European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T006212.20150715 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Juli 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0062/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07724976.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65G 59/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM ENTPALLETIEREN VON GESTAPELTEN GEBINDEN | ||||||||
Name des Anmelders: | KUKA Roboter GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | KRONES AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 1 890 954 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Offenbarung) und Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen).
Das Patent wurde gemäß dem Hauptantrag der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin), welcher während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde, aufrechterhalten.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die Entgegenhaltungen aus dem Einspruchsverfahren
D1: DE 197 00 911 A,
D2: US 5 265 712 A,
D3: EP 0 462 518 A,
D7: EP 0 627 373 A
sowie auf die zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Entgegenhaltungen
B1: DE 38 21 292 A,
B2: DE 1 249 166 B,
B3: DE 693 22 507 T,
B4: US 4 712 975 A
Bezug genommen.
III. In der Anlage zur Ladung für die anberaumte mündliche Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach sie keinen Grund sehe, die mit der Beschwerdebegründung neu eingereichten Entgegenhaltungen B1 bis B4, in Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK, ins Verfahren nicht zuzulassen, siehe Punkt 6 dieser Anlage.
IV. Mit ihrem Schriftsatz vom 1. Juli 2015 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1 und 2 ein.
V. Am 15. Juli 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, insbesondere im Hinblick auf inter alia folgende, für die vorliegende Entscheidung relevante Aspekte:
- die Zulassung der Entgegenhaltungen B1 bis B4 ins Verfahren;
- die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände des Verfahrensanspruchs 1 und des Vorrichtungsanspruchs 3 des Hauptantrags.
VI. Am Schluss der mündlichen Verhandlung stellten die Parteien folgende Anträge:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 890 954.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und somit die Aufrechterhaltung des europäischen Patents gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung (Hauptantrag) oder, hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 1. Juli 2015 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2.
Anschließend wurde die Entscheidung verkündet.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (in Fettdruck die Änderungen im Vergleich zur erteilten Fassung):
"Verfahren zum Entpalletieren von gestapelten Gebinden mittels einer Vorrichtung nach Anspruch 3, wobei Gebinde reibschlüssig angehoben und durch mindestens einen Tragboden unterfahren werden,[deleted: dadurch gekennzeichnet, dass ]wobei die Gebinde an zwei einander gegenüberliegenden Seiten in Parallelausrichtung zu Gebindelagen, insbesondere senkrecht, angehoben werden, [deleted: und dass ]indem Walzen an den einander gegenüberliegenden Seiten reibschlüssig angreifen, wobei die angehobenen Gebinde von zwei gegenüberliegenden Seiten aus von zwei [deleted: Tragböden ]Tragbodenteilen des Tragbodens unterfahren werden, und wobei zum Aufnehmen eines obersten Gebindes eines Gebindestapels ein die Vorrichtung tragender Roboter diese über dem Stapel absenkt, so dass die Walzen im unteren Bereich der obersten Lage oder des obersten Gebindes zu liegen kommen, die Walzen sodann zusammen mit den Tragbodenteilen gegen das Gebinde verfahren werden, sich anschließend gegensinnig in Bewegung setzen und das Gebinde kraftschlüssig anheben, bis dieses mit seiner Unterkante in den oberen Bereich der Walzen gelangt, woraufhin diese zusammen mit den Tragbodenteilen unter das Gebinde fahren, und der Roboter das durch die Tragbodenteile untergriffene Gebinde mittels der mit ihm verbundenen Vorrichtung von dem Stapel abhebt und zu einem Ablegeort bewegt."
Anspruch 3 des Hauptantrags lautet wie folgt (in Fettdruck die Änderungen im Vergleich zur erteilten Fassung):
"Vorrichtung zum Entpalletieren von gestapelten Gebinden, mit mindestens einer Walze zum Anheben der Gebinde und mit einem Tragboden, dadurch gekennzeichnet [deleted: durch], dass der Tragboden mindestens zwei gegeneinander verfahrbare Tragbodenteile (2a, 2b) aufweist, wobei an inneren, einander zugewandten Längskanten der Tragbodenteile [deleted: mindestens zwei ]einander gegenüberliegende Walzen (9a, 9b) drehbar gelagert sind, um Gebinde in Parallelausrichtung zu Gebindelagen, insbesondere senkrecht, reibschlüssig anzuheben, und dass die Vorrichtung eine Anschlusskupplung (20) zur Verbindung der Vorrichtung mit einem Roboter aufweist, wobei die Walzen (9a, 9b) durch mindestens einen Walzenantriebmotor (11a, 11b) antreibbar sind."
Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 2 ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.
VIII. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung ins Verfahren der Entgegenhaltungen B1 bis B4
Die als Basis für die Diskussion in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 3 seien erst ca. einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und während dieser noch geändert worden. Der Schwerpunkt der Erfindung gegenüber den Ansprüchen des Patents wie erteilt habe sich dabei verlagert.
Die Einspruchsabteilung habe vor der mündlichen Verhandlung zweimal eine negative Meinung bezüglich erfinderischer Tätigkeit geäußert.
Die Beschwerdebegründung sei somit der frühestmögliche Zeitpunkt für die Beschwerdeführerin gewesen, auf diese geänderte Lage zu reagieren.
Aus den o. g. Gründen seien die Entgegenhaltungen B1 bis B4 zuzulassen.
Hauptantrag
Das Dokument D1 sei der nächstliegende Stand der Technik. Demgegenüber seien alle Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 3 bekannt, mit der Ausnahme von:
o1) mindestens eine Walze zum Anheben der Gebinde;
q) an inneren, einander zugewandten Längskanten der Tragbodenteile sind einander gegenüberliegende Walzen drehbar gelagert;
u) die Walzen sind durch mindestens einen Walzenantriebmotor antreibbar; und
t) die Vorrichtung weist eine Anschlusskupplung zur Verbindung der Vorrichtung mit einem Roboter auf.
Da keine Synergie zwischen den technischen Effekten der zwei Merkmalsgruppen - auf der einen Seite o1), q) und u) und auf der anderen Seite t) - bestehe, könnten sie unabhängig voneinander bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden.
Die mit der Merkmalsgruppe o1), q) und u) verknüpfte erste Teilaufgabe könne darin gesehen werden, die aus D1 bekannte Vorrichtung mit alternativen Mitteln zum Anheben von Gebinden zu gestalten.
Der Fachmann finde die beanspruchte Lösung in einer der Entgegenhaltungen D2, D3, D7 und/oder B1.
Er würde ohne große technische Schwierigkeiten jede dieser Aufnahmevorrichtungen in die aus D1 bekannte Vorrichtung implementieren und somit ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand des Anspruchs 3 gelangen, da auch das Unterscheidungsmerkmal t) keine erfinderische Tätigkeit begründen könne.
IX. Das wesentliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung ins Verfahren der Entgegenhaltungen B1 bis B4
Der Schwerpunkt der Erfindung gegenüber den Ansprüchen des Patents wie erteilt habe sich nicht verlagert, da sich die neu eingereichten Ansprüche 1 und 3 aus einer Kombination erteilter Ansprüche ergäben.
Die aus der Beschreibung entnommenen Merkmale beträfen nur eine Klarstellung beanspruchter Merkmale.
Die Entgegenhaltungen B1 bis B4 seien prima facie nicht hochrelevant.
Die Beschwerdeführerin führe einen neuen Sachverhalt ein, da sich die Beschwerde im Wesentlichen (bis auf eine Ausnahme) nur auf Kombinationen neuer Druckschriften stütze, die im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können.
Aus diesen Gründen seien die Entgegenhaltungen B1 bis B4 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Hauptantrag
Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik seien die o. g. Merkmale o1), q), t) und u) des Vorrichtungsanspruchs 3 als Unterscheidungsmerkmale anzusehen.
Der Fachmann würde keine der aus D2, D3, D7 oder B1 bekannten Aufnahmevorrichtungen in die aus D1 bekannte Vorrichtung implementieren, da er dafür letztere komplett umbauen hätte müssen, und zwar so, dass er das Konzept der D1 in Bezug auf eine berührungsfreie Einführung der Hubgabeln bis hinter den Schwerpunkt der Gebinde gänzlich aufgeben hätte müssen.
Aus diesem Grund beruhe der Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dieselbe Argumentation sei mutatis mutandis auf den Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 anwendbar.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung ins Verfahren der Entgegenhaltungen B1 bis B4
1.1 Die unter den Punkten 1.2 bis 1.6 unten angegebenen Gründe und die damit verbundene Schlussfolgerung wurden in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung als vorläufige Auffassung der Kammer den Parteien mitgeteilt. Dies wurde während der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten nicht weiter diskutiert bzw. bestritten. Beide Parteien haben in der mündlichen Verhandlung explizit erklärt, dass sie zu ihrem jeweiligen schriftlichen Vorbringen nichts hinzufügen wollen.
1.2 Die Kammer erachtet die Einreichung der Entgegenhaltungen B1 bis B4 als Reaktion der Beschwerdeführerin auf die angefochtene Entscheidung. Diese Entgegenhaltungen wurden mit der Beschwerdebegründung, d. h. zum frühmöglichsten Zeitpunkt, und zusammen mit dem Hinweis auf die Verlagerung des Schwerpunktes der Erfindung gegenüber den Ansprüchen des Patents in der erteilten Fassung eingereicht, siehe Beschwerdebegründung, Seite 2, vierter Absatz. Die Beschwerdegegnerin hat dies bestritten und geltend gemacht, dass diese Entgegenhaltungen "nicht prima facie hochrelevant" seien, siehe Beschwerdeerwiderung, Seite 4, letzter Absatz.
1.3 In diesem Zusammenhang ist Artikel 12 (4) VOBK von Bedeutung. Dieser Artikel legt insbesondere fest, dass die Kammer das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung berücksichtigt. Die Kammer ist aber befugt, Tatsachen oder Beweismittel nicht zuzulassen, wenn sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind. Die neu vorgelegten Entgegenhaltungen wurden als Anlage zur Beschwerdebegründung zeitgleich mit dieser eingereicht und sind daher a priori Teil der Grundlage des Verfahrens im Sinne der Artikel 12 (1) und (2) VOBK.
1.4 Aus dem erstinstanzlichen Verfahren ist zunächst festzustellen, dass die Ansprüche 1 und 3, die als Grundlage in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zur Diskussion standen, erst ca. einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und während dieser mündliche Verhandlung nochmals geändert wurden. Ferner hatte die Einspruchsabteilung vor der mündlichen Verhandlung zwei Mal eine negative vorläufige Meinung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit der bis dahin beanspruchten Gegenstände geäußert, siehe Bescheid vom 6. Oktober 2010, Punkte 12 und 13; Ladungsbescheid vom 4. April 2011, Punkte 12 und 13. Es ist weiterhin festzustellen, dass ein offensichtlich entscheidendes Argument, dass "das Anheben von Gebinden in Parallelausrichtung zu Gebindeanlagen durch gegenüberliegende Walzen in keinem der zitierten Dokumente offenbart wird", siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 19.6, für das erste Mal während der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Punkt 11.
1.5 Die Beschwerdeführerin hat auf die oben beschriebene, im letzten Verfahrensstadium des Einspruchsverfahrens geänderte Lage durch die Einreichung der Entgegenhaltungen B1 bis B4 zusammen mit der Beschwerdebegründung reagiert. Ob die neu eingereichten Entgegenhaltungen prima facie relevant sind, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.
1.6 Die Kammer sieht daher keinen Grund in Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK diese Entgegenhaltungen nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen und die Entgegenhaltungen B1 bis B4 werden somit ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
2. Hauptantrag
2.1 Vorrichtungsanspruch 3
2.1.1 Die Kammer, dem Vortrag der Parteien folgend, erachtet die aus D1 bekannte Vorrichtung zum Entpalletieren von gestapelten Gebinden als den nächstliegenden Stand der Technik.
2.1.2 D1 offenbart eine Vorrichtung zum Entpalletieren von gestapelten Gebinden (Trays 3) mit einem Tragboden, der mindestens zwei gegeneinander verfahrbare Tragbodenteile (Hubgabeln 11) aufweist. Die aus D1 bekannte Vorrichtung weist Druckluftkissen 6 auf, um Gebinde in Parallelausrichtung zu Gebindelagen senkrecht und reibschlüssig anzuheben, siehe Spalte 2, Zeilen 41 bis 46; Spalte 3, Zeilen 39 bis 43; Figuren insbesondere Figur 2; Ansprüche.
2.1.3 Es ist unstreitig, dass die Merkmale des Anspruchs 3, wonach
o1) die Vorrichtung mindestens eine Walze zum Anheben der Gebinde aufweist,
q) an inneren, einander zugewandten Längskanten der Tragbodenteile einander gegenüberliegende Walzen drehbar gelagert sind,
t) die Vorrichtung eine Anschlusskupplung zur Verbindung der Vorrichtung mit einem Roboter aufweist und
u) die Walzen durch mindestens einen Walzenantriebmotor antreibbar sind,
aus D1 nicht bekannt sind.
2.1.4 Der durch die Unterscheidungsmerkmale o1), q) und u) erreichte technische Effekt liegt darin, Mittel zur Anhebung von Gebinden zur Verfügung zu stellen.
2.1.5 Der durch das Unterscheidungsmerkmal t) erreichte technische Effekt liegt darin, die Vorrichtung mit einem Roboter verbinden zu können.
2.1.6 Beim Fehlen einer synergetischen Wirkung zwischen den oben genannten technischen Effekten können die zwei Merkmalsgruppen unabhängig voneinander bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden.
2.1.7 Da die aus D1 bekannten Druckluftkissen 6 ebenfalls ein Anheben der Gebinde bewirken, kann die erste zu lösende Teilaufgabe darin gesehen werden, für die aus D1 bekannte Vorrichtung alternative Mittel zum Anheben der Gebinde vorzusehen.
2.1.8 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die durch die Unterscheidungsmerkmale o1), q) und u) beanspruchte Anordnung von an inneren, einander zugewandten Längskanten der Tragbodenteile drehbar gelagerten, einander gegenüberliegenden und durch mindestens einen Walzenantriebmotor antreibbaren Walzen zum Anheben von Gebinden aus keiner der Entgegenhaltungen D2, D3, D7 oder B1 bekannt ist.
2.1.9 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, I.D.5, ist bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht ausschlaggebend, ob ein Fachmann den Gegenstand des Streitpatents hätte ausführen können, sondern vielmehr, ob er es in der Hoffnung auf eine Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe auch getan hätte. Es kommt also nicht darauf an, ob der Fachmann durch Modifikation des Stands der Technik zur Erfindung hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr, ob er in Erwartung der tatsächlich erzielten Vorteile, d. h. im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe, so vorgegangen wäre, weil dem Stand der Technik Anregungen für die Erfindung zu entnehmen waren.
2.1.10 Es ist daher zu ermitteln, ob der Fachmann, der sich mit der Lösung der o. g. ersten Teilaufgabe auseinandersetzt, durch die Lehre einer der Entgegenhaltungen D2, D3, D7 und B1 dazu veranlasst worden wäre, in der aus D1 bekannten Vorrichtung anstatt der Druckluftkissen 6 an den inneren, einander zugewandten Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 jeweils eine Walze im Sinne der Unterscheidungsmerkmale o1), q) und u) vorzusehen.
2.1.11 D2 offenbart eine Vorrichtung zum Entpalletieren von gestapelten Gegenständen, wobei zwei antreibbare Walzen 5, 14 einen Gegenstand zuerst kippen und anschließend diesen Gegenstand entlang einer geneigten Bahn 1 schräg abtransportieren, siehe Figuren 1 bis 3.
2.1.12 Eine Anordnung von zwei aus D2 bekannten Walzen 5 an gegenüberliegenden unteren Seiten des abzutransportierenden Gegenstands würde dem in D2 offenbarten Prinzip des Kippens vor dem Heben zuwiderlaufen. Auch wäre die in D1 vorgesehene berührungslose Einführung der Hubgabeln 11 bis hinter den Schwerpunkt der Gebinde, siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 51 der D1, bei einer Walzenanordnung an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 nicht mehr möglich, da die eingebauten Walzen bei einer horizontalen Verschiebung der Hubgabeln das jeweilige Gebinde zunächst seitlich und anschließend an seiner unteren Seite berühren würden.
2.1.13 Der Fachmann würde daher die aus D2 bekannten Walzen nicht entgegen der o. g. Prinzipien der D1 und D2 an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 anbringen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
2.1.14 D3 offenbart eine Vorrichtung zum Entpalletieren von gestapelten Packungen, wobei eine antreibbare Walze 3 eines Aufnahmetisches 1 eine Packung 6 zuerst seitlich anhebt, um sie danach zu unterfahren und anschließend horizontal abzutransportieren, siehe Figur 1.
2.1.15 Ein Hinweis für eine Anordnung von zwei aus D3 bekannten Walzen 3 an gegenüberliegenden Seiten der abzutransportierenden Packung sei in D3 nicht zu finden. Auch wäre, ähnlich wie bei der D2, die in D1 vorgesehene berührungslose Einführung der Hubgabel 11 bis hinter den Schwerpunkt der Gebinde, siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 51 der D1, bei einer Walzenanordnung an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 nicht mehr möglich, da die eingebauten Walzen bei einer horizontalen Verschiebung der Hubgabeln das jeweilige Gebinde zunächst seitlich und anschließend an seiner unteren Seite berühren würden.
2.1.16 Der Fachmann würden daher wegen Fehlens jeglichen Hinweises hinsichtlich einer beidseitigen Anbringung an die abzutransportierende Verpackung der aus D3 bekannten Walze und entgegen dem o. g. Prinzip der berührungslosen Einführung der Hubgabeln 11 der D1 die aus D3 bekannten Walzen nicht an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 anbringen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
2.1.17 D7 offenbart eine Vorrichtung zur Aufnahme von Stückgut, wobei eine antreibbare Walze 5 eines Aufnahmetisches 2 in Kombination mit einem Gegenhalterkopf 11 und einem Anstellorgan 8 das Stückgut zuerst seitlich anhebt, um dies danach zu unterfahren und es anschließend seitlich schräg abzutransportieren, siehe Figuren 1 bis 4.
2.1.18 Eine Anordnung von zwei aus D7 bekannten Walzen 5 an gegenüberliegenden Seiten des abzutransportierenden Stückguts würde dem in D7 offenbarten Prinzip des Kippens vor dem Heben zuwiderlaufen. Auch wäre, ähnlich wie bei der D2 und D3, die in D1 vorgesehene berührungslose Einführung der Hubgabeln 11 bis hinter dem Schwerpunkt der Gebinde, siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 51 der D1, bei einer Walzenanordnung an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 nicht mehr möglich, da die eingebauten Walzen bei einer horizontalen Verschiebung der Hubgabeln das jeweilige Gebinde zunächst seitlich und anschließend an seiner unteren Seite berühren würden.
2.1.19 Der Fachmann würde daher die aus D7 bekannten Walzen nicht entgegen der o. g. Prinzipien der D7 und D1 an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 anbringen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
2.1.20 B1 offenbart eine Aufnahmevorrichtung für ein Stückgut mit einem Schubkeil 2, einem Gleitband 3 und Kantenumlenkrollen 12. Die Aufnahmevorrichtung wird unter ein aufzunehmendes Stückgut geschoben, wobei das Stückgut durch die Bewegung des Gleitbandes in eine und die Bewegung des Schubkeils in die andere Richtung auf die Aufnahmevorrichtung gelangt, siehe Figuren 1 und 2.
2.1.21 Ein Hinweis für eine Anordnung von zwei aus B1 bekannten Aufnahmevorrichtungen einschließlich der darin enthaltenen Gleitbänder und Kantenumlenkrollen an gegenüberliegenden Seiten des abzutransportierenden Stückguts ist in B1 nicht zu finden. Auch wäre, ähnlich wie bei der D2, D3 und D7, die in D1 vorgesehene berührungslose Einführung der Hubgabel 11 bis hinter den Schwerpunkt der Gebinde, siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 51 der D1, bei einer Walzenanordnung an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 nicht mehr möglich, da die eingebauten Walzen bei einer horizontalen Verschiebung der Hubgabeln das jeweilige Gebinde zunächst seitlich und anschließend an seiner unteren Seite berühren würden.
2.1.22 Der Fachmann würde daher wegen Fehlens jeglichen Hinweises hinsichtlich einer beidseitigen Anbringung an das abzutransportierende Stückgut einer aus B1 bekannten Aufnahmevorrichtung und entgegen dem o. g. Prinzip der berührungslosen Einführung der Hubgabeln 11 der D1 die aus B1 bekannte Aufnahmevorrichtung nicht an den inneren, gegenüberliegenden Längskanten der aus D1 bekannten Hubgabeln 11 anbringen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
2.1.23 Daraus folgt, dass der Fachmann durch eine Kombination der Lehre der D1 mit einer der Lehren der D2, D3, D7 oder B1 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 3 gelangen würde, ohne erfinderisch tätig zu werden.
2.1.24 Eine Diskussion bezüglich des weiteren Unterscheidungsmerkmals t) im Hinblick auf das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit ist somit hinfällig.
2.1.25 Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, wonach der Fachmann die aus den Vorrichtungen gemäß D2, D3, D7 oder B1 bekannten Walzen ohne große technische Schwierigkeit in die aus D1 bekannten Hubgabeln integrieren würde und somit ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand des Anspruchs 3 gelangen würde, erachtet die Kammer, in Ermangelung handfester Beweise, als eine nicht substantiierte Behauptung, welche bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht zu lassen ist.
2.1.26 Aus den o. g. Gründen beruht der Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
2.2 Verfahrensanspruch 1
2.2.1 Da Anspruch 1 ein Verfahren betrifft, welches mittels einer Vorrichtung nach Anspruch 3 durchgeführt wird, ist die unter Punkt 2.1 oben aufgeführte Argumentation bzw. Schlussfolgerung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 3 mutatis mutandis auf den Gegenstand des Anspruchs 1 anwendbar.
2.2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.