T 2656/11 () of 4.11.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T265611.20131104
Datum der Entscheidung: 04 November 2013
Aktenzeichen: T 2656/11
Anmeldenummer: 03024937.9
IPC-Klasse: F16L 9/12
B32B 1/08
B32B 27/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Text der Entscheidung in DE (PDF, 274 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrschichtige Kunststoffleitung mit PVC-Schicht
Name des Anmelders: Fränkische Rohrwerke Gebr. Kirchner GmbH + Co KG
Name des Einsprechenden: Hegler Plastik GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 1. November 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 536 171 zurückgewiesen worden ist.

II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und mit fehlender erfinderischer Tätigkeit (Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ) begründet worden.

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 536 171 zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"Verwendung einer Kunststoffleitung mit einem freien Leitungsquerschnitt zur Aufnahme von Einzügen, wobei die Kunststoffleitung mehrere Schichten (12, 14, 16) aufweist, mit einer ersten Schicht (12) aus Polyvinylchlorid (PVC) und einer zweite [sic] Schicht (16) mit einem Polymer, wobei zwischen der ersten Schicht (12) und der zweiten Schicht (16) eine Haftvermittlerschicht (14) angeordnet ist, und wobei die erste Schicht (12) aus Hart-PVC (PVC-U) ist."

V. Im Beschwerdeverfahren ist insbesondere auf folgende Dokumente Bezug genommen worden:

D1: Prospekt "Elektrorohre", gedruckt im November 2002;

D3: Auszug aus "Saechtling Kunststofftaschenbuch", Carl Hanser Verlag, 27. Ausgabe, 1998;

D4: "Coextrudierte Sperrschichtrohre für Kraftstoffleitungen", Kunststoffe 78 (1988) 5, Seite 407;

D6: Auszug aus "Plastics Engineering Handbook of the Society of the Plastics Industry, Inc.", Van Nostrand Reinhold Company, 4. Ausgabe, 1976, Seiten 197 bis 199.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Aus dem Dokument D1, Seiten 4 bis 7, sei eine Vielzahl von flexiblen Elektroinstallationsrohren bekannt, unter anderem das doppelwandige, aus PVC gebildete Rohr "HEGLERFLEX-ESPM". Dabei sei zwischen den beiden PVC-Schichten kein Haftvermittler verwendet worden, weil dies nicht notwendig gewesen sei. Wenn dagegen die Werkstoffe nur schlecht oder gar nicht aneinander hafteten, sei es für den Fachmann etwas Selbstverständliches, einen Haftvermittler zu verwenden. Dies gehöre zum Basis-Fachwissen und sei auch aus Dokument D3, Seite 700, letzter Absatz entnehmbar. Das Dokument D4 belege gleichermaßen, dass es bekannt sei, Rohre aus zwei, mittels eines geeigneten Haftvermittlers verbundenen Schichten herzustellen.

Ausgehend von Dokument D1 beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 also nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen wie folgt argumentiert:

Der Fachmann könne dem Dokument D1 keine Hinweise auf Rohre mit Schichten aus unterschiedlichen Materialien entnehmen. Das Dokument D4 betreffe im Wesentlichen aus Polyamid bestehende Sperrschichtrohre für Kraftstoffleitungen und gebe dem Fachmann keinerlei Anregung hinsichtlich der schwer zu erzielenden, dauerhaften Verbindung zwischen PVC und einem anderen Material, da es auf eine andere Anwendung und Materialauswahl abstelle. Letzteres gelte auch für das in Dokument D3 Offenbarte.

VIII. In ihrem Bescheid vom 17. Juli 2013 hat die Kammer hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten allgemeinen Fachwissens auf den Handbuchauszug D6 hingewiesen. Sie hat den Parteien zudem ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt, wonach der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von Dokument D1 unter Berücksichtigung des im Dokument D6 belegten allgemeinen Fachwissens nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdegegnerin hat dazu nicht Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit

1.1 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass das Dokument D1 zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ 1973 gehört und mit dem Elektroinstallationsrohr HEGLERFLEX-ESPM die Verwendung einer Kunststoffleitung mit einem freien Leitungsquerschnitt zur Aufnahme von Einzügen zeigt, wobei die Kunststoffleitung zwei Schichten aus Hart-PVC aufweist. Der Kammer teilt diese Auffassung, insbesondere das Verständnis der im Dokument D1 verwendeten Materialbezeichnung "PVC-U/P" als "PVC-U oder PVC-P".

1.2 Somit unterscheidet sich die Kunststoffleitung nach dem Gegenstand von Anspruch 1 von der aus Dokument D1 bekannten Kunststoffleitung dadurch, dass zwischen der ersten und der zweiten Schicht eine Haftvermittlerschicht angeordnet ist.

Die objektive technische Aufgabe besteht darin, die Haftung zwischen den Polymerschichten sicherzustellen.

Der zur Lösung dieser Aufgabe berufene Fachmann ist ein auf dem Gebiet der Kunststoffextrusion tätiger Ingenieur. Dieser erkennt, dass zwischen den beiden PVC-Schichten des Rohres nach Dokument D1 kein Haftvermittler eingesetzt wurde, weil dies aufgrund der Gleichartigkeit der dort verwendeten Schichtmaterialien nicht notwendig war. Wenn die Werkstoffe dagegen nur schlecht oder gar nicht aneinander haften, wird er zwischen den beiden Schichten eine per se fachübliche Haftvermittlerschicht vorsehen.

Dass diese Überlegungen tatsächlich schon vor dem Prioritätstag zum einschlägigen allgemeinen Fachwissen gehört haben, geht aus dem Handbuchauszug D6 hervor. Dort heißt es in dem das streitpatentgemäße Coextrusionsverfahren betreffenden Abschnitt auf Seite 198, linke Spalte, ab Zeile 3:

"In other words, an integral construction of two or more different plastics films or sheets can be produced in a single die. Thus far, the technique has been used for film, sheet, tubing, and extrusion coating, although profiles, wire coating and even parisons for blow molding show potential. [...]. By using melt temperatures to bond the various polmers together (or, in some instances, by using the center layer of the coextrusion as an adhesive for joining the outer layers), coextrusion has become an economical competitor to conventional laminating techniques [...]." (Hervorhebung durch die Kammer)

1.3 Unter Anwendung des derart dokumentierten allgemeinen Fachwissens wird der Fachmann ausgehend von der vorbekannten Verwendung des Elektroinstallationsrohres HEGLERFLEX-ESPM nach Dokument D1 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

Dieser beruht folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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