European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T250711.20160425 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 April 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2507/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06123593.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61G 13/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Patientenlagerfläche für einen Operationstisch | ||||||||
Name des Anmelders: | MAQUET GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TRUMPF Medizin Systeme GmbH + Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 4. Oktober 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
Die Beschwerdeschrift wurde mit Schreiben vom 30. November 2011 eingereicht und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde mit Schreiben vom 3. Februar 2012 eingereicht.
II. Am 25. April 2016 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 785 123.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit Schreiben vom 24. März 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte ferner die Dokumenten V1 und V9 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte außerdem, eine neue Argumentationslinie bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der Vorbenutzung (V1 bis V9) in Kombination mit D2 in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) zog die Dokumente F1 bis F8 zurück.
III. Folgende Dokumente wurden im Beschwerdeverfahren zitiert:
D1: DE-A-19748367
D2: DE-A-19751329
V1: Gebrauchsanweisung Jupiter 4900350-12/99
V2: Gebrauchsanweisung Zubehör, elektrisch 4900440-04/01 Sitzplattenverlängerung
V3: Auftragsbestätigung für OP-Tischsysteme, Komm.-Nr. 208394 vom 9. Juli 2001,
V4: Lieferschein für OP-Tischsysteme, Komm.-Nr.208394, vom 31. August 2001,
V5: Übergabeprotokoll für OP-Tischsysteme, Komm.-Nr./Auftrags-Nr. 208394, vom 10. September 2001,
V6: Rechnung für OP-Tischsysteme, Komm.-Nr. 208394, vom 31. August 2001,
V7: Zeichnung: Plattensegment angetr. Jupiter, vom 11. März 1998,
V8: Zeichnung: Antriebseinheit, vom 08. Januar 1998.
V9: Gebrauchsanweisung Zubehör, elektrisch 4900440-04/01 Sitzplattenverlängerung
IV. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin (Einsprechende) können wie folgt zusammengefasst werden:
Neuheit gegenüber D2
D2 offenbare einen Operationstisch mit allen Merkmalen des Anspruchs 1. Insbesondere sei auf der Figur zu sehen, dass an der linken Seite des Zusatzmoduls 34 eine weitere Ankopplungsmöglichkeit vorgesehen sei (Merkmal 1.7). Bezüglich Merkmal 1.8 sei anzumerken, dass der genaue Wortlaut keine starre Verbindung zwischen den Plattensegmenten, sondern lediglich eine starre Ausführung der formschlüssigen Verbindung verlange. Obwohl in der Figur eine Kabelverbindung zu sehen sei, ergebe sich Merkmal 1.9 aus Spalte 2, Zeilen 45 bis 54. Der Wortlaut des Merkmals 1.11 verlange lediglich, dass das zweite Koppelelement um eine horizontale Achse verstellbar sei, was durch die Verstellbarkeit des gesamten Zusatzmoduls 34 gegenüber dem Rückenteil 20 aus D2 auch bekannt sei. Daher sei der Gegenstand gemäß Anspruch 1 nicht neu.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen
Schon in dem einleitenden Teil von D2 werde mehrmals darauf hingewiesen, dass es üblich sei Operationstischplatten einzusetzen, die eine Vielzahl gegeneinander verstellbarer Tischplattenabschnitte umfassten. Es bedürfe daher keiner erfinderischen Tätigkeit, das Zusatzmodul 34 mit einem weiteren motorisch verstellbaren Koppelelement zu versehen, um beispielsweise die Tischplatte weiter an den Patienten anzupassen. Ausgehend von D2 würde daher der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination mit D2
D1 offenbare einen modularen Operationstisch, bei dem mehrere Plattensegmente wahlweise auf der einen oder der anderen Seite des Operationstisches angebracht werden könnten. Ausgehend von der Kombination Basistisch 10 - Zwischenteil 5 - Beinplatte 1 werde der Fachmann unter Berücksichtigung der Lehre aus D2 (Merkmal 1.9) in naheliegender Weise zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen. Die Verschwenkbarkeit der Abschnitte gegeneinander werde in D1 auf Spalte 4, Zeilen 10 bis 16 offenbart.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit den Gebrauchsanweisungen eines Operationstisches Jupiter und dessen Zubehör (V1, V9)
Zulassung von V1 und V9 in das Verfahren
Diese Dokumente seien rechtzeitig als eine Reaktion auf die Entscheidung der ersten Instanz eingereicht worden. Insbesondere entspreche V9 dem im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Dokument V2, jedoch habe es ein früheres Veröffentlichungsdatum.
Erfinderische Tätigkeit
Die Sitzplattenverlängerung gemäß V9 besitze auf der einen Seite eine starre Verbindungsmöglichkeit und auf der anderen Seite motorisch verstellbare Koppelelemente. Ausgehend von der D2 würde der Fachmann ohne weiteres im Rahmen der Anpassung des Tisches an den Patienten eine solche Sitzplattenverlängerung an das Rückenteil 20 montieren und dabei ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen.
Zulassung der Argumentation ausgehend von V1 bis V9 in Kombination mit D2
Da die Beurteilung der einzelnen Merkmale durch die Kammer erst im Laufe der mündlichen Verhandlung bekannt geworden seien, konnte diese Argumentation nicht früher vorgetragen werden. Sie sei daher in das Verfahren zuzulassen.
V. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:
Neuheit gegenüber D2
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei gegenüber D2 neu. Merkmal 1.4 sei nicht vorweggenommen, da das Rückenteil 20 nicht zur Verbindung mit der Stützsäule ausgebildet sei. Ferner sei auch Merkmal 1.7 nicht offenbart, da der Zwischenabschnitt an der zweiten Schnittstelle nicht mit einem weiteren Lagerflächenabschnitt verbindbar sei. Des Weiteren sei Merkmal 1.8 nicht offenbart, da in dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 von D2 das Rückenteil 20 und das Zusatzmodul 34 nicht starr miteinander verbunden seien. Dieses Merkmal sei z.B. aus den Absätzen [0005] und [0013] der Beschreibung und in den Figuren zu erkennen und stelle ein wesentliches Merkmal der Erfindung dar. Da am Zusatzmodul 34 kein weiteres Koppelelement vorgesehen sei, könne ein solches auch nicht verstellbar sein, so dass auch Merkmal 1.11 nicht offenbart sei.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen
Die von der Beschwerdeführerin (Einsprechende) zitierten Passagen von D2 lehrten eigentlich von der Erfindung weg, da sie höchstens von manuell verstellbaren Abschnitten sprächen, und diese auch noch als ungünstig darstellten. Die erfindungsgemäße Gestaltung habe spezifische Vorteile, die in der Beschreibung des Patents vorgestellt würden. Insbesondere könnte durch die Erfindung die durchleuchtbare Fläche erhöht und die Stabilität der Verbindung an der ersten Schnittstelle verbessert werden, ohne an Flexibilität zu verlieren. Auf solche Vorteile weise D2 nicht hin. Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei daher erfinderisch.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination mit D2
Weder D1 noch D2 offenbarten eine verstellbare Anbringung eines Koppelelements an der zweiten Schnittstelle. Die Kombination der beiden Dokumente könne daher nicht zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 führen.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit den Gebrauchsanweisungen eines Operationstisches Jupiter und dessen Zubehör (V1 und V9)
Zulassung von V1 und V9 in das Verfahren
Diese Dokumente seien lange nach dem Ende der neunmonatigen Einspruchsfrist eingereicht worden. Ferner sei deren Veröffentlichungsdatum nicht belegt. Demzufolge seien sie nicht zu berücksichtigen.
Ausgehend von D2 bestehe kein Anlass eine Sitzplattenverlängerung an ein Rückenteil anzubringen, da der dort gezeigte Operationstisch so aufgebaut sei, dass die Beine des Patienten auf der anderen Seite der Tragsäule lägen. Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 sei daher erfinderisch.
Zulassung der Argumentation ausgehend von V1 bis V9 in Kombination mit D2
Eine neue Argumentation zu einem derart verspäteten Zeitpunkt während der mündlichen Verhandlung vorzutragen, sei nicht zulässig. Außerdem sei das Vorgehen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) nicht logisch, da nicht beide Ausgangspunkte - die Gebrauchsanweisungen und D2 - nächstliegender Stand der Technik sein könnten. Auch aus diesem Grund sei die neue Argumentation nicht zuzulassen.
VI. Anspruch 1 des Patents wie erteilt lautet wie folgt (Merkmalgliederung und -numerierung von der Kammer zugefügt):
"[1.1] Patientenlagerfläche für einen Operationstisch
[1.2] mit einer Stützsäule (10),
[1.3] umfassend eine Mehrzahl von Lagerflächenabschnitten (18, 32, 70, 72, 106),
[1.4] von denen ein Mittelabschnitt (18) zur Verbindung mit der Stützsäule (10) des Operationstisches ausgebildet ist
[1.5] und die über Schnittstellen (30, 68, 104) lösbar miteinander gekoppelt sind,
[1.6] wobei mindestens ein Lagerflächenabschnitt (70, 72) im Bereich einer Schnittstelle (68) relativ zu einem benachbarten Lagerflächenabschnitt (32) verstellbar ist,
[1.7] wobei der Mittelabschnitt (18) der Lagerfläche (16) an mindestens einem seiner Enden über eine erste Schnittstelle (30) mit dem einen Ende eines Zwischenabschnittes (32) verbindbar ist, der an seinem anderen Ende über eine zweite Schnittstelle (68) mit einem weiteren Lagerflächenabschnitt (70, 72) verbindbar ist,
[1.8] dadurch gekennzeichnet,
dass die erste Schnittstelle (30) zwei für eine starre Verbindung formschlüssig ineinander greifende erste Koppelelemente (34, 36) hat,
[1.9] die beim Ineinandergreifen in Kontakt miteinander tretende Übertragungselemente (60, 56) zum Übertragen von Signalen und/oder Energie haben,
[1.10] und dass die zweite Schnittstelle (68) zwei zum formschlüssigen Eingriff miteinander bestimmte zweite Koppelelemente (74, 90) umfasst,
[1.11] von denen das an dem Zwischenabschnitt (32) angeordnete zweite Koppelelement (74) durch einen an dem Zwischenabschnitt angeordneten Stellantrieb um eine zur Lagerflächenebene parallele und zur Lagerflächenlängsrichtung senkrechte Achse (88) verstellbar ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Erfindung betrifft die Patientenlagerfläche eines Operationstisches. Die Patientenlagerfläche soll mit möglichst geringem technischem Aufwand eine möglichst hohe Flexibilität und eine hohe Sicherheit bei der Handhabung gewährleisten. Laut Anspruch 1 soll die Lagerfläche mindestens aus einem Mittelabschnitt, einem Zwischenabschnitt und einem weiteren Abschnitt bestehen. Die Verbindungen zwischen den Abschnitten sind jeweils formschlüssig, wobei die erste Verbindung starr ausgebildet sein soll, und wobei Übertragungselemente zum Übertragen von Signalen und/oder Energie vorhanden sein sollen, und wobei die zweite Verbindung eine motorische Verstellbarkeit um eine horizontale Achse erlauben soll.
3. Neuheit gegenüber D2
Laut Beschwerdeführerin (Einsprechende) seien alle Merkmale des Anspruchs 1 aus D2 bekannt. Auf dem Gebiet der Operationstische sei dem Fachmann allgemein bekannt, dass für die Verbindung von Tischteilen ausschließlich formschlüssige Verbindungen benutzt werden. Reibschlussverbindungen seien in diesem Zusammenhang nicht zweckmäßig wegen der Gefahr der Verschiebung während der Operation. Operationstische seien im allgemeinen aus mehreren Teilen aufgebaut, die es erlaubten, den Tisch an den zu operierenden Patienten und an die Art der Operation anzupassen. Mit diesem Hintergrundwissen sei für den Fachmann klar, dass das Zusatzmodul 34 gemäß Figur 1 von D2 auf der einen Seite über eine Formschlussverbindung 36 mit dem Rückenteil 20, und auf der anderen Seite über ein schwenkbares Koppelelement mit einem weiteren Tischteil verbindbar sei, so dass das Merkmal 1.7 offenbart sei. Die Formulierung des Merkmals 1.8 sei so zu verstehen, dass nur eine starre Verbindung der Koppelelemente, und nicht eine starre Verbindung zwischen den verbundenen Tischabschnitten verlangt sei, so dass auch dieses Merkmal offenbart sei. Merkmal 1.9 sei in der Spalte 2, Zeilen 45 bis 54 offenbart. Da das zweite Koppelelement über einen Stellantrieb zusammen mit dem Zusatzmodul 34 verstellbar sei, sei Merkmal 1.11 auch offenbart. Daher sei der Gegenstand gemäß Anspruch 1 gegenüber D2 nicht neu.
Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Das zweite Ende des Zusatzmoduls 34 (zweite Schnittstelle) wird in D2 nicht beschrieben. Auch zeigt Figur 1 am zweiten Ende des Zusatzmoduls keine weiteren konkreten Elemente. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass D2 nicht offenbart, dass das Zusatzmodul 34 eine zweite Schnittstelle besitzt, über die das Zusatzmodul mit einem weiteren Lagerflächenabschnitt verbindbar ist (Merkmal 1.7). Demzufolge werden Merkmale 1.10 und 1.11 auch nicht offenbart, da sich diese Merkmale auf (in D2 nicht offenbarten) "zweite Koppelelemente" der zweiten Schnittstelle beziehen.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des erteilten Patents ist somit neu gegenüber D2.
Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit gemäß Artikel 100(a)EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
4. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen
Gehe man davon aus, dass der zweite Teil von Merkmal 1.7 und die Merkmale 1.10 und 1.11 von der Druckschrift D2 nicht offenbart werden, so würde der Fachmann, nach Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechende), im Rahmen üblicher Gestaltungsvariationen solcher Operationstische (z.B. zur Anpassung an die Patientengröße), eine verstellbare Ankopplungsmöglichkeit eines weiteren Tischabschnitts am zweiten Ende des Zusatzmoduls 34 vorsehen. Die Druckschrift D2 weise bereits auf solche Variationsmöglichkeiten hin, zum Beispiel in Spalte 1, Zeilen 25 bis 29 und Zeilen 50 bis 66. Der Fachmann würde daher, ausgehend von D2, im Rahmen seines üblichen Handelns ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Der in Figur 1 von D2 gezeigte Operationstisch umfasst im Wesentlichen einen Mittelabschnitt 18, der auf der einen Seite mit einem verschwenkbaren Fußteil 22 und auf der anderen Seite mit einem verschwenkbaren Rückenteil 20 verbunden ist. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rückenteils 20 kann ein Zusatzmodul 34 angekoppelt werden, wobei das Ankopplungselement 36 des Zusatzmoduls 34 mit einem Schwenkmechanismus 40 versehen ist, und wobei dieses Zusatzmodul mit einem Antriebsmotor versehen ist, der es erlaubt das Zusatzmodul gegenüber dem Rückenteil elektrisch zu verschwenken (siehe Spalte 4, Zeilen 28 bis 37).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Die von der Beschwerdeführerin zitierten Passagen der Spalte 1 von D2 lauten wie folgt:
Ab Zeile 25:
"In vielen Fällen kommen Operationstischplatten zum Einsatz, die eine Vielzahl gegeneinander verstellbarer Tischplattenabschnitte umfassen, so dass ein auf der Tischplatte ruhender Patient in die für eine Operation jeweils günstigste Lage gebracht werden kann."
Ab Zeile 50:
"Um dem Bedarf an weiteren Halterungs- und Lagerungselementen für Operationstische zu entsprechen, sind Zusatzmodule bekannt, mit deren Hilfe die verstellbaren Operationstische erweitert werden können. Diese Zusatzmodule weisen ein Kopplungsglied auf, so dass sie mechanisch an die Operationstischplatte angekoppelt und bei Bedarf jederzeit wieder von dieser getrennt werden können. Die Zusatzmodule werden üblicherweise ebenfalls verstellbar ausgestaltet, so dass ihre Lage und/oder ihre Ausrichtung relativ zur Operationstischplatte an die jeweiligen Einsatzbedingungen angepasst werden können. Während der Operationstisch elektromotorisch verstellbar ist, ist für die bekannten Zusatzmodule ein manueller Verstellmechanismus vorgesehen. Eine derartige Verstellung ist mit einem nicht unbeachtlichen Zeitaufwand verbunden, wodurch die Handhabung des Operationstisches mit angekoppeltem Zusatzmodul erschwert wird."
Diese Passagen bestätigen zwar, dass der Fachmann üblicherweise Zusatztische, Zusatzteile oder Zusatzabschnitte an einem Operationstisch vorsehen kann, die eventuell auch noch mit einem manuellen Verstellmechanismus versehen sein können, doch dies ist nicht ausreichend, um zum Gegenstand gemäß Anspruch 1 zu führen. Betrachtet man nämlich das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 von D2, bei welchem das Zusatzmodul 34 an das Rückenteil 20 angeschlossen werden kann, so stellt sich einerseits die Frage warum der Fachmann überhaupt zusätzlich zu einem solchen schon verstellbaren "Kopfteil" 34 noch ein weiteres verstellbares Teil vorsehen würde, und andererseits warum der Fachmann die Koppelelemente, die an dem Zusatzmodul 34 für die Ankopplung dieses verstellbaren zusätzlichen Teils vorgesehen werden müssten, am Zusatzmodul selbst verstellbar und antreibbar gestalten sollte. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kommt es nicht nur darauf an, ob der Fachmann eine Änderung vornehmen könnte, sondern, ob er sie im Rahmen des konkreten offenbarten Ausführungsbeispiels durchführen würde. Diese Frage wurde nicht beantwortet.
Die Kammer teilt in dieser Hinsicht die Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), wonach die Gestaltung der zweiten Schnittstelle mit einem Stellantrieb versehenen verstellbaren Koppelelement es erlaubt, die Verstellmöglichkeiten der beiden benachbarten Platten, Zusatzmodul und Rückenteil, zu erweitern, eine größere durchleuchtbare Fläche ohne bildstörende Elemente zur Verfügung zu stellen, und wegen der kleineren Hebelwirkung, die Schwenkmechanik des weiteren Koppelelements leichter zu gestalten, ohne dabei auf die Flexibilität der Operationstischgestaltung zu verzichten (siehe hierzu insbesondere die Absätze [0005] und [0013] des Patents).
Es handelt sich daher bei dem erfindungsgemäßen Gegenstand nicht um eine willkürliche Gestaltung des Operationstisches, sondern um eine spezifische Gestaltung mit entsprechender Wirkung, die sich, ausgehend von D2, für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ergibt.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 ist daher ausgehend von D2 erfinderisch.
5. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination mit D2
D1 offenbart einen modularen Operationstisch, im Wesentlichen bestehend aus einem Basistisch 10, an welchen verschiedene Kopf- und Fußteile, entweder direkt oder über ein Zwischenteil, ankoppelbar sind.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) würde ein Fachmann ausgehend von einem Tisch in der Kombination Basistischplatte 10 - Zwischenteil 5 - Beinplatte 1 in Anbetracht der Lehre aus D2 in naheliegender Weise zum Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen. Die schwenkbare Ankopplung der Beinplatte an das Zwischenteil (Merkmal 1.11) würde sich aus Spalte 4, Zeilen 10 bis 16 der D1 ergeben. Dieser Absatz liest sich wie folgt:
"Eine weitere Variante von Plattensegmenten umfasst zwei gegeneinander verschwenkbare Abschnitte, wie das insbesondere im Falle von Beinplatten vorteilhaft ist. Die Verschwenkachse für die Abschnitte kann horizontal und/oder vertikal angeordnet sein, so dass die Abschnitte in der Tischebene und/oder aus der Tischebene heraus verschwenkbar sind."
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) nicht. Der oben erwähnte Absatz beschäftigt sich mit Plattensegmenten die selbst in zwei gegeneinander verschwenkbaren Abschnitten unterteilt sind, wie beispielsweise die in der Beschreibung und den Figuren erwähnte zweiteilige Beinplatte 3, und nicht mit zwei Tischteilen die gegenüber einander um eine horizontale Achse motorisch verschwenkbar sein sollen. Ein verschwenkbares Gestalten der Verbindung zwischen der Beinplatte 1 und dem Zwischenteil 5, wird daher von D1, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden), nicht offenbart. Da, wie weiter oben schon erwähnt, ein solches verschwenkbares Gestalten einer Plattenverbindung an der zweiten Schnittstelle aus D2 auch nicht bekannt ist, kann allein deswegen die Kombination der Dokumente D1 und D2 nicht zum Gegenstand gemäß Anspruch 1 führen.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 ist daher auch ausgehend von D1 in Kombination mit D2 erfinderisch.
6. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit den Gebrauchsanweisungen eines Operationstisches Jupiter und dessen Zubehör (V1 und V9)
6.1 Zulassung von V1 und V9 in das Verfahren
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, V1 und V9 nicht in das Verfahren zuzulassen, weil deren Veröffentlichungsdatum nicht eindeutig belegt sei. Ferner sei es in Unkenntnis der Gesamtdokumente nicht möglich zu ermitteln, ob gegebenenfalls eine Geheimhaltungsverpflichtung vorlag.
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) wonach diese Dokumente lediglich als Ergänzung von bereits vorhandenen Beweismitteln in Reaktion auf die Entscheidung eingereicht wurden. Sie wurden außerdem rechtzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereicht und sind mit den Angaben 04/01 bzw. 12/99 versehen, die auf ein Veröffentlichungsdatum hinweisen. Die Plausibilität, dass diese Angaben eine öffentliche Zugänglichkeit beweisen, ist im Zusammenhang mit der Frage der Zulassung in das Verfahren ausreichend. Eine Geheimhaltungsvereinbarung in Bezug auf eine Gebrauchsanweisung erscheint der Kammer abwegig, da dies nicht den üblichen Gepflogenheiten entspricht.
Die Dokumente werden daher nach Artikel 12(4) VOBK in das Verfahren zugelassen.
6.2 Die Kammer wird sich vorerst mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit befassen und die Frage der öffentlichen Zugänglichkeit, falls notwendig, später erörtern.
6.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) würde der Fachmann ausgehend von D2 im Rahmen der Anpassung des Operationstisches an den Patienten und an die durchzuführende Operation das Zusatzmodul 34 ohne weiteres durch die Sitzplattenverlängerung gemäß V9 ersetzen, oder gegebenenfalls zwischen dem Rückenteil 20 und dem Zusatzmodul 34 einfügen, und somit ohne erfinderisches Zutun zu dem Gegenstand gemäß Anspruch 1 gelangen. Wie die Figur zeige, besitze die Platte auf der einen Seite eine starre Kopplungsmöglichkeit und auf der anderen Seite zwei motorisch verstellbare Koppelelemente, wie dies der Anspruch des Streitpatents verlange.
V9 ist ein Auszug aus einer Gebrauchsanweisung "Zubehör". Es handelt sich um Seite 34, die eine Sitzplattenverlängerung zeigt. Diese Sitzplattenverlängerung wird als "angetrieben" bezeichnet. Unter dem Absatz "Funktion" ist folgendes zu lesen: ,,Die Sitzplattenverlängerung, angetrieben, besitzt zwei motorisch einstellbare Gelenke."
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Nach Auffassung der Kammer werden vom Fachmann, wenn von einer Sitzplatte die Rede ist, bestimmte technische Merkmale, wie zum Beispiel die Eigenschaft, dass die mechanische Belastbarkeit hoch genug sein muss um das Gewicht des Patienten tragen zu können, implizit mitgelesen. Diese mechanische Belastbarkeit impliziert auch eine entsprechende Dimensionierung und daher ein entsprechendes Gewicht. Der oben gezeigten Figur ist ferner zu entnehmen, dass die Verbindungen 46.6 als Beinplattengelenke bezeichnet werden, so dass davon auszugehen ist, dass sie für eine Verbindung mit Beinplatten gedacht sind. Auch die auf derselben Seite der Platte gezeigte mittige Aussparung scheint darauf hinzudeuten, dass diese Platte dann benutzt wird, wenn im Bereich des Unterleibs untersucht oder operiert werden muss. Es ist daher der Kammer nicht ersichtlich, wieso der Fachmann eine solche Platte als Verlängerung des Rückenteils 20 des Operationstisches gemäß D2 einsetzen würde, zumal bei diesem Operationstisch auf der anderen Seite der Tragsäule 14 ein Fußteil 22 am Mittelabschnitt 18 angebracht ist. Allein deswegen ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch ist. Die Untersuchung der weiteren Fragen, insbesondere der Frage der Kompatibilität der Koppelelemente, oder der Frage der öffentlichen Zugänglichkeit, die von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) angesprochen wurde, erübrigt sich daher.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) war der Auffassung, dass die erfinderische Tätigkeit nicht mit den Augen eines Benutzers, zum Beispiel einer im Operationssaal tätigen Krankenschwester, sondern mit den Augen eines Fachmannes, zum Beispiel eines Maschinenbauingenieurs, der auf dem Gebiet tätig ist, bewertet werden soll, und daher die in dem Dokument zitierten spezifischen Funktionen der Platten für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle spielen sollten.
Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. In D2 wird ein konkretes Ausführungsbeispiel eines Operationstisches beschrieben, und auch in V9 wird eine konkrete Ausführung einer Sitzplattenverlängerung beschrieben. Die Frage die sich bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit stellt ist daher, ob der Fachmann, der den spezifischen Operationstisch von D2 an einen bestimmten Patienten anpassen möchte, die spezifische Sitzplatzverlängerung aus V9 dort einsetzen würde, wo die Beschwerdeführerin (Einsprechende) es behauptet. Wie weiter oben erläutert, ist diese Frage zu verneinen.
Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 ist daher auch ausgehend von D2 in Kombination mit den Gebrauchsanweisungen eines Operationstisches Jupiter und dessen Zubehör (V1 und V9) erfinderisch.
7. Zulassung der Argumentation ausgehend von V1 bis V9 in Kombination mit D2
Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin (Einsprechende), eine neue Argumentation mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von den Gebrauchsanweisungen (V1 bis V9) in Kombination mit D2 vortragen zu dürfen. Sie war der Auffassung, dass erst durch die Diskussion während der mündlichen Verhandlung eine neue Beurteilung der Merkmale bekannt geworden sei.
Dies überzeugte die Kammer nicht. Die Beurteilung der Merkmale war von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens dargelegt worden. Demzufolge hätte die Beschwerdeführerin ohne weiteres zusätzliche auf dieser Interpretation basierende Argumentationslinien früher vortragen können. Zu diesem späten Stadium wäre insbesondere die Klärung der Frage der öffentlichen Zugänglichkeit der Vorbenutzung gemäß Dokumente V1 bis V9 nicht möglich gewesen.
Die neue Argumentation wird daher gemäß Artikel 13 VOBK nicht in das Verfahren zugelassen.
8. Der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Art. 100(a) EPÜ steht folglich nicht gegen die Aufrechterhaltung des Patents.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.