European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T221111.20140708 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Juli 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2211/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04405764.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B32B 27/08 B32B 27/34 C08L 77/00 F16L 11/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Thermoplastischer Mehrschichtverbund | ||||||||
Name des Anmelders: | EMS-CHEMIE AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Evonik Degussa GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden Evonik Degussa GmbH richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 541 336 der Firma EMS-Chemie AG in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
II. Die Einsprechende hatte ihren Einspruch auf die Gründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ gestützt, dass der beanspruchte Gegenstand weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und den Widerruf des Patents beantragt. Zur Stütze ihres Vorbringens hatte sie auf folgende Dokumente verwiesen:
D1 EP 1 217 041 A2
D2 WO 98/08679 A2
D3 Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology,
4th Ed., vol. 19, John Wiley & Sons
1996, pp. 473-475
D4 DE 196 33 133 C1
D5 EP 1 188 552 A2
D6 EP 1 065 048 A2.
III. Die am 22. Juni 2011 mündlich verkündete und am 14. Juli 2011 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung basierte auf dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Satz von Ansprüchen 1 bis 32 gemäß Hauptantrag, dessen Anspruch 1 wie folgt lautete:
"1. Thermoplastischer Mehrschichtverbund (4) aufgebaut aus wenigstens einer ersten Schicht (1) auf Basis von Flurpolymeren, sowie wenigstens einer weiteren, wenigstens bereichsweise unmittelbar an die erste Schicht grenzenden zweiten Schicht (2) dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Schicht (2) auf Basis von Polyamid/Polyamin-Copolymeren aufgebaut ist."
Die Ansprüche 2 bis 21 waren abhängige Produktansprüche.
Anspruch 22 war auf die Verwendung der Schicht (2) auf Basis von Polyamid/Polyamin-Copolymeren als haftende Schicht zu Fluorpolymersubstraten (1) und Anspruch 23 auf bestimmte Verwendungen des Mehrschichtverbundes (4) gemäß Anspruch 1 bis 21 insbesondere im Kraftfahrzeugbereich gerichtet.
Die Ansprüche 24 bis 30 betrafen Polymerleitungen umfassend einen Mehrschichtverbund (4) nach einem der Ansprüche 1 bis 21 und die Ansprüche 31 und 32 ein Verfahren zur Herstellung von Hohlkörpern aus einem Mehrschichtverbund (4) gemäß einem der Ansprüche 1 bis 21. Die Streichung des Wortes "insbesondere" im Anspruch 31 war die einzige Änderung gegenüber der erteilten Anspruchsfassung.
IV. Nach Ansicht der Einspruchsabteilung war der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber der Offenbarung in D1, D2, D4 und D5 und für den Fachmann, ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik, auch nicht nahegelegt.
V. Am 13. September 2011 legte die Einsprechende (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde ein und begründete diese mit Schreiben von 14. November 2011. Die Beschwerdeführerin widersprach der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass der Anspruchsgegenstand gegenüber D1, D2, D4 und D5 neu sei und im Lichte von D6 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Im Unterschied zur Einspruchsabteilung sah die Beschwerdeführerin D4 als nächstliegenden Stand der Technik für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an.
VI. Die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) erwiderte mit Schreiben vom 11. Mai 2012 und reichte einen Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 1 ein. Die Beschwerdeführerin antwortete mit Schreiben vom 17. August 2012 und erhob gegen die Änderung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zusätzlich einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ.
VII. Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung nahm die Kammer im Bescheid vom 3. März 2014 zu den strittigen Punkten der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit vorläufig Stellung.
Bezüglich der Neuheit wurden folgende kritischen Punkte angesprochen:
- Es sei die Frage zu klären, ob die Offenbarung in Absatz [0034] der D1 vom Fachmann eindeutig in dem Sinne verstanden werde, dass die Flurpolymer-Sperrschicht unmittelbar an die Polyamid/Polyamin-Copolymerschicht angrenzt;
- Es sei zu klären, ob das im Beispiel 7 der D2 beschriebene Mischen von Nylon 12 mit einer wässrigen Lösung von Polyallyamin bei 230°C zu einer Reaktion im Sinne einer Copolymerisation führt;
- D4 und D5 offenbarten das Mischen von Polyamid mit Polyethylenimin, wobei in D4 unter anderem ein Schmelzmischen beschrieben sei. Es müsse diskutiert werden, ob dabei eine Copolymerisation stattfindet.
Im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit tendierte die Kammer dazu, D6 als nächstliegenden Stand der Technik anzusehen, da das Dokument die Haftvermittlereigenschaften eines Polyamid/Polyamin-Copolymeren beschreibe. Die Kammer verwies insbesondere auf die Passage auf Seite 5, Zeilen 6-8, woraus hervorgehe, dass das Polyamid/Polyamin-Copolymer nicht nur für die Haftvermittlung zu Polyester-Schichten geeignet, sondern auch universeller einsetzbar sei.
VIII. Die Beschwerdegegnerin antwortete mit Schreiben vom 28. April 2014 und reichte, im Hinblick auf den Bescheid der Kammer, weitere Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 5 ein.
IX. Am 8. Juli 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Nach Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit und Ankündigung der Kammer, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch sei, verzichtete die Beschwerdegegnerin auf die Hilfsanträge 1 und 2 und zog schließlich auch den Hauptantrag zurück. Die weitere Diskussion erfolgte auf der Basis des Anspruchs 1 des aus 25 Ansprüchen bestehenden Hilfsantrags 3. Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:
"1. Thermoplastischer Mehrschichtverbund (4) aufgebaut aus wenigstens einer ersten Schicht (1) auf Basis von Fluorpolymeren, sowie wenigstens einer weiteren, unmittelbar an die erste Schicht grenzenden zweiten Schicht (2) dadurch gekennzeichnet, dass
die zweite Schicht (2) auf Basis von Polyamid/Polyamin-Copolymeren aufgebaut ist, und dass die Formmasse der zweiten Schicht (2) Polyamin in Form von Polyethylenimin in einer Menge von 0.2 bis 5 Gew.-% als Cokomponente im Polyamid/Polyamin-Copolymer enthält,
wobei es sich um einen Mehrschichtverbund in Form eines Hohlkörpers handelt, und wobei es sich bei der ersten Schicht (1) um eine der Innenseite des Hohlkörpers zugewandte Schicht handelt,
wobei die zweite Schicht (2) unmittelbar an eine dritte, wenigstens mittelbar der Außenseite des Hohlkörpers zugewandte Schicht (3) auf Basis von Polyamiden grenzt, wobei die Polyamid/Polyamin-Copolymere der zweiten Schicht (2) und die Polyamide der dritten Schicht (3) wenigstens teilweise ähnlich sind, indem wenigstens 95% der dem Polyamid zugrundeliegenden Monomere der zweiten Schicht (2) und der dritten Schicht (3) identisch sind
und wobei die Schichten (1,2,3) im wesentlichen vollflächig unmittelbar aneinander grenzen."
Die Ansprüche 2 bis 16 sind abhängige Produktansprüche. Anspruch 17 betrifft die Verwendung des Mehrschichtverbundes nach einem der Ansprüche 1 bis 16 als medienführende Leitungen oder Behälter insbesondere im Kraftfahrzeugbereich. Die Ansprüche 18 bis 23 sind auf eine Polymerleitung umfassend einen Mehrschichtverbund nach einem der Ansprüche 1 bis 16 und die Ansprüche 4 und 15 auf ein Verfahren zur Herstellung eines Hohlkörpers aus einem thermoplastischen Mehrschichtverbund nach einem der Ansprüche 1 bis 16 gerichtet.
X. Die Argumente der Parteien, soweit sie für die Entscheidung relevant sind, werden nachfolgend zusammengefasst. Da die Beschwerdeführerin bezüglich des Hilfsantrags 3 keine Einwände zur Neuheit hatte und auch die Änderungen nicht unter Artikel 84 und 123(2) beanstandete, werden im Folgenden nur die Argumente zur erfinderischen Tätigkeit aufgeführt.
XI. Argumente der Beschwerdeführerin
Nächstliegender Stand der Technik ist das Dokument D6.
D6 betrifft einen Mehrschichtverbund aus einer Schicht I aus einer thermoplastischen Formmasse, bevorzugt Polyamid, und einer mittels eines Haftvermittlers auf Basis eines Polyamid/Polyamin Pfropfcopolymeren mit der Schicht I verbundenen Schicht II aus einer weiteren thermoplastischen Formmasse.
Die Polyamin-Komponente des Haftvermittlers kann beispielsweise Polyethylenimin sein und in einer Menge von 0,5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Polyamid/Polyamin Pfropfcopolymer, einpolymerisiert sein (Abschnitte [0013] und [0015]). Die Offenbarung im Abschnitt [0006], dass ein fester Verbund zwischen den verschiedenen Polymeren gewünscht ist, impliziert, dass eine vollflächige Angrenzung der Schichten angestrebt wird. Der Verbund kann als Hohlkörper ausgebildet sein und im Kraftfahrzeugbereich, beispielsweise als Kraftstoffleitung, Verwendung finden und in dieser Eigenschaft eine Sperrschicht gegenüber Kraftstoff als Schicht II aufweisen (Abschnitt [0051]).
Zwar ist gemäß D6 die bevorzugte Schicht II ein Polyester, jedoch ergibt sich zweifelsfrei aus dem Abschnitt [0029], dass sich das Polyamid/Polyamin-Copolymer nicht nur als Haftvermittler für Polyester eignet, sondern universeller einsetzbar ist, beispielsweise für die Haftvermittlung zwischen Polyamid und einem von Polyamid verschiedenen Polymer.
D6 offenbart auch, dass die Schicht II der Innenseite des Hohlkörpers zugewandt und zusätzlich elektrisch leitfähig ausgerüstet sein kann (Abschnitte [0053] und [0057]. Diese Anordnung entspricht der Ausführungsform gemäß Anspruch 23 des Hilfsantrags 3.
Damit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 im wesentlich nur dadurch, dass als Sperrschicht eine Schicht auf Basis von Fluorpolymeren eingesetzt wird. Das der Erfindung zugrunde liegende Problem ist daher in der Bereitstellung eines alternativen Mehrschichtverbundes zu sehen.
Es ist jedoch im Stand der Technik bekannt, dass Formmassen auf Basis von Fluorpolymeren im Kraftfahrzeugbereich als Sperrschichten für Kraftstoffkomponenten eingesetzt werden. Beispielsweise werden in D1 (Abschnitt [0034]) und D4 (Spalte 3, Zeilen 5 bis 17) unter anderem Fluorpolymere in Hohlkörpern als Sperrschicht gegenüber Kraftstoffkomponenten (beispielsweise in Kraftstoffleitungen/schläuchen) eingesetzt. Damit bestand für den Fachmann ein Anreiz, die in D6 offenbarte Universalität des Haftvermittlers auf Basis von Polyamid/Polyamin-Pfropfcopolymeren zwischen Polyamid und einem anderen Polymer auch für Fluorpolymere als alternatives Polymer zu testen.
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welche zusätzliche Aufgabe durch das weitere anspruchsgemäße Merkmal gelöst wird, dass die Polyamidkomponenten der Schicht (3) und der Haftvermittlerschicht (2) eine wenigstens 95%-ige Identität aufweisen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher durch eine Kombination von D6 mit D1 oder D4 nahegelegt.
XII. Argumente der Beschwerdegegnerin
Der Mehrschichtverbund gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist durch eine Vielzahl von Merkmalen charakterisiert:
a) Das Polyamin ist Polyethylenimin und ist in einer spezifischen, relativ geringen, Menge als Cokomponente im Polyamid/Polyamin-Copolymeren ausgewählt.
b) Der Mehrschichtverbund ist ein Hohlkörper.
c) Die Fluorpolymerschicht befindet sich auf der Innenseite des Hohlkörpers.
d) Die Polyamid/Polyamin-Haftvermittlerschicht grenzt unmittelbar an eine der Außenseite des Hohlkörpers zugewandte Polyamid-Schicht.
e) Alle drei Schichten (1,2,3) grenzen im wesentlichen vollflächig aneinander.
f) Zwischen der Polyamid-Komponente der Haftvermittlerschicht (2) und dem Polyamid der Außenschicht (3) besteht eine zumindest 95%ige Identität.
Diese Merkmalskombination ist aus einer Kombination von D6 mit D1 oder D4 aus folgenden Gründen nicht nahegelegt:
- Gemäß D6 (Abschnitt [0013]) ist der Anteil an Polyamin 0,5 bis 25 Gew.-% bezogen auf das Pfropfcopolymer und umfasst daher einen deutlich größeren als den beanspruchten Bereich. Der Fachmann müsste aus diesem Bereich daher einen unteren Bereich bis maximal 5 Gew.-% auswählen.D6 ist nicht auf Hohlkörper beschränkt; alle Beispiele sind als flächige Mehrschichtverbunde (Folien, Platten) gearbeitet. Damit muss der Fachmann eine weitere Auswahl treffen.
- Die Schicht II in D6 muss nicht notwendigerweise die Innenseite eines Hohlkörpers sein. Abschnitt [0057] offenbart auch Varianten, in denen diese Schicht auf der Außenseite oder in der Mitte sein kann.
- Die Schicht I in D6 muss nicht notwendigerweise ein Polyamid sein, geschweige denn eine 95%ige Ähnlichkeit zur Polyamid-Komponente des Haftvermittlers aufweisen.
Abschnitt [0011] von D6 weist zudem darauf hin, dass wegen der Unverträglichkeit vieler Polymerwerkstoffe das Haftvermittlersystem speziell an die zu verbindenden Polymere angepasst werden muss. Da D6 als Schicht II Polyester als die mit dem Polyamid/Polyamin Haftvermittler zu verbindende Schicht II favorisiert, ist kein Anreiz zu sehen, denselben Haftvermittler auch für das bekanntermaßen mit anderen Polymeren schlecht verträgliche Fluorpolymer einzusetzen. Dies umso mehr, als D4 ein anderes Haftvermittlersystem, nämlich eines auf Basis eines Blends von Polyamid und Polyamin, als für Fluorpolymere geeignet ansieht, welches wiederum für Polyester ungeeignet ist, wie das Vergleichsbeispiel 2 in D6 (Abschnitte [0072/73]) zeigt.
Auch D1 kann keinen weiteren Beitrag zum Naheliegen der Erfindung leisten, da sich D1 zum einen nicht mit der Haftung zwischen Polymerschichten befasst und zum anderen Fluorpolymer nur als eine Möglichkeit aus der Liste: Polyester, EVOH und Fluorpolymer angibt. Es gibt keinen Hinweis in D1, der den Fachmann veranlassen würde, bevorzugt Fluorpolymer zu nehmen.
XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XIV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 25 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schreiben vom 28. April 2014.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Entscheidung basiert auf den Ansprüchen 1 bis 25 gemäß Hilfsantrag 3. Da die Beschwerdeführerin gegen die Änderungen in den Ansprüchen keine Einwände unter Artikel 84 und 123(2)/(3) EPÜ hatte, und auch die Kammer diesbezüglich keine Beanstandungen hat, wird darauf nicht näher eingegangen.
3. Neuheit
Wie im Punkt XI ausgeführt, wird der Mehrschichtverbund gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 durch die Merkmalskombination a) bis f) charakterisiert. Diese Merkmalskombination ist in keinem der zitierten Dokumente des Standes der Technik offenbart. Die Beschwerdeführerin hatte bezüglich des Gegenstands des Anspruchs 1 keine Einwände gegen die Neuheit. Der Mehrschichtverbund gemäß Anspruch 1 und damit auch der abhängigen Ansprüche 2 bis 16 ist daher neu.
Da sich die Verwendung gemäß Anspruch 17, die Polymerleitung gemäß Anspruch 18 sowie das Verfahren zur Herstellung eines Hohlkörpers gemäß Anspruch 24 auf den Anspruch 1 rückbeziehen, ist der Gegenstand dieser Ansprüche sowie der davon abhängigen Ansprüche 19 bis 23 und 25 ebenfalls neu.
Damit ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 25 gemäß Hilfsantrag 3 neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die Erfindung betrifft einen thermoplastischen Mehrschichtverbund, der eine erste Schicht auf Basis eines Fluorpolymeren und eine unmittelbar daran angrenzende zweite Schicht auf Basis eines Polyamid/Polyamin Copolymeren umfasst (Patentschrift, Abschnitt [0001]). Die Polyamid/Polyamin-Copolymer-Schicht soll mit thermoplastisch verarbeitbaren Fluorpolymeren unmittelbar kraftschlüssig verbindbar sein und zudem als Haftvermittlerschicht zu Schichten auf Basis von Polyamiden dienen. Die Schichten des Mehrschichtverbunds sollen kraftschlüssig aufeinander haften und dem Mehrschichtverbund eine hohe Beständigkeit insbesondere gegenüber Kraftstoffen verleihen (Abschnitt [0019]).
4.2 Das Dokument D6 betrifft einen thermoplastischen Mehrschichtverbund, bei dem eine erste thermoplastische Schicht (Schicht I) mittels einer Haftvermittler-Schicht auf Basis eines Polyamid/Polyamin-Propfcopolymeren mit einer zweiten thermoplastischen Schicht (Schicht II) verbunden ist (Abschnitt [0013]). Gemäß Abschnitt [0012] soll ein Mehrschichtverbund bereitgestellt werden, bei dem auch im Kontakt mit Reagenzien wie z.B. Kraftstoff, Lösemitteln, Ölen und Fetten sowie bei höherer Temperatur die Schichthaftung über lange Zeit erhalten bleibt. Im Abschnitt [0006] wird betont, dass es wünschenswert wäre, einen festen Verbund zwischen verschiedenen Polymeren herzustellen und dass damit unter anderem auch die Möglichkeit bestünde, Kraftstoffleitungen aus Polyamid und einer Sperrschicht gegenüber Kraftstoff zu versehen. Beispielhaft wird ein Dreierverbund aus Polyamid, Polyamid/Polyamin-Propfcopolymer und Polyester genannt.
Obwohl sich sämtliche Beispiele in D6 auf Verbunde aus Polyamid und Polyester beziehen, die mittels des Haftvermittlers auf Basis des Polyamid/Polyamin-Pfropfcopolymeren verbunden sind, geht aus der Offenbarung in Abschnitt [0029], insbesondere auf Seite 5, Zeilen 6 bis 8 hervor, dass der Haftvermittler universeller einsetzbar ist und auch eine Polyamid-Schicht mit einer weiteren Schicht, die kein Polyamid ist, verbinden kann.
Wörtlich heißt es: "Erfindungsgemäße Ausführungsformen sind beispielsweise ... - Ein Mehrschichtverbund, der eine Schicht aus einer Polyamidformmasse enthält, die durch den erfindungsgemäßen Haftvermittler mit einer Schicht aus einer anderen Formmasse verbunden ist, welche auf einem Polymeren basiert, das kein Polyamid ist."
D6 liegt daher auf demselben technischen Gebiet wie die Lehre des Patents und betrifft die selbe Problematik der Haftung zwischen verschiedenen Polymeren. Das Dokument D6 ist somit als der nächstliegende Stand der Technik zu betrachten. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung auch von der Beschwerdeführerin, in Abweichung von ihrem schriftlichen Vortrag, so gesehen.
4.3 In der mündlichen Verhandlung wurde im Hinblick auf die Änderungen in den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 3 das im Lichte von D6 durch die beanspruchte Erfindung zu lösende Problem diskutiert. Die Beschwerdegegnerin sah die Aufgabe der Erfindung in der Bereitstellung eines thermoplastischen Mehrschichtverbundes, der insbesondere als Kraftstoffkomponente geeignet ist und mittels eines Polyamid/Polyamin-Haftvermittlers einen festen Verbund zwischen einer alternativen Sperrschicht und einer Polyamidschicht bildet, wobei die Haftung zur Polyamidschicht nochmals verbessert ist.
4.4 Als Lösung dieses Problems wird gemäß Anspruch 1 ein Mehrschichtverbund vorgeschlagen, der im Unterschied zu dem Mehrschichtverbund in D6 folgende Merkmale aufweist:
a) Der Anteil des Polyamins in der Polyamid/Polyamin Haftvermittlerkomponente ist relativ niedrig (0,2 bis 5 Gew.-%).
b) Die Sperrschicht ist eine der Innenseite eines Hohlkörpers zugewandte Schicht auf Basis eines Fluorpolymeren.
c) Die der Polyamidkomponente der Haftvermittlerschicht und dem Polyamid der Polyamidschicht zugrundeliegenden polyamidbildenden Monomeren besitzen eine wenigstens 95%ige Identität.
d) Alle drei Schichten grenzen vollflächig unmittelbar aneinander.
4.5 In den Beispielen 1 bis 6 und dem Vergleich 1 gemäß Tabelle 2 der Patentschrift werden die Haftkräfte zwischen verschiedenen Haftvermittler-Schichten und einer Fluorpolymer-Schicht verglichen. Die Beispiele 1 bis 6 zeigen, dass der anspruchsgemäße Polyamid/Polyamin Haftvermittler auf Basis von Laurinlactam/Polyethylenimin (Lupasol) mit einem relativ niedrigen Polyethylenimin-Anteil zwischen 0,375 und 0,5 Gew.-% (Lupasol G ist eine 50%ige Lösung) eine wesentlich höhere Haftung zur Fluorpolymerschicht bewirkt als ein Haftvermittler auf Basis von Laurinlactam und einem Hexamethylendiamin-Kettenregler (20 N gegenüber 3 N, siehe Erläuterung auf S. 8 unten der Patentschrift).
Weiterhin wird im Abschnitt [0065] ausgesagt, dass die Haftung zwischen einem Polyamid 12/Polyamin Copolymeren und einer Polyamid 12 Außenschicht - d.h. bei praktisch 100%iger Identität der Polyamidkomponente des Haftvermittlers mit dem Polyamid der Außenschicht - die Haftung so groß ist, dass keine Trennung der Schichten mehr möglich ist.
Daraus lässt sich schließen, dass die Aufgabe plausibel gelöst wird.
4.6 Naheliegen
4.6.1 Gemäß D6 ist die bevorzugte Sperrschicht eine Polyesterschicht. Obwohl sich aus der Offenbarung auf Seite 5, Zeilen 5 bis 8 eine universellere Einsetzbarkeit des Polyamid/Polyamin-Pfropfcopolymeren ableiten lässt (siehe Punkt 4.2) enthält D6 keinen Hinweis, der den Fachmann dazu veranlassen könnte, aus der Vielzahl möglicher Sperrschichten für Kraftstoffe gezielt ein Fluorpolymer auszuwählen. D6 allein kann daher den beanspruchten Mehrschichtverbund nicht nahelegen.
4.6.2 In D4 wird die Verwendung eines Fluorpolymeren als Sperrschicht in einem mehrschichtigen Kunststoffrohr, das insbesondere zur Förderung von Kraftstoffen geeignet ist, vorgeschlagen. Gemäß Spalte 1, Zeilen 3 bis 11 ist diese permeationsarme Sperrschicht (Schicht 1) gut mit einer zweiten Schicht (Schicht 2) aus einem Thermoplast verbunden. Dieser Thermoplast ist gemäß Spalte 3, Zeilen 5 bis 32 ein Polyamid, das zur Verbesserung der Haftung mit der innenliegenden Fluorpolymer-Sperrschicht (siehe Figuren 1 und 2) mit Polyethylenimin behandelt ist. Eine weitere Polyamidschicht (Schicht 3) kann sich an die Schicht 2 anschließen (Spalte 3, Zeilen 39/40).
D4 enthält jedoch keinen Hinweis, dass die Behandlung des Polyamids mit dem Polyamin in der Schicht 2 unter Bedingungen erfolgen soll, dass eine Copolymerisation stattfindet. Das in Spalte 3, Zeile 29 erwähnte Schmelzmischen wird in einem Zug mit einem Granulieren beider Materialien oder einem Tränken des einen Materials mit dem anderen genannt (Spalte 3, Zeilen 25 bis 32). Der Fachmann musste daher davon ausgehen, dass es bereits genügt, das Polyamid mit dem Polyamin oberflächlich zu behandeln, um eine optimale Haftung zu einer Fluorpolymerschicht 1 einerseits und einer an die Haftvermittlerschicht 2 angrenzenden Polyamidschicht 3 andererseits zu erzielen. Er hatte somit keine Veranlassung, von dieser Dreierkombination abzuweichen und beispielsweise den Polyester in der in D6 bevorzugten Dreierkombination aus Polyamid, Polyamid/Polyamin-Pfropfcopolymer und Polyester durch Fluorpolymer zu ersetzen.
4.6.3 Auch D5 leistet keinen Beitrag, der die erfinderische Tätigkeit in Kombination mit D6 infrage stellen könnte. Für den darin beschriebenen Kraftstoffschlauch wird ein ähnliches Haftvermittlersystem zu Fluorpolymer wie in D4, in Form einer "Mischung aus einem Polyamid und Polyethylenimin" als Zwischenschicht (5), verwendet. Zudem ist gemäß Figur 1 die Fluorpolymer-Sperrschicht (3) nicht der Innenseite des Schlauchs zugewandt sondern ist weiter außen liegend positioniert und mit einer innenliegenden Polyamid-Trägerschicht (2) mittels der Zwischenschicht (5) verbunden (Abschnitt [0023]).
4.6.4 D1 erwähnt blasgeformte Artikel (Hohlkörper), aus einer Formmasse auf Basis eines Polyamin/Polyamid-Copolymeren (Ansprüche1, 1, 8 bis 10), die auch eine Sperrschicht gegenüber Kraftstoffkomponenten besitzen können (Abschnitt [0034]). Fluorpolymer ist beispielhaft neben Polyester und EVOH genannt. Gemäß Abschnitt [0033] kann die Formmasse auch zu einem Mehrschichtverbund (z.B. durch Coextrusionsblasformen) verarbeitet werden.
D1 befasst sich jedoch überhaupt nicht mit der Verbesserung der Haftfähigkeit zwischen Polymerschichten, sondern hat die Erzielung einer hohen Schmelzesteifigkeit und guten Blasformbarkeit der Formmasse (Abschnitt [0031]) zum Ziel. Damit kann der Fachmann, der die Absicht hat, eine Sperrschicht besonders fest an eine weitere Schicht in einem Mehrschichtverbund zu binden, keine Anregung entnehmen, diese weitere Schicht aus einem Polyamid auszuwählen, das eine hohe Ähnlichkeit zur Polyamidkomponente des Polyamin/Polyamid-Copolymeren aufweist.
4.7 Der Mehrschichtverbund gemäß Anspruch 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 16 des Hilfsantrags 3 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt auch für die Verwendung gemäß Anspruch 17, die Polymerleitung gemäß den Ansprüchen 18 bis 23 und das Verfahren gemäß den Ansprüchen 24 und 25, die sich auf den Mehrschichtverbund gemäß den Ansprüchen 1 bis 16 beziehen.
5. Die Ansprüche 1 bis 25 des Hilfsantrags 3 sind daher gewährbar. Damit brauchte auf die nachgeordneten Hilfsanträge 4 und 5 nicht mehr eingegangen zu werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent auf Basis der Ansprüche 1 bis 25, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 28. April 2014, gegebenenfalls unter entsprechender Anpassung der Beschreibung und der Zeichnung, aufrechtzuerhalten.