich dieses Dokument nicht mit der Einstellung der plastischen Restdehnung durch Wärme­behandlungen von Werkstoffen befasse, sondern mit dem Einfluss hoher Temperaturen auf die Tragfähigkeit von Schraubverbindungen.

Folglich beschreibe das Patent sowohl in der Fassung des Hauptantrags als auch in der Fassung des Hilfsantrags die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Antrag auf Zuziehung eines Sachverständigen

Der Antrag einen Sachverständigen hinzuzuziehen wurde von dem Beschwerdeführer erst mit Schreiben vom 24. März 2014 gestellt. Nach Auffassung des Beschwerde­führers ist es erläuterungsbedürftig, wie der Fachmann den Begriff "Restdehnung" versteht.

Nach Artikel 117 (1) (e) EPÜ kommt die Begutachtung durch einen Sachverständigen zwar auch in den Verfahren vor den Einspruchsabteilungen und den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts in Betracht. Allerdings obliegt die patentrechtliche Würdigung eines verständlichen technischen Sachverhalts regelmäßig den mit technisch vorgebildeten Mitgliedern besetzten Beschwerdekammern. Nach Regel 117 EPÜ hat das EPA ein Sachverständigengutachten deshalb nur einzuholen, wenn es dies für erforderlich hält (vgl. z.B. T 375/00 vom 7. Mai 2002, Nr. 1.2.2 der Entscheidungsgründe). Dies ist hier nicht der Fall. Die technisch vorgebildeten Mitglieder der Kammer sind auf dem Gebiet der Materialkunde selbst hinreichend sachkundig. Zudem hat die Beschwerde­führerin durch Vorlage der Dokumente B7, B8 und B8 zu der Verwendung dieses Begriffes in einer anderen Patent­schrift und in einer wissenschaftlichen Untersuchung vorgetragen. Damit ist eine ausreichende Grundlage für die Interpretation des Begriffes durch die fachkundig besetzte Kammer gegeben.

Da der Antrag zudem zu einem solchen späten Zeitpunkt des Verfahrens gestellt wurde, dass eine Verlegung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen wäre, um den Sachverständigen zu laden, wird der Antrag auch aus diesem Grunde unter Berücksichtigung des Artikels 13 (3) VOBK abgelehnt.

3. Zulässigkeit des verspätetet vorgebrachten Standes der Technik

Das Dokument D9 ist mit Schreiben vom 25. März 2014 und somit verspätet eingereicht worden. Da es innerhalb der von der Kammer gestellten Frist einging, nicht besonders komplex ist und seine Berücksichtigung die (gebotene) Verfahrens­ökonomie nicht verletzt, wird es in das Verfahren zu­gelassen (Artikel 13 (1) VOBK).

4. Zulässigkeit des verspätet eingereichten Hilfsantrags

Der Hilfsantrag wurde ein Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Ansprüche beinhalten zusätzliche Merkmale, die versuchen den Begriff der Restdehnung zu definieren und können somit als Reaktion auf den Bescheid der Kammer gewertet werden. Da die hinzu­gefügten Merkmale außerdem schon zuvor während des Verfahrens mehrmals angesprochen worden sind, kann ihre Einfügungen in die Ansprüche weder die Beschwerde­gegnerin noch die Kammer unvorbereitet treffen. Folglich wird der Hilfsantrag in das Verfahren zugelassen.

5. Offenbarung der Erfindung

Der Gegenstand eines Patents ist ausreichend offenbart, wenn der Fachmann die Erfindung unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbaren Aufwand nacharbeiten kann.

5.1 Hauptantrag

5.1.1 Anspruch 1 wie erteilt verlangt im einzigen Merkmal des kennzeichnenden Teils, dass "der härtbare Werkstoff nach dem Härten eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% besitzt".

Als härtbarer Werkstoff wird im Absatz [0007] niedrig­legiert Stahl genannt, insbesondere Federstahl. Im gleichen Absatz wird ferner angegeben, dass ein Werkstoff eine zulässige Restdehnung von >= 0.5% aufweist, wenn neben seiner elastischen Verformbarkeit noch eine geringe zulässige plastische Verformbarkeit gegeben ist.

5.1.2 Der Ausdruck "zulässige Restdehnung", der sowohl im Anspruch 1, als auch durchgehend im Streitpatent benutzt wird, ist kein für den Werkstoffspezialisten gängiger Ausdruck. Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass der Ausdruck zu interpretieren sei als "der zugelassene Bereich der Restdehnung" und dass Rest­dehnung sehr wohl in der Werkstoffkunde ein eindeutig definierter Begriff sei. Es handle sich hierbei um eine Materialeigenschaft, die unabhängig von der Form des Gegenstands ist und die plastische Verformung darstelle, die erhalten bleibe wenn keine Spannung mehr auf einen Gegen­stand wirke.

Keine der von der Beschwerdeführerin genannten Druck­schriften enthält jedoch eine Definition des Ausdrucks Restdehnung, geschweige denn von "zulässiger Rest­dehnung" als Materialeigenschaft.

Die von der Beschwerdeführerin genannten B7 und B8 betreffen ein Verfahren zum Richten von Eisenbahn­schienen, bei dem die Schienen einer Zugspannung aus­gesetzt werden, die im plastischen Bereich liegt. Es stimmt zwar, dass in diesen Patentschriften der Ausdruck "Rest­dehnung" mehrfach erscheint (siehe z. Bsp. Figur 4 und Seite 14). Er beschreibt die bleibende, plastische Dehnung der Schiene, die notwendig ist, damit die vorher durch die Kühlung der Schiene hervor­gerufenen Rest­spannungen minimiert werden. Es handelt sich hiermit jedoch nicht um ein Merkmal des Materials, aus dem die Schiene hergestellt ist, sondern um den Wert um den die Schiene verlängert werden muss, um die Erfindung umzusetzen.

Die in der B9 dargestellten Diagramme betreffen die elastische Restdehnung von Schrauben aus ausgewählten Stählen, also nicht den von der Beschwerdeführerin genannte Teil der plastischen Dehnung, der verbleibt, wenn die Spannung an einem Gegenstand nachlässt.

Folglich gibt keine der von der Beschwerdeführerin genannten Schriften eine eindeutige Definition des Ausdrucks Restdehnung, noch weniger des Ausdrucks "zulässiger Restdehnung" als Materialeigenschaft.

5.1.3 Selbst unter der Annahme, dass der Ausdruck "zulässige Restdehnung", wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen als "der zugelassene Bereich der Rest­dehnung" ausgelegt wird und die Restdehnung als "der Teil der plastischen Dehnung, die verbleibt, wenn die Spannung auf das Gegenstand nachlässt" ausgelegt würde, kann aus dem Streitpatent nicht entnommen werden, welche Ein­stellungen beim Härtungsprozess vorgenommen werden müssen, damit die gewünschte "Restdehnung" erzielt wird.

Es stimmt zwar, dass in Absatz [0007] Werkstoffe angegeben sind, die zur Durchführung des Verfahrens geeignet sein sollen. Jedoch ist nirgends im Patent beschrieben, welche Parameter beim Härten eingestellt werden sollen, um den gewünschten Wert der Restdehnung zu erreichen.

B7 und B8 beschäftigen sich überhaupt nicht mit Wärme­behandlung bzw. Härten von Stahl und auch B9 betrifft nicht die plastische "Restdehnung" eines Stahls. Diese Druckschrift beschäftigt sich nämlich mit der Aus­wirkung von hohen Temperaturen auf das Zuspannverhalten von Schrauben verschiedener Werkstoffe. Schrauben werden im Allgemeinen so angezogen, dass sie unter elastischer oder plastischer Spannung stehen. Wenn sie über lange Zeit hohen Temperaturen ausgesetzt werden, finden Kriechvorgänge statt, die zu einem erheblichen Abbau der Montagevorspannkraft durch Relaxation führen. Die in B9 dargestellten Diagramme geben dieses Verhalten wieder: dort kann abgelesen werden, welche elastische Rest­dehnung bei Schraubverbindungen erhalten bleibt, die eine gewisse Zeit (10 bis 100000 Stunden) Temperaturen zwischen 400 und 650°C ausgesetzt wurden. Folglich kann der Fachmann auch aus dieser Druckschrift keine Härtungs­parameter entnehmen, die zu einer "Restdehnung" von >= 0.5% führen würden.

5.1.4 Somit ist weder im Streitpatent angegeben, durch welches Verfahren die gewünschte Restdehnung erreicht werden kann, noch ist es dem Beschwerdeführer gelungen, nach­zu­weisen, dass der Fachmann durch sein allgemeines Fachwissen (Nach­schlage­werke, allgemeine technische Literatur) die im Patent enthaltenen Informa­tionen vervollständigen kann.

Somit findet sich der Fachmann in der Situation, nur durch Herumexperimentieren feststellen zu können, ob er die vielen Parameter, die beim Härten von Stahl zu berücksichtigen sind, so gewählt hat, dass sich das erwünschte Resultat ergibt. Da es sich dabei um einen unzumutbaren Aufwand handelt, ist die Erfindung auch in dieser Hinsicht nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass sie ein Fach­mann ausführen kann.

5.2 Hilfsantrag

Die obigen Ausführungen treffen auch für den Hilfs­antrag zu. Das in Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal wonach der Werkstoff in gehärtetem Zustand auf der Innen- und Außenseite neben seiner elastischen Verformbarkeit noch eine geringe zulässige plastische Verformbarkeit aufweisen darf, um die Dehnung des Nockenringes und die Fertigungstoleranzen im Nockenring und/oder Werkzeug infolge des Innendruckes zu über­brücken, ist der Beschreibung entnommen. Da diese bei der Beurteilung der Ausführbarkeit der Erfindung schon beim Hauptantrag berücksichtigt wurde, kann das hinzugefügte Merkmal zwangsläufig keine weitere Informationen weder zur Bedeutung des Ausdrucks "zulässige Rest­dehnung" noch zur Einstellung der Härtungsparameter geben.

Folglich beschreibt das Patent auch die Erfindung nach Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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