T 2296/11 () of 1.2.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T229611.20180201
Datum der Entscheidung: 01 Februar 2018
Aktenzeichen: T 2296/11
Anmeldenummer: 06830229.8
IPC-Klasse: B81B 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MIKROMECHANISCHES BAUELEMENT MIT KAPPE MIT VERSCHLUSS
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag: Unzulässige Erweiterung (ja), Klarheit (nein), Ausführbarkeit (nein)
Hilfsantrag: Neuheit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06830229.8 zurückgewiesen worden ist.

II. Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurden u.a. folgende Druckschriften genannt:

D1: FR 2 864 340 A

D5: US 2005 018 4382 A

D6: WO 01 58804 A.

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung in Bezug auf den damals geltenden Antrag die Auffassung, dass

- der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ),

- Anspruch 1 nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ 1973),

- der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D6 nicht neu sei (Artikel 54 (1) EPÜ 1973) und

- der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 9 gegenüber der Offenbarung der Druckschriften D1 und D5 nicht erfinderisch sei (Artikel 56 EPÜ 1973).

III. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin einen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und einen Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 3) gemäß Hilfsantrag eingereicht.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage folgender Anspruchssätze zu erteilen:

- Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zusammen mit "den übrigen geltenden Ansprüchen 2-11", oder

- Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag.

IV. Die Kammer hat in ihrer mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung vom 13. November 2017 ihre vorläufige Auffassung dargelegt.

V. Mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2017 hat die Beschwerdeführerin der Kammer mitgeteilt, dass sie nicht plante an der angesetzten mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

VI. Am 1. Februar 2018 hat die mündliche Verhandlung vor der Kammer in Abwesenheit der Beschwerdeführerin stattgefunden.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VII. Der Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag lautet wie folgt:

"Mikromechanisches Bauelement mit einem Substrat, mit einer Kaverne (10) und mit einer Kappe, welche die Kaverne (10) begrenzt, wobei die Kappe eine Zugangsöffnung (160, 161, 162) zur Kaverne (10) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- die Kappe eine Membran (2b) zum Verschluss der Zugangsöffnung (160, 161, 162) aufweist, dass

- die Membran (2b) durch einen induzierten Druckunterschied zwischen der Kaverne (10) und einer Umgebung des Bauelements, oder durch eine induzierte elektrostatische Kraftwirkung, an einen Teil der Zugangsöffnung (160, 161, 162) anlegbar ist, und dass

- die Zugangsöffnung (160) von aussen mittels Füllmaterial (70) verschlossen ist."

Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Mikromechanisches Bauelement mit einem Substrat, mit einer Kaverne (10) und mit einer Kappe, welche die Kaverne (10) begrenzt,

- wobei die Kappe eine Zugangsöffnung (160, 161, 162) zur Kaverne (10) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

- die Kappe eine Membran (2b) zum Verschluss der Zugangsöffnung (160, 161, 162) aufweist,

- wobei die Kappe eine Dünnschichtkappe ist,

- wobei die Membran (2b) in wenigstens einer Schicht (2) innerhalb der Kappe angeordnet ist."

Entscheidungsgründe

1. Nichterscheinen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung

Die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin erschien, wie angekündigt, nicht in der mündlichen Verhandlung. Gemäß Regel 115 (2) EPÜ konnte das Verfahren jedoch ohne sie fortgesetzt werden. In Anwendung des Artikels 15 (3) VOBK berücksichtigte die Beschwerdekammer für ihre Entscheidung nur das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdekammer war nicht verpflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung wegen des Nichterscheinens der Beschwerdeführerin aufzuschieben (Artikel 15 (3) VOBK). Die Kammer konnte auch am Ende der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Sache entscheidungsreif war (Artikel 15 (5) und (6) VOBK).

2. Die Beschwerde ist zulässig.

3. Hauptantrag - Anspruch 1

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist auf ein mikromechanisches Bauelement gerichtet, das u.a. eine Kaverne und eine Zugangsöffnung zur Kaverne sowie "eine Membran zum Verschluss der Zugangsöffnung" aufweist, wobei "die Membran [...] zwischen der Kaverne und einer Umgebung des Bauelements, oder [...] an einen Teil der Zugangsöffnung (160, 161, 162) anlegbar ist" und "die Zugangsöffnung (160) von aussen mittels Füllmaterial (70) verschlossen ist".

Der Anspruch besteht im Wesentlichen aus einer Kombination der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 7, die auf ein verschlossenes, mikromechanisches Bauelement gerichtet waren, mit den Merkmalen der ursprünglichen abhängigen Ansprüche 11 und 12, die auf ein Verfahren zum Verschließen eines mikromechanischen Bauelements gerichtet waren. Die beanspruchte Merkmalskombination ist aber in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart (Artikel 123 (2) EPÜ), weil das beanspruchte Merkmal, wonach "die Membran [...] an einen Teil der Zugangsöffnung (160, 161, 162) anlegbar ist", ein zu verschließendes Bauelement betrifft (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Ansprüche 11 und 12, und Beschreibung, Seite 3, Zeile 29 bis Seite 4, Zeile 5), und die ursprünglich eingereichte Anmeldung keine Offenbarung enthält, wonach in dem beanspruchten verschlossenen Bauelement die Membran an einen Teil der Zugangsöffnung noch "anlegbar" wäre.

Außerdem ist das Merkmal des Anspruchs 1, wonach die Membran in dem beanspruchten, verschlossenen Bauelement an einen Teil der Zugangsöffnung noch "anlegbar" ist, nicht durch die Beschreibung i.S.v. Artikel 84 EPÜ 1973 gestützt.

Zudem ist Anspruch 1 nicht klar (Artikel 84 EPÜ 1973) bzw. die im Anspruch 1 beanspruchte Erfindung nicht ausführbar (Artikel 83 EPÜ 1973), weil die Membran u.a. "durch einen induzierten Druckunterschied zwischen der Kaverne (10) und einer Umgebung des Bauelements [...] anlegbar" sein soll, und dieses Merkmal voraussetzt, dass die Zugangsöffnung - im Widerspruch zu dem beanspruchten Merkmal "die Zugangsöffnung (160) [zur Kaverne] von aussen mittels Füllmaterial (70) verschlossen ist" - nicht verschlossen ist.

Daher ist die Kammer der Auffassung, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag weder die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, noch die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 erfüllt.

4. Hilfsantrag - Anspruch 1

Die Druckschrift D6 offenbart ein mikroelektronisches Bauelement (Zusammenfassung und Fig. 2e, zusammen mit Seite 10, Zeilen 20 bis 23) mit einem Substrat (Substrat 1, siehe auch Seite 6, Zeilen 2 bis 5), mit einer Kaverne (Kaverne 6, siehe Seite 6, Zeilen 5 bis 8) und mit einer Kappe (Deckschicht 10', Deckschicht 14', und Verschlussschicht 25; siehe auch Seite 3, Zeilen 7 bis 12), welche die Kaverne begrenzt (siehe Fig. 2e). Außerdem weist die Kappe eine Zugangsöffnung (Zugangsöffnung 15, und Seite 12, Zeilen 6 bis 15) zur Kaverne auf, sowie eine Membran (siehe den mit einer Lochanordnung strukturierten Teil der zwischen 0,5 und 10 mym dicken, unter intrinsischer Zuspannung stehenden Deckschicht 10', vgl. Seite 7, Zeilen 4 bis 20), die u.a. dazu dient, die Zugangsöffnung zu verschließen (Vgl. Fig. 2d und Seite 12, Zeilen 1 bis 20).

Außerdem besteht die Kappe des mikromechanischen Bauelements der Druckschrift D6 (siehe Fig. 2e) aus einer Mehrschichtstruktur (Seite 3, Zeilen 7 bis 12), die als Dünnschichtkappe ausgestaltet ist (Seite 7, Zeilen 10 bis 12, und Seite 8, Zeilen 22 bis 26). Die Membran besteht aus einem mit einer Lochanordnung strukturierten Teil der Deckschicht 10' der Kappe (Seite 7, Zeilen 4 bis 20), sodass die Membran in einer Schicht (Schicht 10') innerhalb der Kappe angeordnet ist.

Daraus folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag durch das Bauelement nach der Druckschrift D6 neuheitsschädlich vorweggenommen ist (Artikel 54 (1) EPÜ 1973).

5. Die oben unter Nr. 3 und 4 dargelegte Auffassung der Kammer entspricht im Wesentlichen der im Ladungsbescheid geäußerten vorläufigen Auffassung der Kammer, in der die Argumente der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung bereits berücksichtigt wurden. Die Beschwerdeführerin hat sich zu dieser vorläufigen Auffassung der Kammer nicht geäußert und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen, sodass gegenüber der vorläufigen Auffassung der Kammer nach dem Ladungsbescheid kein neues Vorbringen zu berücksichtigen ist.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin, ein Patent auf der Grundlage des vorliegenden Haupt- oder Hilfsantrags zu erteilen, aus den oben angegebenen Gründen (vgl. Nr. 3 und 4) nicht stattgegeben werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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