T 2343/11 () of 6.2.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T234311.20140206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2014
Aktenzeichen: T 2343/11
Anmeldenummer: 06755254.7
IPC-Klasse: B03C 7/00
B03C 3/15
B02C 23/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung disperser mineralischer Produkte
Name des Anmelders: OMYA GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 109
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Zurückverweisung (ja)
Abhilfe - Pflicht zur Abhilfe durch erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2528/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung EP 06 755 254.7 zurückzuweisen, hat die Anmelderin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung vom 26. September 2011 eingereichten Hauptantrags, bzw. des ersten und zweiten Hilfsantrags zu erteilen.

II. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 wurde der Antrag auf hilfsweise Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, unter Bezugnahme auf die Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung (im Folgenden: Ladungsbescheid) zurückgenommen. Die Kammer hatte nämlich im Ladungsbescheid (vgl. insbesondere Punkte 11.2 bis 11.4), die Absicht mitgeteilt, die Angelegenheit direkt an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen. Sie hat weiter mitgeteilt, dass eine derartige Entscheidung, ohne mündliche Verhandlung, im schriftlichen Verfahren getroffen werden könne.

III. Die Ladung für die für den 21. Januar 2014 anberaumte mündliche Verhandlung wurde aufgrund des obengenannten Schriftsatzes der Beschwerdeführerin aufgehoben.

IV. Ansprüche 1

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Anlage zur Herstellung disperser mineralischer Produkte, mit einer Mühle (1) zur Zerkleinerung eines mineralischen Rohstoffs in Mineralstoffteilchen, einer Einrichtung zur triboelektrischen Aufladung der Mineralstoffteilchen und mit einem Strömungsklassierer (2) zur Klassierung der Mineralstoffteilchen auf mechanischem Wege und durch elektrostatische Trennung der triboelektrische aufgeladenen Mineralstoffteilchen, dadurch gekennzeichnet, dass

a) der Strömungsklassierer ein mit der Mühle (1) verbundener Sichter (2) ist, in dessen Sichtergehäuse (23) eine turbulente Strömung herrscht und der ausgebildet ist, um außer der Klassierung der Mineralstoffteilchen gleichzeitig die Mineralstoffteilchen elektrostatisch aufzuladen; dass

b) eine mit dem Sichter (2) verbundene, elektrostatische, zur Abtrennung der in dem Sichter (2) triboelektro statisch aufgeladenen Fremdteilchen installierte Trennkammer (3) vorgesehen ist, die ausgebildet ist, um eine von dem Sichter (2) abgegebene, aufgeladene Feingutdispersion in einen ersten Dispersionsstrom (30), der das gereinigte Produkt enthält, und einen zweiten Dispersionsstrom (31), der die auszuschei denden Fremdteilchen enthält, aufzutrennen; und dass

c) ein Luftabscheidesystem (7, 8, 9) zur Abscheidung von Dispersionsluft aus den von der Trennkammer (3) abgegebenen Dispersionsströmen (30, 31) mit der Trennkammer (3) verbunden ist, wobei die Trennkammer (3) zwischen dem Sichter (2) und dem Luftabscheidesystem (7, 8, 9) angeordnet ist".

V. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 u.a. dadurch geändert, dass im Merkmal c) definiert ist, dass das Luftabscheidesystem

- zur Abscheidung von Dispersionsluft aus den von der

Trennkammer abgegebenen Dispersionsströmen

- mit der Trennkammer verbunden ist, und dass

- die Trennkammer zwischen dem Sichter und dem

Luftabscheidesystem angeordnet ist.

VI. Es wird auf folgenden, in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Stand der Technik Bezug genommen:

D1 AU-B-44495/93.

VII. Mit der angefochtenen Entscheidung wurde die Anmeldung zurückgewiesen, weil die Anlage nach dem damaligen Anspruch 1 nicht neu sei gegenüber derjenigen nach D1.

Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Anspruch 1 wies hinsichtlich des Luftabscheidesystems die Merkmale auf, nach denen die Anlage ein "System zur Abscheidung der Dispersionsluft" aufweist und "dass zwischen dem Strömungsklassierer (2) und dem Luftabscheidesystem (7, 8, 9) eine elektrostatische Trennkammer (3) ... installiert ist".

VIII. Die Anmelderin hatte im Prüfungsverfahren bezüglich der Neuheit des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchs 1 gegenüber der Anlage nach D1 mit Schriftsatz vom 17. April 2008 (Seite 2, zweiter und dritter Absatz von Unten) u.a. argumentiert, dass D1 ein System zur Zufuhr eines Kohlenstaub-Luft-Gemisches betreffe, bei dem die Anordnung eines Luftabscheidsystems keinen Sinn mache, da das Kohlenstaub-Luft-Gemisch ohnehin einem Brenner zugeführt werde.

IX. Das für die vorliegende Entscheidung wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Der Oberbegriff des Anspruchs 1 sei ausgehend von der Anlage nach D1 als nächstkommenden Stand der Technik formuliert worden.

b) Bei der Anlage nach D1 sei ein einheitliches Aggregat zum Mahlen und Klassieren von Kohle vorhanden. Eine triboelektrische Aufladung finde während des Mahlens statt. Sämtliche technischen Mittel zur Zerkleinerung und Klassierung der Kohle, sowie zum Transport der dispergierten Kohleteilchen mittels eines diese mitführenden Luftstroms zu einem nachgeordneten Brenner seien in ein und demselben Gerät vereinigt.

c) D1 beziehe sich, im Unterschied zur Anlage gemäß dem Anspruch 1 nach jedem der Anträge, nicht auf eine Anlage mit mehreren miteinander verbundenen Aggregaten zur Herstellung disperser mineralischer Produkte, sondern auf ein einheitliches Aggregat zum Verkleinern von Stückkohle zu Kohlestaub und zur Zufuhr eines Kohlestaub-Luft-Gemisches zum Brenner eines Kohlekraftwerks.

d) Die Anlage zur Herstellung disperser mineralischer Produkte nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheide sich von derjenigen nach D1 dadurch, dass diese keine Anlage zur Herstellung disperser mineralischer Produkte offenbare sondern eine Anlage zur Herstellung eines Kohlenstaub-Luft-Gemisches zu dem Brenner eines Kraftwerks. Demzufolge sei bei der Anlage nach D1 auch kein Luftabscheidesystem entsprechend dem Merkmal c) des Anspruchs 1 vorhanden. Weiterhin erfolge die triboelektrische Aufladung von Kohle und Pyrit bei der bekannten Anlage während des Mahlvorgangs und nicht, wie bei der Anlage nach dem Anspruch 1 entsprechend dem Merkmal (a) in einem mit der Mühle verbundenen Sichter. Die Anlage nach dem Anspruch 1 sei gegenüber derjenigen nach D6, aufgrund der genannten Unterschiede, neu.

X. Die Kammer hat im Ladungsbescheid neben Ausführungen betreffend den weiteren Verfahrensablauf (vgl. obigen Punkt II) ihre vorläufige Auffassung, nach der die Anlage nach dem Anspruch 1 neu sei gegenüber derjenigen nach D1, mitgeteilt (vgl. die Punkte 7 – 10).

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer erachtet die im Ladungsbescheid geäußerte vorläufige Auffassung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, bezüglich des Offenbarungsgehalts der D1 und diesen berücksichtigend, bezüglich der Neuheit der Anlage nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der aus D1 bekannten Anlage, als ihre endgültige Auffassung.

2. Danach ist unabhängig davon, dass im Hinblick auf die Offenbarung der D1 die Gründe der angefochtenen Entscheidung, nach denen D1 ein System zur Abscheidung der Dispersionsluft in Form des "air stream duct (16)" (angefochtene Entscheidung, Gründe Nr. 2) aufweise, bereits im Hinblick auf den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 nicht zutreffen, im Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß geltendem Hauptantrag folgendes zu berücksichtigen:

2.1 Im Hinblick auf das Merkmal c) des Anspruchs 1 (hier, wie im Folgenden: gemäß geltendem Hauptantrag) trifft die Auffassung der angefochtenen Entscheidung nicht mehr zu, dass im Anspruch 1 bezüglich des Luftabscheidesystems keine weiteren Merkmale definiert sind (Gründe, Nr. 2.2).

Im Anspruch 1 ist nämlich nunmehr durch das Merkmal c) eindeutig definiert, dass das Luftabscheidesystem zur Abscheidung von Dispersionsluft aus den von der Trennkammer abgegebenen Dispersions strömen mit der Trennkammer verbunden ist und die Trennkammer zwischen dem Sichter und dem Luftabscheidesystem angeordnet ist.

Nach der D1 ist die Trennkammer mit unterschiedlich elektrisch geladenen Ringen 17, 18 am Ausgang der Reibungsmühle mit rotierenden Scheiben 5, 6 angeordnet (Seite 8, Zeilen 3 - 17; Seite 12, Zeile 20 - Seite 13, Zeile 5; Figur 2). Der Sichter 13 ist der Trennkammer nachgeordnet (Seite 14, Zeilen 9 - 18; Figur 2).

Selbst dann, wenn, im Gegensatz zu den obigen Ausführungen (vgl. obigen Punkt 2), die Prüfungsabteilung bei ihrer in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung, dass D1 ein Luftabscheidesystem im Sinne des ersten Teils des Merkmals c) offenbart, geblieben wäre, wäre zu berücksichtigen gewesen, dass ein als durch den Kanal 16 gebildet anzusehendes Luftabscheidesystems nicht entsprechend einem Teil des Merkmals c) mit der im Bereich der Reibungsmühle angeordneten Trennkammer zur Abscheidung von Dispersionsluft aus den von der Trennkammer abgegebenen Dispersionsströmen verbunden ist (vgl. Figur 2).

2.2 Der Vollständigkeit wegen wurde in dem Ladungsbescheid (Punkt 9.1) angemerkt, dass sich auch die Reihenfolge der Anordnung der Funktionseinheiten Trennkammer, Sichter und Luftabscheidesystem nach dem Merkmal c), wie auch schon nach dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1, nämlich: Sichter 2, Trennkammer 3, Luftabscheidesystem 7, 8, 9 von derjenigen nach D1 unterscheidet. Letztere ist nämlich wie folgt: Trennkammer (mit Ringen 17, 18), Sichter 13, Luftabscheidesystem (Kanal 16 ?).

Unabhängig davon unterscheidet sich die Anordnung nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag von derjenigen nach D1 somit bereits durch den Teil des Merkmals c), nach dem ein Luftabscheidesystem zur Abscheidung von Dispersionsluft aus den von der Trennkammer abgegebenen Dispersionsströmen mit der Trennkammer verbunden ist.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit bereits aufgrund dieses Unterscheidungsmerkmals eindeutig neu (Artikel 54 EPÜ). Weiterer neuheitsschädlicher Stand der Technik wurde in der angefochtenen Entscheidung nicht angesprochen und ist auch nicht ersichtlich.

4. Nach dem Ladungsbescheid (Punkt 11) ist die Beschwerde zumindest insoweit begründet, dass der Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag neu gegenüber der Anlage nach D1 ist und damit der einzige Zurückweisungsgrund eindeutig behoben und der angefochtenen Entscheidung somit die Grundlage entzogen worden ist.

4.1 Weiter wurde darauf verwiesen, dass gemäß Artikel 109(1) EPÜ das Organ, dessen Entscheidung durch eine zulässige und begründete Beschwerde angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen hat. Das Organ hat keinen Ermessensspielraum, wenn die Einwände der angefochtenen Entscheidung klar ausgeräumt werden, und ist nach ständiger Rechtsprechung zur Abhilfe verpflichtet. Vergleiche dazu bspw. T 2528/12 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht), mit weiteren Nachweisen und auch die Richtlinien für die Prüfung, Stand April 2010, E-XI, 7.1.

4.2 Betreffend den weiteren Verfahrensverlauf führte die Kammer aus, dass sie aus diesem Grund die Angelegenheit direkt an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen (Artikel 111(1) EPÜ) beabsichtigt und, dass ein weiterer Grund für eine Zurückverweisung dadurch gegeben ist, dass der einzige Zurückweisungsgrund mangelnde Neuheit gegenüber D1 war und erfinderische Tätigkeit von der Prüfungsabteilung noch nicht geprüft worden ist.

5. Der Vollständigkeit wegen sei darauf verwiesen, dass in dem Ladungsbescheid (Punkte 12, 12.1, 12.2, 12.2.1 und 12.2.2) weitere Aspekte bezüglich der angefochtenen Entscheidung bzw. der dieser zugrunde liegenden Neuheitsprüfung gegenüber D1 angesprochen worden sind.

5.1 Danach ist die Auffassung der Prüfungsabteilung bezüglich der Offenbarung eines Luftabscheidesystems in D1 auf zwei unterschiedliche Sachverhalte gestützt. Neben dem bereits angesprochenen "air stream duct (16)" (Gründe, Nr. 2) ist nämlich auch, ohne dies zu begründen, auf ein "System zur Abscheidung der Dispersionsluft, nämlich siehe Figur 1, nach oben und unten von Ring (12)" verwiesen worden. Dort wird jedoch keine Dispersionsluft von den gemahlenen Teilchen abgeschieden, sondern mittransportiert.

5.2 Weiter wurde angemerkt, dass bei der Neuheitsprüfung üblicherweise besondere Gründe gegeben sein müssen, um eine Bezugnahme auf mehr als ein einziges Ausführungsbeispiel einer Entgegenhaltung als neuheitsschädlichen Stand der Technik (im Sinne einer "eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung") zu rechtfertigen.

Vorliegend ist mangelnde Neuheit gegenüber D1 nach den diesbezüglichen Gründen (vgl. die tabellenartige Bezugnahme auf die Offenbarung der D1 der Gründe, Nr. 2) der angefochtenen Entscheidung auf zwei unterschiedliche Ausführungs beispiele gestützt, nämlich dasjenige nach der Figur 1 und dasjenige nach der Figur 2.

Dazu wurde weiter angemerkt, dass nur das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 eine Trennkammer zur Abtrennung triboelektrostatisch aufgeladener Fremdteilchen aufweist (vgl. D1, Seite 6, Zeile 38 - Seite 7, Zeile 2).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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