European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T256211.20161107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2562/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06722642.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21D 24/10 G05B 19/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR STEUERUNG UND REGELUNG VON SERVO-ELEKTRISCHEN ZIEHKISSEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Schuler Pressen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - mangelnde Patentierbarkeit (nein) Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein) Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein) Spät eingereichte Tatsachen - eingereicht mit der Beschwerdebegründung Spät eingereichte Tatsachen - Einwand hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der festgestellt wurde, dass das im Einspruchsverfahren geänderte Europäische Patent 1 861 214 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Das Patent in seiner erteilten Fassung enthält Verfahrensansprüche 1 bis 7 und Produktansprüche 8 bis 12. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Steuerung und Regelung von servo-elektrischen Ziehkissen an Umformpressen mit einer NC-Steuereinrichtung (59), die die Positionen, Geschwindigkeiten und Kräfte der als Aktoren ausgebildeten Servomotore (5) oder Hydraulikzylinder (3a) so regelt, dass während der Stößelbewegung bis zum Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) die Kissenposition (13) durch eine Lageregelung beeinflusst wird, die ihren Sollwert aus einer entsprechend der aktuellen Leitwellenposition ausgelesenen Positions-Kurvenscheibe (12) erhält, dass im Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) durch Auswertung einer maximalen Regelabweichung auf Kraftregelung umgeschaltet wird, dass ab Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) bis zum unteren Umkehrpunkt eine Kraftregelung mit aus der Leitwellenposition ausgelesenen Kraftsollwert erfolgt,
dadurch gekennzeichnet,
dass während der Stößelbewegung bis zum Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) die Kissenposition (13) zusätzlich zur Lageregelung durch eine Geschwindigkeitsregelung beeinflusst wird, die ihren Istwert durch Differenzierung aus dem Lageistwert vom Encoder (6) erhält,
dass im Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) die Umschaltung zwischen Lage- und Kraft- oder Drehmomentenregelung entweder durch Auswertung der maximalen Regelabweichung des Lage- (43) oder Geschwindigkeitsreglers (44) erfolgt
oder
durch eine permanent wirksame dynamische Kraftbegrenzung (54) in Verbindung mit dem Verlauf der Positions-Kurvenscheibe (12) erfolgt, wobei sich der Verlauf im Bereich vom Aufsetzen des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) bis zum Ende der gemeinsamen Bewegung mit dem Stößel oberhalb der vom Stößel erzwungenen Kissenposition (13) befindet,
dass ab Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) bis zum Ende der gemeinsamen Bewegung mit dem Stößel, betriebsartenabhängig auch über den unteren Umkehrpunkt hinaus eine Kraft- oder Drehmomentenregelung erfolgt, die ihren Sollwert aus einem entsprechend der aktuellen Kissen- (13), Stößel- (11) oder Leitwellenposition ausgelesenen Kraftsollwertprofil erhält, und
dass je nach vorgewählter Betriebsart des Ziehkissens (8, 9) entweder im unteren Umkehrpunkt (18) oder zu Beginn der Endlagendämpfung (19) des Kissenhochlaufes ein Umschalten auf Lageregelung mit Positions-Kurvenscheibe (12) erfolgt und der Bewegungsablauf zyklisch fortgesetzt wird."
Auf die Wiedergabe des Wortlauts des unabhängigen Produktanspruchs 8 kann hier verzichtet werden, da die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit ihrem einzigen Antrag am Ende des Beschwerdeverfahrens auf die Produktansprüche verzichtet (siehe unten).
III. Der Einspruch gegen das Patent ist auf die Gründe nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ sowie auf die Gründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ gestützt. Als Beweismittel nannte die Einsprechende in der Einspruchsfrist unter anderem
E5: JP-A-2004276028,
E18: US-A-2005/0274243.
Das Dokument E18 wurde im gesamten Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geht hervor, dass die Parteien am Ende die Frage des Vorsitzenden, ob sie noch weitere Anträge einreichen oder weitere Argumente vorbringen wollen, verneinten.
IV. Mit der Beschwerdebegründung verfolgt die Beschwerdeführerin unter anderem die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 1 weiter und erhebt neben dem in der Zwischenentscheidung abgehandelten Neuheitseinwand beruhend auf E5 erstmals einen solchen Einwand ausgehend von E18.
V. In ihrer Beschwerdeerwiderung widerspricht die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) den Einwänden und Argumenten der Beschwerdeführerin und nimmt insbesondere in der Sache Stellung zu dem auf E18 beruhenden Neuheitseinwand.
VI. In einer Mitteilung in Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu der Sache mit.
VII. Daraufhin reichte die Beschwerdegegnerin einen geänderten Hauptantrag und zwei Hilfsanträge ein. Sie widersprach zudem der Zulassung in das Verfahren des neu vorgebrachten Neuheitseinwands.
VIII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer trug die Beschwerdeführerin unter anderem auch einen neuen Einwand hinsichtlich des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 b) EPÜ gegenüber Anspruch 1 vor. Dieser wurde von der Kammer nicht in das Verfahren zugelassen. Die Beschwerdegegnerin reichte geänderte Ansprüche ein, wobei sie am Ende, wie erwähnt, auf die Produktansprüche verzichtete.
IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
X. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung mit den Ansprüchen Nr. 1 bis 7 der Patentschrift aufrecht zu erhalten.
XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.
zu Artikel 100 c) EPÜ
a) Der hinzugefügte Ausdruck "[Kraft]-regelung" im letzten Merkmal im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 stelle eine unzulässige Änderung dar. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen werde nicht offenbart, dass die Kraftregelung erst ab Auftreffen des Stößels auf das Ziehkissen beginne. Aus der Beschreibung und den Figuren 5 bis 7 gehe hervor, dass die Kraftregelung immer aktiv sei, und nicht erst ab dem Auftreffpunkt; nur das technische Element, welches den Kraftsollwert bereitstelle, ändere sich. Der Begriff "Kraft", wie er im ursprünglichen Anspruch 1 im entsprechenden Merkmal verwendet wird, hätte also auch als "Kraftverlauf" ausgelegt werden können (und nicht zwangsläufig als "Kraftregelung"). Darüber hinaus seien für den Fall dynamischer Kraftbegrenzung gemäß Figur 7 die Kraft- und Lageregelung ständig aktiv, so dass Figur 7 überhaupt kein Umschalten entnommen werden könne. In Figur 7 werde keine Kraftregelung mit einem "aus der Leitwellenposition ausgelesenen Kraftsollwert" durchgeführt.
zu Artikel 100 b) EPÜ
b) Dem Fachmann sei völlig unklar, was unter einer "dynamischen Kraftbegrenzung" verstanden werde. Die Einspruchsabteilung hätte hinsichtlich des vorausgesetzten allgemeinen Fachwissens nur unbelegte Behauptungen aufgestellt. Das Verständnis der Einspruchsabteilung finde sich zumindest nicht im einschlägigen Fachwissen, wie z.B. in
E20: Seiten 136 und 530/531 aus Otto Föllinger, Regelungstechnik - Einführung in die Methoden und ihre Anwendung, 8. Auflage, 1994.
Figur 7 zeige zwar eine dynamische Kraftbegrenzung. Diese passe aber nicht zum Anspruch 1.
c) Darüber hinaus sei unklar, wie ein Umschalten im Auftreffpunkt zwischen einer Lage- und Kraftregelung auf Grundlage einer maximalen Regelabweichung entweder des Lagereglers oder des Geschwindigkeitsreglers erfolgen könne. Eine maximale Regelabweichung sei maximal und dann unveränderbar. Die in der Beschreibung der Patentschrift, Seite 11, Zeilen 20 bis 22 erwähnte definierte Regelabweichung liefere zwar eine mögliche Umschaltbedingung, in dem sie mit der maximalen Regelabweichung verglichen werden könne. Da sich letztere aber nicht ändere, fehle immer noch ein Umschaltkriterium. Die Annahme einer zeitlich veränderbaren Regelabweichung, wie sie z.B. aus Figur 5 hervorzugehen scheine, stünde im Widerspruch zur Beschreibung, Seite 15, Zeile 27-30. Es sei überhaupt fraglich, ob aus einer Regelabweichung ein Kriterium zum Umschalten zwischen Lage- und Kraftregelung gewonnen werden könne. Ziel eines Reglers sei nämlich eine Regelabweichung auf Null zu halten, so dass eine möglicherweise verwertbare größere Regelabweichung vor einer Umschaltung eher zur Zerstörung der Presse führen würde.
d) Das zweite Merkmal im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 sei für den Fachmann außerdem unklar, da das Verfahren von ihm mit bekannten Komponenten ausgeführt werden müsse. Regler, die umschalten, gehörten nicht zu seinem Fachwissen. Der Fachmann müsste also selbst erfinderisch werden, um bekannte Regler entsprechend weiter zu bilden. Eine entsprechende Anleitung hierzu enthalte das Patent nämlich nicht.
zu Artikel 100 a) - 54 EPÜ
e) E5 offenbare neben allen anderen Merkmalen von Anspruch 1 auch eine Geschwindigkeitsregelung. Diese ergebe sich implizit aus der Notwendigkeit, dass bei schnell reagierenden elektromotorisch angetriebenen Tiefziehpressen zwingend für jede NC-Steuerung eine solche vorhanden sein müsse, um dabei auftretende Schwingungen des Ziehkissens beim Auftreffen des Stößels und daraus resultierende Beschädigungen am Werkstück zu vermeiden.
f) Die Priorität des Streitpatents sei nicht gültig. E18 sei im Prioritätsintervall veröffentlicht und folglich als Stand der Technik zu berücksichtigen. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber E18.
g) Der Neuheitseinwand auf Grundlage von E18 sei in das Verfahren zuzulassen, da das Dokument in der Einspruchsfrist eingereicht wurde und (andere) Einwände zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 ebenfalls in dieser Frist erhoben wurden.
XII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
zu Artikel 100 c) EPÜ
a) Das Merkmal "Kraftregelung" sei im ursprünglichen eingereichten Anspruch 1 eindeutig offenbart, siehe z.B. Seite 22, Zeilen 9 ff der WO-Schrift.
zu Artikel 100 b) EPÜ
b) Der Begründung der Einspruchsabteilung könne gefolgt werden. Das Ausführungsbeispiel der Figur 7 gebe dem Fachmann einen Hinweis, wie eine dynamische Kraftbegrenzung gemäß Anspruch 1 realisiert werden könne. Die Offenbarung der E20 sei unerheblich, da es auf den Inhalt des Patents ankomme.
zu Artikel 100 a) - 54 EPÜ
c) E5 offenbare keine Geschwindigkeitsregelung gemäß dem ersten Merkmal im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1.
d) E18 sei bereits in der Einspruchsschrift genannt, wurde aber nicht für einen Einwand verwendet. Der Neuheitseinwand hätte also bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgetragen werden können und sollte deshalb im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen werden. Darüber hinaus sei die Priorität des Patents gültig und der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber E18. Die dort offenbarte Geschwindigkeitsregelung beruhe nicht auf einer Differenzierung gemäß dem ersten Merkmal im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1.
Entscheidungsgründe
Artikel 100 c) EPÜ
1. Verglichen mit dem Wortlaut des ursprünglichen eingereichten Anspruchs 1 wurde im letzten Merkmal im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1, "dass ab Auftreffpunkt (17) des Stößels auf das Ziehkissen (8, 9) bis zum unteren Umkehrpunkt eine Kraftregelung mit aus der Leitwellenposition ausgelesenen Kraftsollwert erfolgt", der Ausdruck "regelung" an das Wort "Kraft" angehängt.
2. Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass diese Änderung keine Grundlage in den ursprünglich eingereichten Unterlagen hat.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren beruht dabei im wesentlichen auf Inkonsistenzen zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und der Beschreibung der Ausführungsbeispiele (siehe Punkt XI a) oben).
3. In ihrer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche Anspruch 1 selbst eindeutig und zweifelsfrei das geänderte Merkmal zu offenbaren schien und wies hierzu, ähnlich wie bereits die Einspruchsabteilung, insbesondere auf Seite 21, Zeile 14 und 15 sowie auf Seite 22, Zeilen 6 bis 10 der dem Patent zugrundeliegenden veröffentlichten internationalen Anmeldung, WO-A-2006/099845, hin.
4. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, zu der vorläufigen Meinung der Kammer nichts weiter vortragen zu wollen. Die Kammer hat also keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen und bestätigt diese hiermit.
5. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents somit nicht entgegen.
Artikel 100 b) EPÜ
6. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Patent die Erfindung in Anspruch 1 nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
7. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung die vorläufige Meinung vertreten, dass die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumente, siehe oben Punkte XI b), c), aus folgenden Gründen nicht überzeugten.
7.1 Hinsichtlich des Merkmals "dynamische Kraftbegrenzung" in Anspruch 1 und 8 kann die Kammer nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung eine Behauptung über das Fachwissen aufgestellt hätte, welches sie hätte belegen müssen. Sie hat dagegen dargelegt, was ihrer Meinung nach der Fachmann Seite 17, Zeilen 8-13 der dem Patent zugrunde liegenden internationalen Veröffentlichung entnehmen würde. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt und die Kammer kann auch nicht erkennen, dass der Fachmann der zitierten Stelle etwas anderes entnehmen würde. Die Beschwerdeführerin scheint dagegen sogar zu bestätigen, dass das in der zitierten Passage beschriebene Ausführungsbeispiel entsprechend Figur 7 eine dynamische Kraftbegrenzung zeigt. Zudem enthält E20 keinen Hinweis, was unter einer "dynamischen Kraftbegrenzung" verstanden wird, so dass es die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht stützen kann. Auch wenn einige Begriffe im Anspruch 1 nicht entsprechend ihrem allgemeinen Wortsinn verwendet zu sein scheinen, wenn die Beschreibung der Ausführungsbeispiele in Betracht gezogen wird, betreffen die daraus resultierenden Einwände eher Klarheit und Stützung durch die Beschreibung, also die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, begründen aber keine ernsthaften Zweifel an der Ausführbarkeit der in Anspruch 1 angegebenen Erfindung im Sinne des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 b) EPÜ.
7.2 Auch der oben unter Punkt XI c) zusammengefasste Einwand, entsprechend Punkt 3 der Beschwerdegründe, überzeugt die Kammer nicht, da er im wesentlichen nur bestehende Unklarheiten von Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 im Lichte der Beschreibung der Ausführungsbeispiele aufzeigt, ohne allerdings darzulegen, warum der Fachmann die Erfindung in den Ansprüchen nicht ausführen kann.
7.3 In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, diesbezüglich keine weiteren Argumente vortragen zu wollen. Die Kammer hat also keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen und bestätigt diese hiermit.
8. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat die Beschwerdeführerin erstmals den oben unter Punkt XI d) zusammengefassten Einwand vorgebracht.
8.1 Nach Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens, hier der Beschwerdeführerin, nach Einreichung der Beschwerdebegründung in das Verfahren zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Zumindest im Hinblick auf die geforderte Verfahrensökonomie sollte das neue Vorbringen prima facie so relevant sein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit, bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt, der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
8.2 Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht begründet hat, warum der neue Einwand zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen werden konnte, ist prima facie nicht erkennbar, dass der neue Einwand der Aufrechterhaltung des Patents mit Anspruch 1 wie erteilt entgegenstehen könnte. Anspruch 1 definiert nämlich an keiner Stelle, dass ein "Regler" umgeschaltet wird, sondern dass zwischen Lage- und Kraft- oder Drehmomentregelung umgeschaltet wird. Die Frage, einen konventionellen "Regler"-Baustein entsprechend zu modifizieren, stellt sich nach Auffassung der Kammer zumindest prima facie nicht.
8.3 Folglich hat die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, das geänderte Vorbringen zum Einspruchsgrund 100 b) EPÜ nicht in das Verfahren zuzulassen.
8.4 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ steht also der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ - E5
9. Die Beschwerdeführerin sieht den Gegenstand von Anspruch 1 durch E5 vorweggenommen.
10. Die Kammer findet dagegen, wie auch die Beschwerdegegnerin und die Einspruchsabteilung argumentiert haben, dass E5 keine Geschwindigkeitsregelung entsprechend dem ersten Merkmal im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 offenbart.
11. Ob NC-Steuerungen schnell reagierender Tiefziehpressen immer zusätzlich zur Lageregelung des Ziehkissens eine anspruchsgemäße Geschwindigkeitsregelung aufweisen müssen - was eine unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin ist - kann dahin gestellt bleiben. Die Beschwerdeführerin hat nämlich auch nicht nachgewiesen, worauf die Kammer bereits in ihrer vorläufigen Stellungnahmen hingewiesen hat, dass E5 eine schnell reagierende Tiefziehpresse offenbare. Folglich kann die Kammer nicht erkennen, dass eine Geschwindigkeitsregelung implizit für den Fachmann in E5 offenbart ist.
12. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist folglich neu im Sinne von Artikel 54 (1) und (2) EPÜ gegenüber E5.
Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ - E18
13. Erstmals mit der Beschwerde wurde ein Neuheitseinwand auf Grundlage des bereits in der Einspruchsfrist eingereichten Dokuments E18 erhoben.
14. Artikel 114 (2) EPÜ regelt, dass das Europäische Patentamt, hier die Beschwerdekammer, Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigt braucht.
Artikel 12 (4) VOBK gibt darüber hinaus weiter für das Beschwerdeverfahren der Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind.
Bei der Ermessensausübung berücksichtigen die Kammern neben den besonderen Umständen, die dem verspäteten Vortrag zugrunde liegen, insbesondere auch seine Relevanz. In der Regel werden verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel ausnahmsweise dann berücksichtigt, wenn sie prima facie hoch relevant in dem Sinne erscheinen, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ausgang des Verfahrens beeinflussen werden, also z.B. die Aufrechterhaltung eines Patents klar infrage stellen.
15. Es stellt sich also die Frage, ob der auf E18 beruhende Neuheitseinwand im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden sollte.
16. Auch wenn der Beschwerdeführerin dahingehend zugestimmt werden kann, dass das Beweismittel E18 rechtzeitig eingereicht wurde und in der Einspruchsfrist ebenfalls (andere) Neuheitseinwände gegen Anspruch 1 auf Grundlage anderer Entgegenhaltungen erhoben wurden, führt der erstmals im Beschwerdeverfahren auf der Grundlage der E18 erhobene Einwand neue zu überprüfende Sachverhalte in das Verfahren ein. Unter anderem muss nämlich der Inhalt der bisher vollkommen unberücksichtigt gebliebenen E18 ermittelt werden. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass zwar das Beweismittel, nämlich die Entgegenhaltung E18, rechtzeitig im Einspruchsverfahren genannt wurde, jedoch ein substantiiertes Vorbringen bzw. ein substantiiert vorgetragener Neuheitseinwand auf der Grundlage der E18 im erstinstanzlichen Verfahren fehlte. Somit handelt es sich bei dem mit der Beschwerde vorgetragenen Neuheitseinwand um ein neues Vorbringen, das auf einem im erstinstanzlichen Verfahren unsubstantiiert eingeführten Beweismittel beruht. Die Beschwerdekammer hat das Ermessen, einen solchen Vortrag unter den vorgenannten Bestimmungen nicht ins Verfahren zuzulassen.
17. Es ist für die Kammer kein Grund erkennbar und die Beschwerdeführerin hat auch keinen angeben können, warum dieser Einwand nicht schon früher hätte vorgebracht werden können. E18 war der Beschwerdeführerin von Anfang an bekannt. Der erteilte Anspruch 1 wurde im gesamten Verfahren nicht geändert. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärt, keine weiteren Einwände gegen die geänderte Fassung des Patents zu haben. Es sind keine besonderen Umstände im Verfahren erkennbar, die die Beschwerdeführerin darin gehindert haben könnten, den Einwand früher vorzubringen. Ganz im Gegenteil hat die Beschwerdeführerin ihre Möglichkeiten offensichtlich nicht ausgenutzt.
Die Möglichkeit, dass das Patent aus anderen Gründen unter Umständen keinen Bestand haben könnte, ist jedenfalls kein hinnehmbarer Grund für die Verspätung.
18. Der neue Einwand erfordert zudem erstmals auch eine Überprüfung der Gültigkeit der beanspruchten Priorität des Streitpatents. E18 ist nämlich eine im Prioritätsintervall veröffentlichte US-Patentanmeldung.
19. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Priorität zu recht beansprucht wird, da zumindest prima facie der Gegenstand von Anspruch 1 nicht in E18 offenbart zu sein scheint. E18 offenbart entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin in Figur 4 keine Beeinflussung der Lageregelung durch eine Geschwindigkeitsregelung im Sinne des ersten Merkmals im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1. Die dort gezeigte Vorrichtung weist einen Motor (M, 16) für den Antrieb des Ziehkissens (11) mittels eines nur gestrichelt angedeuteten Getriebes auf. Der Motor ist mit einem Geschwindigkeitsencoder (19) versehen, der einen Geschwindigkeitsistwert Srf an einen Geschwindigkeitskomparator (35) liefert. Am Ziehkissen ist ein Positionsencoder (18) angeordnet, der einen Positionsistwert (Shf) des Kissens zu einem Positionskomparator (43) liefert. Der Beschwerdeführerin kann zwar dahingehend zugestimmt werden, dass auch ein am Motor angebrachter Geschwindigkeitsencoder einen Istwert der Geschwindigkeit aufgrund einer vorausgegangen Differenzierung von Positionswerten liefert, z.B. aus zu verschiedenen Zeitpunkten ermittelten Rotationswinkeln der Motorwelle. Dennoch ist in E18 nicht offenbart, dass diese Positionen der Motorwelle einem Lageistwert für die Lageregelung entspricht. Auch wenn eine bestimmte Stellung der Welle des Motors mit einer bestimmten Ziehkissenposition korreliert sein kann, wie von der Beschwerdeführerin weiter vorgetragen wurde, ist in E18 diesbezüglich nichts offenbart. Das Getriebe ist, wie bereits erwähnt, nur angedeutet und ein Zusammenhang zwischen der momentanen Orientierung der Motorwelle und der Lage oder Position des Kissens daraus nicht ableitbar.
20. Die Kammer hat ihr Ermessen folglich dahingehend ausgeübt, den Einwand mangelnder Neuheit beruhend auf E18 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK).
21. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.
Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ
22. In ihrer Beschwerdebegründung hat sich die Beschwerdeführerin mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit nicht substantiell auseinandergesetzt, sondern lediglich auf ihren schriftlichen Vortrag im Einspruchsverfahren hingewiesen, der bereits der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag.
23. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung darauf hingewiesen, dass den Beschwerdegründen nicht zu entnehmen sei, warum die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung, ausgehend von E5 als nächstliegendem Stand der Technik, fehlerhaft sein könnte. Sie wies auch darauf hin, dass ein einfacher Verweis auf die Argumentation im früheren Verfahren kein vollständiger Sachvortrag sei, wie er in Artikel 12 (2) VOBK vorausgesetzt werde, und als Begründung nicht ausreiche. Die Kammer sah daher keinen Grund, von der Beurteilung durch die Einspruchsabteilung abzuweichen.
24. Ein Sachvortrag zur erfinderischen Tätigkeit ist auch in der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Die Kammer hat also deshalb keinen Grund, von ihrer vorläufigen Beurteilung abzuweichen und bestätigt diese damit.
25. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
26. Damit das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 7 aufrechterhalten werden kann, müssen die Beschreibung und gegebenenfalls die Figuren noch angepasst werden. E5 sollte dabei ebenfalls in der Beschreibung gewürdigt werden. Die Kammer weist die Sache zu diesem Zweck an die Einspruchsabteilung zurück (Artikel 111 (1) EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrecht zu erhalten:
Ansprüche: Nr. 1 bis 7 der Patentschrift.