European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T220411.20140808 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 August 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2204/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08002187.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G05B 9/02 G05B 23/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Überwachung eines Geräts oder einer Anlage mit sicherheitsgerichteter Funktion und zugehöriges Verfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Mangelnde Klarheit (Hauptantrag) - bejaht Zulässigkeit (Hilfsanträge 2 und 3) - verneint |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 08002187.6 auf der Grundlage des Artikels 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) und (2) EPÜ und des Artikels 84 EPÜ zurückzuweisen.
Die Prüfungsabteilung gelangte zu dem Ergebnis, dass
D1: WO 03/038325 A
alle Merkmale der Ansprüche 1-17 eines Hauptantrags zeige und dass die Ansprüche 2, 3, 11 und 12 des Hauptantrags nicht klar seien. Weiterhin zeige D1 den Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 eines Hilfsantrags, und die Ansprüche 1, 2, 9 und 10 des Hilfsantrags seien nicht klar.
II. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 17.
III. In der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK hat die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Sache geäußert. Insbesondere wurden von der Kammer Einwände wegen mangelnder Klarheit des Anspruchs 1 erhoben.
IV. In Antwort auf den Bescheid der Kammer reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. Juli 2014, eingegangen am 1. August 2014, Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 ein, wobei die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 den Ansprüchen gemäß dem zuletzt im Prüfungsverfahren befindlichen Hauptantrag entsprechen.
V. Die mündliche Verhandlung fand am 8. August 2014 vor der Kammer statt.
In der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 1 zurück und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 2 und 3 an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurück zu verweisen.
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Überwachung eines Geräts oder einer Anlage mit sicherheitsgerichteter Funktion, gekennzeichnet durch eine Überwachung mit einer parametrierbaren Überwachungsfunktion, die zur Auslösung eines Zustandswechsels des Geräts oder der Anlage nach mindestens einem vorgegebenen Kriterium zum Test der sicherheitsgerichteten Funktion dient und die eine Optimierung der Planung und Durchführung der erforderlichen Tests zum Nachweis der Sicherheitsfunktion durch eine Anzeige des Testbedarfs ermöglicht."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:
"Verfahren zur Überwachung eines Geräts oder einer Anlage mit Not-Aus-Funktion, dadurch gekennzeichnet, dass eine parametrierbare Überwachungsfunktion nach mindestens einem vorgegebenen Kriterium zum Test der Not-Aus-Funktion einen sicherheitsgerichteten Zustandswechsel des Geräts oder der Anlage auslöst, und eine Diagnoseanzeige durchführt, wenn der sicherheitsgerichtete Zustandswechsel nicht nach dem mindestens einen vorgegebenen Kriterium ausgelöst wird."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist der Wortlaut "Geräts oder einer Anlage" und der Wortlaut "Geräts oder der Anlage" jeweils durch "Motors" ersetzt.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag: Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
1.1 Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben für den Schutz begehrt wird.
Jedoch ist der Schutz, der durch das Merkmal des Anspruchs 1, dass die Überwachungsfunktion "eine Optimierung der Planung und Durchführung der erforderlichen Tests zum Nachweis der Sicherheitsfunktion durch eine Anzeige des Testbedarfs ermöglicht", erlangt werden soll, unklar, da zumindest der Begriff "Optimierung der Planung" unbestimmt ist.
Der Begriff "Optimierung" erfordert für sein Verständnis die Angabe einer messbaren Größe, die optimiert wird. In diesem Falle soll die "Planung" optimiert werden. Eine "Planung" als solche kann nach allgemeinem Verständnis nicht optimiert werden. Lediglich mit der Planung zusammenhängende Größen, wie z.B. die Kosten der Planung, die Zeitdauer der Planung, können optimiert werden. Eine solche Größe ist jedoch weder im Anspruch angegeben noch ergibt sie sich sonst aus der Anmeldung. Daher gibt der Anspruch nicht an, was optimiert werden soll. Somit ist der Schutzbereich unbestimmt.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang unter Verweis auf Seite 1, Zeilen 11-24 der ursprünglich eingereichten Anmeldung argumentiert, dass die Optimierung der Planung im Hinblick auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Betriebs der Anlage zu verstehen sei. Daher seien Tests z.B. vor Schichtbeginn durchzuführen (Seite 1, Zeilen 19-20). Dies hat aber nichts mit einer "Optimierung der Planung" zu tun sondern bestenfalls mit einer Optimierung der Betriebsabläufe. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschreibung können somit nicht zur Bestimmung des Schutzumfangs herangezogen werden.
1.3 Aus diesen Gründen erfüllt Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ. Somit ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
2. Hilfsanträge 2 und 3: Zulässigkeit (Artikel 13 (1) VOBK)
2.1 Diese Hilfsanträge wurden mit Schreiben vom 31. Juli 2014, eingegangen am 1. August 2014, also eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Bei der Ausübung ihres Ermessens zur Zulässigkeit von Anträgen, die wie im vorliegenden Fall erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, berücksichtigt die Kammer, gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern, ob diese Anträge eindeutig gewährbar sind.
2.2 Anspruch 1 beider Hilfsanträge ist wegen mangelnder Klarheit nicht eindeutig gewährbar. Beide Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Überwachungsfunktion einen "sicherheitsgerichteten Zustandswechsel ... auslöst, und eine Diagnoseanzeige durchgeführt wird, wenn der sicherheitsgerichtete Zustandswechsel nicht ... ausgelöst wird".
2.3 Dieses Merkmal führt zu einem bedingten Widerspruch zwischen Auslösen und Nicht-Auslösen des Zustandswechsels, so dass offen bleibt, welches der Gegenstand ist, für den Schutz begehrt wird (Artikel 84 EPÜ).
Dieser Widerspruch bestand im übrigen bereits in dieser Form im ursprünglichen eingereichten Anspruch 3 in Verbindung mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1, auf den sich dieser zurück bezieht. Für die Prüfungsabteilung war dieser Widerspruch wegen der daraus resultierenden mangelnden Klarheit einer der Zurückweisungsgründe (Punkt 3.2 auf Seite 5 der Entscheidung). Weder die Beschwerdebegründung noch die mit diesen Hilfsanträgen eingereichte Eingabe setzt sich mit diesem Grund erkennbar auseinander.
2.4 In der mündlichen Verhandlung sah die Beschwerdeführerin eine implizite Begründung gegen den Klarheitseinwand durch die Beschränkung der sicherheitsgerichteten Funktion auf eine Not-Aus-Funktion in Verbindung mit den technischen Erklärungen in ihrer Eingabe vom 31. Juli 2014. Die Kammer kann aber weder durch die Beschränkung auf eine Not-Aus-Funktion noch durch die technischen Erklärungen eine Begründung erkennen, die sich in irgendeiner Form mit dem erhobenen Klarheitseinwand befasst. Die Einschränkung auf die Not-Aus-Funktion ist unabhängig von dem Auslösen bzw. Nicht-Auslösen des Zustandswechsels. Es geht lediglich darum, den Zustandswechsel zum Test der Not-Aus-Funktion auszulösen. Die von der Beschwerdeführerin angeführten technischen Erklärungen, insbesondere der zweite Absatz auf Seite 3 der Eingabe vom 31. Juli 2014 ("Ferner wird im geänderten Verfahrensanspruch 1 ein Kriterium genutzt, das vorgibt, wann die Wirksamkeit einer Not-Aus-Funktion zu prüfen ist. Wird dieses Kriterium nicht erfüllt, erfolgt eine Diagnoseanzeige, die dem Benutzer signalisiert, dass zwar keine akute Gefahrensituation vorliegt, jedoch im Sinne eines ordnungsgemäßen Betriebs des Geräts oder der Anlage eine Wirksamkeitsprüfung fällig ist. Dadurch kann der Benutzer den fälligen Wirksamkeitstest zu einem Zeitpunkt durchführen, zu dem ein zwischenzeitlicher Stillstand des Geräts oder der Anlage keine weitergehenden Folgen nach sich zieht, zum Beispiel den Ausfall einer kompletten Fertigungsstraße."), bestätigen lediglich, dass bei Nicht-Erfüllung eines Kriteriums eine Diagnoseanzeige erfolgt, lösen jedoch den obigen Widerspruch nicht auf. Der oben erwähnte Widerspruch bleibt somit bestehen.
2.5 Da die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2 und 3 aus den obigen Gründen nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ zu erfüllen scheinen, sind die Hilfsanträge 2 und 3 nicht eindeutig gewährbar. In Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) VOBK in Hinblick auf den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie lässt die Kammer diese Anträge demzufolge nicht zu.
3. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.