T 2469/11 () of 22.9.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T246911.20160922
Datum der Entscheidung: 22 September 2016
Aktenzeichen: T 2469/11
Anmeldenummer: 01128803.2
IPC-Klasse: F01D 5/18
F01D 21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Komponente einer Strömungsmaschine mit Inspektionsöffnung, und Verfahren zur Inspection und Reinigung einer solchen Komponente
Name des Anmelders: General Electric Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag, Hilfsantrag 1 (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Hilfsanträge 2, 3
Spät eingereichte Hilfsanträge - prima facie unklar
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 1 219 779 widerrufen wurde.

II. Begründet hat die Einspruchsabteilung den Widerruf des Patents damit, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 des Patents sowie der Hilfsanträge 1 bis 4 nicht neu gegenüber dem aus

D1: DE-A-198 01 804

bekannten Stand der Technik ist.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte mit der Beschwerdebegründung die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt unter anderem aus dem Grund, dass die Entscheidung in verschiedenen Aspekten rechtsfehlerhaft sei und verfahrensrechtliche Mängel aufweise.

IV. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen.

V. In einer Mitteilung in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Sache dar. Neben einer vorläufigen Beurteilung der streitigen Fragen hinsichtlich der Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 äußerte die Kammer bezüglich der behaupteten Verfahrensmängel folgende Meinung:

"4. Zu den behaupteten falschen Rechtsanwendungen und Verfahrensfehlern

4.1 Die von der Beschwerdeführerin unter Punkten 2.1, 2.4 und 2.5 der Beschwerdegründe beanstandete Verletzung des rechtlichen Gehörs kann die Kammer zur Zeit nicht erkennen. Seite 2, Ziffer 5 der angefochtenen Entscheidung gibt den Inhalt des der Entscheidung vorausgegangen Ladungsbescheids vom 11. März 2011 der Einspruchsabteilung korrekt wieder. In dem Bescheid hat die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Auffassung (Punkt 1 des Bescheids) zu den erhobenen Einspruchsgründen dargelegt und unmissverständlich und vollständig mangelnde Neuheit des gesamten Gegenstands der Ansprüche 1 und 6 gegenüber D1 festgestellt (Punkte 6 und 7 des Bescheids). Zusätzlich hat die Einspruchsabteilung auch erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2, D3 und D4 als nächstliegendem Stand der Technik geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ausgehend von diesen drei Dokumenten, also nicht von D1 ausgehend, der Gegenstand der Ansprüche nicht nahegelegt wäre. Auch wenn diese vorläufige Prüfung aufgrund des relevanten Neuheitseinwands nicht notwendig gewesen wäre, macht es aus Sicht der Einspruchsabteilung und für die Parteien im Hinblick auf das weitere Verfahren durchaus Sinn, diese vorläufige Stellungnahme zum Erfordernis des Artikel 56 EPÜ trotzdem abzugeben. Warum hiervon ausgehend die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben angenommen haben könnte, dass Neuheit hinsichtlich D1 kein Problem mehr sei, erschließt sich der Kammer nicht. Die angefochtene Entscheidung stützt sich jedenfalls bezüglich des Hauptantrags auf die im Ladungsbescheid vollständig angegebenen Neuheitseinwände. Hinsichtlich der Hilfsanträge hat die Einspruchsabteilung auf die Einspruchsschrift hingewiesen (siehe dritter Absatz von Punkt 13 der Entscheidungsgründe). Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Hilfsanträge 1 bis 4 aufgrund anderer als der bereits in der Einspruchsschrift genannten Gründe für nicht gewährbar befunden wurden. Insbesondere kann nach Meinung der Kammer auch der erste Absatz des Abschnitts "Neuheit von Anspruch 2" auf Seite 9 der Beschwerdeschrift nur als Neuheitseinwand auf Grundlage von D1 verstanden werden ("..., so dass die zu Anspruch 1 durchgeführte Argumentation bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit vollends ausreicht, um auch die Neuheit ... von Anspruch 2 zu nehmen"). Wieso aus der fehlenden Stellungnahme der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstand der abhängigen Ansprüche in ihrem Ladungsbescheid die beschwerdeführende Patentinhaberin folgert, dass diese von der Einspruchsabteilung als neu angesehen wurden, erschließt sich der Kammer nicht.

4.2 Bezüglich des Vortrags unter Punkten 2.2 und 2.3 der Beschwerdegründe kann die Kammer der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht zustimmen. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen, ist eindeutig nur mit fehlender Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche der entsprechenden Anträge begründet, siehe Abschnitt III sowie den jeweils letzten Absatz der Punkte 15 bis 24. Der von der Beschwerdeführerin zitierte Absatz der angefochtenen Entscheidung auf Seite 7 unten betrifft unzweifelhaft die Auslegung des erteilten Anspruchs 1 und kann unter keinen Umständen als Einführung eines neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ ausgelegt werden.

4.3 Welches entscheidungserhebliche Vorbringen der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt worden sein soll (siehe z.B. Punkt 2.6 der Beschwerdegründe), ist für die Kammer nicht erkennbar."

VI. Am 22. September 2016 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin reichte Hilfsanträge 1 bis 3 ein.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 aufrecht zu erhalten.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Komponente einer Strömungsmaschine, insbesondere einer Gasturbine, die Kühlkanäle (4) für ein Kühlmedium sowie zumindest eine Inspektionsöffnung (5) aufweist, durch die hindurch eine Inspektion des Inneren der Komponente ermöglicht wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Inspektionsöffnung (5) derart angeordnet und dimensioniert ist, dass sie eine Staubaustragsöffnung für im Kühlmedium enthaltene Staub- oder Schmutzpartikel bildet."

X. In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde, verglichen mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs, an seinem Ende folgendes Merkmal hinzugefügt:

", und dass die Staubaustragsöffnung an einer Umlenkung des das Kühlmedium führenden Kanals oder am Ende eines von diesem Kanal an einer entsprechenden Umlenkung abzweigenden Staubkanals angeordnet ist"

XI. In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde das hinzugefügte Merkmal in folgender Weise ergänzt (Unterstreichung durch die Kammer):

", und dass die Staubaustragsöffnung an einer Umlenkung des das Kühlmedium führenden Kanals, auf eine Wand, wo im Betrieb das Kühlmedium aus dem Kühlmedium führenden Kanal auftrifft, oder am Ende eines von diesem Kanal an einer entsprechenden Umlenkung abzweigenden Staubkanals, auf eine Wand, wo im Betrieb das Kühlmedium aus dem abzweigenden Staubkanal auftritt, angeordnet ist"

XII. In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wurde, verglichen mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs, am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt:

", wobei das Kuhlmedium [sic] in der [sic] Kühlkanäle abström [sic] der Inspectionsöffnung [sic] relativ staublos ist"

XIII. Das erteilte Patent und die Hilfsanträge 1 bis 3 enthalten jeweils noch einen unabhängigen Verfahrensanspruch. Da dieser aber für die zu treffende Entscheidung nicht relevant ist, wird hier auf seine Wiedergabe verzichtet.

XIV. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Rechts- und Verfahrensfehler im Einspruchsverfahren

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin erklärt, bezüglich der vorläufigen Stellungnahme der Kammer zu den behaupteten Mängeln keine weiteren Ausführungen machen zu wollen.

Hauptantrag - Neuheit gegenüber D1

Der Ausdruck "Staubaustragsöffnung" werde vom Fachmann so ausgelegt, dass durch eine so zu bezeichnende Öffnung nicht nur etwas Staub, sondern fast der gesamte Staub im Kühlmedium während des Betriebs ausgetragen werden müsse. Die Partikel würden dabei insbesondere aufgrund ihrer Trägheit aus Öffnungen ausgetragen, die an Umlenkungen im Kühlkanal, die den Strom um etwa 90° umlenkten, angeordnet seien. Dies entnehme der Fachmann zum Beispiel aus der Beschreibung Spalte 2, Zeilen 1-3 und 21-27. D1 zeige in Figuren 1 und 2 ein Schaufelblatt, welches Inspektionsöffnungen 22 und 30 aufweise, die diese Bedingungen nicht erfüllten. Im Vergleich zu dem Jetstrom des Kühlmediums durch die Öffnungen 10 in der Wand des Kühllufteinsatzes dieses Schaufelblatts ströme das Kühlmedium nur mit sehr geringer Geschwindigkeit durch die Öffnung 24 am Fuß des Einsatzes. Folglich könne durch die der Öffnung 24 gegenüberliegende Öffnung 22 an der Anströmkante des Schaufelblatts keine Partikel ausgetragen werden. Durch die Öffnung 30 an der Schaufelspitze könne ebenfalls kein Staubaustrag erfolgen. Partikel, die die innen liegende Öffnung 34 passieren, würden nämlich durch das quer zu ihrer geradlinig weiter gedachten Flugbahn strömende Medium aus ihrer Bahn abgelenkt und erreichten somit nicht die auf gerader Linie liegende Öffnung 30. Partikel, die wiederum in diesem Abschnitt der Schaufelspitze von der Anströmkante kommend mit dem Luftstrom mitgeführt würden, könnten ebenfalls nicht durch die quer zu dieser Richtung liegende Öffnung 30 austreten. Folglich könne durch die Öffnung 30 wenn überhaupt nur ein sehr geringer, aber nicht der laut Patent geforderte große Anteil des Staubs austreten. Außerdem ergebe sich aus D1 selbst, dass durch die Öffnungen 22 und 30 kein, bzw. kein wesentlicher Anteil des Kühlmediums austrete, siehe z.B. Spalte 2, Zeilen 57-61 und die fehlenden Strompfeile an den Öffnungen 20, 22, 34 30 in den Figuren.

Hilfsantrag 1

Anspruch 1 wurde mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 5 verfolgt. Die Änderung beruht wortwörtlich auf der Beschreibung und legt insbesondere die Position der Öffnung fest. Die Position der Öffnung 30 im Schaufelblatt der D1 liege nicht an einer Umlenkung im Sinne des Patents, sondern in dem auf eine solche folgenden bzw. einer solchen vorausgehenden geradlinigen Wandabschnitt der Schaufelspitze.

Hilfsantrag 2

Der hinzugefügte Wortlaut sei so zu verstehen, dass die Staubaustragsöffnung in einer Wand angeordnet sei, auf die der Kühlmediumstrom auftreffe. Das Merkmal sei den Figuren entnommen. Weitere Merkmale der Figuren seien für die Definition der Position und die zu erreichende Funktion des Merkmals nicht relevant. Es definiere den Unterschied zur Position der Öffnung 30 in D1 genauer, die nämlich nicht in einer Wand liege, auf die der Kühlmediumstrom auftreffe.

Hilfsantrag 3

Das Merkmal sei der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf Seite 2, Zeilen 29 bis 31 und Seite 7, Zeile 14, im Zusammenhang gelesen, entnommen. Der Ausdruck "relativ staublos" würde vom Fachmann im Lichte der Beschreibung gemäß Spalte 2, Zeilen 1 bis 3 des Patents derart verstanden werden, dass im Vergleich zum ursprünglich eintretenden Kühlmedium dieses stromabwärts der Staub­austrags­öffnung, wenn auch nicht zu 100%, so doch nahezu vollständig staublos sei.

XV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag

Anspruch 1 sei weder in Bezug auf die Anordnung der Öffnungen, noch hinsichtlich der Menge des auszutragenden Staubanteils eingeschränkt. Aus Figur 1 des Patents werde insbesondere deutlich, dass nur ein kleiner Anteil der im Kühlmedium enthaltenen Partikel austreten könne. Der Anspruch sei auch nicht auf einen Staubaustrag im Betrieb eingeschränkt, sondern umfasse auch einen Staubaustrag wie in der D1 beschrieben sei. Deshalb sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Neuheit des erteilten Anspruchs 1 korrekt.

Hilfsantrag 1

Der Antrag dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden, da er bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgelegt werden können. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei darüber hinaus immer noch nicht neu gegenüber D1, da die Öffnung 30 an der Schaufelspitze in einem Bereich liege, in dem der Kühlmediumstrom umgelenkt werde.

Hilfsantrag 2

Der Antrag dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden, da die Änderungen zumindest den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) EPÜ nicht genügten. Die geänderten Merkmale seien unklar, da nirgends definiert sei, um was für eine Wand es sich handele und wo diese angeordnet sei in Bezug auf die anderen Merkmale im Anspruch. Eine Wand werde in der Beschreibung nirgends erwähnt.

Hilfsantrag 3

Der Antrag dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden, da die Änderungen das Erfordernis des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllten. Der Ausdruck "relativ staublos" bedeute keine klare Einschränkung.

Entscheidungsgründe

Rechts- und Verfahrensfehler im Einspruchsverfahren

1. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung dargelegt, warum sie der Beschwerdeführerin hinsichtlich der behaupteten Rechts- und Verfahrensfehler, zum Beispiel einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113(1) EPÜ), die die Einspruchsabteilung begangen hätte, nicht folgen kann (siehe Punkt V. oben). Die Beschwerdeführerin hat weder schriftlich noch mündlich zu dieser vorläufigen Meinung Stellung genommen. Vielmehr hat sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass sie zu diesem Themenkomplex nichts weiter vortragen wolle. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von der oben unter Punkt V. der Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegebenen vorläufigen Meinung abzuweichen, sondern bestätigt sie hiermit.

Für eine Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), die die Kammer ex officio zu prüfen hat, sieht die Kammer folglich keinen Grund.

Hauptantrag

2. Die Kammer kommt zum gleichen Ergebnis wie die Einspruchsabteilung, nämlich dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber dem aus D1 bekannten Schaufelblatt ist (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973).

3. Strittig ist zwischen den Parteien insbesondere, ob die aus D1 bekannten Inspektionsöffnungen 22 und 30 des Schaufelblatts, was unbestritten eine mit Kühlkanälen für ein Kühlmedium versehene Komponente einer Strömungsmaschine darstellt, auch Staub­aus­trags­öffnungen im Sinne des Anspruchs darstellen, was die Beschwerdeführerin bestreitet.

4. Die Beschwerdeführerin begründet ihre Auffassung damit, dass die Inspektionsöffnungen 22 und 30 nirgends in D1 explizit als für den Staubaustrag geeignet beschrieben werden und durch diese, wenn überhaupt, nur ein sehr geringer Kühlmediumstrom austrete, mit dem die Staubpartikel aus dem Kühlmedium nicht, wie im Streitpatent offenbart, fast komplett entfernt würden.

5. Die Kammer ist von der Argumentation der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht überzeugt.

5.1 Anspruch 1 ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weder in Hinsicht auf die Lage und Größe noch in Hinsicht auf die Menge der auszutragenden Staubpartikel des Kühlmediumstroms eingeschränkt.

5.1.1 Einerseits stützen die von der Beschwerdeführerin zitierten Passagen der Beschreibung des Patents ihre Argumentation nicht. Zum Beispiel lässt sich aus den in Spalte 2 zitierten Stellen nicht entnehmen, dass fast der gesamte Staub aus dem Kühlmedium zu entfernen sei. In Zeile 1 wird z.B. nur allgemein von einer "Verminderung der Gefahr der Verstopfung der Kühlluftbohrungen" gesprochen. Daraus lässt sich keine eindeutige Schlussfolgerung im von der Beschwerdeführerin vertretenen Sinn über die Menge auszutragender Partikel ableiten, da die Gefahr auch bei einem geringen Austrag bereits vermindert wird.

Die Beschwerdegegnerin hat außerdem zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ausführungsbeispiel in Figur 1 des Patents nur eine teilweise Reduzierung der Staubpartikel gewährleistet. Die dort gezeigte Staubaustrags­öffnung ist in der Tat im Vergleich zur Weite des stromaufwärts liegenden Kühlmediumkanals wesentlich kleiner. Folglich kann auch nur ein kleiner Anteil des Kühlmediums und damit der mitgeführten Partikel durch die Öffnung austreten. Die Figur ist zwar nur eine schematische Darstellung. Es ist dem Fachmann aber auch klar, dass die Größenverhältnisse in der Praxis so gewählt werden müssen, dass die Öffnung im Vergleich zum Querschnitt des Kühlkanals eine gewisse Größe nicht überschreiten darf, da sonst der Verlust an Kühlmedium durch eine solche Öffnung zu groß wäre.

Das Patent bietet also keine Grundlage, einen möglichst vollständigen Staubaustrag erreichen zu wollen und den Ausdruck Staubaustragsöffnung in diesem Sinne eingeschränkt zu verstehen.

5.1.2 Andererseits haben Sachverhalte, die in der Beschreibung zwar als "zwangsläufig[es]" Erfordernis an ein im Anspruch definiertes Merkmal dargestellt werden - hier: die Lage der Staubaustragsöffnung an einer Umlenkung, vgl. Spalte 2, Zeilen 21-28 -, im Anspruch aber dennoch nicht definiert sind, nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine den Anspruchsgegenstand einschränkende Bedeutung.

5.2 Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Begriff Staubaustrags­öffnung im Anspruch 1 nur dahingehend eingeschränkt vom Fachmann zu verstehen ist, dass die Öffnung in Größe und Position so angeordnet und ausgebildet sein muss, dass im Kühlmedium vorhandene Staubpartikel, wenn auch in nur geringen Mengen, durch sie ausgetragen werden können.

Dabei ist es für den Gegenstand von Anspruch 1 auch unerheblich, ob die Partikel aufgrund eines Impulses, der ihnen durch die Beschleunigung im Kühlmittelstrom mitgegeben wird, oder z.B. aufgrund eines Impulses, der ihnen z.B. in rotierenden Schaufelblättern durch die Zentrifugalbeschleunigung vermittelt wird, durch eine Öffnung ausgetragen werden. Im Grunde umfasst der Anspruch sogar die Eignung zum Austragen von Staubpartikeln durch die Inspektionsöffnungen während einer oder im Anschluss an eine Inspektionsphase, in der bereits angelagerter Staub durch die Inspektionsöffnungen ausgespült werden kann, und damit nicht nur die Eignung zum Austragen im Betrieb, wie von der Beschwerdeführerin auch argumentiert wurde. Zu Gunsten der Beschwerdeführerin wird aber im folgenden weiter davon ausgegangen, dass die Öffnungen geeignet sein sollten, Staub zumindest in geringem Umfang während des Betriebs der Komponente auszutragen.

5.3 Die zuvor genannten Bedingungen sind nach Überzeugung der Kammer zum Beispiel im Fall der Inspektionsöffnung 30 im Schaufelblatt in Figuren 1 und 2 der D1 erfüllt.

Die Inspektionsöffnungen 30 und 34, durch die z.B. ein Endoskop eingeführt werden kann, sind unbestritten groß genug, Staubpartikel auszutragen.

Es gibt, wie auch die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, keinen Anlass anzunehmen, dass die Inspektionsöffnung 30 (und auch 22) im Betrieb verschlossen ist. Im Gegenteil wird in Spalte 2, Zeilen 57-63 offenbart, dass die Inspektionsöffnungen einen geringen Verlust an Kühlmedium bewirken, der gemäß Spalte 3, Zeilen 6/7 unterhalb eines Prozents liegen sollte. Daraus schließt der Fachmann zweifelsfrei, dass Kühlmedium und folglich auch in ihm enthaltener Staub, der sehr fein sein kann, austritt. Da also zwangsläufig ein Anteil des Staubs durch die Inspektionsöffnung ausgetragen werden muss, stellen diese Staubaustrags­öffnungen im oben dargelegten weitesten Sinne des Anspruchs 1 dar.

5.4 Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, dass die Strömungsverhältnisse im Bereich der Inspektions­öffnungen in D1 dergestalt seien, dass keine Partikel durch die Öffnungen austreten könnten. Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt.

5.4.1 Ein Anteil der Staubpartikel, der durch die Öffnung 34 im Kühlmitteleinsatz im Innern des Schaufelblatts mit einem genügend großen Impuls im Kühlmedium mitgeführt wird, wird auch durch die Öffnung 30 hindurchtreten. Auch wenn einige der durch die Öffnung 34 strömenden Partikel auf ihrem Weg zur Öffnung 30 vom quer strömenden Medium aus ihrer Bahn abgelenkt werden und so die Öffnung 30 verfehlen können, betrifft dies nur einen Anteil aber keinesfalls zwangsläufig alle Partikel, die durch 34 hindurchströmen. Dies ergibt sich aus den gezwungenermaßen auftretenden Druck- und Strömungsverhältnissen im Kühleinsatz vor der Öffnung 34 und hinter ihr im Raum zwischen Kühleinsatz und der Schaufelspitze. Die Strömungsgeschwindigkeit des Mediums im Bereich zwischen Kühleinsatz und Schaufelspitze, der sich von der Anström- zur Abströmkante aufweitet, ist reduziert, insbesondere im Vergleich zu den Verhältnissen, die im Innenraum des Kühleinsatzes vor und in der Öffnung 34 vorliegen. Dort liegt der Ausgangsdruck vor, mit dem das Schaufelblatt mit Kühlmedium beaufschlagt wird. Folglich haben der Strom und die Partikel in der Öffnung 34 eine wesentlich höhere Geschwindigkeit als im sich aufweitenden Bereich, in dem das Kühlmedium, bevor es ihn überhaupt erreicht, durch Reibung usw. bereits einen Teil seiner Energie verloren hat. Damit ist der mögliche Impulsübertrag auf ein aus der Öffnung 34 austretendes Partikel durch das quer zu seiner Bahn strömende Medium nicht in jedem Fall groß genug, es aus der Bahn zur Öffnung 30 abzulenken. Es kann also bei geeigneten Strömungs- und Impulsverhältnissen ein Anteil von Partikeln durch die Öffnung ausgetragen werden.

5.4.2 Außerdem werden Staubpartikel, die aufgrund der Rotation der Schaufel (vgl. hierzu D1, z.B. Spalte 1, Zeile 6 "Laufschaufel") eine Zentrifugalbeschleunigung erfahren und an der Schaufelspitze von der Anström- zur Abströmkante entlang strömen, ebenfalls zumindest zu einem gewissen Anteil durch die Zentrifugalkraft beim Passieren der Öffnung 30 aus dieser hinausgetragen.

5.5 Dass der Fachmann aus der fehlenden Darstellung von Strömungspfeilen an den Inspektionsöffnungen 22, 24, 30 und 34, in den Figuren der D1 schließen würde, dass dort kein Kühlmedium austritt, kann die Kammer nicht akzeptieren. Die Pfeile an den anderen Öffnungen 10, 18 und 20 werden von dem Fachmann in der Tat wohl als auf einen Jetstrom hindeutend verstanden, der zur Filmkühlung benötigt wird. Dass durch die größeren Inspektionsöffnungen anscheinend kein solcher zur Filmkühlung beitragender Jetstrom geht, heißt aber nicht, dass dort überhaupt kein Kühlmedium austreten kann (vgl. hierzu auch Punkt 5.3 oben, letzter Absatz).

5.6 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass die Auffassung der Beschwerdeführerin, aus den Öffnungen in D1 könne kein Staub austreten, so dass diese nicht als Staub­austrags­­­­öffnung im Sinne des Patents anzusehen seien, unbegründet ist.

6. Da der Gegenstand von Anspruch 1 vom Schaufelblatt aus D1 vorweggenommen wird, ist das Erfordernis des Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973 nicht erfüllt, so dass das Patent in seiner erteilten Fassung nicht aufrechterhalten werden kann.

Hilfsantrag 1

7. Die Beschwerdebegründung muss den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdeführers enthalten (Artikel 12 (2) VOBK).

Anträge, die nach Ablauf der Frist für die Beschwerdebegründung eingereicht werden, stellen nach Artikel 13 (1) VOBK eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar. Die Zulassung solcher Anträge in das Verfahren liegt im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer neben dem Verfahrensstand und der Komplexität des neuen Vorbringens auch die gebotene Verfahrensökonomie.

8. Hilfsantrag 1 wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Der ihm zugrundeliegende Anspruch 1 wurde ursprünglich in der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 5 formuliert. Die Beschwerdegegnerin hat keinen Grund angegeben, warum genau dieser bereits hätte im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgelegt werden können (Artikel 12 (4) VOBK). Da sein Gegenstand der Beschwerdegegnerin bereits bekannt war und sie sich auch inhaltlich mit ihm in der Beschwerdeerwiderung auseinandergesetzt hatte, die Änderung weder komplex ist und absehbar auch nicht zu einer ungebührlichen Verlängerung des Verfahrens führen würde, hat die Kammer Hilfsantrag 1 in das Verfahren zugelassen.

9. Die Änderungen am Anspruch 1 sind allerdings ungeachtet etwaiger Klarheitsmängel nicht geeignet, den Neuheitseinwand gegenüber D1 auszuräumen.

10. Auch die Öffnung 30 des Schaufelblatts liegt "an einer Umlenkung des das Kühlmedium führenden Kanals". Die Beschwerdeführerin hat zwar argumentiert, dass die Öffnung 30 auf einem geradlinigen Wandstück der Schaufelspitze zwischen zwei Umlenkungen und somit nicht "an" einer solchen liege. Weder weist aber der Ausdruck "Umlenkung" noch die Präposition "an" eine der Argumentation der Beschwerdeführerin entsprechende eingeschränkte Bedeutung auf.

Erstens sitzt z.B. die betreffende Öffnung in Figur 1 des Patents auch in einem geradlinigen Segment der Schaufelspitze. Lediglich der Abstand der Öffnung zur Wand des vorausgehenden Strömungsabschnitts ist kleiner als der Abstand in D1 zum nachfolgenden Strömungsabschnitt. Ein Unterschied hinsichtlich der Abstände oder hinsichtlich der Lage vor oder hinter einer Umlenkung wird durch die Präposition "an" nicht definiert. Es gibt deshalb keinen Grund die Präposition "an" als "genau an" dem Anfang der Umlenkung liegend zu verstehen. Zweitens kann mangels einer genauen Definition, was unter einer Umlenkung zu verstehen sein soll und bei entsprechend breiter Auslegung dieses Ausdrucks in D1 der gesamte Bereich zwischen Anström- und Abströmkante als Umlenkung bezeichnet werden. Über diesen ganzen Bereich wird nämlich die radial auswärts gerichtete Strömung entlang der Anströmkante in eine radial einwärts gerichtete Strömung entlang der Abströmkante umgelenkt. Die Öffnung 30 kann also als "an" einer Umlenkung des Kühlmediumkanals von einer im wesentlichen entlang der Schaufelspitze verlaufenden in eine radial entlang der Abströmkante verlaufenden Strömung, wie in Figuren 1 und 2 der D1, liegend angesehen werden.

11. Folglich ist zumindest die erste Alternative, die durch das aufgenommene Merkmal in Anspruch 1 definiert wird, aus D1 bekannt.

12. Da auch der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 1 nicht das Erfordernis des Artikels 54 EPÜ 1973 erfüllt, kann das Patent auf Grundlage dieses Antrags nicht aufrechterhalten werden.

Hilfsantrag 2

13. Auch Hilfsantrag 2, der einen Gegenstand enthält, welcher im Unterschied zu dem von Hilfsantrag 1 nicht mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde, stellt eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar, dessen Zulassung in das Verfahren im Ermessen der Kammer liegt.

14. Im Hinblick auf die in Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien (vgl. Punkt 7 oben) ist es für die Zulassung geänderter Ansprüche in das Verfahren erforderlich, dass diese prima facie gewährbar sind, in dem Sinne, dass sie bestehende Einwände eindeutig beheben ohne dabei neue einzuführen.

15. Die zusätzlichen Merkmale, die vorliegend in Anspruch 1 aufgenommen wurden, z.B. "[dass die Staubaustragsöffnung an einer Umlenkung des das Kühlmedium führenden Kanals], auf eine Wand, wo im Betrieb das Kühlmedium aus dem Kühlmedium führenden Kanal auftrifft, [... liegt]" erfüllen prima facie das Erfordernis des Artikels 84 EPÜ 1973 nicht. Abgesehen von grammatikalischen Unzulänglichkeiten (es fehlt z.B. ein Verb) bleibt insbesondere unklar, um was für eine Wand es sich handelt und wie sie in Bezug zu den anderen Merkmalen steht. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass das resultierende Merkmal dahingehend zu verstehen sei, dass die Lage der Staubaustrags­öffnung genauer definiert werde, nämlich dahingehend, dass sie an einer Umlenkung in einer Wand angeordnet sei, auf die das Kühlmedium auftreffe. Dieser Sachverhalt wird allerdings durch den vorliegenden Wortlaut nicht beansprucht.

16. Da Anspruch 1 prima facie die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt, hat die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Die Kammer merkt zusätzlich an, dass selbst für den Fall, dass der hinzugefügte Wortlaut die Bedeutung hätte, die die Beschwerdeführerin ihm gibt, es ebenfalls prima facie fraglich gewesen wäre, ob das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt sein könnte. Eine explizite Offenbarung in der Beschreibung gäbe es jedenfalls nicht und auch die Figuren wurden von der Beschwerdegegnerin als nicht ausreichend hierfür angesehen.

Hilfsantrag 3

17. Anspruch 1 dieses Hilfsantrags, der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, erfüllt prima facie ebenfalls nicht die Erfordernisse des Artikel 84 EPÜ 1973.

18. Es ist unter anderem unklar, was unter dem Ausdruck "relativ staublos" zu verstehen sein soll. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Fachmann diesen Ausdruck als auf einen Kühlmediumstrom hindeutend verstehen würde, der fast komplett, soweit technisch eben möglich, ohne Staubpartikel nach Passage der Staubaustragsöffnung vorliegt, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert wurde. Der Anspruch definiert, wie auch die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, keine Bezugsmenge, auf die sich der Ausdruck "relativ" beziehen könnte. Ein Kühlmedium könnte entsprechend auch bereits stromaufwärts ursprünglich "relativ staublos" vorliegen. Der Ausdruck stellt somit keine klare Einschränkung für den Gegenstand von Anspruch 1 dar.

19. Da Anspruch 1 prima facie die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt, hat die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.

20. Ohne einen Anspruchssatz, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, kann das Patent nicht aufrechterhalten werden (Artikel 101(3)b) EPÜ 1973). Folglich kann die Kammer die von der Einspruchs­abteilung getroffene Entscheidung, das Patent zu widerrufen, nicht aufheben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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